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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Abkommens betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung (Vom 4. März 1963)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen das am 16. November 1962 in Paris unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung zur Genehmigung zu unterböten.

I. Vorgeschichte und Verlauf der Verhandlungen Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich auf dem Gebiet der Bekämpfung der Verunreinigung des Genfersees nahm erstmals im Rahmen der «Union générale des Rhodaniens» Gestalt an. 1950 wurde unter den Auspizien dieser Vereinigung eine aus technischen Sachverständigen der beiden Uferstaaten zusammengesetzte Kommission gebildet, die das Wasser von See und Rhone zu untersuchen und geeignete Massnahmen zur Bekämpfung der Verunreinigung dieser Gewässer zu prüfen hatte. Auf diese Weise konnten verschiedene spezialisierte Institute und Anstalten in der Schweiz wie in Frankreich über mehrere Jahre hin im Eahmen ihrer nationalen Tätigkeiten und in dea Schranken ihres ordentlichen Budgets eine gewisse Zahl limnologischer Beobachtungen anstellen. Es erwies sich jedoch sehr bald, dass die Kommission ohne offizielle Unterstützung durch die beiden interessierten Eegierungen weder eine wirksame Koordination der Untersuchungen verwirklichen noch die Gewissheit erlangen konnte, dass die durch den Reinheitszustand und die Ent wicklung des Sees gebotenen Schutzmassnahmen rechtzeitig getroffen würden.

696 Um dieses doppelte Ziel zu erreichen, schufen die Kantone Waadt, Wallis und Genf arn 15. September 1959 eine interkantonale Kommission zum Schutz des Genfersees gegen Verunreinigung. Ihr wurde eine technische Untorkommission beigegeben, der die kantonalen Sachverständigen (Chemiker, Bakteriologen, Biologen, Ingenieure usf.) angehörten, die in der unter der Ägide der «Union générale des Khodaniens» geschaffenen Kommission tätig gewesen waren.

In Übereinstimmung mit dem Eidgenössischen Amt für Gewässerschutz nahmen die drei Kantone überdies die Schaffung eines internationalen schweizerischfranzösischen Gremiums in Aussicht, das demjenigen entsprechen solito, welches kurz vorher zur Bekämpfung der Verunreinigung des Bodensees eingesetzt worden war.

Am 13. Juni 1960 schlug uns der Staatsrat des Kantons Waadt im Namen der interkantonalen Genferseekommission vor, mit der französischen Eegiorung Verhandlungen im Hinblick auf die Schaffung einer internationalen Kommission einzuleiten, in die die Eidgenossenschaft und jeder der Uferkantono je zwei Vertreter abordnen würden und der eine technische Unterkommission beigegeben wäre, der schweizerischersoits die Sachverständigen der interkantonalen technischen Unterkommission angehören würden. Der Staatsrat machte dabei geltend, eine wirksame Bekämpfung der Verunreinigung des Genforsoes setze voraus, dass die bisher getrennt in der Schweiz und in Frankreich unternommenen Anstrengungen auf den ganzen See ausgedehnt und dass die Studienprogramme eng aufeinander abgestimmt würden. Die Tätigkeit der interkantonalen Kommission und ihrer technischen Unterkommission beschränkte sich in der Tat auf den schweizerischen Teil des Sees. Zudem unterhielt die interkantonale Kommission keine Beziehungen zu den offiziellen Stellen Savoyens, während die von der technischen Unterkommission mit den interessierten französischen Laboratorien gepflegten Kontakte lediglich einen offiziösen Charakter hatten. Es muss schliesslich festgehalten werden, dass der Abschluss von Vereinbarungen von beschränkter Tragweite zwischen den Uferkantonen und den französischen Behörden gemäss Artikel 8, Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 16.März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung nicht in Frage kommen konnte; da das Problem der Verunreinigung des Genfersees dringend eine umfassende
Lösung erfordert, wären derartige Vereinbarungen in der Tat ein unzulängliches Abwehrmittel gewesen.

