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21. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderungen des Gebrauchs-Zolltarifs 1959 (Vom 7. August 1974)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Der Bundesrat hat nach Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über den schweizerischen Zolltarif (Zolltarifgesetz) (SR 632.10) der Bundesversammlung halbjährlich über die Massnahmen zu berichten, die er in Anwendung der Artikel 4, 6, 7 und 8 dieses Gesetzes getroffen hat. Die Bundesversammlung entscheidet hierauf, ob die beschlossenen Änderungen des Gebrauchs-Zolltarifs 1959 in Kraft bleiben sollen.

Des weitern haben wir Ihnen nach Artikel 3 Absatz 2 des Bundesbeschlusses vom 23. September 1971 über die Gewährung von Zollpräferenzen im Rahmen des allgemeinen Präferenzensystems zugunsten der Entwicklungsländer (Zollpräferenzenbeschluss) (SR 632.91) auch über jene Massnahmen halbjährlich zu berichten, die wir gestützt auf diesen Bundesbeschluss ergriffen haben, damit Sie ebenfalls entscheiden können, ob diese in Kraft bleiben sollen.

Wir berichten Ihnen im folgenden über die seit dem 20. Bericht (BB11974 I 379), d. h. im ersten Halbjahr 1974 beschlossenen Zollmassnahmen. Es handelt sich dabei um die Massnahmen, die zur Verwirklichung der zweiten Etappe der schweizerischen Zollpräferenzen im Rahmen des allgemeinen Präferenzensystems zugunsten der Entwicklungsländer ergriffen wurden. Änderungen des GebrauchsZolltarifs 1959, die sich auf die Artikel 4, 6, 7 und 8 des Zolltarifgesetzes stützen, wurden in der Berichtsperiode nicht beschlossen.

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Verordnung über die Festlegung der Präferenz-Zollansätze und der begünstigten Länder, Änderung vom 6. Februar 1974 (AS 1974 632)

Inhalt dieser Verordnung bilden insbesondere die beiden Anhänge. Anhang I bestimmt für welche Produkte und in welchem Ausmass Präferenz-Zollansätze gelten und Anhang II bezeichnet die Länder und Gebiete, welche in den Genuss dieser Vorzugszölle gelangen.

Während die Änderungen zum Anhang II (Liste der begünstigten Länder) formeller Natur sind und lediglich der neuen Bezeichnung und Zugehörigkeit von Ländern und Gebieten Rechnung tragen, wurde Anhang I (Liste der Produkte mit Präferenz-Zollansätzen) einer grundlegenden Revision unterzogen, die wir Ihnen im einzelnen näher erläutern : Die Verwirklichung der schweizerischen Zollpräferenzen im Rahmen des allgemeinen Präferenzensystems1' war von Anfang an in einem Verfahren in zwei Stufen geplant. Die erste Etappe sollte dabei eindeutig Übergangscharakter haben. So wurde in der Botschaft zum Zollpräferenzenbeschluss (BB119711 709) erklärt, dass der Bundesrat beabsichtige, «zwei Jahre nach Inkrafttreten des Bundesbeschlusses die zweite Etappe zu verwirklichen. Auf allen vom Zollabbau der ersten Etappe erfassten Produkten der Kapitel 25-99 des Zolltarifs wird der Zoll beseitigt, sofern nicht einem solchen Schritt für einzelne Zollpositionen interne Schwierigkeiten, die in der Zwischenzeit aufgetreten sind, oder das Erfordernis einer angemessenen Verteilung der Leistungen der Geberländer entgegenstehen.

Auf diesen Positionen würde die Präferenz von 30 Prozent beibehalten oder unter Umständen nur ein weiterer beschränkter Zollabbau vorgenommen.» Dieses Vorgehen wurde denn auch auf internationaler Ebene (OECD, GATT und UNCTAD) angekündigt.

Ausgangspunkt für die Ausgestaltung der zweiten Etappe war somit die Frage, ob für alle Industriewaren (Waren der Kapitel 25-99 des Zolltarifs), die Gegenstand des Zollabbaus der ersten Etappe gebildet haben, der Zoll im Lichte der Erfahrungen der ersten Stufe und der Leistungen der ändern Industriestaaten tatsächlich beseitigt werden könne.

Einer der Grundzüge des allgemeinen Präferenzensystems ist das Erfordernis, wonach die Industriestaaten vergleichbare Leistungen erbringen sollten. Zwar haben die Vereinigten Staaten noch keine allgemeinen Zollpräferenzen verwirklicht. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt als Bestandteil des «Trade 1

> Zollpräferenzen im Rahmen des allgemeinen Präferenzensystems zugunsten der Entwicklungsländer gewahren zur Zeit alle Industriestaaten Westeuropas sowie Japan, Australien, Neuseeland und Kanada; das Vorhaben der USA, den Entwicklungsländern ebenfalls Zollpräferenzen zu gewähren, ist Teil des «Trade Reform Act», das nach der Zustimmung des Repräsentantenhauses nun vor dem Senat liegt.

