03.417 Parlamentarische Initiative Geschäftsreglement des Ständerates (GRS) Totalrevision Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 31. März 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf des Geschäftsreglementes zuzustimmen.

31. März 2003

Im Namen der Kommission Der Präsident: Franz Wicki

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2003-0738

Übersicht Die Totalrevision des Geschäftsreglementes des Ständerates (GRS) ist eine notwendige Folge des neuen Parlamentsgesetzes (ParlG) vom 13. Dezember 2002 (Totalrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes), das seinerseits die Totalrevision der Bundesverfassung (BV) auf Gesetzesstufe umsetzt. Während die neue BV und das ParlG einige wichtige Neuerungen bzw. Präzisierungen in der Regelung der Organisation und des Verfahrens der Bundesversammlung sowie ihrer Beziehungen zum Bundesrat gebracht haben, ist die vorliegende Totalrevision des Ratsreglements weitgehend formaler Natur. Als Folge des ParlG fallen zahlreiche Reglementsbestimmungen weg; das verbleibende Reglement wird systematisch und sprachlich überarbeitet.

Das Ratsreglement beschäftigt sich in erster Linie mit den «Ratsinterna». Grössere Neuerungen sind hier nicht erforderlich: Der spezifische Charakter des Ständerates soll erhalten bleiben. Folgende kleinere Neuerungen können hervorgehoben werden: ­

Jede Fraktion der Bundesversammlung, der mindestens fünf Mitglieder des Ständerates angehören, erhält Anspruch auf eine Vertretung im Ratsbüro (Art. 5).

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Die Ergebnisse der Vorberatung eines Erlassentwurfes müssen neu innert gewisser Mindestfristen vor der Beratung im Rat an die Ratsmitglieder verschickt werden (Art. 20).

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Die Totalrevision des Geschäftsreglementes des Ständerates (GRS) ist eine notwendige Folge des neuen Parlamentsgesetzes (ParlG) vom 13. Dezember 2002 (Totalrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes GVG), das seinerseits die Totalrevision der Bundesverfassung (BV) auf Gesetzesstufe umsetzt (zur Entstehungsgeschichte des Entwurfs des ParlG siehe im Einzelnen den Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1. März 2001, Ziffer 1, BBl 2001 3471).

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates hat mit Beschluss vom 8. April 2002 die Planung der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen zum ParlG vorgenommen. Damit wurde unter anderem das Sekretariat der SPK beauftragt, unter Beizug anderer betroffener Dienststellen einen Vorentwurf für eine Totalrevision des GRS vorzulegen.

Die SPK hat an vier Sitzungen (28.10.02, 18.11.02, 18.2.03 und 31.3.03) diesen Vorentwurf beraten.

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Grundzüge der Vorlage

Die Totalrevision der beiden Ratsreglemente bildet den Abschluss der Neuordnung des gesamten Parlamentsrechts. Die Grundlage für diese Neuordnung wurde mit dem 5. Titel («Bundesbehörden») der Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999 gelegt. Die Umsetzung und Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Grundlagen erfolgte zur Hauptsache mit dem Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002.

Zahlreiche Bestimmungen der bisherigen Ratsreglemente wurden mit dem ParlG auf Gesetzesebene heraufgestuft, weil gemäss Artikel 164 BV die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden im Gesetz geregelt werden müssen. Das ParlG enthält darüber hinaus auch zahlreiche weitere Bestimmungen, die zwar nicht «wichtig» im Sinne von Artikel 164 BV sind, aber zweckmässigerweise für beide Räte gelten sollen. Dies gilt vor allem für die Regelung der Beziehungen der Bundesversammlung nach aussen, insbesondere gegenüber dem Bundesrat.

Als Folge der Totalrevision des GVG bzw. des neuen ParlG kann das Ratsreglement erheblich gekürzt werden. Die Systematik und Terminologie des Reglementes muss an das ParlG angepasst und überarbeitet werden.

Gegenstand des Ratsreglementes bleibt zur Hauptsache die Regelung der eigentlichen «Ratsinterna». Die vorliegende Totalrevision bringt in dieser Beziehung keine grundlegenden Neuerungen. Der spezifische Charakter des Ständerates soll erhalten bleiben. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Ständerat keine Einschränkungen des Rechtes der Ratsmitglieder auf Wortmeldung kennt. Die «Ratskultur» des Ständerates äussert sich im Übrigen auch in traditionellen Elementen, an welchen festgehalten werden soll: dem Namensaufruf zu Sitzungsbeginn, dem expliziten Erfordernis der «schicklichen Kleidung» und dem Abstimmen mit Handerheben.

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Die Mitglieder des Ständerates sind zwar auch Mitglieder der Fraktionen der Bundesversammlung; anders als im Nationalrat spielen aber die Fraktionen im Ratsbetrieb nur eine geringe Rolle. Immerhin bringt das neue Reglement hier eine kleine Akzentverschiebung, die aufzeigt, dass die Fraktionen zwar nicht im Verfahren des Rates, aber eben doch bei der Politikgestaltung durch den Rat eine Rolle spielen.

Während bisher das Ratsreglement die Fraktionen nur an einer einzigen Stelle (Art. 17 Abs. 4) erwähnte, wird der Begriff der «Fraktion» neu an zwei weiteren Stellen eingeführt (Art. 5 und Art. 14 des Entwurfes). Von Bedeutung ist insbesondere die Verankerung des Anspruches der Fraktionen mit mindestens fünf ständerätlichen Mitgliedern auf eine Vertretung im Ratsbüro.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Die Erläuterungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Änderungen gegenüber dem geltenden Recht.

1. Kapitel: Eintritt in den Rat Art. 2

Vereidigung

Der Wortlaut des Eides und des Gelübdes ist neu im ParlG (Art. 3 Abs. 4 und 5) enthalten.

