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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald (Vierter Titel: Richterliche Behörden) (Vom 10. September 1963)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Die Stimmberechtigten des Kantons Unterwaiden ob dem Wald haben in der Volksabstimmung vom 12. Mai 1963 mit 1659 Ja gegen 1142 Nein eine Teiländerimg der Kantonsverfassung vom 27. April 1902 angenommen. Mit Schreiben vom 22. Mai 1963 ersuchen Landammann und Eegierungsrat des Kantons Unterwaiden ob dem Wald um Erteilung der eidgenossischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten : Bisheriger Text

Neuer Text

Richterliche Behörden

Richterliche Behörden

A. Allgemeines

A. Allgemeines

Art. 41 Alle Zivilstreitigkeiten, mit Inbegriff der Privatehrbeleidigungsklagen, müssen, ehe sie vor Gericht gelangen, zum Zwecke gutlicher Ausgleichung vor den Friedensrichter gebracht werden. Eine Ausnahme findet einzig hinsichtlich jener Fälle statt, welche durch Vereinbarung der Parteien einem Schiedsgericht zum Entscheide übertragen werden oder für welche durch

Art. 41 Die Eechtspflege mit Einschluss der Aufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen wird von den verfassungsmässigen Gerichtsbehörden ausgeübt.

2 Für die Zivil- und Strafrechtspflege wird die Organisation durch Gesetz, das Verfahren durch Verordnung bestimmt. Durch Gesetz können für die Verwaltungsrechtspflege besondere 1

493 Bisheriger Text die Gesetzgebung der Suhneversuch ausgeschlossen ist.

Forderungsstreitigkeiten aus Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Natur zwischen dem Fiskus und Gemeinden oder Korporationen oder zwischen Gemeinden und Korporationen unter sich, sowie Klagen gegen den materiellen Inhalt von Gemeinde- oder Korporationsbeschlüssen gemäss Artikel 62, Absätze l, 3 und 4, der Kantonsverfassung werden von den gleichen Instanzen und im gleichen Verfahren beurteilt wie die Zivilstreitfälle.

Art. 42 Zur Beurteilung von Straffallen muss das Gericht immer vollzählig besetzt sein.

Bei Zivilprozessen kann auch das nicht vollzählige Gericht gültig urteilen, wenn die Parteien auf die vollständige Ergänzung verzichten.

Im Falle Verhinderung oder gesetzlichen Ausstandes einzelner Mitglieder ergänzt sich das Kantonsgericht zunächst aus seinen Ersatzmännern, der Gerichtsausschuss aus den ihm nicht angehörenden Mitgliedern und den Ersatzmännern des Kantonsgerichtes, im weitern aber beide Behörden, soweit nötig, durch freie Wahl.

Das Obergericht ergänzt sich zuerst aus seinen Ersatzmännern, dann aus den nach Massgabe des Gesetzes verfügbaren Mitgliedern und Ersatzmännern des Kantonsgerichtes und, sofern dieselben nicht ausreichen, durch freie Wahl.

Zur Ausfällung eines Todesurteiles sind mindestens fünf Stimmen erforderlich.

Neuer Text Behörden eingesetzt und kann ihre Zuständigkeit bestimmt werden.

3 Andere als die in der Verfassung bezeichneten Gerichtsbehörden sind nur zulässig, insofern sie durch das Bundesrecht bedingt werden.

Art. 42 Die Eechtspflege ist von den Verwaltungsbehörden unabhängig. Sie untersteht der Aufsicht des Obergerichtes.

2 Den Verwaltungsbehörden stehen die Disziplinargewalt und die Ausübung der Eechtspflege nur so weit zu, als sie ihnen durch die Verfassung oder Gesetzgebung übertragen sind.

3 Forderungsstreitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur zwischen Staat und Gemeinden oder zwischen Gemeinden unter sich beurteilen die ordentlichen Gerichte, sofern nicht durch Vertrag eine schiedsgerichtliche Entscheidung vorgesehen ist.

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494 Neuer Text

Bisheriger Text Ob und inwiefern die Verhandlungen vor Gericht öffentlich sein sollen, bestimmt die Gesetzgebung.

