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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Abkommens über Soziale Sicherheit (Vom 4. März 1963)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen das am 14. Dezember 1962 zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit (im folgenden «Abkommen» genannt) zur Genehmigung zu unterbreiten.

A. Allgemeines

1. Am 4. April 1949 hat die Schweiz mit Italien das erste zwischenstaatliche Abkommen auf dem Gebiete der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) abgeschlossen. Es ist nicht zu verkennen, dass die bezüglichen Verhandlungen schweizerischerseits, auch mit Bücksicht auf den damaligen Stand der italienischen Sozialversicherung, mit einer gewissen Zurückhaltung geführt wurden.

Das Abkommen vom Jahre 1949 wurde verhältnismässig rasch, und zwar am 17. Oktober 1951, durch ein neues Abkommen ersetzt, das heute noch in Kraft steht. Der zweite Vertrag mit Italien brachte gewisse Fortschritte. Mit Bücksicht auf die zwischenzeitlich in der italienischen Gesetzgebung eingeführten wesentlichen Verbesserungen war es möglich, auch gegenüber Italien die Drittelkürzung der Benten fallenzulassen; dagegen konnten die Übergangsrenten, da auf italienischer Seite das Gegenrecht fehlte, nicht gewährt werden.

617 Auch die Mindestbeitragsdauer (Karenzfrist) für den Anspruch auf die ordentlichen Eenten wurde nicht herabgesetzt. Gegen letztere Konzession sprachen gewichtige finanzielle Erwägungen: bei der ausserordentlich grossen und stetig wachsenden Zahl der in der Schweiz beschäftigten italienischen Staatsangehörigen hätte eine generelle Herabsetzung der Karenzfrist zufolge der im damaligen Zeitpunkt noch gesetzlich garantierten Mindestrenten weittragende Folgen für das finanzielle Gleichgewicht der AHV haben können.

Wir stellen mit Befriedigung fest, dass sich die bisherigen Abkommen mit Italien bewährt haben und dass sich auch ihre Durchführung zur beiderseitigen Befriedigung praktisch reibungslos gestaltet hat.

2. Nachdem die italienischen Behörden in den letzten Jahren wiederholt ihren Wunsch nach Aufnahme von Eevisionsverhandlungen geäussert hatten, · überreichte die italienische Botschaft in Bern anfangs 1960 im Auftrage ihrer Regierung dem Chef des Eidgenössischen Departementes des Innern ein off i-' zielles M e m o r a n d u m , worin alle Gegenstände aufgeführt waren, die nach italienischer Auffassung bei Anlass der Eevision des Abkommens geregelt werden sollten. Unter Berücksichtigung des Veshandlungsverlaufes lassen sich die italienischen Begehren im wesentlichen wie folgt zusammenfassen : Alters- und Hinterlassenenversichenmg Gewährung der ordentlichen und ausserordentlichen Eenten an italienische Staatsangehörige zu den günstigsten Bedingungen der übrigen von der Schweiz a bgeschlossenen Gegenseitigkeitsabkommen.

Invalidenversicherung Einbezug der schweizerischen Invalidenversicherung in das Abkommen unter Gewährung der weitestgehenden Gleichbehandlung der italienischen Staatsangehörigen'mit den Schweizerbürgern.

Unfallversicherung Einbezug der Unfallversicherung in das Abkommen und Gewährung der Gleichbehandlung der italienischen Staatsangehörigen mit. den Schweizerbärgern sowohl auf dem Gebiete der Betriebsunfälle und der Berufskrankheiten wie auch auf demjenigen der Nichtbetriebsunfälle.

Unfallversicherung in der Landwirtschaft Angemessene Verbesserung der Mindestleistungen dieser Versicherung.

Kinderzulagen Gleichbehandlung der italienischen Staatsangehörigen auf dem Gebiete der bundesrechtlichen und kantonalrechtlichen Familienzulagen und insbesondere Gewährung der Kinderzulagen für die im Ausland verbliebenen Kinder von in der Schweiz beschäftigten italienischen Arbeitnehmern.

Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. I.