Am expliziten Verzicht auf die Vereidigung wieder gewählter Ratsmitglieder wird festgehalten. Damit wird verdeutlicht, dass der Ständerat im Gegensatz zum Nationalrat keine Gesamterneuerung und Neukonstituierung kennt (mit Ausnahme des noch nie eingetretenen Falles einer Anwendung von Art. 193 Abs. 3 BV).

Gemäss Artikel 3 Absatz 3 ParlG verzichtet ein Ratsmitglied auf sein Amt, wenn es den Eid oder das Gelübde verweigert. Auf eine explizite Regelung des in einem derartigen Fall anzuwendenden Verfahrens soll verzichtet werden. Sollte es tatsächlich einmal dazu kommen, so müsste das Büro dem betreffenden Ratsmitglied eine Frist setzen. Läuft die Frist ungenützt ab, so müsste das Büro dem Rat die Feststellung des Amtsverzichts beantragen. Stimmt der Rat zu, so wäre es Sache des Kantons, eine Neuwahl vorzunehmen.

2. Kapitel: Organe 1. Abschnitt: Wahl des Präsidiums und des Büros Art. 3 Artikel 152 BV legt fest, dass eine Wiederwahl in dieselben Ämter für die Mitglieder des Präsidiums ausgeschlossen ist. Die bereits bisher bestehende identische Regel für die Stimmenzählerin oder den Stimmenzähler und die Ersatzstimmenzählerin oder den Ersatzstimmenzähler wird beibehalten. Aufgrund dieser Regelung hat sich in der Praxis eine fünfjährige «Laufbahn» ergeben: Wer als Ersatzstimmenzäh-

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lerin oder Ersatzstimmenzähler gewählt wird, «rutscht» Jahr für Jahr nach, um schlussendlich Präsidentin oder Präsident zu werden.

Wer aufgrund der neuen Bestimmung in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d ins Büro gewählt wird, soll hingegen in dasselbe Amt wieder wählbar sein. Wäre dies nicht der Fall, so würde quasi präjudiziert, dass diese Person nach einem Jahr als Ersatzstimmenzählerin oder Ersatzstimmenzähler vorgesehen wird, wodurch die traditionelle Stufenleiter verlängert würde. Oder die betreffende Fraktion müsste jedes Jahr ihre Vertretung im Büro auswechseln, was wenig sinnvoll wäre.

2. Abschnitt: Präsidentin oder Präsident und Präsidium Art. 4 Der Abschnitttitel zeigt, dass es hier um zwei unterschiedliche Organe geht: einerseits um die Präsidentin oder den Präsidenten und andererseits um das dreiköpfige «Präsidium».

Die in Absatz 1 umschriebenen Aufgaben der Präsidentin oder des Präsidenten entsprechen dem bisherigen Recht; Buchstabe b (Festsetzung der Tagesordnung) der bisher nicht festgeschriebenen Praxis.

Das Gesetz, auf das Absatz 1 im Weiteren verweist, bezeichnet folgende weitere Aufgaben der Präsidentin oder des Präsidenten: ­

die Verpflichtung, in bestimmten Notsituationen die Bundesversammlung einzuberufen (Art. 33 Abs. 3 ParlG);

­

der Vorsitz in der Vereinigten Bundesversammlung, falls die Präsidentin oder der Präsident des Nationalrates verhindert ist (Art. 39 Abs. 2 ParlG);

­

die Ausübung des Hausrechts in den Ratssälen (Art. 69 Abs. 1 ParlG; siehe auch Art. 13 Abs. 1 ParlG und Art. 47 und 48 dieses Reglementsentwurfs);

­

der Stichentscheid bei Abstimmungen im Rat, bei welchen sich Stimmengleichheit ergibt (Art. 80 ParlG);

­

die Bestimmung des Erstrates (zusammen mit der Präsidentin oder dem Präsidenten des Nationalrates; Art. 84 ParlG).

Absatz 3 regelt neu eindeutig, wer im Falle einer Verhinderung aller Mitglieder des Präsidiums die Aufgaben der Präsidentin oder des Präsidenten übernimmt.

Absatz 4 Buchstabe b verweist auf die durch das Gesetz bezeichneten Aufgaben des Präsidiums. Es handelt sich dabei um: ­

die Vermittlung und die Entscheidung bei Streitigkeiten über das Ausmass der parlamentarischen Informationsrechte (Art. 7 Abs. 3­6 und Art. 150 Abs. 4­7 ParlG).

­

die Ermächtigung zur Aufhebung des Post- und Fernmeldegeheimnisses sowie weiterer Ermittlungsmassnahmen gegen Ratsmitglieder (zusammen mit dem Präsidium des Nationalrates; Art. 18 und 19 ParlG).

Absatz 5 legt ein Beschlussquorum fest für Entscheide des Präsidiums gemäss Artikel 7 und 150 ParlG.

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3. Abschnitt: Büro Art. 5

Zusammensetzung und Verfahren

Seit längerer Zeit nehmen im Büro je zwei Mitglieder der Fraktionen der CVP und FDP sowie ein Mitglied der übrigen Fraktionen Einsitz. Diese übrigen Fraktionen (SPS, SVP und LPS) wechseln sich ab in der Besetzung des ihnen zustehenden Bürositzes. Obwohl im Ständerat der Begriff der «Fraktion» nur ungern verwendet wird, zeigt diese konstante Praxis eben doch deutlich auf, dass in erster Linie das Kriterium der Fraktionszugehörigkeit für die Besetzung der Bürositze massgebend ist. Diese informelle Regelung hat zurzeit zur Folge, dass die SVP-Fraktion zwar mit sieben Mitgliedern im Ständerat vertreten, aber von der Leitung des Rates ausgeschlossen ist. Ähnliche Situationen haben sich auch früher bereits etliche Male ergeben: Nach den Wahlen von 1975, 1979, 1983 und 1995 waren jeweils sowohl die SP- als auch die SVP-Fraktion mit mindestens fünf Mitgliedern im Ständerat vertreten. Die eine oder die andere Fraktion musste aber jeweils auf den Einsitz im das Büro verzichten.

