Bundesgesetz über Voraussetzungen und Verfahren bei Sterilisationen

Entwurf 1

(Sterilisationsgesetz) vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 122 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 23. Juni 20032 und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. September 20033, beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Gegenstand

Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Sterilisation zu Verhütungszwecken zulässig ist, sowie das anwendbare Verfahren.

Art. 2

Begriff

1

Die Sterilisation ist ein medizinischer Eingriff, mit dem die Fortpflanzungsfähigkeit einer Person auf Dauer und grundsätzlich endgültig aufgehoben wird.

2

Nicht als Sterilisation gelten Heileingriffe, deren unvermeidliche Begleiterscheinung die Aufhebung der Fortpflanzungsfähigkeit ist.

2. Abschnitt: Voraussetzungen und Verfahren Art. 3

Sterilisation von Personen unter 16 Jahren

Die Sterilisation einer Person unter 16 Jahren ist verboten.

Minderheit (Menétrey, de Dardel, Lauper, Thanei) Titel: Sterilisation von Personen unter 18 Jahren Die Sterilisation einer Person unter 18 Jahren ist verboten.

1 2 3

SR 101 BBl 2003 6311 BBl 2003 6355

2003-1506

6345

Sterilisationsgesetz

Art. 4

Sterilisation vorübergehend Urteilsunfähiger

Die Sterilisation einer über 16-jährigen, vorübergehend urteilsunfähigen Person ist verboten.

Minderheit (Menétrey, de Dardel, Lauper, Thanei) Die Sterilisation einer über 18-jährigen, vorübergehend urteilsunfähigen Person ist verboten.

Art. 5

Sterilisation Urteilsfähiger

1

Die Sterilisation einer über 16-jährigen urteilsfähigen Person darf nur vorgenommen werden, wenn diese über den Eingriff umfassend informiert worden ist und diesem frei und schriftlich zugestimmt hat. Zudem muss die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegen.

2 Wer den Eingriff durchführt, muss in der Krankengeschichte festhalten, auf Grund welcher Feststellungen er auf die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person geschlossen hat. Bei Minderjährigen holt er eine ärztliche Zweitmeinung ein.

Minderheit (Menétrey, de Dardel, Lauper, Thanei) 1

Die Sterilisation einer über 18-jährigen urteilsfähigen Person darf nur vorgenommen werden, wenn diese über den Eingriff umfassend informiert worden ist und diesem frei und schriftlich zugestimmt hat.

2 Wer den Eingriff durchführt, muss in der Krankengeschichte festhalten, auf Grund welcher Feststellungen er auf die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person geschlossen hat.

Art. 6

Sterilisation Entmündigter

1

Die Sterilisation einer über 18-jährigen, urteilsfähigen und entmündigten Person darf nur vorgenommen werden, wenn diese über den Eingriff umfassend informiert worden ist und frei und schriftlich zugestimmt hat. Zudem muss die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegen.

2

Wer den Eingriff durchführt, muss: a.

in der Krankengeschichte festhalten, auf Grund welcher Feststellungen er auf die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person geschlossen hat; und

b.

vor der Sterilisation die Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde einholen.

3

Die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde holt eine ärztliche Zweitmeinung ein.

Nötigenfalls ordnet sie ein psychiatrisches Gutachten über die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person an und erteilt gegebenenfalls ihre Zustimmung zum Eingriff.

Art. 7

1

Sterilisation dauernd Urteilsunfähiger

Die Sterilisation einer über 16-jährigen, dauernd urteilsunfähigen Person ist unter Vorbehalt von Absatz 2 ausgeschlossen.

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Sterilisationsgesetz

2

Sie ist ausnahmsweise zulässig, wenn: a.

sie im ausschliesslichen Interesse der betroffenen Person vorgenommen wird und diese keine Ablehnung gegen den Eingriff geäussert hat;

b.

die Zeugung und die Geburt eines Kindes nicht durch geeignete Verhütungsmethoden oder durch die freiwillige Sterilisation des urteilsfähigen Partners oder der urteilsfähigen Partnerin verhindert werden können;

c.

mit der Zeugung und der Geburt eines Kindes zu rechnen ist;

d.

eine Schwangerschaft, die Elternschaft oder die unvermeidliche Trennung vom Kind die körperliche oder seelische Gesundheit der betroffenen Frau oder des betroffenen Mannes ernsthaft gefährden würde; und

e.

die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde nach Artikel 8 zugestimmt hat.

Minderheit (Menétrey, de Dardel, Lauper, Thanei) 1

Die Sterilisation einer über 18-jährigen, dauernd urteilsunfähigen Person ist unter Vorbehalt von Absatz 2 ausgeschlossen.

Art. 8

Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde zur Sterilisation dauernd Urteilsunfähiger

1

Die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde prüft auf Antrag der betroffenen Person, einer ihr nahestehenden Person, ihres Vormunds oder der Vormundschaftsbehörde, ob die Voraussetzungen der Sterilisation erfüllt sind.

2

Vor ihrem Entscheid ergreift sie folgende Massnahmen: a.

Sie hört sowohl die betroffene Person als auch die dieser nahe stehenden Personen getrennt als Gesamtbehörde an;

b.

Sie lässt über die sozialen und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person durch eine Fachperson einen Bericht erstellen;

c.

Sie holt über die Urteilsunfähigkeit der betroffenen Person und die Dauer dieses Zustands ein Gutachten einer Fachärztin oder eines Facharztes für Psychiatrie ein.

3

Die Sterilisation darf nur vorgenommen werden, wenn die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde mit der Mehrheit ihrer Mitglieder zugestimmt hat.

Art. 9

Gerichtliche Beurteilung des Entscheids der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde

1

Die betroffene Person, eine ihr nahe stehende Person oder ihr Vormund kann den zustimmenden Entscheid der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde innerhalb von 30 Tagen nach seiner Eröffnung beim zuständigen kantonalen Gericht anfechten.

Der Entscheid unterliegt der Zivilrechtspflege nach den Artikeln 43 ff. OG.

2

Der ablehnende Entscheid der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde kann nur von der betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter angefochten werden.

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Sterilisationsgesetz

3

Bevor das Gericht der Sterilisation zustimmt, hört es als Gesamtbehörde die betroffene Person und die ihr nahe stehenden Personen an. Der zustimmende Entscheid bedarf der Mehrheit der Mitglieder des Gerichts.

Art. 10

Berichterstattung

1

Die Ärztin oder der Arzt, die oder der einen Eingriff nach Artikel 2 Absatz 2 an einer urteilsunfähigen Person vorgenommen hat, meldet diesen innerhalb von zehn Tagen der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde.

2

Die Ärztin oder der Arzt, die oder der eine entmündigte oder eine dauernd urteilsunfähige Person sterilisiert hat, meldet den Eingriff innerhalb von 30 Tagen dem für das Gesundheitswesen zuständigen Departement des Kantons oder der von diesem bezeichneten Stelle.

3 Die Meldung darf keine Angaben enthalten, die auf bestimmte Personen schliessen lassen.

3. Abschnitt: Referendum und Inkrafttreten Art. 11 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

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