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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur (Vom 16. Oktober 1974)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Am 20. Dezember 1972 verabschiedeten die eidgenössischen Räte fünf dringliche Bundesbeschlüsse über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur. Jene vier Beschlüsse, die sich auf Artikel 89bls Absatz 3 BV stützen und demnach dem obligatorischen Referendum unterstehen, wurden in der Abstimmung vom 2. Dezember 1973 von Volk und Ständen mit grosser Mehrheit angenommen.

Der Bundesrat wird in den einzelnen Bundesbeschlüssen verpflichtet, jährlich einmal die Bundesversammlung über die getroffenen Massnahmen und deren Auswirkungen zu orientieren.

Es handelt sich dabei um folgende Erlasse : - Bundesbeschluss über Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditwesens - Bundesbeschluss über die Erhebung eines Exportdepots - Bundesbeschluss über die Einschränkung der steuerwirksamen Abschreibungen bei den Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden - Bundesbeschluss über Massnahmen zur Stabilisierung des Baumarktes - Bundesbeschluss betreffend die Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne.

Wir gestatten uns, Ihnen nun den zweiten Bericht über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur zu unterbreiten. Gleichzeitig möchten wir zu einigen in parlamentarischen Vorstössen aufgeworfenen Fragen zum Vollzug der dringlichen Massnahmen Stellung nehmen.

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l Übersicht Als sich die konjunkturelle Überhitzung zu Beginn der siebziger Jahre noch verstärkte, sah sich der Bundesrat genötigt, den eidgenössischen Räten ein ganzes Paket zusätzlicher Stabilisierungsmassnahmen zu unterbreiten. Infolge der zu engen und zu einseitig auf die Krisenbekämpfung ausgerichteten konjunkturpolitischen Verfassungsgrundlage mussten die Dämpfungsvorkehren aufgrund von Artikel 89bis Bundesverfassung in der Form dringlicher Bundesbeschlüsse erlassen werden.

Das Hauptziel der fünf Bundesbeschlüsse besteht darin, ein weiteres Auseinanderklaffen von Gesamtnachfrage und Gesamtangebot zu vermeiden und damit gleichzeitig die Preiserhöhungsspielräume einzuengen, sowie gegen die allgemein um sich greifende Inflationsmentalität anzugehen. Im Mittelpunkt der Dämpfungsbemühungen stehen monetäre Restriktionen. Sie wurden ergänzt durch gezielte Massnahmen in den Bereichen der Investitionen und der Preis- und Lohnentwicklung.

Im Zeichen der sich beruhigenden und sowohl regional wie sektoral zum Teil differenzierenden Nachfrageentwicklung bemühten wir uns, die eingesetzten Instrumente flexibel anzuwenden und den sich verändernden Verhältnissen anzupassen. Eine allzu starke Lockerung oder gar eine Aufhebung der Dämpfungsmassnahmen hätte sich indes vom Stabilisierungsziel her nicht verantworten lassen.

Da wir im letztjährigen Bericht ausführlich auf Wesen und Zweck der verschiedenen Erlasse eingingen, können wir uns hier auf die im Berichtsjahr zusätzlich in Kraft getretenen Verordnungen und die Auswirkungen der einzelnen Massnahmen beschränken.

Das erste Kapitel ist der Lage und den Aussichten der internationalen und der schweizerischen Wirtschaft gewidmet. Im eigentlichen Hauptteil kommen die im Rahmen der dringlichen Bundesbeschlüsse getroffenen Massnahmen zur Sprache, während in einem folgenden Kapitel die wichtigsten flankierenden Vorkehren ausserhalb der fünf Erlasse behandelt werden.

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Konjunkturlage und -aussiebten 21 Weltwirtschaftliche Aspekte

In den meisten westlichen Industriestaaten hat sich im ersten Semester 1974 das wirtschaftliche Wachstum stark verlangsamt. Einzelne Länder mussten sogar einen realen Rückgang ihres Bruttosozialproduktes in Kauf nehmen. Dazu haben verschiedene Ursachen sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite beigetragen. Die Abkühlung der wirtschaftlichen Aktivitäten war begleitet von einer fortgesetzten Entspannung auf den Arbeitsmärkten, einer fühlbar abgeschwächten Expansion des Welthandels, einer massiven Umschichtung in den Ertragsbilanzen und einer anhaltend hohen, in diesem Ausmass seit dem Zweiten Weltkrieg nie gekannten Teuerung.

1095 Die OECD, mit der unser Land wirtschafthch eng verflochten ist, prognostiziert fur das laufende Jahr erne Zunahme des realen Bruttosozialproduktes in den 24 ihr angeschlossenen Staaten rm gewogenen Mittel von noch 1 Prozent gegenuber 6,3 Prozent 1973 und 5.3 Prozent im Jahrzehnt 1960/1970 Dabei ist diese Abschwachung auf nahezu alle Nachfragekomponenten zuruckzufuhren Trotz rucklaufiger Konjunktur hat sich der Preis- und Kostenauftrieb noch verstarkt Im Juli 1974 lagen die Konsumguterpreise der OECD-Staaten im Mittel urn 13,3 Prozent uber dem Vorjahresmveau, wahrend damals der Anstieg noch 9,9 Prozent betragen hatte Bei den Teuerungsfaktoren hat sich msoweit erne gewisse Umschichtung ergeben, als der im letzten Jahr einsetzende massive Preisanstieg bei den Rohstoffen nunniehr die Produktionsstufe erreicht hat und die Erzeugerpreise in die Hohe schnellen lasst Daneben uben auch die vielfach mdexierten Lohnkosten ernen steigenden Druck auf das Preismveau aus Uber das im Gefolge des Erdolpreisanstiegs ausgeloste Leistungsbilanzdefizit der OECD-Zone, das im laufenden Jahr auf 40 Milharden US-Dollar geschatzt wird, und die sich daraus ergebenden Probleme des internationalen Zahlungsausgleichs haben wir Sie bereits in unserem dntten Bencht zur Aussenwirtschaftspohtik vom 7 August 1974 (BB11974 II339) onentiert Die anhaltende Teuerung bei nachlassender Beschaftigung stellte die Wirtschaftspohtik der einzelnen Regierungen vor heikle Zielkonflikte In den meisten Staaten wurde wohl erne relativ restriktive Geldpohtik gefuhrt, wahrend die Fiskalpohtik oftmals beschaftigungs- oder regionalpolitischen Zwecken dienstbar gemacht wurde 22

Konjunkturlage in der Schweiz

Die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz verlauft zurzeit unterschiedhch Beruhigungstendenzen im binnenwirtschaftlichen Bereich stehen weiterhm kraftige, von der Auslandnachfrage herruhrende Auftnebstendenzen gegenuber Dabei halten sich die von der laufenden Anpassung erniger Wirtschaftszweige an die veranderten Marktdaten ausgehenden kontraktiven und expansiven Einflusse global etwa die Waage. womit in den meisten Bereichen die hohe Auslastung der verfugbaren Produktionskapazitaten gewahrleistet wurde Die Nachfragesituation weist allerdrngs von Branche zu Branche zunehmende Unterschiede auf Die Lage auf den Finanzmarkten hat sich nach dem teilweisen Stopp fur Kapitalexporte vorubergehend beruhigt, ist aber schon bald nach der Emissionspause wieder etwas angespannter geworden Die bereits vor Jahresfrist erkennbare Verlangsamung des Wachstums bei der Binnennachfrage setzte sich in den letzten Monaten fort und verdeuthchte sich teilweise noch Dies betnfft vor allem die Baurnvestitionen und den pnvaten Warenkonsum Die Bautatigkeit rnsgesamt weist erne deuthch rucklaufige Tendenz auf, wie nahezu alien verfugbaren Daten entnommen werden kann Die Zementheferungen, die ernen guten realwirtschafthchen Indikator der laufenden Bauproduktion

1096 darstellen, lagen in den ersten acht Monaten um 12 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dieser Rückgang ist allerdings vor dem Hintergrund der stürmischen Verbrauchszunahme der letzten Jahre zu würdigen, entspricht doch der heutige Stand etwa demjenigen der als gut zu taxierenden Baujahre 1970/71. Die Entwicklung der verschiedenen Baukategorien verläuft unterschiedlich. Beim Wohnungsbau dürfte der Rückgang, nicht zuletzt infolge der in den letzten Jahren stark gestiegenen Produktion, am spürbarsten ausfallen. Bei dieser Rückbildung handelt es sich vorab um eine von den Marktkräften ausgelöste Anpassung des Angebotes an die Nachfrage. Demgegenüber zeigen sich im Bereiche des industriell-gewerblichen Baues neuerdings eher wieder gewisse Verfestigungstendenzen, wie aus den für diese Zwecke eingeräumten Baukrediten und der Zunahme des geplanten Raumvolumens industrieller Neubauten geschlossen werden kann.

Vom öffentlichen Bau werden angesichts der angespannten Finanzlage der meisten öffentlichen Haushalte kaum expansive Impulse ausgehen. Erfahrungsgemäss wirken sich Budgetkürzungen in erster Linie auf die Investitionen aus.

Bei der Würdigung dieser Entwicklung gilt es festzuhalten, dass die Beschäftigungsschwierigkeiten, vor die sich die Bauwirtschaft heute gestellt sieht, in erster Linie Wachstums- und strukturpolitischer Art und nur sehr bedingt eine Folge der Konjunkturdämpfung sind. Zur jetzigen Wende am Baumarkt wäre es früher oder später auch ohne die dringlichen Bundesbeschlüsse gekommen, und zwar in einem eher stärkeren Masse ; denn es dürfte unmöglich sein, die gemessen am Bruttosozialprodukt überhöhte Bautätigkeit der letzten Jahre in Zukunft aufrechtzuerhalten.

Die Ausrüstungsinvestitionen stagnierten 1973, vermochten sich in den letzten Monaten jedoch wieder merklich zu erholen. Dies wird auch durch die in der ersten Jahreshälfte beobachtete Ausweitung der Investitionsgütereinfuhren bestätigt.

Soweit die verfügbaren Indikatoren als repräsentativ angesehen werden dürfen, hat sich der private Warenkonsum seit Jahresbeginn real zurückgebildet. So lagen die im Kleinhandel erfassten Wertumsätze im ersten Halbjahr 1974 nicht nur unter der Zuwachsrate des Vorjahres, sondern auch unter dem Teuerungsanstieg. Selbst wenn gewisse Indikatoren darauf schliessen lassen, dass der Dienstleistungskonsum
volumenmässig noch leicht expandierte, dürfte er den Rückgang beim Warenkonsum kaum voll ausgeglichen haben. Der geringere Konsum ist auf verschiedene Gründe, so hauptsächlich auf die Teuerung, auf die Einkommenseinbussen infolge erhöhter Steuerbelastung und auf die allgemeine Zurückhaltung im Bereich der dauerhaften Konsumgüter zurückzuführen. Die Umsätze im Postcheck und -giro, in denen auch der Dienstleistungs- und zwischengeschäftliche Verkehr zum Ausdruck kommen, waren in den ersten neun Monaten real spürbar kleiner als im Vorjahr.

Der Fremdenverkehr musste im ersten Semester des laufenden Jahres eine deutliche Frequenzeinbusse in Kauf nehmen. Diese rührt ausschliesslich von Rückschlägen im Reiseverkehr mit dem Ausland her.

Die Nachfrage der öffentlichen Hand nimmt wohl noch leicht stärker zu als die Gesamtnachfrage, indes aber doch weniger stark als im Vorjahr. Vom öffentlichen Konsum gehen somit keine nennenswerten Auftnebsimpulse aus.

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Dagegen bewegt sich der Aussenhandel weiterhin auf Expansionskurs, wenn sich auch die Beruhigungssymptome mehren. Die Auslandsnachfrage trägt somit wesentlich zum Wachstum unseres Bruttosozialproduktes und zur Auslastung der inländischen Produktionskapazitäten bei. Davon profitieren letztlich auch die inlandorientierten Branchen der schweizerischen Wirtschaft.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist nach wie vor angespannt, obwohl die Zahl der offenen Stellen rückläufig ist. Die Gesamtbeschäftigung lag Mitte 1974 leicht unter derjenigen des Vorjahres. Die Aufwärtsbewegung der Lohnsätze hält weiterhin an. Allerdings zeichnet sich bei der Lohnentwicklung eine verstärkte Differenzierung ab, steigen doch die Bauarbeiterlöhne schwacher als diejenigen in der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe.