Im Jahre 1991 scheiterte ein Versuch, das Büro auf sieben Mitglieder zu erweitern, entgegen dem Antrag der vorberatenden Kommission (BBl 1991 IV 409) im Rat nur knapp mit 19:16 Stimmen.

Bei der Wahl des Büros in der Wintersession 2002 kam es zu einer Kampfwahl um den Sitz des Ersatzstimmenzählers. Der Kandidat der SVP unterlag zwar dabei dem Bewerber der CVP; der Ratspräsident gab aber im Anschluss an die Wahl die Erklärung ab, er werde einen Vertreter der SVP zur Teilnahme an den Bürositzungen ohne Stimmrecht einladen.

Die Kommission schlägt nun eine dauerhafte Lösung vor, die jeder Fraktion der Bundesversammlung, welche im Ständerat mindestens fünf Mitglieder umfasst, Anspruch auf einen Sitz im Büro verleiht. Es geht dabei vor allem darum, dass alle Fraktionen ab dieser Grösse an der Planung der Ratsarbeiten beteiligt sind und dadurch die wichtigen diesbezüglichen Informationen erhalten.

Die Vergrösserung des Büros um in der Regel bloss ein Mitglied wird seine Effizienz kaum nennenswert beeinträchtigen. Aufgrund des Wortlautes von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d wäre es theoretisch denkbar, dass sich das Büro um zwei oder sogar mehrere Mitglieder vergrössert. Die vorschlagenden Fraktionen und das Wahlorgan haben es allerdings in der Hand, potenzielle Sitzansprüche gemäss Buchstabe d bereits bei den Wahlen gemäss Buchstaben a­c
zu befriedigen und damit eine nicht opportun erscheinende Vergrösserung des Büros zu vermeiden.

Es bleibt im Übrigen auch nach wie vor möglich, bei den Wahlen gemäss Buchstaben a­c den Vorschlag einer Fraktion zu berücksichtigen, die weniger als fünf Mitglieder des Ständerates umfasst ­ wie dies zeitweise gegenüber der Fraktion der Liberalen (LPS) gehandhabt wurde.

Wenn hier von Fraktionen die Rede ist, so sind in der Praxis die ständerätlichen «Gruppen» der Fraktionen der Bundesversammlung gemeint. Die interne Organisation der Fraktionen liegt in ihrer eigenen Kompetenz. In der Praxis haben alle Fraktionen die allein den Ständerat betreffenden Angelegenheiten an ihre ständerätlichen «Gruppen» delegiert.

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Art. 6

Aufgaben

Gegenüber dem bisherigen Aufgabenbeschrieb ergeben sich folgende Änderungen: ­

Buchstabe a: Die Zuständigkeiten und Abläufe im Zusammenhang mit der Festlegung des Sessionsprogramms werden gemäss der konstanten Praxis präzisiert.

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Buchstabe c: Neu ist vorgesehen, dass das Büro die Zuweisung von Geschäften an die Kommissionen an die Präsidentin oder den Präsidenten delegieren kann. Die Geschäftszuweisung soll in bestimmten unproblematischen Fällen auch im Zeitraum zwischen den relativ seltenen Bürositzungen stattfinden können, um unnötige Zeitverluste zu verhindern. Gedacht wird insbesondere an die Zuweisung: ­ einer Verordnung zur Konsultation durch eine Kommission (Art. 151 ParlG) und ­ einer vom anderen Rat angenommenen Motion oder parlamentarischen Initiative (vgl. die Erläuterungen zu Art. 18 Abs. 1).

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Buchstabe d: Artikel 49 ParlG verpflichtet die Kommissionen, ihre Tätigkeiten untereinander zu koordinieren. Das Büro soll nötigenfalls intervenieren, wenn eine Kommission dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Gestützt auf Buchstabe d kann aber eine Kommission nicht gehindert werden, ihr verfassungsmässiges Initiativrecht (Art. 160 BV) wahrzunehmen.

­

Buchstabe i: Artikel 14 ParlG legt neu auch Unvereinbarkeiten zwischen dem Amt eines Mitglieds des Ständerates und anderen Tätigkeiten fest. Das Büro wird also nach Inkrafttreten von Artikel 14 ParlG (gemäss Art. 174 Abs. 3 tritt diese Bestimmung erst mit der Wintersession 2007 in Kraft) prüfen müssen, ob derartige Unvereinbarkeiten vorliegen. Diese Prüfung muss beim Eintritt eines neuen Ratsmitgliedes vorgenommen werden. Sofern im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vorliegen, muss das Büro auch prüfen, ob im Laufe der Amtsperiode neue Unvereinbarkeiten entstehen. Die Prüfung allfälliger Unvereinbarkeiten muss unterschieden werden von der Wahlprüfung: Letztere wird durch das kantonale Recht geregelt, erstere hingegen ist Gegenstand des Bundesrechts.

Die Kommission hat ferner geprüft, ob das Büro neu ermächtigt werden soll, die Durchführung zusätzlicher Kommissionssitzungen ausserhalb des Jahressitzungsplans (Bst. f) und die Einsetzung von Subkommissionen zu genehmigen. Die Kommission lehnt eine derartige Kompetenz des Büros ab, weil sie davon ausgeht, dass die Kommissionen selbst in der Lage sind, über die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen organisatorischen Massnahmen zu entscheiden.