Wir konnten uns um so eher den vom Staatsrat des Kantons Waadt entwickelten Ansichten anschliessen, als die französische Regierung, die über die im Bahmen der «Union.générale des Rhodaniens» geschaffene Kommission von den Absichten der drei Uferkantone unterrichtet war, ein Jahr vorher selbst den Gedanken vorgebracht hatte, es wäre wünschenswert, ein ständiges schweizerisch-französisches Gremium zu schaffen, dem die Sorge dafür anvertraut würde, Lösungen für die Probleme zu suchen, die das Einbringen der Abwässer der grossen Agglomerationen rund um den Geniersee stellt. Durch Beschluss vom 19. Juli 1960 genehmigte der Bundesrat die Einsetzung einer internationalen schweizerisch-französischen Kommission zum Schutz der Gewässer des

697 Genfersees gegen Verunreinigung und bezeichnete die Mitglieder der schweizerischen Delegation in der Kommission. Diese Delegation setzte sich wie folgt zusammen : für die Eidgenossenschaft: Dr. Emanuel Diez, Chef des Eechtsdienstes des Politischen Departements, Delegationschef ; Dipl.-Ing. Alfred Matthey-Doret, Chef des Eidgenössischen Amts für Gewässerschutz ; für den Kanton Waadt: Staatsrat Arthur Märet, Vorsteher des Baudepartementes ; Staatsrat Gabriel Despland, Vorsteher des Departementes des Innern; . für den Kanton Wallis: Begierungsrat Oscar Schnyder, Vorsteher des Departements für Justiz, Polizei und öffentliche Hygiene; Eegierungsrat Marcel Gross, Vorsteher des Erziehungs- und Militärdepartements ; für den Kanton Genf: · Staatsrat Jean Dutoit, Vorsteher des Baudepartements; Staatsrat Jean Treina, Vorsteher des Departements für soziale Fürsorge und öffentliche Gesundheit.

Wir beauftragten die schweizerische Delegation, sich mit der französischen Delegation über die zur Bekämpfung der Verunreinigung des Genfersees zu ergreifenden Massnahmen ins Benehmen zu setzen und insbesondere die Opportunität des Abschlusses eines diesbezüglichen zwischenstaatlichen Abkommens zu prüfen.

Die beiden Delegationen trafen sich erstmals am 9. November 1960 in Lausanne; sie stellten bei dieser Gelegenheit offiziell die Konstituierung der internationalen Kommission zum Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung auf Grund eines Notenwechsels zwischen dem französischen Aussenministerium und der Schweizerischen Botschaft in Paris fest. Nach · Kenntnisnahme der durch die technischen Sachverständigen beider Uferstaaten durchgeführten Untersuchungen über den Eeinheitszustand des Sees kamen die beiden Delegationen überein, im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung Verhandlungen aufzunehmen. Mit der Ausarbeitung eines diesbezüglichen Entwurfs wurde die schweizerische Delegation betraut.

Der Abkommensentwurf wurde den drei Uferkantonen unterbreitet und bildete darauf Gegenstand eines längeren Gedankenaustausches zwischen den interessierten eidgenössischen Verwaltungszweigen. Anlässlich ihrer zweiten Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. I.

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698 Zusammenkunft, die am 19. und 20. Juni 1962 in Paris stattfand, arbeitete die schweizerisch-französische Kommission auf Grund dieses Entwurfes einen Abkommenstext aus, zu dem die französischen Behörden im letzten Augenblick noch einige Änderungen vorschlugen. Nachdom sich die Uferkantone zu diesen Änderungen geäussert hatten, wurde das Abkommen am 16. November 1962 durch die beiden Delegationschefs unterzeichnet.

Es sei bemerkt, dass die Zusammensetzung der schweizerischen Delegation nach erfolgtem Wechsel von drei kantonalen Delegierten durch Beschluss des Bundesrates vom 18. Mai 1962 geändert wurde. Für den Kanton Waadt wurden Staatsrat Arthur Märet, Vorsteher des Baudepartements, durch Herrn Marc Eavussin, und Staatsrat Gabriel Despland, Vorsteher des Departements des Innern, durch Herrn Pierre Schumacher ersetzt. Im Falle Genfs trat Staatsrat François Peyrot die Nachfolge von Staatsrat Jeun Dutoit als Vorsteher des Baudepartements an.