Der Preisanstieg bei den vom Landesindex erfassten Konsumgütern hat sich in den letzten Monaten auf hohem Niveau stabilisiert. Dabei ist es innerhalb der verschiedenen Auftriebsfaktoren zu einer Umschichtung gekommen, indem die Abschwächung bei den Heizölpreisen in den letzten Monaten durch anziehende Preise bei ändern Positionen, insbesondere bei den Nahrungsmitteln und Mieten, kompensiert wurde. Damit hat sich die inländische Teuerung leicht verstärkt, während die auslandbedingte etwas zurückging. Die gleiche Entwicklung ist bei den Grosshandelspreisen zu beobachten. Die Steigerung der Baukosten hat sich deutlich verflacht, und verschiedenenorts erlahmte auch der Anstieg der Bodenund Liegenschaftspreise.

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Die Aussenwirtschaft im Zeichen des Floatings

Die Entwicklung des Frankenkurses am Devisenmarkt stand weiterhin im Zeichen starker Schwankungen und führte namentlich im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 1974 zu einer Verstärkung der Aufwertung unserer Währung gegenüber den Valuten unserer wichtigsten Handelspartner, doch stabilisierte sich die Kursentwicklung im dritten Quartal. Nachdem der mit den Anteilen der 15 wichtigsten Abnehmerländer am schweizerischen Gesamtexport gewichtete mittlere Aufwertungssatz des Frankens - verglichen mit den Kursen am 5. Mai 1971 sich von Anfang Oktober 1973 bis Mitte Januar 1974 relativ konstant zwischen 15 und 16 Prozent eingependelt hatte, stieg er bis Mitte Mai auf einen Rekordwert von über 25 Prozent und erreichte nach einer Abschwächung im Juni anfangs Oktober erneut diesen Stand. Der mit der schweizerischen Gesamtausfuhr gewogene Aufwertungssatz stieg gar von 18 Prozent Mitte Januar auf über 30 Prozent Mitte Mai und stand anfangs Oktober nach der Abschwächung im Juni wieder auf über 30 Prozent.

Trotz der mit dieser Frankenaufwertung verbundenen erneuten Verschlechterung der Konkurrenzsituation unserer Exportwirtschaft haben sich die erwartete Abflachung und Konsolidierung der Auslandnachfrage in der ersten Jahreshälfte 1974 noch kaum eingestellt. Nach wie vor scheinen die ausländischen Abnehmer - zumindest kurzfristig - nur schwach auf Preiserhöhungen schweizerischer Produkte zu reagieren, was sich mehr und mehr mit Sonderfaktoren (wie

1098 etwa weltweite Mangelerscheinungen), mit dem ausserordentlichen Ausmass der internationalen Inflation sowie mit der Spezialisierung, der hohen Qualität und der Lieferpünktlichkeit der schweizerischen Exporte erklären dürfte. Gewisse Anzeichen der jüngsten Zeit deuten freilich an, dass sich diese Entwicklung ebenfalls zu beruhigen beginnt.

Die wertmässigen Ausfuhren erhöhten sich in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres gegenüber den Vorjahresergebnissen um 22,4 Prozent (1973: 14,5%). Bei einem Anstieg des Exportpreisniveaus um nahezu 13 Prozent ergab sich damit ein reales Ausfuhrwachstum von rund 8,5 Prozent, was etwa dem OECD-Mittel für das erste Halbjahr 1974 entsprach. Die Entwicklung wird indessen zusehends differenzierter : Während etwa die chemische und die Metall- oder die Papierindustrie teils überdurchschnittliche Zuwachsraten zu verzeichnen haben, verharren die Ausfuhren der Apparate-, Instrumenten- und Uhrenbranche mengenmässig insgesamt praktisch auf dem Vorjahresniveau; bei den Textil- und Bekleidungsexporten ist sogar ein leichter realer Rückgang festzustellen. Auch in regionaler Hinsicht verlief die Exportentwicklung uneinheitlich, da namentlich die Ausfuhren nach dem amerikanischen Kontinent nur noch schwach zugenommen haben; die Güterexporte nach den USA waren mit einer nominellen Zuwachsrate von weniger als 6 Prozent mengenmässig sogar rückläufig.

Der Importwert hat sich in den ersten acht Monaten gegenüber der Vorjahresperiode um 23,5 Prozent erhöht (1973: 12,2%). Im Gegensatz zur Ausfuhrentwicklung ist die Zunahme bei den Einfuhren jedoch fast ausschliesslich auf die um über 22 Prozent gestiegenen Importgüterpreise zurückzuführen (so nahmen beispielsweise die Energieträgereinfuhren wertmässig um 102,4% bei einem mengenmässigen Rückgang um 3,7% zu!). Die «terms of trade» (reales Austauschverhältnis) verschlechterten sich somit stark zu unsern Ungunsten. Der Fehlbetrag der Handelsbilanz ist in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres gegenüber der Vorjahresperiode um 27,8 Prozent oder 1274 Millionen Franken auf rund 5,86 Milliarden Franken angestiegen. Das Defizit der Ertragsbilanz dürfte indessen weit geringer sein, da namentlich die erhöhten Kapitalzinsen aus dem Ausland und verschiedene Dienstleistungserträge das Defizit aus dem Warenhandel teilweise kompensieren.

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Geld-und Kapitalmarkt

Die schweizerischen Finanzmärkte standen in der Berichtszeit im Zeichen des Abbaus der inflatorischen Überliquidität im Bankensystem und in der Wirtschaft. Der 1971 durch Zuflüsse aus dem Ausland entstandene Geldüberhang ist durch die seitherige Teuerungsentwicklung, durch das reale Wirtschaftswachstum und die Abschöpfungsmassnahmen der Nationalbank in Form von Mindestguthaben weitgehend absorbiert worden. Dank des Floatings konnte die Geldmengenausweitung in engen Grenzen gehalten werden. Unter diesen Bedingungen musste sich der Anpassungsprozess an das gestiegene internationale Zinsniveau, der im Sommer 1973 eingesetzt hatte, zwangsläufig beschleunigen. Der Zinsan-

1099 stieg hielt sich allerdmgs in Grenzen, da von der Nachfragebeschrankung auf dem Kapitaknarkt, der direkten Begrenzung der inlandischen Bankkredite sowie der Emflussnahme des Preisuberwachers auf die Hypothekarzinsentwicklung erne stabilisierende Wirkung ausging und die Nationalbank vorubergehenden Anspannungen mit einer flexiblen Liquiditätspolitik begegnete Auf dem schwerzenschen Geldmarkt wurde der Festgeldsatz der Grossbanken fur Dreimonatsdepots rm November 1973 von 41A auf 51A Prozent und im Januar 1974 auf 6 Prozent erhoht Der Privatdiskontsatz wurde im Dezember um % Prozent auf 5 1/2 Ende Januar auf 6, Anfang April auf 6 !/> und Anfang Juli auf 7 Prozent angehoben Mit Rucksicht auf die veranderten Marktverhaltmsse erhohte die Nationalbank den offiziellen Diskontsatz mit Wirkung ab 21 Januar von 4 1 A auf 5 1 A Prozent und den Lombardsatz von 5 1/4 auf 6 Prozent Im mittelfnstigen Bereich erwies sich erne zweimalige Erhohung der Zinssatze fur Kassenobligationen angesichts des rucklaufigen Bestandes dieser Gelder als unumganghch Die von der Nationalbank bewilhgten Hochstsatze betrugen fur Titel der Gross- und Kantonalbanken Ende September 1973 je nach Laufzeit 5 1/4 bis 51A Prozent, ab Februar 1974 51A bis 6 Prozent und ab Mai 61A bis 7 Prozent Anfang Juli erhohten die Banken sodann die Zinssatze fur Sparernlagen Auf dem Kapitalmarkt mussten die Zinssatze fur Obligationenanleihen in den Monaten Januar bis Mai 1974 wegen haufiger Ermssionsmisserfolge in sechs Schntten um durchschmttlich msgesamt 1% Prozent angehoben werden Die Anleger hielten sich in Erwartung weiter steigender Kaprtalmarktzmsen zuruck Im ersten Quartal wurde diese Tendenz durch die hohen Renditen am Eurogeldmarkt verstarkt Erne deuthche Beruhigung des Marktes setzte erst Ende Mai em, als die Nationalbank nach dem Misserfolg der kurzerfnstigen Tranche einer neuen Bundesanleihe eine Reihe von Massnahmen ergriff Sie nahm emen Teil der nicht gezeichneten Titel in ihr Portefeuille und begann die Kurse der neuen Bundesanleihe durch Interventionskaufe zu stutzen Im Einvernehmen mit dem Bundesrat verfugte sie zudem erne vorubergehende Sistierung der Kapitalexporte in Form von auslandischen Anleihen und von mittelfnstigen Schuldverschreibungen in Schweizerfranken («Notes») In der Folge konnten die bis zum Fruhherbst begebenen
Anleihen zu nunmehr 8 Prozent sehr gut plaziert und die Kurspflege der Nationalbank in bescheidenem Rahmen gehalten werden Die durchschnrtthche Rendite eidgenossischer Anleihen, die Ende September 1973 5,79 Prozent betragen hatte und in den Monaten November bis Mai mit kurzen Unterbruchen bis auf 7,44 Prozent gestiegen war bildete sich daraufhm etwas zuruck, Mitte September betrug sie 7,39 Prozent Die Neubeanspruchung des Kapitalmarktes durch schweizensche Obligationenanleihen (Emissionswert abzughch Konversionen) erreichte 1973 3,6 Milharden Franken (--10% gegenuber dem Vorjahr) und rm ersten Semester 1974 2,3 Milliarden (+35% gegenuber dem 1 Semester 1973). diejenige durch auslandische Anleihen 2.9 Milharden Franken (--1%) und im ersten Halbjahr 1974 0.5 Milliarde (--64%) Mit Emschluss der Aktienemissionen und nach Abzug der Ruckzahlungen an den Kapitalmarkt resultierte 1973 eine Nettobelastung von 6,5

1100 Milliarden Franken (--12%) und im ersten Semester 1974 eine solche von 2,8 Milliarden (--20%).

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Konjunkturaussichten

Eine Prognose über den künftigen Verlauf der schweizerischen Konjunktur ist im heutigen Zeitpunkt nicht leicht. Die disproportionale Entwicklung zwischen Binnen- und Aussennachfrage dürfte allmählich auslaufen. Die Bauinvestitionen werden im Zeichen einer weiterhin nachlassenden Wohnbautätigkeit noch weiter zurückgehen. Dies wird zu einer Abkühlung der Geschäftstätigkeit in denjenigen Bereichen führen, die mit der Bauwirtschaft im Produktionsprozess verbunden sind. Daneben werden einige weitere besonders konjunkturanfällige Branchen, wie das Gast- und Garagegewerbe, Umsatzeinbussen in Kauf nehmen müssen. Auch dürften vom privaten Konsum, selbst wenn sich der Teuerungsanstieg auf der Verbrauchsstufe etwas abflacht, in den kommenden Monaten kaum expansive Impulse ausgehen.

Die weitere Entwicklung der Auslandnachfrage ist angesichts der Ungewissheiten über die wirtschaftliche Entwicklung in den wichtigsten Abnehmerländern schwer abzuschätzen. Der gesamthaft immer noch gute Bestellungseingang aus dem Ausland sowie die teilweise hohen Auftragsbestände lassen jedoch, zumindest in den nächsten Monaten, noch keine gesamtwirtschaftlich stark ins Gewicht fallende Dämpfung der Exporttätigkeit erwarten.

Im übrigen wird die künftige Entwicklung der Auslandnachfrage jedoch massgebend davon abhängen, ob und auf welche Weise die wichtigsten Abnehmerländer ihre durch die Ölpreissteigerung hervorgerufenen oder verstärkten Zahlungsbilanzschwierigkeiten wie auch die Inflationsprobleme bewältigen werden.