B. Behörden der Zivil- und S t r a f rechtspflege

Art. 43

Art. 43 Die Berufungsmöglichkeit ist gegeben : 1. gegen zivilrechtliche Verfügungen und Entscheidungen des Einzelrichters, soweit sie unter Absatz 2 des Artikels 46 fallen und soweit die Gesetzgebung die Berufung zulässt, ans Kantonsgericht ; 2. gegen Urteile und Entscheide des Kantonsgerichtes in Ehescheidungs-, Ehelichkeits-, Vaterschafts- und Ehrverletzungsklagesachen sowie in solchen Zivilstreitigkeiten, bei denen mit Ausschluss von Zinsen und Kosten der Streitwert den Betrag von sechshundert Franken übersteigt, oder bei denen es sich um dem Werte nach nicht auszumittelnde Gegenstände oder um immerwährende Eechtsamen handelt, ans Obergericht; 3. gegen Entscheide des Einzelrichters, im Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren und gegen vom Kantonsgericht als Konkursgericht getroffene Entscheide, soweit der Weiterzug gesetzlich zulässig ist, an das Obergericht ; 4. gegen die Bussen- und Kostenentscheide sowie die Urteilsanträge der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde an den Gerichtsausschuss ; 5. gegen Straf entscheide des Gerichtsausschusses und des Kantonsgerichtes, wenn dieselben auf Geldbusse über hundert Franken oder auf Freiheitsstrafe über sieben Tage lauten,

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Behörden für die Zivilrechtspflege sind : die Friedensrichter, der Kantonsgerichtspräsident, der Gerichtsausschuss, das Talgericht Engelberg und dessen Präsident, das Arbeitsgericht, das Kantonsgericht, die Obergerichtskommission, das Obergericht, das Versicherungsgericht und die Schiedsgerichte.

2 Behörden für die Strafrechtspflege sind; das Verhöramt, der Staatsanwalt, die Justizkommission, der Jugendanwalt, das Jugendgericht, das Kantonsgericht, die Obergerichtskommission und das Obergericht.

495 Neuer Text

Bisheriger Text oder mit Ehrenfolgen, Gewerbeentzug, Trinkverbot oder nächtlichem Hausarrest verbunden sind, ans Obergericht.

Die Berufungsfristen werden von der Gesetzgebung festgesetzt.

Der Weiterzug in Strafsachen kann vom Angeschuldigten und von der Staatsanwaltschaft ergriffen werden.

B. Friedensrichter

Art. 44 Der Friedensrichter versucht, zwischen den Streitparteien eine gütliche Verständigung herbeizuführen.

Er besitzt die endgültige Spruchbefugnis zur Beurteilung nicht vermittelter Zivilstreitigkeiten bis auf einen Streitwert von fünfzig Franken, ausschliesslich Zins und Kosten. Der Friedensrichter bestimmt den Streitwert, sofern er in der Eechtsfrage nicht zahlenmässig angegeben ist.

Sofern sowohl der Friedensrichter als der Stellvertreter sich im Ausstand befinden, sorgt der Obergerichtspräsident für den Ersatz.

In Engelberg ist das erste nicht im Ausstand befindliche Mitglied des Vermittlungsgerichtes ordentlicher Stellvertreter des Friedensrichters.

Art. 44 Die zivilen Streitsachen und die Ehrverletzungsklagen sind zum Zweck gütlicher Ausgleichung vor den Friedensrichter zu bringen soweit nicht durch Gesetzgebung ein anderes Verfahren vorgeschrieben ist.

2 Der Friedensrichter besitzt die endgültige Spruchbefugnis für alle Streitigkeiten, deren Streitwert ohne Zins und Kosten Fr. 100.--nicht übersteigt. Steht der Streitwert nicht fest, kann er aber ermittelt werden, so ist der Friedensrichter berechtigt, ihn zu bestimmen.

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C. Untersuchungsund Ü b e r w e i s u n g s b e h ö r d e

Art. 45 Die Untersuchungs- und Überweisungsbehörde besteht aus dem Polizeidirektor, dem Verhörrichter und dem Staatsanwalt sowie aus zwei alle zwei Jahre nach der ordentlichen Teilerneuerung der kantonalen Gerichte zu

Art. 45 Das Kantonsgericht besteht aus fünf Mitgliedern und fünf Ersatzmännern.