II. Entwicklung des Reinheitszustandes des Genüersees Die Schweizer Seen am Alpenrand und Jurafuss befanden sich ursprünglich in einem Zustand, der gekennzeichnet war durch die Klarheit des Wassers, durch eine reichliche Sauerstoffsättigung von der Oberfläche bis zum Seegrund, durch einen geringen Gehalt an Pflanzennährstoffen, durch eine geringe Planktonentwicklung, durch das Fehlen organischer Substanz im Sediment und durch ein starkes Vorherrschen dor Edelfische, insbesondere der Felchen. Im Verlaufe der letzten Jahrzehnte ging in diesen Seen eine durchgreifende Wandlung vor sich, die der zunehmenden Verunreinigung durch Abwasser aus den am Ufer gelegenen Ortschaften sowie aus industriellen und gewerblichen Betrieben zuzuschreiben ist. Trotz seiner grossen Ausdehnung von 581 km2 und seiner riesigen Wassermasse von schätzungsweise 90 Milliarden Kubikmetern fällt auch der Genfersee dem Schicksal zum Opfer, das infolge der fortschreitenden Industrialisierung und des Ausbaues der Schwemmkanalisation im Zusammenhang mit der raschen Bevölkerungszunahme den ober- und unterirdischen Gewässern bcschieden ist, wenn man es versäumt, die notwendigen Schutzmassnahmen zu treffen. Bereits hat man erkennen müssen, dass die im Genforseo eingetretenen chemischen und biologischen Veränderungen mit der Zeit nicht nur die Fischerei gefährden, sondern auch für die Wasserversorgung
und den Badebetrieb eine ernste Gefahr bedeuten.

Um festzustellen, wie weit diese unheilvolle Entwicklung im Genferseo schon fortgeschritten sei, hat die im Rahmen der «Union générale des Rhodaniens» gebildete Sachverständigengruppe im Verlaufe der Jahre 1957 bis 1960 umfassende Untersuchungen durchgeführt. Die Leitung dieser Studien war folgenden Stellen anvertraut: schweizerischerseits : den hydrobiologischen und mikrobiologischen Laboratorien der Lebensmittelkontrolle in Genf und den kantonalen Laboratorien . in Lausanne und Sitten;

699 französischeraeits : der Anstalt für Seenforschung und dem Institut für Geodynamik, beide in Thonon.

Ein aufeinander abgestimmtes Forschungsprogramm sah die Analyse von Wasserproben vor, die an genau festgelegten, über den ganzen See verteilten Stellen in verschiedenen Tiefen und nach einem im Voraus vereinbarten Zeitplan gefasst und nach mannigfachen Gesichtspunkten untersucht wurden, um eine einwandfreie Beantwortung der gestellten Frage zu ermöglichen.

Dank der Vereinheitlichung in jeder Hinsicht bewährter Untersuchungsmethoden konnten für den ganzen See und die einzelnen Untersuchungszeiträume vergleichbare Analysenwerte gewonnen werden, aus denen sich folgende Tatsachen ergeben: 1. Gegenüber den vor rund 60 Jahren angegebenen Werten hat die Durchsichtigkeit des Wassers des Genfersees um 1,5 bis 2 Meter abgenommen und beträgt durchschnittlich nur noch 7,8 Meter. Überdies beeinflusst das zeitweise Vorherrschen neuer Algenarten den natürlichen Ablauf der jahreszeitlichen und jährlichen Veränderungen dieser Durchsichtigkeit.

2. Das früher mehr oder weniger alkalische Wasser hat namentlich in den tieferen Wasserschichten die Neigung, saurer zu werden.