Die unterschiedliche Entwicklung zwischen Binnen- und Aussenwirtschaft erklärt sich teilweise aus der Tatsache, dass die Bevölkerung als wichtige Bestimmungsgrösse der Inlandnachfrage kaum mehr expandiert, während weltweit der Bedarf an Investitionsgütern immer noch gross ist. Inwieweit dieser allerdings auch künftighin finanziert werden kann, ist ungewiss.

Bei weiterhin restriktiver Geldpolitik dürfen die Aussichten für eine stabilitätsgerechtere Entwicklung des Preisniveaus im kommenden Jahr günstiger beurteilt werden als noch anfangs 1974, wobei jedoch die am Konsumentenpreisindex gemessene Teuerung zunächst immer noch hoch bleiben dürfte.

Die Meinungen über die künftige Entwicklung der Weltkonjunktur gehen auseinander. Immerhin rechnet die OECD mit einem leichten Wiederaufschwung im Laufe des kommenden
Jahres. Infolge der auslaufenden Preishausse bei den Rohstoffen und des verringerten Nominallohnanstiegs dürfte sich auch die weltweite Teuerung im ersten Semester 1975 allgemein etwas beruhigen.

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Massnahmen zur Dampfung der Uberkonjunktur Bundesbeschluss iiber Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditnesens 311

Mindestguthaben

Von Ende Juli bis Ende Oktober 1973 nahmen die Mindestguthaben von Banken auf m- und auslandischen Verbmdhchkeiten schnttweise um 478 Milhonen Franken auf rund 3,14 Milliarden Franken ab Bei den Mindestguthaben auf mlandischen Verbmdhchkeiten war der Ruckgang um 172 Millionen Franken zur Hauptsache auf Verschiebungen zwischen emzelnen Bilanzpositionen der Banken zuruckzufuhren, wahrend die Verminderung der Mindestguthaben auf Auslandgeldern um 306 Millionen Franken rai wesenthchen mit der Neuregelung fur das Furstentum Liechtenstein, namhch der Ende August 1972 erfolgten Unterstelhmg der hechtensteinischen Banken unter den Bundesbeschluss uber Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditwesens. im Zusammenhang stand Die dadurch ausgeloste Anreicherung der Bankenliquiditat erschien angesichts der andauernden konjunkturellen Anspannung um so unerwunschter als sie mit emer ins Gewicht fallenden Freigabe emgefrorener Bundesgelder zusammenfiel Die Nationalbank sah sich deshalb anfangs November 1973 veranlasst, durch eme Neuregelung der Mmdestguthabensatze vermehrt Mittel vom Markt abzuschopfen So wurde bei den Mindestguthaben auf mlandischen Geldern der bisher nicht erfasste Zuwachs der mlandischen Kreditoren auf Zeit nut verembarter Laufzeit oder Kundigungsfnst bis zu einem Jahr seit dem 31 Marz 1972 neu mit 10 Prozent belastet Da diese Bilanzposition erst ab Fruhjahr 1973 infolge der erwahnten Bilanzverschiebungen zuzunehmen begann. wurde sie nicht von Anfang an in die Berechnung einbezogen dies erklart auch die Wahl des Stichtags Anderseits wurden die Belastungssatze auf dem Zuwachs der Spareinlagen, Depositen- und Emlagehefte sowie der Kassenobhgationen mit erner verernbarten Laufzeit von wemger als funf Jahren von 3,5 auf 2,5 Prozent herabgesetzt Bei den Mindestguthaben auf Auslandgeldern wurden die Betrage, die sich in Anwendung der bishengen Belastungssatze auf dem Bestand errechneten, um 25 Prozent erhoht Bis Ende November 1973 ergab sich aus diesen Massnahmen em Zuwachs an Mindestguthaben um rund 550 Millionen auf total 3.7 Milliarden Franken Im Hinbhck auf den erhohten Liquiditatsbedarf der Banken uber das Jahresende gab die Nationalbank vorerst lur die Zeit vom 20 Dezember 1973 bis 14 Januar 1974 von den Mindestguthaben auf in- und auslandischen Geldern 20 Prozent frei Bei einem Bestand \on insgesamt
3,7 Milliarden Franken wurden dadurch - in Erganzung zur Liquiditätshilfe mit Notenbankkrediten und Dollar/ Franken-Swaps - rund 750 Millionen Franken zusatzlich verfugbar Da bereits anfangs 1974 vorauszusehen war, dass die Geldmarktlage in der zweiten Halfte des Monats Januar nach Ruckzahlung der den Banken uber Jahresende gewahr-

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1102 ten Notenbankhilfen wieder angespannter sein würde, verlegte die Nationalbank den Termin für die Rückzahlung der freigegebenen Mindestguthaben vom 14. Januar auf den 4. Februar.

Indessen wurden die Banken in der Folge mit Rücksicht auf den durch Devisenabgänge bedingten weiteren Liquiditätsentzug im Januar 1974 nicht nur von der Pflicht zur Wiedereinzahlung der über Jahresende freigegebenen Mindestguthaben entbunden, sondern es wurden ihnen darüber hinaus Ende Januar weitere 20 Prozent zurückerstattet. Dadurch wurden die Mindestguthaben auf inländischen Geldern um 430 Millionen auf 1,2 Milliarden Franken, jene auf ausländischen Geldern um 279 Millionen auf 1,0 Milliarde Franken abgebaut.

Bis Mitte April blieben die Mindestguthaben nahezu unverändert auf diesem Stand.

Da sich jedoch im Bankensystem erneut starke Liquiditätsanspannungen zeigten, beschloss die Nationalbank anfangs April eine Reduktion des Sollbestandes der Mindestguthaben um weitere 15 Prozent auf total 55 Prozent. Dadurch wurden dem Markt innert Monatsfrist Mittel im Betrage von 515 Millionen Franken zugeführt, wovon 301 Millionen aus den inländischen und 215 Millionen aus den ausländischen Beständen stammten. Die Mindestguthabenbestände erfuhren eine Verminderung auf 907 beziehungsweise 828 Millionen Franken.

Gleich wie im Januar hätte in der zweiten Julihälfte die Auflösung der über den Juni-Ultimo abgeschlossenen Dollar/Franken-Swaps eine zu starke Verknappung des Geldmarktes bewirkt. Die Nationalbank reduzierte deshalb die Ende Juni geschuldeten Mindestguthaben um weitere 12 Prozent auf nunmehr 33 Prozent des Sollbestandes. Infolgedessen nahmen die Mindestguthaben von Ende Mai bis Ende Juni um rund 470 Millionen auf 1,4 Milliarden Franken ab. Auf Ende August-1974 wurden die inländischen Spareinlagen, Depositen- und Einlagehefte sowie die Kassenobligationen von der Mindestguthabenpflicht ausgenommen, was weitere 150 Millionen Franken freisetzte. Die Mindestguthaben auf inländischen Verbindlichkeiten betrugen zu diesem Zeitpunkt 585 Millionen Franken, die auf ausländischen Geldern 700 Millionen Franken. Auf Ende Oktober wurden sie erneut um 500 Millionen Franken herabgesetzt, um eine die Wirtschaftstätigkeit zu stark einengende Geldknappheit zu vermeiden, da der aus früheren Jahren stammende Liquiditätsüberhang abgebaut
ist. Seit Ende November 1973, als der Sollbestand letztmals zu 100 Prozent eingefordert worden war, erreichte die Reduktion somit insgesamt rund 2,9 Milliarden Franken.

Wie aus diesen Ausführungen hervorgeht, hat sich die Nationalbank bemüht, die Mindestreserven flexibel zu handhaben. Um die Spielräume für Kostenüberwälzungen und Preiserhöhungen zu verengen, ist es jedoch unumgänglich, die Liquidität der Wirtschaft insgesamt nicht übermässig ansteigen zu lassen.

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Kreditbegrenzung

Die Kreditbegrenzung spielte weiterhin eine Hauptrolle unter den der Nationalbank zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumenten. Ab Herbst 1973

1103 begann die vorherige Überliquidität im Bankensystem durch das Wachstum der Wirtschaft und die Abschöpfungsmassnahmen der Nationalbank rasch zu versiegen; die stark gestiegenen Rohstoffpreise, vor allem im Erdölsektor, bewirkten in kurzer Zeit eine sprunghafte Zunahme der Finanzierungsbedürfnisse. Die Liquidität begann sich zu verknappen. Die Kreditmöglichkeiten der Sanken wurden somit 'Sowohl durch die Kreditbegrenzung wie durch die Knappheit an Liquidität eingeengt, Das Wachstum der inländischen Kredite beschleunigte sich ab Herbst 1973.

Zum kleineren Teil war dies auf vermehrte Ausnahmebewilligungen von der Kreditbegrenzung, zum grösseren Teil aber auf eine starke Überschreitung des Kreditplafonds durch zahlreiche Banken zurückzuführen.

In der Zeit vom Inkrafttreten des Kreditbeschlusses (20. Dezember 1972) bis Ende Juli 1973 waren die Kreditüberschreitungen vorwiegend auf grossenteils schwer vermeidbare Auszahlungen früher bewilligter Baukredite zurückzuführen.

Da die Banken seit Erlass des Kreditbeschlusses mit neuen Kreditzusagen zurückhielten, trat dieses Problem in der zweiten Periode der gesetzlichen Kreditbegrenzung (August 1973 bis Juli 1974) mehr und mehr in den Hintergrund. Infolge von Sättigungserscheinungen auf dem Wohnungsmarkt dürfte die Nachfrage nach Baukrediten insgesamt nicht weiter zugenommen haben.

Während bis Herbst 1973 vor allem die Expansion der langfristigen Hypothekarkredite zu Überschreitungen des zulässigen Kreditstandes führte, so war es seither die Zunahme der kurzfristigen Kredite an Industrie und Gewerbe. Die Banken hatten während der langen Jahre, in denen ihre Liquidität stets reichlich war, der Wirtschaft grosszügige Kreditlimiten eingeräumt, die relativ wenig beansprucht wurden. Infolge der verbreiteten Liquiditätsknappheit seit Herbst 1973 und der erwähnten höheren Finanzierungsbedürfnisse auf Grund der internationalen Entwicklung nutzte die Wirtschaft diese Kreditlimiten in ungewöhnlich hohem Masse aus. Die Überschreitungen des zulässigen Kreditstandes aller Banken erreichten daher Ende Juli 1974 rund 3 Milliarden Franken oder etwa zwei Fünftel einer Jahresquote, obwohl die Kreditzuwachsrate im April 1974 rückwirkend auf Februar 1974 um l auf 7 Prozent hinaufgesetzt worden war. Durch diese Quotenerhöhung sollte insbesondere dem Finanzierungsbedarf
Rechnung getragen werden, der durch die teilweise sprunghaft gestiegenen Importpreise entstanden war.

Das Anhalten der Inflationstendenz und damit die Notwendigkeit, die Teuerungsbekämpfung fortzusetzen, hat die Nationalbank veranlasst, im Einvernehmen mit dem Bundesrat die Kreditzuwachsrate für das Jahr 1974/75 wieder auf 7 Prozent festzusetzen, was einem Betrag von ungefähr 7,75 Milliarden Franken entspricht.

Die im Kreditbeschluss vorgesehene Sanktion, nämlich den Betrag, um den der zulässige Kreditstand überschritten wurde, auf ein Sperrkonto bei der Nationalbank einzahlen zu müssen, wurde für die Überschreitungen von Ende Februar 1974 zum dritten Mal angewendet. Allerdings wurde der schwierigen Lage der Banken dadurch Rechnung getragen, dass nur 30 Prozent der Überschreitungen

1104 eingefordert wurden. Ausserdem gewährte die Nationalbank einzelnen Banken Kredit, um ihnen die Einzahlung zu ermöglichen. Die Zahlungen auf Sonderkonto K, die drei Monate lang blockiert blieben, erreichten gut 600 Millionen Franken. Von den Überschreitungen von Ende Juli 1974 (3 Mrd. Franken) wurden, die Einzahlungen auf Sonderkonto K abgezogen, welche die betreffenden Banken wegen ihrer Überschreitungen am 31. Juli 1973 und am 28. Februar 1974 geleistet haben. Der verbleibende Betrag (2 Mrd. Franken) musste grundsätzlich voll für drei Monate eingezahlt werden. Im Sinne einer Zahlungserleichterung wurde er aber in Raten eingefordert, und zwar als erste Rate 50 Prozent für drei Monate, als zweite, dritte und vierte Rate je 162/3 Prozent. Die erste Rate von 50 Prozent oder l Milliarde Franken musste am 20. September 1974 auf Sonderkonto K einbezahlt werden.