2 Der Gerichtsausschuss wird gebildet durch den Präsidenten oder Vizepräsidenten sowie zwei Mitglieder 1

496 Bisheriger Text

Neuer Text

wählenden Ersatzmännern. Ausserordentlicherweise bezeichnet der Obergerichtspräsident die erf orderlichen Ersatzmänner.

Die Untersuchungs- und Überweisungsbehörde leitet den Strafuntersuch und verfügt die Überweisung an den zuständigen Strafrichter. In minderwichtigen Straffällen hat sie das Recht, von sich aus Bussen und Kostentragungen auszufällen. Bei Polizeivergehen kann sie dem Angeschuldigten einen Urteilsantrag zustellen, der in Kraft erwächst, falls er nicht rechtzeitig weitergezogen wird.

oder Ersatzmänner des Kantonsgerichtes, die vom Präsidenten bezeichnet werden.

D. Kantonsgerichtspräsident und Vermittlungsgericht Engelberg Art. 46 Der Präsident des Kantonsgerichtes oder in dessen Vertretung der Vizepräsident beurteilt im alten Kantonsteil endgültig alle Zivilstreitigkeiten, deren Streitwert die Spruchsumme des Friedensrichters, aber nicht den Betrag von zweihundertfünfzig Franken, ausschliesslich Zins und Kosten, übersteigt. In Engelberg weiden diese Zivilfälle durch ein aus drei Mitgliedern und zwei Ersatzmännern bestehendes Vermittlungsgericht beurteilt.

Ferner übt der Präsident oder der Vizepräsident des Kantonsgerichtes die weitern durch die Gesetzgebung ihm als Einzelrichter übertragenen Befugnisse ans. Inwieweit für die Gemeinde Engelberg diese Befugnisse dem Präsidenten des dortigen Vermittlungsgerichtes zustehen, bestimmt die Gesetzgebung.

Art. 46 Der G-erichtsausschuss beurteilt endgültig die zivilen Streitsachen, deren Streitwert ohne Zins und Kosten Fr. 100.--, nicht aber Fr. 1000.-- übersteigt.

2 Für das Gebiet der Gemeinde Engelberg beurteilt ein Talgericht von drei Mitgliedern und zwei Ersatzmännern zivile Streitsachen, deren Streitwert ohne Zins und Kosten Fr. 100.--, nicht aber Fr. 250. -- übersteigt, endgültig.

3 Für die Beurteilung von Streitigkeiten aus Dienstverhältnissen sind der Gerichtsausschuss und das Talgericht Engelberg als Arbeitsgericht in der Eegel mit je einem Eichter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu besetzen.

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497 Bisheriger Text

Neuer Text

E. G e r i c h t s a u s s c h u s s

Art. 47 Aus der Mitte des Kantonsgerichtes wird jeweilen nach dessen ordentlicher Teilerneuerung ein Gerichtsausschuss von fünf Mitgliedern gewählt.

Der Gerichtsausschuss beurteilt die von der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde an ihn überwiesenen Übertretungen und Vergehen und die Berufungen gegen Bussen- und Kostenentscheide und Urteilsanträge der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde sowie diejenigen gegen weiterzugsfähige Strafentscheide der Gemeindebehörden.

Art. 47 Die Gesetzgebung bestimmt die einzelrichterlichen Befugnisse des Kantonsgerichtspräsidenten und des Präsidenten des Talgerichtes Engelberg.

F. Kantonsgericht

Art. 48 Das Kantonsgericht besteht aus 7 Mitgliedern und vier Ersatzmännern.

Dasselbe hat folgende Befugnisse: a. Es urteilt über alle Zivilklagen, welche den "Wert von zweihundertfünfzig Pranken übersteigen, über Streitigkeiten von nicht auszumittelndem Werte oder um immerwährende Rechtsamen, sowie über Ehescheidungs-, Ehelichkeits-, Vaterschaftsund Ehrveiietzungsklagen, über die letzteren unter gleichzeitiger Erledigung der Straffolgen, ferner endschaftlich über die in Artikel 43 Ziffer l vorgesehenen Berufungen, übt die Befugnisse eines Konkursgerichtes in den von der Gesetzgebung vorgesehenen Fällen aus und entscheidet alle Angelegenheiten, die ihm weiterhin durch die Gesetzgebung zugewiesen sind.

Art. 48 1

Das Verhöramt besteht aus dem Verhörrichter, dem Verhörrichterstellvertreter und dem Jugendanwalt, denen nach Massgabe der Gesetzgebung der Straf untersuch obliegt.