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618 Krankenversicherung Obligatorische Versicherung der in der Schweiz beschäftigten italienischen Arbeitnehmer gegen Krankheit und Mitversicherung der in der Schweiz lebenden oder in Italien zurückgebliebenen Familienmitglieder.

II

Die Notwendigkeit, das geltende Sozialversicherungsabkommen mit Italien zu revidieren, steht ausser Frage. Gleiches gilt für die von der Schweiz mit ihren übrigen Partnerstaaten abgeschlossenen Gegenseitigkeitsabkommen.

Sie ergibt sich aus den zwischenzeitlich in der schweizerischen und ausländischen Gesetzgebung eingetretenen, zum Teil sehr tiefgreifenden Änderungen; für die Schweiz insbesondere aus der Einführung der Invalidenversicherung.

Wenn Italien bei den Revisionsverhandlungen der Vorrang eingeräumt wurde, so sprachen hiefür mehrere gewichtige Gründe : einmal handelt es sich um unseren ältesten Partner ; dann bezieht sich das geltende Abkommen mit Italien schweizerischerseits ausschliesslich auf die AHV und enthält zudem die vorstehend erwähnten einschränkenden Bestimmungen, was seine Eevision besonders dringlich erscheinen liess. Vor allem aber stellt unser südlicher Nachbar mit Abstand das grösste Kontingent der in unserem Land beschäftigten Gastarbeiter. Im Jahre 1962, das im Spitzenmonat August den noch nie gekannten Höchststand an ausländischen Arbeitnehmern mit befristetem Aufenthalt von rund 645 000 erreichte, waren hievon rund 450 000 italienische Staatsangehörige.

III

Bevor wir zur Schilderung des Verhandlungsverlaufs und der im neuen Abkommen in Aussicht genommenen Lösungen übergehen, scheint es uns gegeben, kurz auf die bemerkenswerte Entwicklung, welche das zwischenstaatliche Eecht auf dem Gebiete der Sozialversicherung in den letzten Jahren in Europa durchgemacht hat, hinzuweisen, weil dies für das bessere Verständnis der aufgetretenen Schwierigkeiten und der getroffenen Regelungen von Bedeutung ist.

Der starke Ausbau der Sozialversicherung namentlich seit dem Zweiten Weltkrieg, die anhaltende Hochkonjunktur und der zu ihrer Ausnützung notwendige Heranzug von fremden Arbeitskräften in bisher nie gekanntem Ausmass sowie der engere wirtschaftliche und politische Zusammenschluss zahlreicher europäischer Länder haben auf dem Gebiete der Sozialversicherung zur Ausbildung von umfassenden und zum Teil völlig neuen Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit geführt.

Besonders- augenfällig ist diese Entwicklung in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die von ihr erlassenen Verordnungen Nr. 3 und 4 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer stellen das wichtigste und umfassendste Vertragswerk dar, das bis heute auf dem Gebiete der Sozialen Sicherheit abgeschlossen wurde. Während die EWG-Lösungen für die

619 Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung und die Unfallversicherung gegenüber den traditionellen bilateralen Vereinbarungen keine fundamentalen Neuerungen bringen, haben die Eegelungen auf dem Gebiete der Krankenversicherung, der Kinderzulagen und der Arbeitslosenversicherung das zwischenstaatliche Sozialversicherungsrecht grundlegend neu gestaltet. So ist für diese nach bisheriger Auffassung streng territorial gebundenen Einrichtungen der Export der Leistungen in einer Weise liberalisiert worden, wie dies noch vor kurzem als undurchführbar erachtet wurde. Darüber hinaus ist ir. der Krankenversicherung der Versicherungsschutz auf die in ihrem Heimatstaat oder in einem der Mitgliedstaaten zurückgebliebenen Familienangehörigen der Wanderarbeitnehmer ausgedehnt worden.

Die EWG-Kegelungen streben zwei wesentliche Ziele an: einmal den möglichst vollkommenen Schutz der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, zum andern die grösstmögliche Beseitigung jeder Behinderung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte durch die Sozialversicherung.

