03.030 Botschaft über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der International Security and Assistance Force (ISAF) in Afghanistan vom 16. April 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zu einem einfachen Bundesbeschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der International Security and Assistance Force (ISAF) in Afghanistan mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglicher Hochachtung.

16. April 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Seit dem 8. März 2003 sind zwei Angehörige der Schweizer Armee als Stabsoffiziere der Multinationalen Brigade Kabul (KMNB) in der International Security and Assistance Force in Afghanistan (ISAF) im Friedensförderungseinsatz. Das VBS hat ­ in Absprache mit dem EDA ­ einer diesbezüglichen Anfrage der zurzeit unter deutschniederländischer Führung stehenden ISAF entsprochen, sich analog dem Einsatz von Militärbeobachtern an dieser UNO-Mission mit Einzelpersonen zu beteiligen.

Mit der Entsendung von militärischen Spezialisten zeigt die Schweiz auch personell Flagge, d.h. unsere Solidarität mit den internationalen Bestrebungen wird im Sinne der Sicherheit durch Kooperation sichtbar. Die Entsendung von einsatzerfahrenen Schweizer Offizieren in die ISAF ermöglicht einen weiteren Wissens- und Erfahrungstransfer zugunsten unserer militärischen Friedensförderung.

Gemäss der Verordnung über den Einsatz von Personal bei friedenserhaltenden Aktionen und Guten Diensten (SR 172.221.104.4) vom 24. April 1996 ist das VBS für den Einsatz von militärischem Personal bei friedenserhaltenden Aktionen (Art. 3 Abs. 2 Bst. b) zuständig. Bei Einsätzen, die politisch eine besondere Bedeutung haben, entscheidet der Bundesrat (Art. 3 Abs. 1). Der ISAF-Einsatz erfolgt zum Selbstschutz bewaffnet und der Einsatz wird länger als drei Wochen dauern. Deshalb muss der Einsatz gemäss Artikel 66b Absatz 4 des Militärgesetzes von der Bundesversammlung genehmigt werden. Der Bundesrat hat den Einsatz am 16. April 2003 gutgeheissen. In dringenden Fällen kann er die Genehmigung der Bundesversammlung nachträglich einholen.

Diese Genehmigung kann im Sonderverfahren frühestens in der Sommersession 2003 nachträglich eingeholt werden.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Am 12. September 2001, einen Tag nach den Terroranschlägen in New York und Washington, verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1368 diese Anschläge als bewaffneten Angriff auf die Vereinigten Staaten sowie als Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit. In der gleichen Resolution bekräftigte der Sicherheitsrat das in der UNO-Charta verankerte Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung und bestätigte die Notwendigkeit, alle erforderlichen Schritte gegen zukünftige Bedrohungen zu unternehmen. Im Anschluss daran führten die USA zusammen mit befreundeten Staaten die Operation ENDURING FREEDOM durch.

Mit der Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001 legte der UNO-Sicherheitsrat die Grundlage für die ,,Einrichtung einer internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (International Assistance Force) für einen Zeitraum von sechs Monaten, um die afghanische Interimsbehörde bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und dessen Umgebung zu unterstützen, damit die afghanische Interimsbehörde wie auch das Personal der Vereinten Nationen in einem sicheren Umfeld tätig sein können".

Mit der Resolution 1413 wurde das Mandat bis zum 20. Dezember 2002 verlängert (ISAF II), mit der Resolution 1444 um ein weiteres Jahr (ISAF III) bis zum 20. Dezember 2003. Es ist davon auszugehen, dass der UNO-Sicherheitsrat den Einsatz um ein weiteres Jahr verlängern wird.

Im Zuge der Übernahme des Kommandos von ISAF III durch Deutschland und die Niederlande ab Februar 2003 wurde unter anderem auch die Schweiz um Unterstützung angefragt.