Art. 9

Delegationen

Ständige Delegationen sind insbesondere die Finanzdelegation und die Geschäftsprüfungsdelegation, für die das Parlamentsgesetz einige Spezialregelungen aufstellt (Art. 51 und 53). Im Weiteren bestehen ständige und nicht ständige Delegationen für die internationalen Beziehungen der Bundesversammlung (Art. 60). Eine Verordnung der Bundesversammlung regelt deren Organisation und Verfahren, soweit nicht die allgemeinen Regelungen des Parlamentsgesetzes und der Ratsreglemente gelten.

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Art. 10

Legislaturplanungskommission

Anders als im Geschäftsreglement des Nationalrates war die Legislaturplanungskommission bisher im GRS nicht erwähnt. Ihre Aufnahme im Reglement dient der Transparenz und widerspiegelt auch die grössere Bedeutung, welche der parlamentarischen Behandlung der Legislaturplanung aufgrund des in Artikel 146 ParlG festgelegten neuen Verfahrens zukommen soll. Die Kommission soll neu bereits in der Wintersession zu Beginn der Legislaturperiode des Nationalrates gebildet werden, also bevor der Bundesrat jeweils im März die Legislaturplanung dem Parlament unterbreitet. Da die Legislaturplanung bereits in der Sommersession vom Ratsplenum behandelt wird, steht die Kommission erfahrungsgemäss unter grossem Zeitdruck. Die frühzeitige Bestellung der Kommission ermöglicht es, zumindest die Sitzungstermine rechtzeitig festzulegen. Darüber hinaus könnte es im Falle der Legislaturplanung auch zweckmässig sein, wenn sich die Kommission bereits vor Erhalt des bundesrätlichen Berichts mit den allgemeinen methodischen Fragen der Planung beschäftigt und die Ergebnisse der letzten Legislaturplanung auswertet.

Art. 11

Subkommissionen

Neu wird festgelegt, dass die Einsetzung einer Subkommission nur erfolgen darf, wenn ihr ein Auftrag erteilt wird, welcher ihre Aufgabe umschreibt und ihr eine Frist für die Berichterstattung an die Kommission setzt.

Art. 12

Leitung

Die als Folge der Reform des Kommissionensystems im Jahre 1991 stark gestiegene Bedeutung der ständigen Kommissionen rechtfertigt es, die Aufgaben des Kommissionspräsidiums im Reglement festzuhalten. Der Aufgabenbeschrieb entspricht der heutigen Praxis. Die bisher an anderer Stelle des Reglementes verstreuten Bestimmungen über die Stellvertretung des Präsidenten und über sein Stimmrecht in der Kommission können jetzt an dieser Stelle platziert werden.

Art. 13

Amtsdauer

Die Regelung entspricht der heute teilweise (Abs. 3 und 4) nicht festgeschriebenen Praxis.

Art. 14

Stellvertretung

Das bisherige Reglement sah vor, dass sich ein Kommissionsmitglied für eine einzelne Sitzung vertreten lassen kann. Man wollte damit verhindern, dass durch länger dauernde Stellvertretungen die Wahlkompetenz des Büros unterlaufen werden kann.

In der jüngeren Praxis hat sich die Frage gestellt, ob sehr kurz dauernde Stellvertretungen (nur für ein bestimmtes Traktandum, nur für einen halben Tag oder gar nur für einzelne Abstimmungen) zulässig sind. Der neue Wortlaut von Absatz 1 legt fest, dass eine Stellvertretung nur für ganze Sitzungstage möglich ist. Das System der ständigen Kommissionen verlangt nach einer Kontinuität der personellen Zusammensetzung der Kommissionen. Eine sektorielle Stellvertretung nach bestimmten Interessengebieten ist nicht erwünscht; sie würde namentlich auch die grösseren Fraktionen, für welche sich mehr Möglichkeiten für Stellvertretungen bieten, gegenüber den kleineren Fraktionen bevorteilen.

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Absatz 2 regelt neu das Vorgehen bei Vakanzen (z.B. infolge eines Todesfalls).

Während im Normalfall der Vertretene seine Vertretung bestimmt, muss in diesem Fall die Fraktion diese Zuständigkeit wahrnehmen können. Zum Begriff der «Fraktion» im Ständerat, vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 5 in fine.

Absatz 4 entspricht der Praxis, die aber anders als im Nationalrat bisher nicht festgeschrieben war. Im Bereich der parlamentarischen Oberaufsicht sind Stellvertretungen unerwünscht, weil die Kontinuität der Sitzungsteilnahme insbesondere auch aufgrund der erhöhten Anforderungen an die Vertraulichkeit besonders wichtig ist.

Absatz 5 schliesst eine Rechtslücke. Subkommissionen berichten ihrer Kommission.

Daher ist es nicht zweckmässig, wenn an ihren Beratungen Mitglieder teilnehmen, die nicht der Gesamtkommission angehören.

Art. 15

Information der Öffentlichkeit

Dieser Artikel entspricht der Praxis und dem geltenden Recht. Weggelassen wurde der Vorbehalt im bisherigen Artikel 17 Absatz 4, wonach Kommissionsmitglieder ihre Fraktion nur «unter Wahrung des militärischen Geheimnisses und des Amtsgeheimnisses» über die Kommissionsverhandlungen orientieren können. Gemäss Artikel 8 ParlG sind alle Ratsmitglieder und gemäss Artikel 62 Absatz 4 ParlG auch die Mitarbeitenden der Fraktionen an das Amtsgeheimnis gebunden, unabhängig davon, in welchem parlamentarischen Organ sie davon Kenntnis erhalten haben.