. Die dargelegte Entwicklung konnte für unser Land nicht ohne Auswirkungen bleiben. Insbesondere sind die EWG-Begelungen zu einem beachtlichen Konfcirrenzfaktor bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte geworden. Soll die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem für sie so wichtigen Arbeitsrr.arkt behaupten, so muss sie im Bahmen des Möglichen zu neuen Lösungen bereit sein, die der eingetretenen Weiterentwicklung der zwischenstaatlichen Sozialversicherung Bechnung tragen. Dabei ist auch zu bedenken, dass bei der heutigen Konjunkturlage die Einwanderungsländer am Zuzug ausländischer Arbeitskräfte ebenso interessiert sind wie die Auswanderungsländer an der Beschäftigung ihrer überschüssigen Arbeitskräfte im Ausland. Die den Gastarbeitnehmern gewährten Sozialleistungen sind deshalb auch unter diesem Aspekt als Bositivum zu werten.

Dass die Anpassung an die eingetretene Entwicklung für unser Land nicht immer leicht sein wird, haben die Verhandlungen mit Italien mit aller Deutlichkeit gezeigt. Dabei kann es nach dem Gesagten nicht verwundern, wenn gerade die EWG-Lösungen auf dem Gebiete der Familienzulagen und der Krankenversicherung zu besonderen Schwierigkeiten geführt haben.

IV

1. Die offiziellen Bevisionsverhandlungen wurden zunächst in drei Phasen vom 15. bis 25.März 1961 in Bern, vom 7. bis 17. Juli in Born und vom 23. bis 29. November 1961 wiederum in Bern geführt. Die schweizerische Delegation wurde von Herrn Direktor Dr. A. Saxer, Beauftragter für Sozialversicherungsabkommen, die italienische Delegation von Herrn Minister Gino Bazzaglia, Stellvertretender'Generaldirektor für die Auswanderung im Aussenministerium, geleitet. Da auch im Verlaufe der dritten Phase in Fragen grundsätzlicher Natur keine genügende Annäherung der gegenseitigen Standpunkte erzielt werden

620 korinte, wurden die Verhandlungen in diesem Zeitpunkt unterbrochen. Nachdem in der Zwischenzeit in inoffiziellen Besprechungen zwischen den beiderseitigen Delegationschefs eine Verständigungsbasis gefunden werden konnte, erfolgte nach einer letzten kurzen Verhandlungsphase am 14. Dezember 1962 in Eom die Unterzeichnung des Abkommens. Diese wurde schweizerischerseits durch den Delegationschef, italienischerseits durch Herrn G.Lupis, Unterstaatssekretär im Aussenministerium, vollzogen.

2. Für die Alters- und H i n t e r l a s s e n e n v e r s i c h e r u n g , die Invalidenversicherung und die U n f a l l v e r s i c h e r u n g konnte ohne grössere Schwierigkeiten und in verhältnismässig kurzer Zeit eine gegenseitige Einigung erzielt werden. Dagegen gestalteten sich, wie vorstehend bereits angedeutet, die Verhandlungen auf dem Gebiete der Familienzulagen und der Krankenversicherung äusserst schwierig und zähe. Italien bestand für diese zwei Versicherungszweige mit grösstem Nachdruck auf einer möglichst integralen Erfüllung seiner Forderungen, wobei es einerseits auf die sehr grosse Zahl der in der Schweiz beschäftigten italienischen Arbeitskräfte und ihre Bedeutung für unsere Wirtschaft, anderseits auf die jüngste Entwicklung des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechtes, insbesondere auf die einschlägigen EWG-Kegelungen hinwies, indem es letztere heute als allein massgebend erachtete.

3. So forderte Italien eine staatsvertragliche Eegelung, die den italienischen Staatsangehörigen sowohl hinsichtlich der bundesrechtlichen wie auch der kantonalrechtlichen Familienzulagen die volle Gleichbehandlung mit den Schweizerbürgern und insbesondere auch die uneingeschränkte Auszahlung der Kinderzulagen für die in Italien verbliebenen Kinder gewährleistet hätte. Die italienische Delegation vertrat dabei den Standpunkt, dass nach heute vorherrschender internationaler Auffassung die Familienzulagen einen Lohnbestandteil bildeten, der den italienischen Arbeitnehmern nicht vorenthalten werden dürfe, zumal die Schweiz den Nachzug der Familienmitglieder weitgehend einschränke.