Zur Abwendung besonderer Härten, die sich aus der Kreditbegrenzung für unaufschiebbare Bauten der Infrastruktur sowie für den preisgünstigen Wohnungsbau hätten ergeben können, wurde durch Bundesratsbeschluss vom 22. August 1973 über die Kreditbegrenzung 1973/74 (Härtekontingent) ein zusätzlicher Kreditbetrag von 500 Millionen Franken für Auszahlungen bis zum 31. Juli 1974 ausgesetzt. Am 13. Februar 1974 wurde ein weiterer Betrag für Tiefbauten in der Höhe von 150 Millionen Franken bereitgestellt. Dabei verzichtete man auf eine zeitliche Befristung der Auszahlungen der Banken, für welche Zusatzquoten aus diesem Spezialfonds gewährt wurden. Der Kommission für die Beanspruchung des Härtekontingents stand somit ein Betrag von 650 Millionen Franken zur Verfügung.

Die Härtefondskommission hat in der Zeit vom 17. September 1973 bis zum 9. Juli 1974 14 Sitzungen abgehalten. Nach Vorprüfung durch die ihr beigegebenen Expertengruppen für Fragen des Wohnungsbaus und der Infrastruktur behandelte sie rund 1100 Gesuche. Insgesamt 850 Gesuchen wurde stattgegeben.

Die Kommission beantragte der Nationalbank, Zusatzquoten im Betrage von 590 Millionen Franken zu bewilligen. Die Nationalbank hat diese Anträge übernommen. 222 Millionen Franken entfielen auf den preisgünstigen Wohnungsbau, und zwar 133 Millionen Franken auf den subventionierten beziehungsweise 89 Millionen Franken auf den freitragenden Wohnungsbau. Hiedurch wurde der Bau von 9562 Wohnungen
ermöglicht (subventionierter Wohnungsbau 5956 Wohnungen; freitragender Wohnungsbau 3606 Wohnungen, davon 375 Eigentumswohnungen). Zur Sicherstellung von dringlichen Bauten der Infrastruktur wurden 368 Millionen Franken freigegeben, was ein Bauvolumen von rund 3 Milliarden Franken auslöste.

Die Banken haben die ihnen zugeteilten Zusatzquoten indessen nicht vollumfänglich in Anspruch genommen. Zum Teil verzögerte sich der Baubeginn der entsprechenden Projekte, so dass die betreffenden Zusatzquoten am 31. Juli 1974 nicht oder nur teilweise ausgenützt waren. Zum Teil konnten die Banken Kredite, für welche Zusatzquoten eingeräumt wurden, mangels ausreichender liquider Mittel nicht eröffnen.

1105 Für die dritte Periode der gesetzlichen Kreditbegrenzung (1. August 1974 bis 31. Juli 1975) wurde ein neues Härtekontingent im Betrage von 800 Millionen Franken ausgesetzt. Da vom oben erwähnten Sonderfonds für Tiefbauten 60 Millionen Franken bis zum 31. Juli 1974 nicht zugeteilt wurden, beläuft sich das für die neue Zwölfmonatsperiode (August 1974 bis Juli 1975) effektiv zur Verfügung stehende Härtekontingent auf 860 Millionen Franken. Dessen Anwendungsbereich erfuhr in dem Sinne eine Erweiterung, als nunmehr auch Zusatzquoten für die Ausarbeitung von Bauprojekten bis zur Baureife eingeräumt werden können.

Der Härtefonds 1974/75 dient einmal der Gewährung von Zusatzquoten für neue Projekte ; sodann werden ihm Zusatzquoten angelastet für Bauten, für die bereits zu Lasten des Härtefonds 1973 '7'4 eine erste Quote bewilligt wurde, deren Ausführung sich aber über mehr als ein Jahr erstreckt. In beiden Fällen dürfte sich die Zusatzquote generell auf 75 Prozent der bis zum 31. Juli 1975 voraussichtlich zur Auszahlung gelangenden Bankkredite belaufen. Dagegen werden Kreditfreistellungen aus dem Härtefonds 1973/74, die am 31. Juli 1974 nicht oder nicht voll beansprucht waren und für die bis zum 15. September 1974 ein Gesuch um Verlängerung der Bewilligung gestellt worden war, nicht dem neuen Fonds, sondern dem Härtefonds 1973/74 angerechnet. Lag bis zum genannten Zeitpunkt kein Gesuch um Verlängerung der Bewilligung vor, so verfielen die Zusatzquoten.

Bei der Zuteilung von Sonderquoten aus dem Härtefonds wurde den wirtschaftlichen Randgebieten besondere Beachtung geschenkt. Im Bereich des Wohnungsbaus konnte in der Periode 1973/74 sämtlichen Gesuchen aus den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Fribourg, Appenzell-Innerrhoden. Graubünden und Wallis entsprochen werden. Neuerdings können auch touristische Projekte in den Genuss einer Kreditfreistellung aus dem Härtekontingent gelangen. Auf dem Gebiete der Infrastruktur wurden die Zuteilungskriterien so festgelegt, dass die in der Entwicklung zurückgebliebenen Kantone bevorzugt werden.

Der Nationalbank gingen über das Härtekontingent hinaus weiterhin zahlreiche Gesuche um Ausnahmebewilligungen zu, die mehrheitlich abgelehnt werden mussten. Sie gewährte aber einer Reihe von Banken, die für die Kreditversorgung von regional weniger entwickelten Gebieten
von besonderer Bedeutung sind, ansehnliche Zusatzquoten. Sie erteilte ferner in Zusammenarbeit mit der Carbura und der Treuhandstelle schweizerischer Lebensmittelimporteure Ausnahmebewilligungen, um dem wegen der enormen Preissteigerungen besonders hohen zusätzlichen Finanzierungsbedarf der Importeure Rechnung zu tragen.

Ausserdem befreite sie Kredite von der Kreditbegrenzung, die der Finanzierung von Projekten der Energieversorgung dienten (insbesondere Umstellung auf Erdgas). Die Nationalbank hat ferner in Einzelfällen, in denen unverschuldet Notlagen entstanden (z.B. Brandfalle), Ausnahmebewilligungen erteilt, hingegen die Gewährung von Ausnahmen abgelehnt, wenn Notlagen selbstverschuldet waren (z.B. Baubeginn ohne Sicherstellung der Finanzierung).

Für den Kreditbedarf, der sich aufgrund der in den Räten zur Beratung stehenden Spezialgesetze für Wohnbau- und Eigentumsförderung sowie für Mass-

1106 nahmen über Kurortkredite im Jahre 1975 ergeben wird, sicherte die Nationalbank nötigenfalls die globale Freistellung zu.

Diese Darlegungen zeigen, dass die Kreditbegrenzung flexibel gehandhabt und die wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen besonders berücksichtigt wurden.

313

Emissionskontrolle

Die nach Artikel 4 des Kreditbeschlusses bestellte Kommission zur Erteilung der Bewilligung für die Ausgabe von Obligationen und Aktien inländischer Schuldner trat in der Berichtsperiode zu sechs Sitzungen zusammen. Da in der Zeit vom Mai bis August 1973 die Zinssätze für langfristige Anleihen um ein Viertelprozent angehoben werden mussten und sich anfangs September 1973 eine nochmalige gleiche Erhöhung abzeichnete, galt es, ein weiteres, zu brüskes Ansteigen durch einen niedrigeren Emissionsplafond aufzuhalten. Für das vierte Quartal 1973 setzte die Nationalbank daher den Gesamtbetrag auf 900 Millionen Franken fest, inbegnffen eine Bundesanleihe von 200 Millionen Franken. Die vom Oktober bis Dezember 1973 zur Zeichnung auf gelegenen Anleihen waren denn auch, mit ganz wenigen Ausnahmen, erfolgreich.

Für das Jahr 1974 hat die Nationalbank provisorisch ein Emissionsvolumen für Obligationenanleihen inländischer Schuldner von 3,8 Milliarden Franken Neugeld festgelegt, was einem Zuwachs von rund 6 Prozent gegenüber dem 1973 effektiv aufgelegten Betrag entspricht. Für das erste Quartal, das sich vom Markt her gesehen in der Regel als das aufnahmefähigste erweist, lagen Anmeldungen im Umfang von 2,6 Milliarden Franken Neugeld vor. Die Kommission hatte diesen Betrag auf den von der Nationalbank festgesetzten Plafond von l ,2 Milliarden Franken zu reduzieren. Die Zahl der Anleihen wurde gleichzeitig von 65 auf 54 gesenkt. Im Laufe der Monate Januar und Februar zeigte sich, dass trotz erheblicher Kürzungen die Marktbeanspruchung noch zu hoch war und eine grosse Zahl von Anleihen nicht vollständig plaziert werden konnte. Selbst die SBB-Anleihe von 200 Millionen Franken wurde nicht ganz gezeichnet. Zu dieser Situation haben die nach wie vor höheren Zinssätze im Ausland beigetragen, die eine Verlagerung von Mitteln auf den kürzerfristigen Eurofrankenmarkt zur Folge hatten. Die Misserfolge der inländischen Anleihen, die dadurch sowie durch die auch am Binnenmarkt beobachtete Bevorzugung kürzerfristiger Anlagen ausgelöst wurden, bewirkten einen weiteren Anstieg der Zinssätze am Kapitalmarkt, der im zweiten Vierteljahr noch andauerte. Für diese Periode legte die Nationalbank den Emissionsplafond auf l Milliarde Franken fest, was die Kommission zwang, den angemeldeten Totalbetrag um 1,2 Milliarden Franken und die
Zahl der Emissionen von 60 auf 43 zu reduzieren.

Im Anschluss an die Mitte Mai nur teilweise gedeckte Bundesanleihe gab die Nationalbank im Einvernehmen mit der Emissionskommission bekannt, dass der Plafond für das dritte Quartal 1974 wesentlich tiefer angesetzt werde als derjenige der beiden Vorquartale. Diese Massnahme hat, zusammen mit den durch die

1107 Nationalbank vorgenommenen Interventionskäufen an der Börse sowie mit dem zeitweiligen Stopp von Kapitalexporten für mittlere und lange Fristen, zu einer Beruhigung des Marktes beigetragen.

Für das Emissionsprogramm des dritten Quartals 1974 setzte die Nationalbank den Plafond auf 700 Millionen Franken Neugeld einschliesslich 100 Millionen Franken Kassascheine des Bundes fest. Die mit 1,7 Milliarden Franken vorgelegenen Anmeldungen wurden um l Milliarde und die Zahl der Anleihen würde von 48 auf 30 reduziert.

Im 4. Quartal sind 77 Emissionen mit 2,9 Milliarden Franken Neugeld angemeldet worden. Die Nationalbank fixierte den Plafond indessen auf rund 900 Millionen Franken, und die Kommission bewilligte 41 Anleihen. Die Kommission berücksichtigte in ihren Beratungen, dass der Energieversorgung des Landes zwar nach wie vor hohe Priorität zukommt, aber das Bauprogramm der Kernkraftwerke verlangsamt wird. Deshalb konnte der Anteil der öffentlichen Hand zur Finanzierung dringender Bedürfnisse insbesondere für Energieverteilungsanlagen, Gewässerschutz und Abfallbeseitigung etwas erhöht werden. Ende September 1974 beschloss der Bundesrat, auch die bisher ausgenommenen Emissionen von weniger als 5 Millionen Franken der Genehmigungspflicht zu unterstellen.

Durch die Emissionskommission bewilligte Obligationenanleihen inländischer Schuldner vom 1. Oktober 1973 bis 31. Dezember 1974 Schuldnerkategone

Bund Kantone ....

Gemeinden Energiewirtschaft Industrie und übrige Banken

. . ..