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Reform Act» vor dem amerikanischen Kongress. Kanada hat seine Zollpräferenzen auf den I.Juli 1974 in Kraft gesetzt. Fast alle übrigen Industriestaaten gewährten den Entwicklungsländern von Anfang an die Zollbefreiung. Sie haben überdies in den letzten zwei Jahren andere Elemente ihrer Präferenzenregelung (Erweiterung von zollfreien Kontingenten, Beseitigung gewisser Ausnahmen usw.) für die begünstigten Länder verbessert. Dies trifft insbesondere auch für die Europäischen Gemeinschaften zu.

Aufgrund dieser Ausgangslage und nach Vornahme der erforderlichen internen Abklärungen haben wir folgenden Entscheid getroffen :

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Industrieprodukte

Die Zollbefreiung gilt für alle Waren der Kapitel 25-99 des Zolltarifs, abgesehen von den folgenden Einschränkungen : - Textil- und Bekleidungssektor (Zolltarifkapitel 50-63) Die Präferenz wird von 30 auf 50 Prozent des Normaltarifs erweitert (wobei für Waren dieser Kapitel Hongkong, Macao und Südkorea wie bisher von jeglicher Präferenz ausgeschlossen bleiben).

Diese Regelung wurde getroffen, weil einerseits alle Präferenzgeberländer die wirtschaftliche Tragweite ihrer Zollpräferenzen im Textilbereich durch gezielte Ausnahme gewisser Produkte von der Begünstigung/oder durch Kontingentierung der zollfreien Einfuhr mehr oder weniger begrenzten und andererseits gerade der Aufbau einer Textilindustrie für die meisten Entwicklungsländer eine wesentliche Rolle in der Verwirklichung ihrer Industrialisierung spielt und auch beschäftigungspolitisch von Belang ist. Für unser Land erschien auch beim Übergang zur 2. Etappe eine mengenmässige Beschränkung des Zollvorteils - nicht zuletzt wegen des damit verbundenen administrativen Aufwandes nicht zweckmässig ; hingegen zeigte es sich, dass eine gewisse allgemeine Verbesserung der Präferenzmarge möglich ist.

- Die übrigen Einschränkungen erstrecken sich auf bestimmte Schuhe (Tarifnummer 6402), Schirme (6601), Rohaluminium (7601) und Trockenbatterien (8503); für alle diese Waren wurde die Präferenz auf 50 Prozent des Ausgangstarifs festgelegt (für alle Waren des Kapitels 64 des Zolltarifs, d. h. für Schuhe, wurde die für die erste Etappe getroffene Regelung, Hongkong, Macao und Südkorea von jeglicher Präferenz auszuschliessen, auch beim Übergang zur zweiten Etappe übernommen). Diese Regelung ergab sich vor allem in Berücksichtigung der Leistungen der anderen Industriestaaten auf diesem Gebiet. Gerade aus dieser Sicht drängten sich ausserdem für einige Produkte gewisse Einschränkungen auf, die nur einzelne Entwicklungsländer betreffen : so wurde die Präferenz auf gewissen Schuhen (Tarifnummer 6402) und gewissen Kupferhalbfabrikaten (7403/04/05/07) aus Jugoslawien auf 30 Prozent belassen, desgleichen die Präferenz auf Regen- und Sonnenschirmen (6601) aus Hongkong und Macao. Für gewisse Aluminiumwaren (7602/03) aus Jugoslawien und der

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Türkei wurde eine Präferenzmarge von 50 Prozent festgesetzt. Schliesslich wurden die Präferenzen auf Uhren und Uhrenteilen (Kapitel 91 des Zolltarifs) gegenüber Hongkong einstweilen nicht erweitert, bis dessen Massnahmen zur Bekämpfung von Uhrenfälschungen die gewünschten Erfolge zeitigen. Auf weitere Abweichungen vom Grundsatz der Zollbefreiung konnte verzichtet werden, da bei der Beeinträchtigung von wesentlichen schweizerischen Wirtschaftsinteressen, die mit der Gewährung von Zollpräferenzen im Zusammenhang stehen, die Rücknahmeklausel (Art. 2 Abs. 2 Zollpräferenzenbeschluss) angewandt werden kann.