Dem italienischen Begehren konnte schweizerischerseits eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden; es schien deshalb gerechtfertigt, bei der Gewährung der Familienzulagen im Eahmen des Möglichen Entgegenkommen zu zeigen. Dabei
war allerdings grundsätzlich zwischen der bundesrechtlichen und den kantonalrechtlichen Familienzulagenordnungen zu unterscheiden.

Was erstere anbetrifft, die sich ausschliesslich auf die Landwirtschaft bezieht, war es, wie im Abschnitt über den Inhalt des Abkommens noch näher darzulegen sein wird, möglich, den italienischen Wünschen zu entsprechen.

Dagegen wurde hinsichtlich der kantonalrechtlichen Familienzulagen der Standpunkt vertreten, dass es schweizerischerseits mit Eücksicht auf die Gesetzgebungshoheit der Kantone ausser Betracht falle, diesen im Wege eines Staatsvertrages Verpflichtungen aufzuerlegen, zumal der Bund eben erst auf die Einführung einer allgemeinen bundesrechtlichen Familienzulâgenordnung verzichtet habe. Es müsse vielmehr den Kantonen vorbehalten bleiben, ihre Gesetzgebung entsprechend den italienischen Wünschen zu revidieren. Die Bundes-

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Behörden seien bereit, in diesem Sinne bei den Kantonsregierungen zu intervenieren.

In der Folge haben praktisch alle Kantone, die eine Familienzulagenordnung besitzen, auf die bundesbehördliche Empfehlung hin ihre Gesetzgebung geändert, und zwar so, das sie darin entweder die Auszahlung der Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer für ihre Kinder im Ausland vorsehen oder aber eine entsprechende Ermächtigung zuhanden der Vollzugsbehörde aufgenommen haben. Von dieser Ermächtigung ist schon in einer ganzen Reihe von Kantonen Gebrauch gemacht worden; in den übrigen dürfte gleiches in nächster Zeit erfolgen.

Dabei sieht eine Anzahl Kantone die uneingeschränkte Auszahlung der Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer vor und hat damit die volle Gleichbehandlung von In- und Ausländern verwirklicht. Andere Kantone schränken die Gewährung von Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer für Kinder im Ausland nach der einen oder andern Bichtung ein, so z.B. hinsichtlich des Bezugsalters der Kinder, der Höhe der Zulagen oder des Kreises der zulageborechtigten Kinder.

Schweizerischerseits konnte im übrigen auch darauf hingewiesen werden, dass in zahlreichen Gesamtarbeitsverträgen, welche die Ausrichtung von Kinderzulagen vorsehen, die Auszahlung dieser Zulagen an ausländische Arbeitnehmer oline Eücksicht auf den Aufenthaltsort ihrer Kinder erfolge.

Italienischerseits hat man von der eingetretenen Entwicklung mit Genugtuung Kenntnis genommen und sich mit den erzielten Resultaten insoweit zufrieden gegeben, als nicht mehr auf einer staatsvertraglichen Regelung in bezug auf die kantonalen Familienzulagen bestanden wurde. Dagegen hat Italien den Wunsch geäussert, dass die Bundesbehörden ihre Bemühungen bei den Kantonsregierungen fortsetzen, damit einerseits alle Kantone, die eine Gesetzgebung über die Familienzulagen besitzen, die Ausrichtung der Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer für ihre Kinder im Ausland ohne Verzug anordnen und anderseits jede Diskriminierung zwischen In- und Ausländern vermieden werde.

In. einer gemeinsamen Erklärung, die gleichzeitig mit dem Abkommen unterzeichnet wurde, ist Schweizerischerseits eine dem italienischen Begehren entsprechende Erklärung abgegeben worden. Dies konnte um so eher geschehen, als zum mindesten einzelne einschränkende Bestimmungen nicht gerechtfertigt
erscheinen und sich in der Praxis auch nicht als notwendig erwiesen haben (vgl.