3. Kapitel: Verfahren 1. Abschnitt: Vorberatung, Zuweisung und Überprüfung von Beratungsgegenständen Art. 17

Vorberatung

Absatz 3 geht weiter als der bisherige Artikel 27 Absatz 4, indem eine Kommission den Vorstoss eines Ratsmitglieds von sich aus und nicht nur nach Zuweisung durch den Rat in Vorberatung ziehen kann. Den Kommissionen des Nationalrates steht dieses Recht seit der Reform des Kommissionensystems im Jahre 1991 zu; sie üben es zwar selten, aber doch gelegentlich aus. Die ständigen Kommissionen beider Räte haben seit 1991 den Auftrag, die Entwicklungen in ihren sachlichen Zuständigkeitsbereichen zu verfolgen. In diesem Zusammenhang kann es z.B. zweckmässig sein, dass eine Kommission Stellung nimmt zu einem Vorstoss, der in ihrem sachlichen Zuständigkeitsbereich dem Bundesrat einen Auftrag zur Ausarbeitung einer Gesetzgebung erteilen will.

Art. 18

Zuweisung

In der Regel werden die neuen Beratungsgegenstände an den Bürositzungen zu Beginn jeder Session den Kommissionen zugewiesen. Diese Praxis geht zurück auf die Zeit, als das parlamentarische Geschehen noch fast ausschliesslich durch Vorlagen des Bundesrates geprägt wurde. Diese periodische Zuweisung insbesondere der grossen Vorlagen des Bundesrates erleichtert es, den nötigen Ausgleich bei der Festlegung des Prioritätsrates zu finden. Die Formulierung von Absatz 1 erlaubt es, 3516

einerseits an dieser Praxis festzuhalten. Andererseits soll mit der Auflage, dass die Zuweisung «so bald wie möglich» erfolgen soll, deutlich gemacht werden, dass mit der Zuweisung von Geschäften, die während einer Session im Rat anhängig gemacht werden, nicht wie bisher bis zum Beginn der nächsten Session zugewartet werden darf. Es geht dabei vor allem um parlamentarische Initiativen und um Motionen des anderen Rates. In diesen Fällen muss kein Prioritätsrat bestimmt werden und auch die sachlich zuständige Kommission steht meistens von vorneherein fest. Ein vereinfachtes Zuweisungsverfahren erlaubt es, sachlich nicht gerechtfertigte bürokratische Zeitverluste zu vermeiden und diese parlamentarischen Instrumente damit aufzuwerten. Dies ist besonders für die Motion wichtig, falls sie, wie mit dem neuen Parlamentsgesetz beabsichtigt, gegenüber der parlamentarischen Initiative an Gewicht gewinnen soll. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c kann das Büro die Zuständigkeit für die Zuweisung von Geschäften an den Ratspräsidenten delegieren; gedacht ist dabei insbesondere an diese Fälle.

Die Zuweisung von Berichten zur abschliessenden Behandlung durch eine Kommission gemäss Absatz 2 entspricht der bisher nicht festgeschriebenen Praxis.

Art. 19

Überprüfung auf formale Rechtmässigkeit

Sowohl das bisherige Parlamentsrecht (Geschäftsverkehrsgesetz und Ratsreglemente) als auch das neue Parlamentsgesetz kennen Vorschriften über die Zulässigkeit der Einreichung von Beratungsgegenständen. Im Ständerat fehlte aber bisher eine Regelung darüber, wer über die Zulässigkeit entscheidet. Auch wenn derartige Probleme gerade im Ständerat in der Regel im informellen Gespräch gelöst werden können, so empfiehlt sich im Hinblick auf durchaus denkbare Konfliktfälle doch eine klare Rechtsgrundlage für die entsprechende Zuständigkeit des Ratspräsidenten bzw. im Rekursfall des Büros.

Parlamentarische Initiativen und Vorstösse einzelner Ratsmitglieder, die nur während der Sessionen eingereicht werden können, sollen systematisch bei der Einreichung überprüft werden. Bei anderen Beratungsgegenständen, insbesondere den Vorlagen des Bundesrates und Vorlagen oder Vorstössen von Kommissionen, sind Formfehler zwar auch möglich, aber doch derart selten, dass sich der Aufwand einer systematischen Überprüfung nicht rechtfertigt. Absatz 2 sieht daher vor, dass der Ratspräsident hier nur auf Antrag einschreiten muss.

Art. 20

Versand der Ergebnisse der Vorberatung an den Rat

Der zu späte Versand der massgeblichen Beratungsunterlagen an die Ratsmitglieder hat in der Vergangenheit immer wieder zu Kritik Anlass gegeben. Jedem Ratsmitglied sollte für die Vorbereitung der Ratsverhandlungen genügend Zeit zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur für das Selbststudium der Unterlagen, sondern auch für die allfällig gewünschten Vorbesprechungen zum Beispiel mit seiner Fraktion oder mit den Behörden seines Kantons. Neu werden daher Fristen für den Versand vorgesehen. Diese gelten nur für Erlassentwürfe und für die Kommissionsanträge zu Erlassentwürfen in der ersten Beratung, nicht aber für alle anderen Beratungsgegenstände. Die Fristen sind nicht anwendbar für Erlassentwürfe, die in derselben Session von beiden Räten behandelt werden sollen. Massgebend für die Berechnung der Frist ist das Datum des Versandes, nicht des Erhaltes der Unterlagen. Wird die Frist nicht eingehalten, so soll das Büro darüber entscheiden, ob das Geschäft trotzdem 3517

behandelt oder aber aus dem Sessionsprogramm gestrichen werden soll. Dieser Entscheidungsspielraum des Büros ist nötig, um Ausnahmesituationen Rechnung tragen zu können. Eine schärfere Regelung der Sanktion in Form einer automatischen Streichung aus dem Sessionsprogramm liesse sich mit Gewissheit in der Praxis nicht konsequent durchsetzen, was der Glaubwürdigkeit des Reglementes und des Büros abträglich wäre.