3. Zu besonderer Besorgnis Anlass gibt die Veränderung des Sauerstoffhaushaltes. Während in den oberen Wasserschichten infolge Anreicherung des pflanzlichen Planktons und der dadurch bewirkten Assimilation örtlich eine Übersättigung an gelöstem Sauerstoff eintritt, nimmt dessen Gehalt nach der Tiefe hin im Verlaufe des Jahres und von Jahr zu Jahr ständig ab. Diese Erscheinung ist darauf zurückzuführen, dass gegen Ende der Vegetationszeit die Pflanzenorganismen absterben, auf den Seegrund absinken und verwesen, wobei der verfügbare, im Wasser gelöste Sauerstoff aufgebraucht wird. Bereits genügt die im Herbst einsetzende thermisch bedingte Umwälzung der Wassermassen nicht mehr, um dieses Defizit durch Zufuhr sauerstoffreichen Oberflächenwassers zu decken. Es ist bezeichnend, dass das vor 50 Jahren mit Sauerstoff noch vollständig gesättigte Wasser heute nur noch einen mittleren Sättigungsgrad von etwa 85 Prozent aufweist. Nimmt der Sauerstoffgehalt weiterhin ab, so wird die natürliche Fortpflanzung der Edelfische, insbesondere der Felchen und Seesaiblinge, ernstlich in Frage gestellt sein. Ausserdem ist zu befürchten, dass sich infolge ungenügenden
Abbaues der organischen Stoffe an Stelle der mineralischen Ablagerungen mit der Zeit Faulschlammbänke bilden werden.

Diese Störung im Stoffhaushalt ist zweifelsohne der vermehrten Zufuhr von Pflanzennährstoffen, insbesondere von Stickstoff- und Phosphorverbindungen, zuzuschreiben.

4. Ein weiterer Beweis einer ungenügenden Mineralisation der stickstoffhaltigen organischen Substanz ist das Auftreten von Ammoniak und von Nitriten. Wenn auch ihr Vorkommen zur Zeit noch auf den schweizerischen Seeanteil und die Oberflächengewässer beschränkt ist, so darf nicht übersehen werden, dass die Entwicklung rasch gegen die Tiefe hin fortschreitet und den ganzen See zu erfassen droht.

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5. Die starke Zunahme des Gehaltes an Nitraten und Phosphaten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der vermehrten Abwasserzufuhr, die ihrerseits zur Massenentwicklung pflanzlicher Organismen und zur sekundären Verschmutzung führt. Die Nitrate allein nehmen jährlich im Genfersee um nahezu tausend Tonnen zu, was 'drei Prozent ihrer Gesamtkonzentration entspricht.

6. Neben den Düngstoffen werden in erhöhtem Masse auch fäulnisfähige, z.T. fäkale Abfallstoffe in den See geleitet. Diese Stoffe führen nicht nur zu den oben geschilderten Mißständen, sondern bewirken ausserdem einen erheblichen Anstieg des Gehaltes an Bakterien, ja sogar an Krankheitskeimen. Bereits sind kein Seeteil und keine Seetiefe von der bakteriellen Verseuchung verschont.

Unter diesen Umständen dürfte zur Zeit auch am Genfersee kein für die Trinkwasserversorgung bestimmtes Pumpwerk auf Filteranlagen und Einrichtungen zur Sterilisierung des Wassers verzichten können.

Es ergibt sich also, dass sich der Genfersee gegenwärtig in voller Entwicklung befindet. Die Wasserverderbnis, die sich zwar in allen Seeteilen feststellen lässt, ist besonders ausgeprägt im unteren Seebecken und längs dem Waadtländer und Walliser Ufer. Die chemischen und biologisch en Veränderungen schreiten rasch vorwärts und machen sich bis in die grössten Seetiefen bemerkbar. Diese unheilvolle und sich überstürzende Entwicklung zeigt, wie sehr die Verschlechterung des Wassers im Genfersee die Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege zu beeinträchtigen droht. Gewiss hat die Verschmutzung hier noch bei weitem nicht den zum Aufsehen mahnenden Grad erreicht, den andere Schweizer Seen, wie beispielsweise der Zürich-, Zuger-, Sempacher- und Luganersee, aufweisen. Nichtsdestoweniger haben die durchgeführten Seeuntersuchungen den verantwortlichen Behörden vor Augen geführt, wie notwendig es ist, der geschilderten Entwicklung die ganze Aufmerksamkeit zu schenken und geeignete Massnahmen zu treffen, um künftige Verunreinigungen zu verhindern und bestehende Mißstände zu beseitigen.