Anmeldung

Kürzung

Bewilligung

Mio Fr

Mio Fi

Mio Fr

830 2022 1476 2755 1 696 2879

11658

200 1273

967 1 380 1227 1 856

6903

630Ì 17 > 749 \ 509 J 1 375

469 1023

m Pro?enten der Anmeldung

43,6 499 27,7 355

4755

Was die Genehmigung der Ausgabe von Aktien, Genussscheinen und Papieren ähnlicher Art anbelangt, hielten sich die Gesuche betragsmässig unter denjenigen des Vorjahres. Der Emissionswert belief sich im Jahre 1973 auf 912 Millionen Franken. Für die Monate Januar bis September des laufenden Jahres sind Bewilligungen für 544 Millionen Franken erteilt worden.

314

Beschränkung der Werbung, der Kleinkredit- und Abzahlungsgeschäfte

Die Verordnung vom 10. Januar 1973 über die Kiemkredit- und Abzahlungsgeschäfte erwies sich als so einschneidend, dass eine Lockerung unumgänglich

1108 wurde. Es wäre nicht vertretbar, durch zeitlich begrenzte konjunkturpolitische Massnahmen die Existenz einer Anzahl von Unternehmen in Frage zu stellen und dauernde Strukturveränderungen herbeizuführen. Mit der Änderung vom 16. Januar 1974 der erwähnten Verordnung ist insbesondere die zulässige Höchstdauer der Kleinkredit-, der Anzahlungs- sowie der Miet- und Leasingverträge verlängert worden. Sämliche Kleinkreditinstitute, auch die Nichtbanken, sind der Kreditzuwachsbegrenzung unterstellt worden; die Zuwachsrate berechnet sich auf dem Stand der inländischen Kleinkredite am 31. Juli 1973.

Trotz der Lockerungen wirken die Massnahmen weiterhin konsumdämpfend und die Versuchung, die Einschränkungen zu umgehen, ist für die betroffenen Kreise nach wie vor gegeben. Das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement hatte deshalb auch im Berichtsjahr eine Vielzahl von Widerhandlungen zu verfolgen. Zu grundlegenden Rechtsfragen liegen rechtskräftige Gerichtsurteile vor, worunter eines des Bundesgerichts.

32

Bundesbeschluss über die Erhebung eines Exportdepots

Der Zweck des Exportdepots besteht in der Abschöpfung von Liquidität, indem ein Teil der Mittel, die der Exportindustrie aus ihren Erlösen zufliessen, vorübergehend blockiert werden kann. Diese Massnahme ist für den Fall vorgesehen, dass vom Exportsektor starke inflatorische Impulse ausgehen und die Nachfrage nach Investitionen und Arbeitskräften aufgrund der sich verstärkenden Selbstfinanzierung der Exportindustrie in unerwünschter Weise ausgeweitet wird.

Infolge der starken Aufwertung des Schweizerfrankens seit dem Verzicht der Nationalbank auf Interventionen am Devisenmarkt sowie der unsicheren internationalen Konjunkturperspektiven beurteilen die schweizerischen Exporteure die Geschäfts- und Ertragsaussichten vorsichtiger; dies nicht zuletzt wegen den durch die Erdölteuerung und die Rohstoffpreishausse eher gedämpften globalen Konjunkturerwartungen sowie der Verknappung am Geld- und Kapitalmarkt. Von dieser Seite her drängte sich die Erhebung eines Exportdepots nicht auf. Die hohen wertmässigen Zuwachsraten sind wie oben erwähnt zu mehr als der Hälfte teuerungsbedingt. Daneben darf nicht übersehen werden, dass die Ertragslage der Exportwirtschaft stark unterschiedlich ist. Eine undifferenzierte Erhebung des Exportdepots würde daher einzelne Branchen vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen.

Auch die Entwicklung im monetären Bereich spricht - zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt - gegen das Exportdepot. Die Geldmengenausweitung konnte infolge des Floatings in engen Grenzen gehalten werden, so dass die Wirtschaft über eher knappe Liquiditäten verfügt. Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändern, könnte die Zollverwaltung gestützt auf die getroffenen Vorbereitungen das Exportdepot kurzfristig in Kraft setzen.

1109

33

Bundesbeschluss über die Einschränkung der steuerwirksamen Abschreibungen bei den Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden

Die Vorschriften über die Einschränkung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten gelangen administrati\ erstmals in den 1974 vorzunehmenden Steuerveranlagungen zur Anwendung; dies trifft im wesentlichen nur für jene kantonalen und kommunalen Steuern zu. die jährlich veranlagt werden. Die für die Durchführung dieser Massnahme erforderlichen Ausführungsvorschriften, Kreisschreiben und Merkblätter waren schon im Herbst des Jahres 1973 bereitgestellt und den kantonalen Steuerbehörden sowie den betroffenen Unternehmungen einschliesslich ihrer Organisationen und Vertreter zur Kenntnis gebracht worden. Im Berichtsjahr waren daher nurmehr wenige der Vorbereitung dienende Vorkehren zu treffen, so namentlich das Ausarbeiten. Drucken und Bereitstellen der für die Steuerveranlagung erforderlichen Hilfsformulare. auf denen die steuerpflichtigen Unternehmen über die vorgenommenen Abschreibungen und Rückstellungen Aufschluss zu erteilen haben (Art. 3 des BB).

Der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind zahlreiche Fragen über die Anwendung der einschränkenden Vorschriften in besonders gelagerten Fällen unterbreitet worden, namentlich auch von steuerpflichtigen Unternehmern, ihren Beratern und Organisationen. Daraus darf der Schluss gezogen werden, dass diese steuerliche Massnahme bei der Planung unternehmerischer Dispositionen mit in Betracht gezogen wird und somit den angestrebten Zweck weitgehend erfüllt.

Der Bundesbeschluss über die Einschränkung der steuerwirksamen Abschreibungen gilt bis zum 31. Dezember 1976. Die darauf beruhenden Ausführungsvorschriften des Bundesrates sind vorerst für die Jahre 1973 und 1974 erlassen worden (BRB vom 10. Januar 1973). Der Bundesrat nimmt die Verlängerung dieser Bestimmungen für die Jahre 1975 und 1976 in Aussicht, da es nicht angezeigt wäre, auf dem Sektor der steuerlichen Abschreibungen und Rückstellungen eine Wiederherstellung des Standes vor 1973 herbeizuführen, solange die übrigen Dämpfungsmassnahmen fortgeführt werden.

34

Bundesbeschluss über Massnahmen zur Stabilisierung des Baumarktes

Angesichts der gesamthaft ungünstigen Aussichten am Baumarkt ist es verständlich, dass seit Anfang 1974 gewisse Kreise die vollständige und unverzügliche Aufhebung des Baubeschlusses verlangen. Ein völliges Ausserkraftsetzen dieses Erlasses wäre jedoch verfrüht. Diesem kommt angesichts der angespannten Liquiditätslage nach wie vor eine Lenkungsfunktion zu. Er soll verhindern, dass die knappen Gelder von gesamtwirtschaftlich weniger wichtigen zulasten vordringlicher Bauvorhaben beansprucht werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Massnahmen spätestens Ende 1975 dahinfallen.

ino Seit dem Inkrafttreten des ersten Baubeschlusses im Juni 1971 ist es zu einer Anhäufung gesperrter Bauvorhaben gekommen, dies vor allem durch das Abbruchverbot, dessen Dauer bis vor kurzem nicht befristet war. Es gilt nun zu verhindern, dass diese Projekte beim Ablauf des Baubeschlusses den Baumarkt plötzlich belasten und so einen harmonischen Übergang von der staatlichen Intervention zurück zur bauwirtschaftlichen Freiheit erschweren. Aus diesen Gründen und um die erforderliche Flexibilität in der Anwendung des Baubeschlusses zu gewährleisten, hat der Baubeauftragte seit Beginn des laufenden Jahres eine Reihe von Massnahmen getroffen, die im folgenden erläutert werden.

341

Abbruchverbot

Mit Verordnung vom 7. Juni 1973 über Befristung von Abbruchverbot und Ausführungssperre hat das Eidgenossische Volkswirtschaftsdepartement das Abbruchverbot für gewisse Projekte auf den l. Februar 1974 aufgehoben, wobei die Voraussetzungen für eine Freigabe restriktiv waren. Nur kleinere Bauvorhaben wurden durch diese Massnahme begünstigt. Es sollten den kleinen und mittelständischen Bauherren, denen keine Ausnahmebewilligung erteilt werden konnte, weitere Härten erspart bleiben. Diese Verordnung ist am 9. Juli 1974 revidiert worden. Die neue Regelung ist viel grosszügiger: Auf den 1. Februar 1975 erfolgt die Freigabe für Abbruche, die vor dem 1. Mai 1974 gesperrt worden sind, ohne Rücksicht auf Alter und Zustand des Abbruchobjektes. Wenn das Bauvorhaben auch der Ausführungssperre untersteht, wird das Abbruchverbot mit dem Ablauf der Ausführungssperre für die betreffende Baukategorie aufgehoben.

Auf diese Weise werden vom 1. Februar 1975 an alle vor dem 1. Mai 1974 gesperrten Abbruchvorhaben nach und nach freigegeben. Diese Lösung ist einfach und entspricht der oben umschriebenen Zielsetzung. Sie scheint anderseits kaum vereinbar zu sein mit einem der Sekundärziele des Baubeschlusses, nämlich der Erhaltung von altem Wohnraum zu massigen Preisen. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass es nicht sehr realistisch ist, dieses Ziel mit einer Regelung erreichen zu wollen, deren Geltungsdauer auf drei Jahre beschränkt ist. Die Eigentümer warten eher den Ablauf der Sperrfrist ab, als auf ihre Abbruchvorhaben zu verzichten.

342

Ausfïihningssperre

Mit Verordnung vom 9. Juli 1974 über die teilweise Aufhebung der Ausführungssperre hat der Baubeauftragte diese wesentlich gelockert; sie ist mit sofortiger Wirkung im ganzen Land aufgehoben worden für industrielle und gewerbliche Neu- und Erweiterungsbauten, Einfamilienhäuser (ohne Luxusbauten), Turnhallen und Schulsportanlagen sowie Zivilschutzbauten. Im Berggebiet fallt die Ausführungssperre zusätzlich dahin für öffentliche und private Verwaltungsgebäude, Geschäftshäuser, kirchliche Bauten und Sportanlagen (sämtliche Bauten).

lili Auf den 1. Februar 1975 sollen weitere Baukategorien aus der Ausführungssperre entlassen werden: öffentliche und private Verwaltungsgebäude, Geschäftshäuser, kirchliche Bauten und Sportanlagen; ferner im Berggebiet: Hotels und Restaurants. Tankstellen und Servicestationen sowie Ferien- und Wochenendhäuser.

Nach diesem Datum bleiben im ganzen Land noch folgende Baukategorien der Ausführungssperre unterstellt: Einkaufszentren, Verbrauchermärkte und Gruppen von selbständigen Läden,'Kinos, Dancings und andere Vergnügungslokale und -anlagen. Bankgebäude und Bankfilialen, kostspielige oder luxuriöse Ein- und Mehrfamilienhäuser, Saalbauten, Ausstellungshallen, Kongresshäuser und Museen, land- und forstwirtschaftliche Forschungs- und Versuchsanstalten, Militär- und Zollbauten. Ausserhalb des Berggebietes bleiben zusätzlich noch unterstellt: Hotels und Restaurants, Tankstellen und Servicestationen sowie Ferien- und Wochenendhäuser.

Die Reihenfolge der Lockerungen lehnt sich an die Dringlichkeitskategorien an, die mit der Verordnung vom 7. Juni 1973 über Befristung von Abbruchverbot und Ausführungssperre aufgestellt worden sind.

Auch diese Massnahme entspricht den eingangs enthaltenen Zielsetzungen.

Durch die Festsetzung von Freigabeterminen werden die Planungs- und Vorbereitungsarbeiten erleichtert, was ein zweckmässigeres Vorgehen ermöglicht. Schliesslich werden auch die regionalen Unterschiede so weit als möglich berücksichtigt.