1.2

Schweizer Engagement in Afghanistan

1.2.1

Ziviles Engagement

Die Schweiz engagiert sich in verschiedenen zivilen Bereichen des Landes. Seit Dezember 2001 hat die Schweiz zur logistischen Unterstützung der Interimsregierung ca. 400'000 Franken in den vom UN Development Programm verwalteten Fund und 230'000 US-Dollar für den "Law and Order Fund" zur Unterstützung der Polizei einbezahlt. Anlässlich seines Besuches in Kabul kündete Bundesrat Joseph Deiss einen Betrag von 1 Mio. Fr. für den von der Weltbank verwalteten "Afghanistan Reconstruction Trust Fund" zugunsten der Interimsregierung an.

Für 2002 wurde eine Summe von rund 20.8 Mio. Fr. (Vorjahr: 17.5 Mio. Fr.) für die Nothilfe und den Wiederaufbau in Afghanistan eingestellt. Zwei Drittel des für die humanitäre Hilfe vorgesehenen Betrages werden für Aktivitäten im multilateralen Bereich aufgewendet (IKRK 2.5 Mio, UNHCR 3.0 Mio, World Food Programm 4.5 Mio). Schwerpunkt bleibt die Unterstützung des UNHCR Programms zu Gunsten

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der Flüchtlinge in Pakistan und Iran. Nebst den Finanzbeiträgen an die Programme der multilateralen Organisationen stellt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) Experten aus dem Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe zur Verfügung. Bauingenieure, Logistiker und Ärzte unterstützen die Nothilfe Programme des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), World Food Programm, UNOCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Assistance) und IKRK in Planungs- und Koordinationsaufgaben. Nebst der Nahrungsmittelhilfe werden Agrikulturprojekte zu Gunsten der Rückkehrer und der von der Dürre betroffenen Bevölkerung finanziert. Die Agrikulturprojekte von internationalen und lokalen Nichtregierungsoraganisationen (NGOs) werden in Form von Saatgut unterstützt. Seit August 2002 ist ein permanenter DEZA-Koordinator in Kabul.

1.2.2

Militärisches Engagement

Das VBS unterstützt seit dem 3. Mai 2002 mit einem Logistikberater das Mine Action Program for Afghanistan (MAPA), welches unter UNO-Schirmherrschaft steht. Der Schweizer Nichtregierungsorganisation Fondation Suisse de Déminage wurde zudem ein technischer Berater für Ausbildungszwecke (März bis Juni 2002) sowie spezialisiertes Material im Wert von rund 25'000 Fr. zur Verfügung gestellt.

Des weiteren hat das VBS im vergangenen Jahr der internationalen Gemeinschaft für den Wiederaufbau der afghanischen Streitkräfte eine Lieferung von rund 2500 Rucksäcken, Schlafsäcken und Wolldecken überlassen.

Das EDA unterstützt ein Engagement von Stabsoffizieren in Stäben der ISAF in Kabul. Vorabklärungen im Generalstab haben ergeben, dass das VBS per März 2003 zwei einsatzerfahrene Offiziere (Hptm/Maj) in den multinationalen Stab nach Kabul entsenden kann. Im Vorfeld der sich zuspitzenden Situation im Irak ist das EDA für eine Aufdatierung seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 2002 gebeten worden und hält ausdrücklich daran fest, dass es sinnvoll ist, das bisherige Schweizer Engagement in Afghanistan mit dieser bescheidenen militärischen Komponente zu ergänzen.

Das VBS teilte die Einschätzung des EDA und hat deshalb aus folgenden Überlegungen dem Friedensförderungseinsatz ab 8. März 2003 zugestimmt: ­

Mit der Entsendung von militärischen Spezialisten zeigt die Schweiz auch personell Flagge, d.h. unsere Solidarität mit den internationalen Bestrebungen der Vereinten Nationen wird im Sinne der Sicherheit durch Kooperation sichtbar.

­

Die Entsendung von einsatzerfahrenen Schweizer Offizieren in die ISAF III ermöglicht einen Wissens- und Erfahrungstransfer zugunsten unserer militärischen Friedensförderung.

­

Im Rahmen unseres SWISSCOY-Einsatzes in Kosovo sowie in zahlreichen UNO-Einsätzen haben auch unsere Milizoffiziere gezeigt, dass sie in multinationalen Stäben effektive Beiträge leisten und so auch Beweise für die Tragfähigkeit unseres Milizsystems erbringen können.