III. Erläuterung des Abkommens

A r t i k e l l definiert den Gegenstand des Abkommens, nämlich die Schaffung einer engen Zusammenarbeit zwischen den Kogierungeri der beiden Uferstaaten zum Zwecke einer Bekämpfung der Verunreinigung des Genfersees, und umschreibt den Anwendungsbereich des Abkommens. Das Abkommen bezieht sich zur Hauptsache auf den Genfersee und seinen Ausfluss, die Ehone, bis zu deren Austritt aus schweizerischem Hoheitsgebiet. Es bezieht sich ebenfalls auf die Zuflüsse des Sees und der Ehone von Genf bis zur französischen Grenze, soweit das ober- und unterirdische Wasser dieser Zuflüsse zur Verunreinigung des Sees und seines Ausflusses beiträgt. Mit andern Worten wird die Ehone oberhalb von Villeneuve, gleich den übrigen Zuflüssen des Sees, nur insofern durch das Abkommen betroffen, als sie Schmutz in den Genfersee trägt.

A r t i k e l 2 bestätigt die Bestellung der internationalen Kommission zum Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung.

701 A r t i k e l 3 zählt die Aufgaben der Kommission auf. Diese plant alle notwendigen Untersuchungen über Art, Tragweite und Ursprung der Verunreinigungen und lässt solche Untersuchungen durch die in Artikel 4, Absatz 2 erwähnte technische Unterkommission durchführen. Auf Grund des Ergebnisses dieser Forschungen empfiehlt sie den vertragschliessenden Regierungen die Massnahmen, die ihr zur Behebung der bestehenden und zur Verhütung jeder neuen Verunreinigung geeignet erscheinen. Sollte sich im Interesse einer Reinhaltung des Wassers des Genfersees eine internationale Regelung als angezeigt erweisen, so wird die Kommission deren Grundlagen vorbereiten. Schliesslich ist sie befugt, jede andere mit der Bekämpfung der Verunreinigung des Sees zusammenhängende Frage zu besprechen.

A r t i k e l 4 sieht vor, dass die Kommission durch eine technische Unterkommission unterstützt wird, die sich aus von beiden Regierungen bezeichneten Sachverständigen auf dem Gebiet des Gewässerschutzes zusammensetzt. Die Kommission kann auch andere Unterkommissionen einsetzen, falls die Prüfung besonderer Fragen dies erforderlich machen sollte. Die beiden Regierungen sind ihrerseits berechtigt, andere Sachverständige zu bezeichnen; die Einzelheiten einer Beteiligung derselben an der Tätigkeit der Kommission werden von dieser festgesetzt.

Gemäss A r t i k e l 5 werden die Beschlüsse der Kommission einstimmig gefasst. Es versteht sich, dass der Chef der schweizerischen Delegation in jeder von der Kommission behandelten Angelegenheit nur in voller Übereinstimmung mit den Vertretern der drei Uferkantone handeln wird. Die Kommission hat ein Empfehlungsrecht. Die beiden vertragschliessenden Regierungen stellen die Verwirklichung der Empfehlungen der Kommission dadurch sicher, dass sie die sich als notwendig erweisenden Durchführungsmassnahmen treffen (Artikel 7).

Obwohl die Regelung der Kompetenzen der Kommission sich in der Form von derjenigen unterscheidet, die im Übereinkommen über den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigung vorgesehen ist, lehnt sie sich doch dem Inhalt nach eng an diese an und wird praktisch zum gleichen Ergebnis führen. Das Verfahren, das durch das vorliegende Abkommen festgelegt wird, ist jedoch einfacher, da bloss zwei Uferstaaten beteiligt sind.

A r t i k e l 6 bestimmt, dass die Kommission sich
einmal jährlich zu einer ordentlichen Session versammelt; sie kann jedoch auf Vorschlag der einen oder der andern der vertragschliessenden Regierungen zu einer ausserordentlichen Session einberufen werden.

Nach A r t i k e l 8 trägt jeder Uferstaat die Kosten seiner Delegation und seiner Sachverständigen. Die andern Auslagen der Kommission werden auf die vertragschliessenden Regierungen nach einem Schlüssel aufgeteilt, der in jedem Fall durch die Kommission festgelegt wird.