2 Das Verhöramt untersteht der Aufsicht der Obergerichtskommission.

3 Der Verhörrichter oder sein Stellvertreter können für Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften ohne Schadenfolge für Dritte und für andere leichte Straffälle Strafmandate bis zu Fr. 80. -- Busse ausstellen, die in Kraft erwachsen, wenn sie nicht innert zehn Tagen nach Zustellung vom Verurteilten oder vom Staatsanwalt an die Justizkommission weitergezogen werden.

498 Neuer Text

Bisheriger Text b. Das Kantonsgericht beurteilt erstinstanzlich alle Kriminalfälle.

G. Obergerichtliche Justizkommission

Art. 49 Der Präsident des Obergerichtes und zwei von dieser Behörde alle zwei Jahre, nach ihrer ordentlichen Teilerneuerung, aus ihrer Mitte zu wählende Mitglieder und zwei Ersatzmänner bilden die Justizkommission des Obergerichts.

' Derselben kommt zu : a. die Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Eechte und Ehren; 6. der Entscheid über Provokationsklagen und die Ansetzung von Fatalfristen ; c. die Bewilligung von Nachlassstundungen und die Bestätigung und der Widerruf der Nachlassverträge; d. die Verfugungen im Verschollenheitsverf ahren ; e. die Prüfung der Schlussberichte in Konkursen und der Schluss des Konkursverfahrens ; /. die Bewilligung des öffentlichen Inventars und die Anordnung der amtlichen Liquidation ; g. die Aufsicht über den Kantonsgerichtspräsidenten als Einzelrichter, die Friedensrichter, das Vermittlungsgericht Engelberg und die Wech's elpr otestbeamten ; h. die Beurteilung von Bevisionsund Kassationsklagen gemäss Artikel 51 ; i. die Ausübung der ihr im weitern durch die Gesetzgebung zugewiesenen Obliegenheiten.

Art. 49 Die Justizkommission besteht aus dem Polizeidirektor, dem Staatsanwalt und dem Verhörrichter oder Verhörrichterstellvertreter. Der Kantonsrat bezeichnet den Präsidenten und zwei Ersatzmänner. Mitglieder der Gerichte sind nicht wählbar.

2 Die Justizkommission stellt das Ergebnis der Untersuchung fest, veranlagst nötigenfalls Ergänzungen und verfügt die Überweisung an die zuständigen Gerichtsbehörden oder die Einstellung des Verfahrens.

3 In leichten Straffällen, bei Straftatbeständen nach kantonalem Strafrecht und Strassenverkehrsrecht kann sie ein Strafmandat ausstellen, das in Kraft erwächst, wenn es nicht innert zehn Tagen nach Zustellung an das Kantonsgericht weitergezogen wird.

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499 Bisheriger Text

Neuer Text

H. Obergericht

Art. 50 Das Obergericht besteht aus sieben Mitgliedern und vier Ersatzmännern.

Es entscheidet : a. über die nach Artikel 43, Ziffer 2 weitergezogenen Zivilstreitigkeiten ; 6.über diejenigen Zivilstreitigkeiten, welche zufolge Verständigung der Parteien mit Übergebung der ersten Instanz dem Obergericht unterbreitet werden oder ihm gesetzlich als einziger Instanz zufallen; c. über die nach der Gesetzgebung zulässigen Berufungen gegen den Einzelkonkursrichter und gegen das Kantonsgericht als Konkursgericht; d. über die nach Artikel 43, Ziffer 5 weitergezogenen Strafurteile des Gerichtsausschusses und des Kantonsgerichtes ; e. über die zeitweise oder gänzliche Einstellung im Advokatenberuf anhand der durch die Gesetzgebung festzusetzenden Voraussetzungen.

Dem Obergericht kommt die Aufsicht über die Untersuchungs- und Überweisungsbehörde, den Gerichtsausschuss und das Kantonsgericht, sowie die Befugnis der Strafumwandlung zu.

Art. 50 1

Die Strafrechtspflege für Jugendliche wird durch den Jugendanwalt und das Jugendgericht ausgeübt.

2 Das Jugendgericht besteht aus drei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern. In das Jugendgericht können auch Mitglieder des Kantonsgerichtes und Obergerichtes gewählt werden; ebenso sind Frauen wählbar.