2. Abschnitt: Beratungsgegenstände und ihre Behandlung Zahlreiche Bestimmungen des bisherigen Ratsreglements, insbesondere die Definition der einzelnen parlamentarischen Vorstösse und das Verfahren ihrer Behandlung, sind neu im Parlamentsgesetz geregelt, so dass sich das GRS auf einzelnde ergänzende Regelungen beschränken kann.

Art. 22

Begründung

Gegenüber dem bisherigen Reglement ist neu, dass einer parlamentarischen Initiative jedenfalls eine Begründung beigefügt werden muss. Angesichts des Aufwandes, den eine parlamentarische Initiative auslöst, falls ihr Folge gegeben wird, ist es gerechtfertigt, dass die Initiantin oder der Initiant sein Begehren erläutern muss.

Art. 23

Beantwortung von Vorstössen

Das ParlG schreibt in Artikel 121, 123 und 125 vor, dass parlamentarische Vorstösse vom Bundesrat «in der Regel» bis zur nächsten Session beantwortet werden (gemäss Art. 118 Abs. 5 ParlG gilt dies sinngemäss auch bei Vorstössen an die Ratsbüros oder an die eidgenössischen Gerichte). Artikel 27 Absatz 2 des geltenden GRS schreibt vor, dass im Falle eines Abweichens von dieser Regel die Urheberin oder der Urheber des Vorstosses und das Büro orientiert wird.

Art. 27

Erklärung des Ständerates

Gegenüber dem geltenden Recht wird präzisiert, welche Beschlüsse der Rat zu einer Erklärung fassen kann. Eine Detailberatung einzelner Textteile ist ausgeschlossen.

Die Erklärung kann nur gesamthaft angenommen, abgelehnt oder zur Überarbeitung an die Kommission zurückgewiesen werden. Absatz 3 löst das Problem, was mit einem Entwurf zu einer Erklärung geschieht, der nicht innert einer bestimmten Frist abschliessend behandelt wird, weil z.B. der Rat die Behandlung verschiebt oder weil nach einer Rückweisung an die Kommission nicht rechtzeitig ein überarbeiteter Text vorgelegt wird. Der nach wie vor hängige Beratungsgegenstand wird erledigt, indem er nach Fristablauf automatisch abgeschrieben wird.

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3. Abschnitt: Organisation der Ratssitzungen Art. 29

Tagesordnung

Die Zuständigkeit zur Festlegung der Tagesordnung liegt gemäss Artikel 4 des vorliegenden Reglementsentwurfs neu bei der Präsidentin oder beim Präsidenten, unter Vorbehalt anderer Ratsbeschlüsse.

Art. 31

Übersetzungen

Die Rolle der Übersetzerin oder des Übersetzers im Rat wird gemäss der geltenden Praxis festgehalten. Nicht nur an dieser Stelle, sondern im ganzen neuen Reglement werden Formulierungen vermieden, die ausdrücklich angeben, in welche Sprache übersetzt werden soll. Im geltenden Reglement wird demgegenüber an einigen Stellen noch der Grundsatz der Gleichstellung der italienischen Amtssprache explizit verletzt (Art. 42 Abs. 2, 45 Abs. 2, 50 Abs. 1, 58 Abs. 2). Der Reglementsentwurf geht davon aus, dass die Verwendung der Amtssprachen in absehbarer Zukunft durch das neue Sprachengesetz geregelt wird. Artikel 8 Absatz 2 des in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurfs dieses Gesetzes sieht vor: «Für die Behandlung in den Räten und in ihren Kommissionen müssen Botschaften, Berichte, Erlassentwürfe und Anträge in der Regel in Deutsch, Französisch und Italienisch vorliegen». Diese Bestimmung legt den Grundsatz der Gleichbehandlung der drei Amtssprachen im Ratsbetrieb fest, erlaubt aber auch Abweichungen. Es ist vorzuziehen, diese Abweichungen nicht generell-abstrakt zu regeln, sondern pragmatisch je nach den geäusserten Bedürfnissen der Ratsmitglieder vorzugehen.

Ersatzlos gestrichen wird Artikel 13a des geltenden GRS, welcher eine (Simultan-) Übersetzung der Kommissionsberatungen ins Deutsche, Französische oder Italienische vorsieht, sofern ein Kommissionsmitglied dies verlangt. Diese Bestimmung ist seit ihrer Inkraftsetzung im Jahre 1991 nie zur Anwendung gelangt.

Art. 32

Verhandlungsfähigkeit

Gemäss Artikel 159 BV können die Räte nur «gültig verhandeln, wenn die Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend ist». Artikel 40 Absatz 2 des geltenden Reglements statuiert eine Pflicht des Präsidenten, die Verhandlungsfähigkeit des Rates permanent zu prüfen. Diese Regelung lässt sich in der Praxis kaum konsequent durchsetzen. Analog der bereits im Nationalrat geltenden Regelung soll die Präsidentin oder der Präsident diese Prüfung nur noch vor bestimmten wichtigen Abstimmungen sowie auf Antrag eines Ratsmitglieds vornehmen müssen.

Art. 33

Anwesenheit

Die Kommission spricht sich mit 9:1 Stimmen bei einer Enthaltung dafür aus, am Namensaufruf zu Beginn jeder Sitzung festzuhalten. Er veranlasst die Ratsmitglieder dazu, sich wenn irgend möglich rechtzeitig vor Sitzungsbeginn im Ratssaal einzufinden. Dadurch wird dem interessierten Publikum der Eindruck eines disziplinierten und seriösen Ratsbetriebs vermittelt.