702 A r t i k e l 9 sieht vor, dass die Kommission mit den auf dem Gebiete des Gewässerschutzes zuständigen internationalen Organismen sowie mit denjenigen zusammenarbeiten kann, die sich in bezug auf Genfersee und Bhone mit der Schiffahrt, der Fischerei und der Eegulierung des Wasserstandes befassen, Gemäss A r t i k e l 10 werden die Eegierungen in gemeinsamem Einvernehmen das Datum des Inkrafttretens des Abkommens festlegen. Nach Ablauf von drei Jahren seit seinem Inkrafttreten kann es jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.

Abschliessend möchten wir darauf hinweisen, dass das Abkommen, das wir Ihnen zur Genehmigung unterbreiten, ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Verunreinigung des Genfersees darstellt, obwohl es keine generellen Verpflichtungen für die Uferstaaten enthält. Die Zusammenarbeit zwischen schweizerischen und französischen Behörden, für die das Abkommen als Eahmen dient und deren Modalitäten es umschreibt, besteht auf diesem Gebiet seit mehreren Jahren. Sowohl in der Schweiz wie in Frankreich sind bereits eingehende Untersuchungen zur Feststellung der Ursachen und des Ausmasses der Verunreinigung des Seewassers durchgeführt worden. Von den Sachverständigen der technischen Unterkommission wurden sorgfältig ausgearbeitete Berichte erstellt. Die Unterkommission wurde von der internationalen Kommission beauftragt, langfristige Studienprogramme aufzustellen, damit die Entwicklung des Eeinheitszustandes des Genfersees verfolgt und die notwendigen Studien im Hinblick auf eine gegenseitige Abstimmung der durch die schweizerische und die französische Gesetzgebung über den Gewässerschutz vorgesehenen administrativen und technischen Vorschriften vorgenommen werden können. Der Wille zur Zusammenarbeit ist unbestreitbar vorhanden. Das vorliegende Abkommen bezweckt ihre Verwirklichung durch eine Koordination der diesseits und jenseits des Sees unternommenen Anstrengungen. Gleichzeitig stellt es aber auch - wie das Übereinkommen betreffend den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigung einen ersten Schritt in Eichtung auf die Schaffung einer internationalen Eegelung dar, die den Uferstaaten verbindlichere und umfassendere Verpflichtungen auferlegt. Diese zweite Phase der schweizerisch-französischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Schutzes des Genfersees gegen Verunreinigung wird eingeleitet werden können, sobald die Untersuchungen der'Sachverständigen abgeschlossen sind und eine Beurteilung'der zu erreichenden Ziele, in ihrer ganzen Tragweite zulassen.

· Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen beantragen wir Ihnen, das Abkommen betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung durch Annahme des beigelegten Entwurfs, zu einem Bundesbeschluss zu genehmigen.

Gemäss Artikel 8 der Bundesverfassung ist der Bund grundsätzlich .befugt, Staatsverträge abzuschliessen. Im vorliegenden Fall sieht Artikel 8 des Bundes-

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gesetzes vom 16.März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung noch ausdrücklich vor, dass der Bund in Verbindung mit den beteiligten Kantonen zum Schütze gegen Verunreinigung ober- oder unterirdischer Gewässer, die auf der Landesgrenze liegen oder das Gebiet verschiedener Staaten durchfliessen, durch Unterhandlungen und Vereinbarungen die Mitwirkung der Nachbarstaaten anstreben wird.

Die verfassungsmässige Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus den Artikeln 8, 85 Ziffer 5, und 89, Absatz 3 der Bundesverfassung.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4.März 1963.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Spühler Der Bundeskanzler: Ch. Oser

704 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 24luater und 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1963, beschliesst : Einziger Artikel Das am 16.November 1962 in Paris unterzeichnete Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Eegierung der Französischen Republik betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, dieses Abkommen zu ratifizieren.

705 Übersetzung aus dem französischen Originaltext

Abkommen zwischen

dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung Der Schweizerische Bundesrat und die Eegierung der Französischen Eepublik, im Bestreben, ihre Anstrengungen zum Schütze der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung zu koordinieren, haben folgendes vereinbart: Artikel l · Die vertragschliessenden Regierungen kommen überein, eng zusammenzuarbeiten, um die Gewässer des Genfersees und seines Abflusses bis zu dessen Austritt aus dem schweizerischen Hoheitsgebiet gegen Verunreinigung zu schützen, mit Einschluss der ober- und unterirdischen Zuflüsse, soweit diese dazu beitragen, die Gewässer des Genfersees oder seines Abflusses zu verunreinigen.