I. Eevisionsund K a s s a t i o n s b e h ö r d e

Art. 51 Gegen Urteile und Entscheide des Obergerichts gibt es keine Kassationsbeschwerde an eine kantonale Instanz.

Eevisionsgesuche gegen Urteile des Obergerichtes sowie Eevisions- und

Art. 51 1

Das Kantonsgericht beurteilt nach Massgabe der Gesetzgebung in erster Instanz die zivilen Streitsachen, soweit sie den Streitwert von Fr. 1000.-- übersteigen, sowie Streitsachen von

500 Bisheriger Text

Neuer Text

Kassationsgesuche gegen Urteile und Entscheide der untern Gerichtsinstanzen werden von der obergerichtlichen Justizkommission im Wege des schriftlichen Verfahrens erledigt.

Die Voraussetzungen, unter welchen Eevision oder Kassation gerichtlicher Entscheide und Urteile gewährt werden kann, bestimmt die Gesetzgebung.

nicht auszumittelndem Wert und solche um immerwährende Bechtsamen.

2 Im Berufungsverfahren beurteilt es weiterziehbare Entscheide des Präsidenten des Kantonsgerichtes und des Talrichters von Engelberg.

3 Es beurteilt als Strafgericht im Weiterzugsverfahren, oder soweit ihm direkt überwiesen, Übertretungen,Vergehen und Verbrechen.

K. S t r a f b e f u g n i s s e der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n

Art. 52 Die Militärdirektion übt die dem Kanton in Militärsachen zustehende Strafkompetenz aus, soweit dieselbe nicht ändern Amtsstellen zugewiesen ist.

Der Polizeidirektioii stehen die ihr durch Gesetze und Verordnungen eingeräumten Strafbefugnisse zu; überdies kann sie innerhalb ihres Geschäftskreises Konventionalbussen ausfällen.

Art. 52 Das Obergericht besteht aus fünf Mitgliedern und fünf Ersatzmännern.

2 Das Obergericht ist die oberste Gerichtsbehörde des Kantons. Es übt die Aufsicht aus über alle anderen Gerichtsbehörden, mit Ausnahme des Verhöramtes und der Justizkonimission, erlässt auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen die notwendigen Vorkehrungen gegen gesetzwidrige oder willkürliche Handlungen oder Unterlassungen, übt die Aufsicht über die Bechtsanwälte aus und ist befugt, die Einstellung im Berufe eines Bechtsanwaltes nach Massgabe der Gesetzgebung auszusprechen.

Art. 53 Die Bestrafung wegen Frevel am Korporationsgut oder wegen Übertretung von Korporationsverordnungen bleibt den zuständigen Korporationsbehörden vorbehalten, insofern nicht Klagestellung bei der kantonalen Strafbehörde vorgezogen wird.

Die von der Korporationsbehörde ausgefällte Strafe darf jedoch mit Inbe-

Art. 53 Das Obergericht hat im besonderen folgende Obliegenheiten : 1. Es beurteilt im Berufungsverfahren weitergezogene Urteile des Kantonsgerichtes in EhescheidungsKlagesachen sowie in zivilen Streitsachen mit einem Streitwert über Fr. 1000.--, ohne Zins und Kosten, oder in nicht auszumittelndem Wert

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501 Bisheriger Text griff des Schadenersatzes hundert Pranken nicht übersteigen und sie kann unter Vorbehalt von Artikel 55 an die kantonale Strafbehörde rekurxiert werden.

Der Bestrafung hat immer ein gehöriger Untersuch vorauszugehen, und dem Beklagten ist vor Ausfällung der Strafe Gelegenheit zur Verantwortung zu geben.

Neuer Text oder in Streitsachen um immerwährende Eechtsamen.

2. Es beurteilt zivile Streitsachen, die ihm durch Vereinbarung der Parteien unmittelbar überwiesen werden oder ihm gesetzlich als einzige Instanz zufallen.

3. Es beurteilt als Strafgericht die weiterzugsfähigen Urteile des Kantonsgerichtes. Die Berufung kann vom Staatsanwalt in jedem Falle, vom Angeklagten in jenen Fällen ergriffen werden, in denen das angefochtene Urteil auf Geldbussen über Fr. 100.-- oder auf Freiheitsstrafe von mindestens 10 Tagen lautet oder in denen Massnahrnen oder Nebenstrafen verfügt sind.