343

Gebietsweise Entlassungen aus dem Baubeschluss

Durch Verordnung vom 28. August 1973 über die von Abbruchverbot und Ausführungssperre ausgenommenen Gemeinden hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement 634 Gemeinden aus dem Baubeschluss entlassen. Es handelte sich grösstenteils um abgelegene Berggemeinden. In einer zweiten Phase wurden am 6. Februar 1974 weitere 827 Gemeinden aufgrund einer vom Baubeauftragten ausgearbeiteten und von den interessierten Kreisen begrüssten Regionalisierungsstudie entlassen.

Demnach wurden bis zum heutigen Zeitpunkt 1461 Gemeinden, das heisst ungefähr 50 Prozent der Gemeinden mit 12,6 Prozent der Gesamtbevölkerung, aus dem Baubeschluss entlassen. Heute sind nur noch Ballungszentren und die mit diesen wirtschaftlich verknüpften Regionen dem Baubeschluss unterstellt.

Die eingangs beschriebene Lage auf dem Baumarkt und die gewährten Erleichterungen erlaubten auch einige Vereinfachungen im administrativen Bereich.

Da der Arbeitsvorrat in den Architektur- und Ingenieurbüros nicht mehr so gross ist, kann auf den Nachweis der Ausführungsreife verzichtet werden. Die Meldepflicht für grössere Bauvorhaben in den vom Geltungsbereich ausgenommenen Gemeinden konnte ebenfalls aufgehoben werden. Schliesslich wurde die Meldepflicht im noch unterstellten Gebiet auf 92 Gemeinden reduziert.

Vom I.September 1973 bis 31. August 1974 sind von den Behörden 1078 Entscheide gefällt worden, die sich wie folgt aufteilen :

1112

Abbruche Ausführungen Beschwerden

bewilligt

abgelehnt

"> T}

161 240 61

280 ·~\ J

total

494 520 64 1078

35

Bundesbeschluss betreffend die Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne

Auf Beginn der Berichtsperiode konnte die Zahl der Mitarbeiter des Büros des Beauftragten für die Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne mit dem anfallenden Arbeitspensum in Einklang gebracht werden.

Zum Nachfolger von Nationalrat Dr. Leo Schürmann hat der Bundesrat am 3. Juli 1974 Regierungspräsident und Ständerat Dr. Leon Schlumpf, Chur, ernannt, dessen Amtszeit als bündnerischer Regierungsrat Ende 1974 abläuft. Der neue Beauftragte hat seine Funktion am l. Juli 1974 aufgenommen.

Die Preis-, Lohn- und Gewinnüberwachung schweizerischer Prägung ist kein allgemeines Kontrollinstrument. Sie richtet sich allein gegen Preisauswüchse, die das gesamte konjunkturpolitische Klima vergiften könnten und bei der heutigen Koppelung der Preise und Löhne an den Konsumentenpreisindex oder an andere Orientierungsdaten eine sich selbst weiter antreibende Teuerung auszulösen vermögen. Die Preis-, Lohn- und Gewinnüberwachung will die Markttransparenz verbessern, missbräuchliche Preiserhöhungen verhindern und damit die Inflationsmentalität bekämpfen. Sie ist kein direkter Eingriff in Marktprozesse und widerspricht nicht dem marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzip, auf das wir unsere Bemühungen um Inflationsbekämpfung und konjunkturelle Beruhigung stützen.

351

Überwachung der Preise

Die im ersten Bericht erwähnten Richtlinien vom 10. Juli 1973 zur Beurteilung von Preiserhöhungen haben sich bewährt. Sie dienten auch während der zweiten Berichtsperiode als Beurteilungsgrundlage; verfeinert wurden lediglich die Erhebungs- und Beurteilungsverfahren.

Die Wirtschaft hat diese Richtlinien übernommen und hält sich daran.

Durchgesetzt hat sich auch der Grundsatz, dass Materialien und Waren zum Einstandspreis in der Preiskalkulation der Unternehmungen zu berücksichtigen sind.

Die Melde- und Begründungspflicht von Preiserhöhungen durch Kartelle und ähnliche Organisationen hat ihre besondere Bedeutung für die Preisüberwachung beibehalten. Adäquate Regelungen lassen sich am leichtesten da finden, wo der Beauftragte anhand seiner Richtlinien Preiserhöhungen vor ihrer Inkraftsetzung beurteilen kann. Zahlreiche Organisationen und Unternehmen, die der

1113 Melde- und Begründungspflicht nicht unterstehen, melden dem Beauftragten beabsichtigte Preiserhöhungen freiwillig. Insgesamt sind dem Beauftragten während der zweiten Berichtsperiode auf diesem Wege rund 450 Preiserhöhungen angezeigt worden.

Das Bedürfnis der breiten Öffentlichkeit, ihre Preisbeobachtungen an eine eidgenössische Amtsstelle zu melden, hat nicht abgenommen. Bei der Meldestelle des Beauftragten gingen in den 18 Monaten seit Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses nicht weniger als 18 000 Meldungen aus dem Publikum ein. Zusammen mit den Ankündigungen kartellistischer Preiserhöhungen und der ständigen Analyse der Indexentwicklung verbesserten diese Meldungen die Informationsgrundlage des Beauftragten und gaben wertvolle Anhaltspunkte zur Bekämpfung von Missbräuchen im Einzelfall.

Die eigentliche Überwachungstätigkeit ist in technischer Hinsicht so gehandhabt worden, wie sie im ersten Bericht dargestellt wurde. Die Öffentlichkeit wurde in über 30 Pressemitteilungen über die für sie wichtigen Ergebnisse orientiert.

Die meisten Rohstoffe haben in der Berichtsperiode ausserordentliche Verteuerungen erfahren. Der Beauftragte war bestrebt, die Unternehmen dazu anzuhalten, die Rohstoffteuerung durch besondere Zuschläge (Ölzuschlag, Zuckerzuschlag usw.) separat auszuweisen. Damit sollte erreicht werden, dass die Güterpreise bei sinkenden Rohstoffpreisen ebenfalls wieder zurückgehen. Die Erfahrung zeigt indes, dass diese Entwicklung nur auf jenen Märkten eintritt, wo starke Konkurrenz herrscht.

Im Berichtsjahr wurden die Preise der Eigentumswohnungen neu der Preisüberwachung unterstellt. Mit dem durch den Bundesbeschluss gegebenen Instrumentarium lassen sie sich allerdings nur schwer in Griff bekommen. In zahlreichen Einzelfällen sind jedoch befriedigende Ergebnisse erzielt worden.

Von zentraler Bedeutung für die gesamte Preisentwicklung waren im weiteren der Markt für flüssige Treib- und Brennstoffe sowie die Entwicklung der Hypothekarzinse.

Der Beauftragte intervenierte auf dem Markt für flüssige Treib- und Brennstoffe, um die hektischen Preissteigerungen im Gefolge der Nahostkrise vom Herbst 1973 unter Kontrolle zu bringen. Dabei galt es, den Belangen der Landesversorgung sowie der Lage der freien Importeure und des selbständigen Handels Rechnung zu tragen. Die im Einvernehmen mit
den beteiligten Branchen getroffenen Lösungen haben zu einer ausgeglichenen Preisentwicklung geführt. Die schweizerischen Preise waren im internationalen Vergleich jederzeit günstig und die Versorgung gewährleistet.

Die am 1. Juni 1973 gegen die integrierten Gesellschaften erlassenen Verfügungen des Beauftragten wurden am 15. Oktober 1973 durch eine Vereinbarung abgelöst. Ein ähnliches Abkommen wurde mit dem Schweizerischen Brennstoffhändlerverband abgeschlossen. Auf diese Weise gelang es, den Basispreis für Heizöl extra leicht der integrierten Gesellschaften auf 350 Franken je Tonne im November und 470 Franken im Dezember 1973 zu stabilisieren, als die Preise auf

1114 dem freien Markt in Basel 800 Franken je Tonne überschritten. Die Mitglieder des Brennstoffhändlerverbandes verpflichteten sich, ihre festen Margen nicht zu erhohen.

Die Preise für Superbenzin mussten unter dem Zwang der Marktverhältnisse von 75 Rappen auf 97 Rappen je Liter erhöht werden. Der freie Handel wurde nicht auf die entsprechenden Höchstpreise festgelegt. Diese Regelung hat ermöglicht, dass sich die Marktkräfte nach Normalisierung der Zufuhren rasch wieder entfalten konnten. Beim Heizöl hat der Preisrückgang schon kurz nach dem Jahreswechsel 1973/74 eingesetzt, beim Benzin im Frühsommer 1974.

Auf dem Hypothekarmarkt zeigten sich wachsende Anspannungen. Die allgemeine Erhöhung der Zinssätze führte zu analogen Auftriebstendenzen beim Hypothekarzins. In der gleichen Richtung wirkte der ungenügende Zufluss von Spargeldern infolge der nicht mehr marktkonformen Sätze auf Spareinlagen und Kassenobligationen.

Um den Hypothekarzins an die veränderten Marktverhältnisse anzupassen, bewilligte der Beauftragte im Februar 1974 vorerst eine Anhebung der noch zu 5'/4 Prozent verzinslichen alten Hypothekardarlehen im ersten Rang auf 51A Prozent. Mit den Banken und Versicherungsgesellschaften wurde eine verbindliche Regelung getroffen, welche die der Stabilisierung unterworfenen Arten von Hypothekardarlehen abschliessend festhält. Diese Regelung wurde auch gegenüber jenen Hypothekargläubigern durchgesetzt, die von ihr nicht direkt erfasst wurden. Sie hatte Geltung bis zum Herbst 1974.

Im Mai 1974 erwies sich eine Anpassung der Zinsen auf Spargeldern als unvermeidlich ; diese wurden im Einvernehmen mit dem Beauftragten sukzessive um 3/4 Prozent bis l Prozent ab I.Mai 1974 erhöht. Je nach der Art ihrer Geschäftstätigkeit ergab sich für die einzelnen Banken ein unterschiedlicher Zwang zur Überwälzung dieser Verteuerung ihrer Passivgelder auf die Hypothekarkredite. Der Beauftragte berücksichtigte diesen Tatbestand in einer am 22. Mai 1974 getroffenen differenzierten Regelung, die ab I.Oktober 1974 eine Erhöhung der Zinsvergütungen um 1A Prozent bei Grossbanken, Kantonalbanken und Lebensversicherungsgesellschaften, und um 3/4 Prozent bei jenen Bankinstituten von lokaler und regionaler Bedeutung, deren Hauptgeschäft im Hypothekarkredit liegt, vorsieht. Diese neue Regelung ist nicht befristet und soll
auf alle Fälle bis zum Frühjahr 1975 in Kraft bleiben.

Zur Verhinderung ungerechtfertigter Mietzinserhöhungen legte der Beauftragte fest, dass - entgegen dem Wortlaut zahlreicher Norrnmietverträge - die Verteuerung des Hypothekarkredits um % Prozent nur zu Mietzinserhöhungen um höchstens 3,5 Prozent berechtigt. Diese Regelung, die im Einvernehmen mit den Organisationen der Vermieter und der Mieter erfolgte, vermochte sich in der Praxis ohne Schwierigkeiten durchzusetzen.

Nachdem am 1. Juli 1974 der Landes-Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe allgemeinverbindlich erklärt worden war, gestalteten sich die im Zusammenhang mit der Umstellung auf «Bedienungsgeld inbegriffen» erfolgten Preiser-

1115 höhungen zahlreicher gastgewerblicher Betriebe zu einem weiteren Schwerpunkt der Preisüberwachung. Gegen Gastwirte, welche die Empfehlungen des Beauftragten und der gastgewerblichen Verbände, ihre Konsumationspreise nur im Ausmass des Bedienungsgeldes zu erhöhen, missachteten, wurden die im Beschluss vorgesehenen Herabsetzungsmassnahmen eingeleitet.

352

Überwachung der Löhne und Gewinne

Nach Anhören der Beratenden Kommission veröffentlichte der Beauftragte am 11. Dezember 1973 seine «Richtlinien über das Meldewesen. Erhebungen und Verfahren zur Überwachung von Löhnen und Gewinnen». Über den Begriff der «gesamtwirtschaftlich verantwortbaren Lohn- und Gewinnentwicklung» gelangte die Beratende Kommission bisher zu keiner Einigung.