«Gemeinsame Erklärungen», Ziff.l).

4. Am schwierigsten gestalteten sich die Verhandlungen auf dem Gebiet der Krankenversicherung, weil sich hier Italien nicht mehr mit der Gleichbehandlung begnügte, sondern ein lückenloses Obligatorium verlangte, und dies sowohl für die italienischen Arbeitnehmer in der Schweiz wie auch für ihre in in der Schweiz oder in Italien lebenden Familienangehörigen, wobei die Prämien ganz oder zum mindesten teilweise von den Arbeitgebern hätten übernommen werden müssen.

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Wie schon bei den Familienzulagen bezog sich die italienische Delegation auch hier auf die einschlägigen EWG-Bestimmungen.

Die in der Krankenversicherung ausserordentlich weitgehenden Begelungen der EWG sehen tatsächlich vor, dass nicht nur die Versicherung des Arbeitnehmers selbst, sondern auch die seiner Familienangehörigen zu Lasten der Versicherung des Beschäftigungslandes des Familienhauptes gehen, und zwar gleichgültig, ob sich die Familienangehörigen im genannten Beschäftigungsland oder in einem andern Mitgliedstaat aufhalten. In letzterem Fall übernimmt jedoch die Versicherung des Aufenthaltsstaates der Familienangehörigen 25 Prozent der bezüglichen Kosten.

Auch hier musste zunächst, was die Versicherung der A r b e i t n e h m e r betrifft, grundsätzlich festgestellt werden, dass der Bund auf die Einführung eines allgemeinen oder Teilobligatoriums verzichtet habe. Die schweizerische Delegation wies ferner darauf hin, dass zahlreiche Kantone bereits die eine oder die andere Form der Pflichtversicherung eingeführt hätten und erklärte, dass die Bundesbehörden bereit seien, die Bestrebungen der Kantone in dieser Eichtung zu unterstützen. Sie legte ferner dar, dass auch zahlreiche Einzeldienst-, Gesamtund Normalarbeitsverträge eine Versicherung gegen Krankheit vorsähen, und dass die ausländischen Staatsangehörigen darin, wie überhaupt generell, auf dem Gebiete der Krankenversicherung praktisch die völlige Gleichbehandlung mit den Schweizerbürgern gemessen.

Die italienische Delegation gab sich mit dieser Sachlage nicht zufrieden, sondern bestand mit grösstem Nachdruck auf einer staatsvertraglichen Eegelung, mit welcher die Versicherung aller italienischen Arbeitnehmer in der Schweiz gegen Krankheit sichergestellt würde, wobei sie das Hauptgewicht eindeutig auf die Krankenpflegeversicherung legte.

Im Schlussprotokoll zum Abkommen wurde nun in diesem Sinne eine Bestimmung aufgenommen, die im Eahmen des Möglichen dorn italienischen Begehren entgegenkommt und auf die im Abschnitt über den Inhalt des Abkommens noch näher einzugehen sein wird.

Was die italienische Forderung nach Versicherung der Familienangehörigen anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von Italien angerufenen EWG-Eegelungen ohne das Bestehen von geschlossenen, auf dem Grundsatz der Familienversicherung aufgebauten
Arbeitnehmerversicherungen gar nicht denkbar wären. Während dies für die 6 EWG-Staaten zutrifft, fusst bekanntlich die schweizerische Krankenversicherung auf dem Grundsatz der Individualversicherung und wird vom Territorialitätsprinzip beherrscht. Eine Eegelung im Sinne der italienischen Wünsche wäre deshalb ohne eine tiefgreifende Änderung der Struktur unserer Krankenversicherung überhaupt nicht durchführbar. Es ist ferner zu bedenken, dass mit der Einführung einer Familienversicherung zugunsten der italienischen Arbeitnehmer und der in diesem Falle wohl nicht vermeid baren Heranziehung der Arbeitgeber zur Prämienzahlung der Grundsatz der Gleichbehandlung zum Nachteil der Schweizer-