4. Es übt die weiteren ihm durch die Gesetzgebung zugewiesenen Aufgaben der Eechtspflege aus.

Art. 54

Art. 54 Übertretungen von Gemeindeverordnungen sowie solcher Verordnungen von Gemeindebehörden, welche vom Eegierungsrat genehmigt worden sind, können von den Gemeindebehörden abgewandelt werden, sofern die auszufällende Busse vierzig Pranken nicht übersteigt. Eine solche Busse kann indessen unter Vorbehalt von Artikel 55 an die kantonale Strafbehörde weitergezogen werden.

Artikel 53, Absatz 2, findet ebenfalls Anwendung.

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Die Obergerichtskommission besteht aus dem Präsidenten und je zwei weitern, vom Obergericht aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern und Ersatzmännern.

2 Sie hat folgende Aufgaben : 1. Beurteilung von Revisionsgesuchen gegen Urteile des Obergerichtes und von Eevisions- und Kassationsgesuchen gegen Urteile der unteren Gerichtsbehörden, inbegriffen die Bussenentscheide der Gemeinde- und Korporationsbehörden, in allen Fällen nur im Wege des schriftlichen Verfahrens.

2. Wiedereinsetzung in die bürgerliche Ehrenfähigkeit.

3. Beaufsichtigung des Verhöramtes und der Justizkommission und

502 Neuer Text

Bisheriger Text

Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen dieser Behörden mit Ausnahme der Überweisung ans Gericht.

4. Aufsicht und Beschwerdeinstanz im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.

5. Weitere, ihr durch die Gesetzgebung übertragene Aufgaben.

Art. 55 Wenn indessen eine nach Massgabe von Artikel 53 oder 54 ausgefällte Busse den Betrag von zehn Franken oder eine nach Massgabe von Artikel 53 ausgefällte Busse einschliesslich Schadenersatz den Betrag von dreissig Franken nicht übersteigt, so ist ein Weiterzug an die kantonale Bekursinstanz ausgeschlossen.

Art. 55 Sofern bei zivilen Streitsachen den Parteien freie Verfugung zusteht, können diese durch Vertrag einem frei gewählten Schiedsgericht oder dem Kantonsgericht oder Obergericht zur Beurteilung übertragen werden.

Art. 56 Die nach Massgabe der Artikel 53 und 54 ausgesprochenen Bussen fallen in die betreffende Korporations- bzw.

Gemeindekasse.

Art. 56 Die Gemeinderäte sind berechtigt, wegen Übertretung von Gemeindeverordnungen Bussen bis zum Betrag von Fr. 100.-- auszufallen oder beim Verhöramt Anzeige oder Strafklage zu stellen.

2 In gleicher Weise sind die Korporationsbehörden befugt, wegen Übertretung des Korporationsrechtes Bussen bis zum Betrag von Fr. 100.-- auszufällen oder beim Verhöramt Anzeige oder Strafklage zu stellen. Mit dem Strafentscheid kann der Bussenfällige zu Schadenersatz bis zu Fr. 100.-- verhalten werden.

3 Fällt der Gemeinde- oder Korporationsrat selber eine Busse aus, so hat er vorher einen gründlichen Untersuch durchzuführen. Der Gebüsste kann den Entscheid innert zehn Tagen an die kantonale Justizkommission weiterziehen.

G. S t r a f b e f u g n i s s e der Gemeindebehörden 1

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Bisheriger Text

Neuer Text * Die auf Grund dieser Bestimmungen ausgefällten Bussen fallen in die betreffende Gemeinde- oder Korporationskasse.

Diesen Änderungen wurden folgende Bestimmungen der Kantonsverfassung angepasst:

Art. 17, Abs. 4 Die Mitglieder des Begierungsrates, des Kantonsrates, der Verhòrrichter und der Staatsanwalt sowie die Ersatzmänner der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde dürfen dem Kantonsgericht oder dem Obergericht weder als Eichter noch als Ersatzmänner angehören.

Art. 33 Dem Kantonsrat stehen folgende Wahlen zu :

Art. 17, Abs. 4 Die Mitglieder des Begierungsrates, des Kantonsrates, der Verhörrichter, der Verhörrichterstellvertreter, der Staatsanwalt sowie die Ersatzmänner der Justizkommission dürfen dem Kantonsgericht oder dem Obergericht weder als Eichter noch als Ersatzmänner angehören.