Gestützt auf diese Richtlinien erfolgten wiederholt Interventionen, die aufgrund der Analyse der Lohn- und Gewinnseite zur Unterlassung oder zu Reduktionen von Preiserhöhungen führten. Eine vollständige Orientierung hierüber konnte nicht gegeben werden, da der Beauftragte weitgehend an die in Artikel 16 des Beschlusses festgelegte Geheimhaltungspflicht gebunden ist.

Im Bestreben, Eckwerte insbesondere für die einzuschlagende Lohnpolitik zu finden, lud der Beauftragte die Beratende Kommission im Februar 1974 zu einem zweitägigen Seminar ein. Der dabei erarbeitete Vereinbarungsentwurf zur Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne hätte zu einer verbindlichen Festlegung von Orientierungswerten aufgrund einer gemeinsamen Beurteilung der Konjunktur- und Preisentwicklung führen sollen ; anschliessend wären Teuerungsausgleich und maximale Reallohnerhöhungen für 12 Monate sowie vermögensbildende Leistungen der Arbeitgeber nach Massgabe der Gewinnentwicklung festgelegt worden.

Der Vereinbarungsentwurf wurde am 7. Februar 1974 veröffentlicht und den in der Beratenden Kommission vertretenen Organisationen sowie den ihnen angeschlossenen Verbänden zur Stellungnahme unterbreitet. Die Arbeitgeber stimmten dem Entwurf zu; die Arbeitnehmer lehnten ihn in differenzierter Weise ab. Es wurde vor allem geltend gemacht, dass eine entsprechende zentrale Vereinbarung das schweizerische Vertragswesen, das auf der Autonomie der vertragsschliessenden Parteien beruhe, beeinträchtige, und dass eine einheitliche Festlegung der Lohnverhältnisse in Zeiten beschleunigter Strukturbereinigung den Anpassungsprozess erschwere.

Angesichts dieses Ergebnisses entschloss sich der Beauftragte, in Gesprächen mit den Branchenverbänden im Mai und im Juni 1974 Sinn und Funktion gesamtschweizerischer Vereinbarungen im Rahmen der Inflationsbekämpfung zu erörtern. Der Beauftragte hat inzwischen dem Bundesrat über den Stand der Sozialpartnergespräche im Rahmen der Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne Bericht erstattet.

1116 353

Verordnung betreffend Anschrift der Detailpreise

Die Verordnung vom 12. Juni 1973 setzte sich im allgemeinen recht gut durch. Probleme ergaben sich insbesondere aus der Anwendung vorgesehener Erleichterungsmöglichkeiten und aus dem Verbot mehrerer Preisangaben. Strafurteile wurden von den zuständigen kantonalen Behörden vor allem wegen Fehlens von Preisauszeichnungen überhaupt oder infolge ungenügender Sichtbarkeit und Lesbarkeit von Preisanschriften ausgesprochen. Leider fehlt noch die Möglichkeit, unerwünschte Praktiken in der Inseratenwerbung zu erfassen oder Dienstleistungen der Preisanschriftspflicht zu unterstellen. Die Verordnung wird in der Praxis flexibel angewendet. Es fanden' zahlreiche Aussprachen mit den kantonalen Vollzugsbehörden statt, in denen der enge Kontakt und das gute Einvernehmen vertieft wurden.

4

Vorkehren ausserhalb der dringlichen Bundesbeschlüsse 41

Währungspolitik

Der Wechselkurs des Frankens, dessen Freigabe als Folge der internationalen Währungsunruhen im Januar 1973 notwendig geworden war, wurde in der Berichtsperiode weiterhin ohne Intervention der Notenbank dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen. Musste die Nationalbank unter der alten Ordnung fester Wechselkurse die ihr angebotenen Devisen zu bestimmten Kursen übernehmen und dadurch neue Frankenguthaben schaffen, so kann sie seither durch Devisenoperationen nicht mehr zu einer Vergrösserung der Notenbankgeldmenge gezwungen werden. Die Möglichkeiten einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung durch monetäre Massnahmen sind dadurch erheblich besser geworden. In der Berichtszeit wurde der 1971 und 1972 durch Geldzuflüsse aus dem Ausland geschaffene Geldüberhang weitgehend absorbiert. Das monetäre Inflationspotential wurde teilweise durch das reale Wirtschaftswachstum, in bedeutendem Ausmasse durch die Teuerung und auch durch die Geldpolitik der Nationalbank abgebaut. Der Preisauftrieb bei importierten Gutem hat dabei den aus der Höherbewertung des Frankens am freien Devisenmarkt resultierenden Verbilligungseffekt weit übertroffen.

Als Folge der restriktiven Geld- und Kreditpolitik war die Geldmenge im engeren Sinn Ende Juni 1974 um 6,1 Prozent geringer als im Vorjahr; die Geldmenge im weiteren Sinn, die auch die Termineinlagen bei den Banken einschliesst, nahm um 10,2 Prozent zu. Dadurch wurde der Spielraum für weitere Preiserhöhungen spürbar eingeschränkt. Da die Banken ihre Liquidität nicht mehr durch Heimschaffung von Auslandanlagen und Abtretung von Devisen an die Nationalbank gegen Schweizerfranken steuern konnten, begann die Restriktionspolitik der Nationalbank verstärkt zu greifen.

Die im Sommer 1972 aufgrund des Bundesbeschlusses über den Schutz der Währung vom S.Oktober 1971 ergriffenen dringlichen Massnahmen erhielten

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nach dem Ubergang zum Floating die Funktion von Erganzungsmassnahmen Die Verordnung uber die Fremdwahrungspositionen der Banken vom 5 Juli/ 11 Oktober 1972 konnte angesichts der entspannteren Lage auf den Devisenmarkten nut Wirkung ab 1 Oktober 1973 suspendiert werden Wahrend das Verzrnsungsverbot fur die seit dem 31 Juli 1971 zugeflossenen Gelder weiterhrn in einer seit dem 1 August 1974 den Verhaltmssen angepassten, leicht modifizierten Form in Kraft steht, wurde ab 1 Oktober 1973 die in der Verordnung vom 4 Mi 1972 uber die Verzinsung auslandischer Gelder ebenfalls vorgesehene Kommissionsbelastung auf dem seit dem 30 Juni 1972 eingetretenen Zmvachs ernes auf Schweizerfranken lautenden Bankguthabens (Negativzins) ausgesetzt Mit Wirkung ab 1 Februar 1974 hob der Bundesrat zudem auf Antrag der Nationalbank die Verordnung uber die Anlage auslandischer Gelder vom 26 Juni 1972 auf Weiterhm in Kraft steht die Verordnung uber die Bewilhgungspflicht fur die Aufnahme von Geldern im Ausland (durch Nichtbanken) vom 5 Mi 1972/ 16 April 1973, die erne Umgehung des Kreditbeschlusses durch Mittelbeschaffung im Ausland verhmdem soil

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Zinspolitik

Der durch die Freigabe des Frankenkurses ermoghchte Abbau des Gelduberhanges hatte unvermeidhcherweise emen Zmsanstieg zur Folge Die schweizerischen Zinssatze waren bis vor kurzem im internationalen Vergleich und im Verhaltnis zu den Teuerungsraten ausserordenthch niedng Die Verfugbarkeit ernes reichlichen Mittelangebots zu ungewohnlich medngen Zinsen erleichterte und forderte die Verschuldung und beemtrachtigte die Attraktivitat des Sparens Sie kann dadurch zusatzhche Teuerungsimpulse auslosen In der Schweiz kommt eine ausgesprochene Hochzinspolitik wegen der grossen hypothekanschen Verschuldung als Instrument der Inflationsbekampfung mcht m Frage Bin begrenzter Zmsanstieg als Korrelat des unumganglichen Liquiditatsabbaus lasst sich indessen mcht vermeiden Mit Rucksicht auf institutionelle Gegebenheiten hat die Nationalbank daher versucht, ausgleichend auf die gesamte Zinsentwicklung einzuwirken, ohne sich jedoch dem grundlegenden Markttrend entgegenzustellen, da dies letztlich nur durch eine inflatonsche Geldschopfung moglich ware Wenn das schweizensche Zmsmveau dennoch hinter dem internationalen zuruckbheb, so ist dies primar auf die relativ hohe Kapitalbildung im Inland, zum Teil aber auch auf die flexible Liquiditätspolitik der Nationalbank zuruckzufuhren Letztere liess sich aber nur wegen der gleichzeitigen Kreditzuwachsbegrenzung durchfuhren, denn ohne Kreditbegrenzung musste die Liquiditat wesentlich drastischer erngeschrankt werden, um die Expansion der Kreditnachfrage wirksam zu bremsen Die Kreditbegrenzung hemmt auch deshalb den Zinsauftneb, well die Limitierung des zulassigen Kreditzuwachses den zinspohtischen Wettbewerb der Banken um \ermehrte Einlagen vermrndert

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Die enge internationale Verflechtung der Geld- und Kapitalmärkte liess im zweiten Halbjahr 1973 die kurzfristigen Zinssätze der Schweiz ansteigen. Im Sinne einer konstatierenden Diskontpolitik und um der vermehrten Inanspruchnahme des Notenbankkredites entgegenzuwirken, erhöhte die Nationalbank den offiziellen Diskont- und Lombardsatz im Januar 1974. Im ersten Quartal 1974 stiegen die Eurogeldmarktsätze auf ein Niveau, das die Kapitalmarktsätze der Schweiz in Bewegung brachte. Den mit einer Erhöhung der Anleihenszinssätze rechnenden Anlegern boten sich am Euromarkt attraktive Wartepositionen. Die Nationalbank kann selbstverständlich das durch den Dollarmarkt dominierte generelle Zinsniveau am Euromarkt nicht spürbar beeinflussen. Sie versucht aber seit Ende März mit Erfolg zu verhindern, dass der Eurofrankensatz für Dreimonatsgelder über den entsprechenden Eurodollarsatz steigt und grössere Kapitalbeträge aus der Schweiz abzieht. Durch die Stützungsoperationen für die beiden im April begebenen Bundesanleihen, die Bekanntgabe eines reduzierten Emissionsplafonds für das dritte Quartal und eine vorübergehende Sistierung des Kapitalexportes in Form von Anleihen und «Notes» gelang es ihr im Frühsommer, eine Stabilisierung am Kapitalmarkt herbeizuführen. Zu seiner Stützung trug auch die kurzfristige Liquiditätshilfe der Notenbank über die geldwirtschaftlichen Spitzentermine bei, da dadurch umfangreiche Titelverkäufe zur Liquiditätsbeschaffung vermieden werden konnten.

Die Nationalbank hat lediglich auf die Zinssätze für Kassenobligationen (nach Art. 10 des Bankengesetzes) unmittelbaren Einfluss. Da die übrigen Sätze im wesentlichen durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, ist aber auch der Spielraum für die Beeinflussung der Kassenobligationensätze nicht gross.

Wenn diese hinter der allgemeinen Marktentwicklung zurückbleiben, kommt der Absatz der für die Finanzierung von Hypothekardarlehen bedeutsamen Titel ins Stocken. Dies veranlasste die Nationalbank, im September 1973 sowie im Februar und Mai 1974 auf Ersuchen der Banken einer Anpassung der Höchstsätze zuzustimmen.

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Haushaltpolitik

Ein eigentliches Alarmsignal für die sich rapid verschlechternde Haushaltlage des Bundes bildete die Rechnung 1973, die bei einem budgetierten Ausgabenüberschuss von 200 Millionen Franken mit einem solchen von 800 Millionen abschloss. Damit verschlechterte sich auch entsprechend die Ausgangslage für die künftige Entwicklung.

Nachdem an den ursprünglichen Eingaben der Departemente zum Teil recht einschneidende Abstriche vorgenommen worden sind, um für 1974 ein einigermassen vertretbares Budget zu erreichen, bietet der Budgetvollzug praktisch kaum mehr Raum für an sich dringend notwendige weitere Kürzungen. Immerhin wurden strenge Anordnungen getroffen zur Realisierung der von den eidgenössischen Räten mit dem Budgetbeschluss vom 13. Dezember 1973 verlangten Ein-

1119 schränkungen bei den Ausgaben für Repräsentations- und Verwaltungsauslagen, für den Auslagenersatz bei auswärtiger Verwendung des Personals, für Kommissionen und Experten sowie für Hilfskräfte.