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Eine Kommissionsminderheit möchte den Namenaufruf abschaffen. Diese Vorschrift sei veraltet und zudem inhaltsleer, da die Nichtteilnahme am Namensaufruf keinerlei Konsequenzen nach sich zieht.

Art. 34

Schickliche Kleidung

Die Kommission möchte ­ im Gegensatz zur nationalrätlichen Kommission, welche die Streichung der analogen Bestimmung aus dem Reglement des Nationalrates beantragt ­ ausdrücklich an dieser Vorschrift festhalten. Sie macht deutlich, dass die Würde des Ratsbetriebs auch durch die äussere Erscheinung der Sitzungsteilnehmerinnen und Sitzungsteilnehmer ­ auch derjenigen, die dem Rat nicht angehören ­ gewahrt werden soll.

Art. 35

Ordnungsruf

Artikel 35 präzisiert Artikel 13 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes, wonach die Präsidentin oder der Präsident nach erfolgter Mahnung im Wiederholungsfall einem Ratsmitglied das Wort entziehen oder es für die restliche Dauer der Sitzung aus dem Rat ausschliessen darf, wenn es gegen die Ordnungs- und Verfahrensvorschriften verstösst. Die Mahnung erfolgt in der Form des Ordnungsrufes, den der Ständerat im Gegensatz zu den weiteren erwähnten Disziplinarmassnahmen des Parlamentsgesetzes bereits kennt (Art. 56 des geltenden Reglements).

4. Abschnitt: Beratungen im Rat Art. 37

Persönliche Erklärung

Das geltende Reglement kennt zwar bereits die persönliche Erklärung (Art. 54 Abs. 3), definiert aber diesen durchaus offenen Begriff nicht. Die Definition schafft Transparenz und gibt der Präsidentin oder dem Präsidenten eine bessere Grundlage, um bei einem allfälligen Missbrauch dieses Instrumentes einzugreifen.

Art. 39

Anträge

Die Verpflichtung der Präsidentin oder des Präsidenten, eingereichte Anträge auf ihre formale Rechtmässigkeit zu überprüfen, wird neu ausdrücklich im Reglement festgehalten (vgl. auch Art. 19).

Art. 41

Schluss der Beratung

Die Präsidentin oder der Präsident darf die Beratung erst dann schliessen, wenn das Wort nicht mehr verlangt wird. Ein verbindlicher Schluss der Rednerliste ist dem Ständerat unbekannt. Dieser Artikel, der das geltende Recht unverändert übernimmt, ist bestimmend für den Charakter des Ständerates als Parlament mit weitgehend freiem, unbeschränktem Rederecht.

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Art. 42

Textbereinigung

Eine analoge Bestimmung war bisher nur im Geschäftsreglement des Nationalrates, nicht aber in demjenigen des Ständerates enthalten. Es könnte sich auch im Ständerat das Bedürfnis ergeben, dass die vorberatende Kommission einen durch Anträge aus der Mitte des Rates stark veränderten Erlassentwurf redaktionell überprüft und bereinigt.

5. Abschnitt: Abstimmungen Art. 45­47 Artikel 82 ParlG stellt es den Räten frei, in ihren Reglementen zu regeln, «in welchen Fällen das Abstimmungsergebnis in Form einer Namensliste veröffentlicht wird». Diese Lösung hat sich erst in der letzten Phase der Differenzbereinigung durchgesetzt, nachdem der Ständerat dreimal den Beschluss des Nationalrates abgelehnt hatte (am 5. März 2002 mit 28:8 Stimmen, am 3.Oktober 2002 mit 26:14 Stimmen, am 9. Dezember 2002 mit 30:13 Stimmen), wonach beide Räte verpflichtet worden wären, die Stimmabgabe der Ratsmitglieder bei jeder Abstimmung namentlich festzuhalten und die entsprechenden Namenslisten öffentlich zugänglich zu machen. Diese Regelung hätte auch im Ständerat die Einführung eines elektronischen Abstimmungsssystems unumgänglich gemacht. Die Kommission schlägt nun mit 8:5 Stimmen vor, auch auf Reglementsstufe am traditionellen Abstimmungsverfahren und damit an einem wesentlichen Element der spezifischen Ratskultur der Ständekammer festzuhalten.

Auch die Kommissionsminderheit hält an ihrer bei der Beratung des Parlamentsgesetzes vertretenen Auffassung fest und schlägt die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems vor. Anders als bei der vom Nationalrat vorgesehenen neuen Regelung soll aber die Stimmabgabe der einzelnen Ratsmitglieder nicht bei allen Abstimmungen veröffentlicht werden. Es ist der gewünschten Transparenz besser gedient, wenn nicht eine unübersehbare Flut von Namenslisten zu jeder Abstimmung in der Detailberatung, sondern nur Namenslisten zu den wichtigen Abstimmungen veröffentlicht werden ­ wie dies der Nationalrat bisher gehandhabt hat.

In Artikel 46 schlägt die Kommission eine Neuerung vor. Bei Gesamt- und Schlussabstimmungen sowie bei Abstimmungen, bei welchen die Zustimmung der Mehrheit der Ratsmitglieder verlangt wird, sollen auch die bisher nicht festgehaltenen Enthaltungen ausgezählt und ihre Zahl bekannt gegeben werden. Enthält sich ein Ratsmitglied bei diesen Abstimmungen, so ist dies in der Regel Ausdruck einer bestimmten politischen Willensäusserung, die bei der bisherigen Praxis in der Regel kaum bemerkt werden konnte. Die Auszählung der Enthaltungen führt zu grösserer Transparenz und gibt dieser Form der Stimmabgabe das gebührende Gewicht.