Art. 33

c. der Suppleanten der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde; d. gestrichen.

c. der Ersatzmänner und des Präsidenten der Justizkommission; d. des Verhörrichterstellvertreters, des Jugendanwaltes sowie der Mitglieder, der Ersatzmitglieder und des Präsidenten des Jugendgerichtes.

e. ...

Art. 34, Buchstabe /.

Der Begierungsrat besteht aus sieben Mitgliedern. . . . In seinen Geschäftskreis fällt vorzüglich folgendes:

Art. 34, Buchstabe /.

/. die Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen, über das Zivilstandswesen, sowie über die Führung der Gültenprotokolle und Grundbücher ;

/. die Oberaufsicht über das Zivilstandswesen sowie über die Führung der Gültenprotokolle und Grundbücher.

Art. 65, Buchstabe b, letzter Satz Die Einwohnergemeinde Engelberg wählt ferner das dortige Vermittlungsgericht und dessen Präsidenten.

Art. 65, Buchstabe b, letzter Satz Die Einwohnergemeinde Engelberg wählt ferner das dortige Talgericht und dessen Präsidenten.

504 Wie der Botschaft des Begierangsrates zu entnehmen ist, bezweckt diese Teilrevision eine Anpassung des Vierten Titels «Richterliche Behörden» der Kantonsverfassung an die heutigen, stark veränderten Verhältnisse. So wurde der Streitwert der den Friedensrichtern zugewiesenen Fälle von 50 auf 100 Franken erhöht. Neu ist ein Gerichtsausschuss von drei Mitgliedern für zivile Streitsachen im Streitwert von 100 bis 1000 Franken. Fälle mit höheren Streitwerten gelangen vor das Kantonsgericht, das nur noch aus fünf (bisher sieben) Mitgliedern besteht. Eingeführt wurde ferner - analog den Arbeits- und Gewerbegerichten anderer Kantone - ein Arbeitsgericht, das in der Begel mit je einem Eichter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu besetzen ist und das über Streitigkeiten aus Dienstverhältnis im Streitwert zwischen 100 und 1000 Franken entscheidet. Der neuen Obergerichtskommission (bisher obergerichtliche Justizkominission) von drei Mitgliedern wurden zusätzliche Aufgaben übertragen, insbesondere die Aufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen, die bisher dem Eegierungsrat oblag.

Bei der Strafrechtspflege besteht eine wesentliche, auf die Zunahme der Straffälle Jugendlicher zurückzuführende Neuerung in der Schaffung eines Jugendgerichtes von drei Mitgliedern, in das auch Frauen wählbar sind. In Jugendstraffällen amtet der Jugendanwalt als Untersuchungsrichter. Neu aufgestellt wurden ferner Bestimmungen über das Verhöramt, dem nach Massgabe der Gesetzgebung die Straf Untersuchung obliegt.

Die Einzelheiten der Änderung der Kantonsverfassung ergeben sich im übrigen aus der Gegenüberstellung der bisherigen und der neuen Texte. Sie betreffen durchwegs ein Eechtsgebiet, dessen Eegelung gemäss Artikel 64, Absatz 3 und Artikel 64Ms, Absatz 2 der Bundesverfassung (Organisation der Gerichte, gerichtliches Verfahren und Eechtsprechung) Sache der Kantone ist. Die neuen Vorschriften enthalten denn auch nichts, was der Bundesverfassung widerspricht.

Wir beantragen Ihnen daher, den Verfassungsänderungen durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfs die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 10. September 1963.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Spiihler Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald (Vierter Titel: Richterliche Behörden)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung des Artikels 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 10. September 1963, in Erwägung, dass die vorliegenden Änderungen nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst :

Art. l Den an der Volksabstimmung vom 12. Mai 1963 beschlossenen Änderungen der Artikel 41-56, 17, Absatz 4, 33, Buchstaben c und d, 34, Buchstabe / sowie 65, Buchstabe b, letzter Satz, der A7erfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

7155

Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Unterwalden ob dem Wald (Vierter Titel: Richterliche Behörden) (Vom 10. September 1963)

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1963

Année Anno Band

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38

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8839

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.09.1963

Date Data Seite

492-505

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10 042 239

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