Sodann sind mit dem Voranschlag 1974 für Bundesbeiträge und Darlehen, soweit die gesetzlichen Grundlagen den Vollzugsinstanzen einen Ermessensspielraum einräumen, die Jahreszusicherungskredite eingeführt worden. Damit soll das Ausmass der Zahlungsverpflichtungen straffer als bisher gesteuert und so den konjunkturpolitischen Erfordernissen besser angepasst werden.

In einer Zeit hoher Inflation und starker Anspannung der Produktionsfaktoren haben die öffentlichen Haushalte einen Beitrag zur Eindämmung der Gesamtnachfrage zu leisten. Im Rahmen eines marktwirtschaftlich gesteuerten Systems nimmt allerdings die Geldpolitik die Schlüsselrolle ein, nicht zuletzt, weil die Kontrolle der Geldmenge zugleich die Voraussetzung bildet für die Wirksamkeit anderer Massnahmen zur Beeinflussung von Angebot und Nachfrage. Sie ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Stabilisierungspolitik. Sie bedarf zur vollen Wirksamkeit der Unterstützung durch einen gleichgerichteten, koordinierten Einsatz der Finanzpolitik. Ausgabenbeschränkungen machen die restriktive Geld- und Kreditpolitik der Nationalbank nicht überflüssig, erleichtern aber bis zu einem gewissen Grade deren flexible Handhabung.

Angesichts der völlig unbefriedigenden Perspektiven für die künftige Entwicklung des Bundeshaushaltes wie auch mit Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge setzten ebenfalls dieses Jahr schon früh intensive Bemühungen ein, um für das Jahr 1975 ein noch annehmbares Budget zu erreichen. Die Notwendigkeit und das Bestreben, die Haushaltpolitik sowohl des Bundes wie der Kantone und Gemeinden in den Dienst der Teuerungsbekämpfung zu stellen, sind erneut durch eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen über Budgetrichtlinien unterstrichen worden. Das Ziel der Vereinbarung besteht wiederum vor allem darin, das Wachstum der Ausgaben zu begrenzen und die Rechnungsdefizite nicht weiter anwachsen zu lassen. Im weitern soll die Erhöhung der Personalbestände noch mehr als bisher eingeschränkt werden.

Diese Zielsetzungen stellten den Bund vor eine äusserst schwierige Aufgabe, zumal seine angespannte
finanzielle Lage neben den immer noch überdurchschnittlich wachsenden Ausgaben auf verschiedenen Aufgabengebieten wesentlich auch durch die gesamthaft nahezu stagnierenden Einnahmen verursacht wurde.

Diesem strukturell bedingten Ungleichgewicht ist nicht nur mit Massnahmen im Rahmen der Budgetierung und der Finanzplanung beizukommen. Einerseits müssen die formellen Grundlagen geschaffen werden, um die Ausgabenentwicklung auf eine tragbare Grössenordnung zu bringen, während anderseits auch zusätzliche Einnahmen unerlässlich sind. Diese als mittelfristige Lösung konzipierten Korrekturmassnahmen auf der Ausgaben- wie der Einnahmenseite bilden Gegenstand unserer mit Botschaft vom 3. April 1974 über die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Bundeshaushalt unterbreiteten Vorlagen sowie der vom Bundesrat beschlossenen und durch das Parlament genehmigten Erhöhung der Benzinzollzuschläge und des Heizölzolles vom 29. August 1974.

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Stabsgruppe Dämpfung der Überkonjunktur

Die Stabsgruppe arbeitete bis zur Jahresmitte 1974 unter dem Vorsitz des Beauftragten für die Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne, nach dem Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers unter dem Vorsitz des Delegierten für Konjunkturfragen.

Sie befasste sich in ihren Sitzungen - es wurden deren 14 abgehalten -- regelmässig mit der Beurteilung der Konjunkturlage und den Auswirkungen der Konjunkturbeschlüsse, ferner mit folgenden besonderen Fragen: - Absicherung gegen allfällige strukturelle Auswirkungen der Konjunkturbeschlüsse - Koordination der versorgungs- und preispolitischen Vorkehren im Rahmen der Ölkrise - Zinsentwicklung und deren Beeinflussung, hauptsächlich im Hypothekarsektor - Verlängerung des Währungsbeschlusses - Vermehrte Regionalisierung der Durchführungsmassnahmen; Handhabung ' der Härteklausel - Aussprache mit Vertretern des Baugewerbes; Vorschläge zur Liberalisierung des Baubeschlusses - Vereinbarungsentwurf der Sozialpartner betreffend Löhne und Gewinne - Konjunkturelle Auswirkungen der im Jahre 1975 voraussichtlich in Kraft tretenden Bundesgesetze.

Das Koordinations- und Beratungsorgan hat sich auch im zweiten Jahr seiner Tätigkeit als nützlich erwiesen. Es bietet Gewähr, dass der Vollzug der Massnahmen - an denen verschiedene Departemente und die Nationalbank beteiligt sind - aufeinander abgestimmt ist.

5 Abschreibung von Postulaten Mit dem vorliegenden Bericht wird den Postulaten Freiburghaus und Bibel entsprochen. Wir beantragen deshalb, diese abzuschreiben.

11 779 Postulat Freiburghaus vom 12. Dezember 1973 betreffend Konjunkturmassnahmen/Sonderfälle.

Der Bericht gibt darüber Auskunft, dass mit dem wesentlich erhöhten Härtekontingent die regionalen Bedürfnisse verstärkt berücksichtigt wurden und die Nationalbank bei der Kreditzuwachsbegrenzung den Banken regional weniger entwickelter Gebiete ansehnliche Zusatzquoten gewährte. Ausserdem sind auch bei der Bewilligung von neuen Obligationenemissionen der öffentlichen Hand die wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen bevorzugt worden. Überdies ist die Verordnung

1121 über die Anlage ausländischer Gelder aufgehoben und der revidierte Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland in Kraft gesetzt worden, was den Entwicklungsregionen einige Erleichterungen bringen wird.

12 057 Postulat Bibel vom 19. September 1974 betreffend Stabilitätspolitik.

Der Bericht nimmt einlässlich zu den im Postulat aufgeworfenen Fragen Stellung. So wird insbesondere dargelegt, dass die Geldmengensteuerung nach wie vor im Mittelpunkt der Stabilisierungspolitik steht. Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass sich die zuständigen Instanzen um eine flexible Handhabung der Massnahmen und um eine angemessene Finanzierung des Wohnungsbaus bemühten.

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Schlussbemerkungen

Der Entspannungsprozess, der 1973 im Bereiche der Binnenwirtschaft einsetzte, hat im laufenden Jahr angehalten und sich noch verdeutlicht. Der Nachfrageüberhang konnte weiter abgebaut und dem real möglichen Produktionspotential unserer Volkswirtschaft angenähert werden. Die Entwicklung innerhalb der einzelnen Branchen verläuft allerdings stark unterschiedlich. In einzelnen, vor allem exportorientierten Branchen hielt zumindest der mengenmässige Boom noch an, während sich andere Wirtschaftszweige mit Absatz- und Beschäftigungsschwierigkeiten konfrontiert sehen.

Angesichts der vorangegangenen, über Jahre anhaltenden Überforderung der inländischen Produktionskapazitäten ist die derzeitige Entspannung lediglich als Beginn einer im wohlverstandenen Gesamtinteresse dringend erwünschten Konsolidierungsphase anzusehen. Erst eine längere Zeit andauernde und nachhaltige Verringerung der Gesamtnachfrage und ihrer einzelnen Komponenten dürfte unsere Wirtschaft wieder auf den Gleichgewichtspfad zurückbringen und zu einer merklichen Beruhigung an der Preisfront führen. Der lange Bremsweg der Stabilisierungsmassnahmen ist nicht zuletzt auch eine Folge der unzureichenden konjunkturpolitischen Verfassungsgrundlage, welche bisher einen rechtzeitigen, zielkonformen Einsatz der Stabilisierungsinstrumente wesentlich erschwerte.

Die Konjunkturbeschlüsse haben jene Ziele weitgehend erreicht, die man vernünftigerweise von ihnen erwarten konnte. Dank der monetären Restriktionen konnte die bis 1972 überproportional angestiegene, inflationär wirkende Geldmenge weitgehend auf das konjunkturpolitisch verantwortbare Mass zurückgeführt werden. Dabei Hessen sich einzelne Liquiditätsengpässe nicht vermeiden; die Nationalbank bemühte sich indes, diese durch einen flexiblen Einsatz der verschiedenen geldpolitischen Instrumente in einem möglichst tragbaren Rahmen zu halten. Am offensichtlichsten war die konjunkturelle Beruhigung zweifelsohne am Baumarkt. Dies hat uns erlaubt, sowohl die Ausführungssperre wie das Ab-

1122 bruchverbot fühlbar zu lockern. Allerdings gilt es zu beachten, dass in den letzten Jahren die Expansion im Baugewerbe das Ausmass eines harmonischen, den begrenzten Ressourcen unseres Landes Rechnung tragenden Wachstums übertraf und demzufolge eine strukturelle Redimensionierung unausweichlich wird.

Neben den erwähnten Erschwernissen und der bekannten zeitlichen Wirkungsverzögerung der ergriffenen Massnahmen hat vor allem der alarmierende, knappheitsbedingte Preisanstieg bei Importwaren unser Preisniveau in die Höhe getrieben. Wenn sich auch in den letzten Monaten die importierte Teuerung im Energiebereich wieder etwas zurückbildete, so muss in Rechnung gestellt werden, dass die vorangehende Kostenexplosion angesichts der vielfältigen Überwälzungsmöglichkeiten auf den verschiedenen Produktionsstufen weitere Preiserhöhungen ausgelöst hat. Daneben haben sich gerade in jüngster Zeit verschiedene Konsumgüter, wie zum Beispiel Zucker, massiv verteuert. Dennoch hat sich die Teuerungssituation unseres Landes im internationalen Vergleich verbessert, befinden wir uns heute doch im letzten Viertel der Teuerungsrangliste der OECDStaaten. Diese relative Verbesserung war - im Gegensatz zu den meisten ausländischen Staaten - erfreulicherweise ohne Gefährdung der Vollbeschäftigung möglich. Unser Land ist aber auch hinsichtlich des aussenwirtschaftlichen Gleichgewichtes in einer vergleichsweise vorteilhaften Lage. Eine ähnlich günstige Zielkombinatioö weist kaum ein anderer Staat auf.

Das konjunkturelle Bild der Schweiz scheint sich zusehends zu differenzieren. Wir beobachten die Entwicklung mit der gebotenen Aufmerksamkeit, um einem ernsthaften Beschäftigungseinbruch entgegentreten zu können. Sektoralen oder regionalen Schwierigkeiten soll auch in Zukunft durch gezielte Lockerungen der Restriktionen begegnet werden. Eine vollständige Aufhebung einzelner oder sämtlicher Bundesbeschlüsse wäre heute aber noch verfrüht. Es gilt vielmehr einen reibungslosen Übergang von den gegenwärtigen Dringlichkeitsmassnahmen zu einer grundsätzlich globalen, strukturpolitisch abgesicherten Stabilisierungspolitik auf der Basis des bevorstehenden neuen Konjunkturartikels zu finden. Da insbesondere die sich in Vorbereitung befindende Revision des Nationalbankgesetzes, die einen Ausbau des notenbankpolitischen Instrumentariums
zum Ziele hat, bis zum Auslaufen des Kreditbeschlusses noch nicht abgeschlossen werden kann, dürfte sich allenfalls eine teilweise Verlängerung dieses Erlasses als notwendig erweisen.

7 Antrag Wir beantragen Ihnen, vom vorliegenden Bericht über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur Kenntnis zu nehmen.

1123 Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 16. Oktober 1974 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Brugger

Der Bundeskanzler : Huber 3864

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur (Vom 16. Oktober 1974)

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