In Artikel 47 wird die bisherige Regelung des Namensaufrufs (Art. 70)
übernommen. Diese Bestimmung wurde im Ständerat im Zeitraum von 1848 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gelegentlich angewendet (Moritz von Wyss, Die Namensabstimmung im Ständerat, Untersuchung eines parlamentarischen Mythos, in: Isabelle Häner (Hrsg.), Nachdenken über den demokratischen Staat und seine Geschichte, Beiträge für Alfred Kölz, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 23 ff.). Sie erlebte bei den oben erwähnten Abstimmungen vom 3. Oktober und 9. Dezember 2002 eine Renais3521

sance. Im Hinblick auf eine vielleicht dauerhafte Wiederbelebung dieses Verfahrens wird der Ablauf der Namensabstimmung in Artikel 47 präzisiert. Es wird dabei daran festgehalten, dass das Begehren von mindestens 10 Ratsmitgliedern anders als im Nationalrat nicht in schriftlicher Form gestellt werden muss. Es genügt, wenn auf Begehren eines Ratsmitglieds durch Handerheben festgestellt wird, ob mindestens zehn Ratsmitglieder eine Namensabstimmung verlangen.

4. Kapitel: Hausrecht Art. 48

Zutritt zum Ratssaal und seinen Vorzimmern

Die Regelung entspricht weitgehend geltendem Recht und heutiger Praxis. Gemäss Artikel 69 Absatz 1 ParlG steht das Hausrecht im Ratssaal der Ratspräsidentin oder dem Ratspräsidenten zu. Hier wird präzisiert, dass auch die Vorzimmer unter dieses Hausrecht fallen. Das ergibt sich daraus, dass diese Räume weder akustisch noch optisch vom Ratssaal klar abzutrennen sind. Bei diesen Vorzimmern handelt es sich um nicht-öffentliche Teile des Parlamentsgebäudes, zu welchen die Inhaber einer Zutrittskarte gemäss Artikel 69 Absatz 2 ParlG Zutritt haben. Als Folge von Artikel 162 ParlG müssen auch Vertreter des Bundesgerichts Zutritt zum Ratssaal erhalten.

Gestützt auf Artikel 69 Absatz 1 ParlG erhält die Präsidentin oder der Präsident mit den Absätzen 5 und 6 die Kompetenz zum Erlass weiterer Vorschriften. Gemäss der geltenden Praxis wird neu explizit erwähnt, dass das Recht auf den Besuch der Tribüne bei grossem Andrang zeitlich beschränkt werden kann. Im Weiteren kann die Präsidentin oder der Präsident über die Benützung des Ratssaals durch Dritte ausserhalb der Sessionen verfügen. In der Praxis bestehen dazu heute Weisungen der Verwaltungsdelegation, also eines Organs beider Räte. Werden diese Weisungen beibehalten, so könnte die Präsidentin oder der Präsident des Ständerates aufgrund des gesetzlichen Hausrechtes im Einzelfall ein Vetorecht wahrnehmen.

Verschiebung von Bestimmungen aus dem GRS in die Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung (VPP) Folgende Bestimmungen des geltenden GRS werden im neuen GRS nicht übernommen, sondern neu in der Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung aufgenommen: ­

Artikel 15, 48 und 49 enthalten Bestimmungen über die Sekretariate der Kommissionen und des Rates, welche noch auf die Zeit vor der Entstehung der Parlamentsdienste zurückgehen.

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Artikel 19­21 regeln die Protokollführung in den Kommissionen und die Verwendung der Protokolle.

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Artikel 45 enthält Bestimmungen über die Stellung der Journalisten und Artikel 46 regelt die audiovisuelle Aufzeichnung der Ratsdebatten und die Verwendung dieser Aufzeichnungen.

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Artikel 51 regelt die Wiedergabe der Verhandlungen des Ständerates im Amtlichen Bulletin. Artikel 4 Absatz 1 ParlG schreibt dazu ausdrücklich vor, dass dieser Gegenstand durch eine Verordnung der Bundesversammlung geregelt wird.

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Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass sie in systematischer Hinsicht der Parlamentsverwaltung zuzuordnen sind. Die jeweiligen Probleme stellen sich in beiden Räten in gleicher Weise und sie werden daher sinnvollerweise nicht in den beiden Räten unabhängig voneinander gelöst. Bezeichnenderweise stimmen denn auch schon heute GRN und GRS bei diesen Bestimmungen weitgehend überein.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das neue GRS hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

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Rechtliche Grundlagen und Erlassform

Artikel 36 ParlG gibt dem Ständerat die Kompetenz, «ein Geschäftsreglement mit den Ausführungsbestimmungen über seine Organisation und sein Verfahren» zu erlassen. Das Parlamentsgesetz überträgt damit gemäss Artikel 164 Absatz 2 BV Rechtsetzungsbefugnisse an den Ständerat. Das Geschäftsreglement ist also eine Parlamentsverordnung und entspricht seiner Rechtsnatur nach einer Verordnung der Bundesversammlung. Artikel 163 BV nennt zwar nur das Bundesgesetz und die Verordnung der Bundesversammlung als Formen der Erlasse der Bundesversammlung. Bei den Geschäftsreglementen der beiden Räte handelt es sich aber eben nicht um Erlasse der Bundesversammlung, sondern um Erlasse eines einzelnen Rates.

Auch wenn diese Form einer Parlamentsverordnung von der Bundesverfassung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, so liegt es in der Natur der Sache und ist seit 1849 konstante Praxis der Räte, dass jeder Rat, soweit er durch das Gesetz dazu ermächtigt ist, seine inneren Angelegenheiten und seine exklusiven Beziehungen zu Dritten (vgl. z.B. Art. 17 Abs. 2 des vorliegenden Reglementsentwurfs) ohne Mitwirkung des anderen Rates regeln darf.

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