Artikel 2 Die vertragschliessenden Regierungen bestellen eine internationale Kommission zum Schütze der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung, nachstehend «Kommission» genannt.

Artikel 3 a.

b.

c.

d.

Die Kommission hat folgende Aufgaben: sie plant und veranlasst alle erforderlichen Untersuchungen, um die Art, die Tragweite und den Ursprung der Verunreinigungen festzustellen, und wertet .die Ergebnisse dieser Untersuchungen aus; sie empfiehlt den vertragschliessenden Regierungen die Massnahmen zur Behebung der bestehenden Verunreinigung und zur Verhütung jeder künftigen Verunreinigung ; sie kann die Grundlagen einer internationalen Regelung betreffend die Reinhaltung der Gewässer des Genfersees vorbereiten; sie prüft alle anderen Fragen der Gewässerverunreinigung.

706

Artikel 4 Die Kommission setzt sich zusammen aus den durch die vertragschliessenden Eegierungen bezeichneten Delegierten.

Die Kommission wird unterstützt durch eine internationale technische Unterkommission, nachstehend «Technische Unterkommission» genannt, die sich aus Sachverständigen auf dem Gebiet des Gowässerschutzes zusammensetzt, die durch die vertragschliesenden Eegierungen bezeichnet werden. Sie kann auch andere Unterkommissionen zur Prüfung bestimmter Probleme einsetzen.

Jede der beiden vertragschliessenden Regierungen kann ausserdem andere Sachverständige bezeichnen. Die Kommission bestimmt, unter welchen Voraussetzungen diese an ihren Arbeiten teilnehmen.

Artikel 5 Die Kommission fast ihre Entschlüsse einstimmig.

Sie gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 6 Die Kommission tritt einmal jährlich in ordentlicher Session zusammen; sie wird durch den Präsidenten einberufen.

Ausserdem wird die Kommission auf Vorschlag einer der vertragschliessenden Eegierungen durch den Präsidenten in ausserordentlicher Session einberufen.

Artikel 7 Jede der beiden vertragschliessenden Eegierungen prüft die Empfehlungen der Kommission und entscheidet, unter welchen Voraussetzungen die notwendigen Durchführungsmassnahmen getroffen werden können.

Artikel 8 . Jede Vertragspartei trägt die- Kosten ihrer Delegation in der Kommission und der durch sie bezeichneten Sachverständigen.

Alle übrigen durch die 'Tätigkeit der Kommission entstandenen Kosten werden -auf die Vertragsparteien in einem durch die .Kommission von- Fall zu Fall festzusetzenden Verhältnis verteilt.

Artikel 9 Die Kommission tritt, soweit sie es für notwendig hält, in Verbindung mit den auf dem Gebiet. der Gewässerverunreinigung zuständigen internationalen

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Organismen wie auch mit solchen, die bezüglich des Genfersees und der Ehone für die Schiffahrt, die Fischerei und die Eegulierung des Wasserabflusses zuständig sind.

Artikel 10 Jede der beiden vertragschliessenden Eegierungen wird der anderen vertragschliessenden Eegierung notifizieren, dass die gemäss ihrer Verfassung für das Inkraftsetzen des vorliegenden Abkommens erforderlichen Verfahren durchgeführt worden sind.

Das Abkommen wird an einem durch die vertragschliessenden Eegierungen in gemeinsamem Einvernehmen festgelegten Zeitpunkt in Kraft treten. Nach Ablauf von drei Jahren seit seinem Inkrafttreten kann es jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten durch jede der vertragschliessenden 1 Eegierungen gekündigt werden.

Geschehen in Paris, am 16. November 1962, in zweifacher Ausfertigung in französischer Sprache.

Für den Schweizerischen Bundesrat: (gez.) Diez 6792

Für die Eegierung der Französischen Eepublik: (gez.) Jordan

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Abkommens betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung (Vom 4. März 1963)

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1963

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

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8710

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.03.1963

Date Data Seite

695-707

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