­

Basierend auf der Erfahrung aus fast 15 Jahren und über 20 Missionen zeigt sich, dass schweizerisches Militärpersonal bei der lokalen Bevölkerung in

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aller Regel eine Akzeptanz geniesst, welche Angehörigen vieler anderer Staaten verwehrt bleibt. Die Schweiz profitiert davon, dass sie keine koloniale Vergangenheit hat und in den aktuellen Konflikten keine machtpolitischen Interessen verfolgt.

Beim vorgesehenen Einsatz handelt es sich um einen Friedensförderungseinsatz, im Sinne von Art. 66ff. MG. Mit der Resolution 1386 ist die Voraussetzung eines UNO-Mandates gegeben.

1.3

Zuständigkeit

Die Kompetenz des Bundesrates zur Anordnung von Friedensförderungsdienst stützt sich auf Artikel 66b Absatz 1 MG, und die Verordnung über den Einsatz von Personal bei friedenserhaltenden Aktionen und Guten Diensten (SR 172.221.104.4) regelt neben den personal- und dienstrechtlichen Fragen die verwaltungsinterne Kompetenzverteilung zwischen VBS und EDA. Demnach ist das VBS zuständig für den Einsatz von militärischem Personal bei friedenserhaltenden Aktionen (Art. 3 Abs. 2 Bst. b). Bei Einsätzen, die politisch eine besondere Bedeutung haben, entscheidet der Bundesrat (Art. 3 Abs. 1).

Der Bundesrat hat am 16. April 2003 beschlossen: 1.

Das VBS wird ermächtigt, in Stäben der International Security and Assistance Force (ISAF) in Afghanistan Offiziere im Friedensförderungsdienst einzusetzen.

a. Die Offiziere werden zum Selbstschutz bewaffnet.

b. Der Einsatz umfasst gleichzeitig höchstens vier Offiziere.

c. Der Einsatz erfolgt im Rahmen des entsprechenden UNO-Mandates.

d. Das VBS kann den Einsatz jederzeit beenden.

2.

Die Botschaft und der Entwurf zum Bundesbeschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der International Security and Assistance Force (ISAF) in Afghanistan werden gutgeheissen.

3.

Das Sekretariat der Bundesversammlung wird mit Meldezettel der BK über das Erscheinen der Botschaft orientiert.

Der ISAF-Einsatz erfolgt zum Selbstschutz bewaffnet und der Einsatz wird länger als drei Wochen dauern. Deshalb muss der Einsatz gemäss Artikel 66b Absatz 4 des Militärgesetzes von der Bundesversammlung genehmigt werden. In dringenden Fällen kann der Bundesrat die Genehmigung der Bundesversammlung nachträglich einholen.

Die Genehmigung kann im Sonderverfahren frühestens in der Sommersession 2003 nachträglich eingeholt werden. Auch beim ISAF-Einsatz schweizerischer Offiziere zugunsten ISAF hat das VBS, wie bei den anderen Engagements im Ausland, jederzeit die Möglichkeit, aufgrund einer sicherheitspolitischen Lagebeurteilung den Einsatz jederzeit zu beenden.

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2

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Für diesen Einsatz fallen keine zusätzlichen Kosten an. Sie werden durch das ordentliche Budget der Abteilung friedenserhaltende Operationen in der Untergruppe Operationen im Generalstab aufgefangen.

Für die Phase ISAF III belaufen sich die Kosten bei zwei entsendeten Offizieren auf insgesamt 380'000 Franken. In diesem, auf der Basis von zwei Mannjahren errechneten Betrag sind die Gehälter, Spesen, Sozialversicherungskosten, Material- und Ausbildungsaufwendungen eingerechnet.

3

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999-2003 vom 1. März 2000 nicht angekündigt. Zweifellos stellt aber dieser Beschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der International Security and Assistance Force (ISAF) in Afghanistan ein wichtiges sicherheitspolitisches Ziel dar, im Sinne unserer Strategie Sicherheit durch Kooperation.

4

Rechtsform

Der vorliegende Bundesbeschluss stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz (Art. 66b Abs. 4 MG) ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Da er weder rechtsetzend ist, noch dem Referendum untersteht, wird er in die Form des einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV, Art. 4 Abs. 2 GVG).

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