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Waren aus Landwirtschaft und Fischerei

Im Bereich von Landwirtschaft und Fischerei (Waren der Kapitel 1-24 des Zolltarifs) wurden im Vergleich zur ersten Etappe ebenfalls Verbesserungen vorgenommen : für die meisten Produkte, bei denen der Zoll in der ersten Etappe nur herabgesetzt worden war, wurde er nun beseitigt; zudem wurden vier weitere Produkte in die Präferenzenregelung einbezogen [Datteln, gewisse exotische Früchte und Nüsse, Palmherzen (Tarifnummern 0801.10, 0801.30 und ex 2107.40) sowie Hunde- und Katzenfutter in Dosen (Tarifnummer 2307.18, für die eine Präferenzmarge von 50% gilt)]. Diese Erweiterung beeinträchtigt in keiner Weise den Schutz der schweizerischen Landwirtschaft.

13 Länderkreis In bezug auf das Ausmass der Präferenzmargen wurde der Kreis der begünstigten Länder etwas enger gefasst: die Begünstigung der Industrie- und Agrarprodukte aus Spanien und Griechenland wurde auf dem Stand vom 1. März 1972 belassen. Diese beiden Länder haben in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung einen verhältnismässig fortgeschrittenen Stand erreicht und streben eine Lösung ihrer handelspolitischen Beziehungen im europäischen Rahmen an.

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Auswirkungen der schweizerischen Zollpräferenzen

Die praktischen Auswirkungen der Zollpräferenzen der ersten Etappe sind, wie vorauszusehen war, bescheiden geblieben.

1973 wurden Waren im Werte von 454 Millionen Franken zu PräferenzZollansätzen behandelt oder rund 38 Prozent der präferentiell behandelbaren Einfuhren aus den begünstigten Ländern. Davon entfielen 394 Millionen Franken auf Industriewaren und 60 Millionen Franken auf Waren aus Landwirtschaft und Fischerei.

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Insgesamt betrug 1973 der Anteil der präferentiell behandelten Waren 13,5 Prozent der gesamten Einfuhren aus Entwicklungsländern oder 1,2 Prozent der schweizerischen Gesamteinfuhr.

Die Tatsache, wonach die Zollpräferenz bisher nur 30 Prozent auf vielfach schon verhältnismässig bescheidenen Zöllen betrug, dürfte oft dazu geführt haben, dass auf die mit dem Ursprungsnachweis verbundenen administrativen Umtriebe in den Entwicklungsländern und damit auf die präferentielle Zollabfertigung verzichtet wurde. Immerhin wussten eine Reihe von Entwicklungsländern die Vorteile der Zollpräferenzen auf dem schweizerischen Markt auszunützen. Im Bereich der Industriewaren sind dies vor allem Spanien (127 Mio. Fr.), Jugoslawien (68 Mio. Fr.), Hongkong (39 Mio. Fr.), Iran (33 Mio. Fr.), Griechenland (14 Mio. Fr.) und Israel, Brasilien und Indien (je 12 Mio. Fr.). Erwartungsgemäss belebten sich für den Anfang vor allem die Einfuhren aus den fortgeschritteneren Entwicklungsländern. Die präferentiell abgefertigte Einfuhr nahm im Industriebereich zu; sie stieg stärker an als die Gesamteinfuhr aus den begünstigten Ländern.

Es ist zu erwarten, dass die Einführung der zweiten Etappe die praktischen Auswirkungen der Zollpräferenzen verstärken wird. Zollpräferenzen sind jedoch keine Absatzgarantie, sondern vieles wird davon abhängen, ob die begünstigten Länder die erforderlichen Schritte unternehmen, um die gebotenen Erleichterungen auch wirklich auszunützen.

Der Bundesratsbeschluss vom 26. Januar 1972 über die Ursprungsregeln für die Gewährung von Zollpräferenzen an Entwicklungsländer (AS 1972 273) hat in der Berichtsperiode keine Änderung erfahren.

Abschliessend kann festgestellt werden, dass das allgemeine Präferenzensystem und in dessen Rahmen auch die schweizerischen Zollpräferenzen einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der wirtschaftspolitischen Ziele zahlreicher Entwicklungsländer darstellen; sie helfen diesen Ländern die Exporterlöse zu erhöhen und die Industrialisierung und die Diversifikation ihrer Wirtschaft zu fördern. Die Ihnen in diesem Bericht dargelegte Ausgestaltung der zweiten Etappe der schweizerischen Zollpräferenzen ist von unseren Handelspartnern in den Entwicklungsländern und in den Industriestaaten sowie von den zuständigen internationalen Organisationen in diesem Sinne positiv aufgenommen worden.

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Antrag

Wir beantragen Ihnen, gestützt auf diesen Bericht von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und zu beschliessen, dass sie weiter in Kraft bleiben.

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Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 7. August 1974 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Brugger Der Bundeskanzler : Huber 3727

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19.08.1974

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