623 biirger in untragbarer Weise verletzt und damit auch der Arbeitsfriede gefährdet worden wäre/ Wenn somit keine Möglichkeit bestand, im Wege des Staatsvertrages dem italienischen Begehren zu entsprechen, so konnte man sich anderseits mit Bücksicht auf die ganz ausserordentliche Bedeutung, die Italien der Krankenversicherung der Familienangehörigen beimass, und in Anbetracht auch der Tatsache, dass die angestrebte Eegelung sich im Kahmen der EWG-Bestimmungen hielt, schweizerischerseits nicht der. Notwendigkeit verschliessen, diese weittragende und vielschichtige Frage nochmals zu prüfen, um nach Möglichkeit e:'ne für beide Teile tragbare Lösung zu finden (vgl. «Gemeinsame Erklärungen» Ziff. 2).

Für das bessere Verständnis der Haltung der italienischen Delegation, die im übrigen für die Schwierigkeiten, denen unser Land gegenübersteht, Verständnis zeigte, sei darauf hingewiesen, dass nach der italienischen Gesetzgebung die Familienangehörigen überhaupt und auch nur solange gegen Krankheit versichert .sein können, als das Familienhaupt oder ein zum gesetzlich umschriebenen Familienkreis (nucleo familiare) gehörendes Mitglied, das für ihren Unterhalt aufkommt, in Italien beschäftigt ist. Fehlt diese Beschäftigung, dann entfällt für die Familienmitglieder auch jede Möglichkeit der Zugehörigkeit zur sozialen Krankenversicherung. Diese sozialpolitisch schwerwiegende Lücke ist durch die geschilderten EWG-Begelungen geschlossen worden.

5. Die italienische Delegation verlangte endlich eine wesentliche Erhöhung der Leistungen in der schweizerischen l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n U n f a l l v e r sicherung. Schweizerischerseits konnte diesem Begehren die Berechtigung um so weniger abgesprochen werden, als die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung von den Kantonen vorgeschriebenen Versicherungsleistungen als zu niedrig und den gegebenen Verhältnissen nicht mehr entsprechend betrachtet wurden. Mit Bücksicht auf die kantonale Zuständigkeit hinsichtlich der Festsetzung der Leistungen fiel eine staatsvertragliche Begelung ausser Betracht.

Nach Bücksprache mit dem Schweizerischen Bauernverband setzte der Bundesrat die Minimalleistungen für die Geltendmachung von Bundesbeiträgen an die Unfallversicherungsprämien zugunsten der wenig bemittelten Bergbauern wie folgt fest : 10 000 Franken für
den Todesfall, 20 000 Franken für den Invaliditätsfall, 5 Franken Taggeld vorn 14. Tag nach dem Unfall an, 2000 Franken f'ir Heilungskosten sowie 1000 Franken für Hilfsmittel.

Die Kantone haben inzwischen ihre Erlasse diesen neuen Mindestansätzen des Bundes angepasst; einzelne Kantone gehen darüber hinaus.

6. Die Kantone und die Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die wichtigsten Branchenorganisationen sind im Verlaufe der Verhandlungen zu verschiedenen Malen über den Stand der Besprechungen schriftlich und auf dem Konferenzwege orientiert worden und erhielten Gelegenheit zur Meinungsäusserung. Wenn nach fast zweijähriger Dauer die Verhandlungen schliesslich zu einem guten Ende geführt werden konnten, so nicht zuletzt dank

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der verständnisvollen Mitarbeit der Kantone und der Spitzenverbände der Wirtschaft, wofür ihnen an dieser Stelle gedankt sei. Bin besonderer Dank gebührt den Kantonen für die soziale Aufgeschlossenheit, die sie mit der Eevision ihrer Gesetzgebung über die Familienzulagen bewiesen haben.

B. Die Grundzüge des Abkommens I. Allgemeines Es sei vorerst festgestellt, dass das vorliegende Vertragswerk keine Zusatzvereinbarung zum bestehenden Staatsvertrag mit Italien, sondern ein selbständiges Abkommen ist, das mit seinem Inkrafttreten dasjenige vom 17. Oktober 1951 ersetzen soll. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich in zweierlei Hinsicht: einmal schon mit Bücksicht auf den bedeutend erweiterten Anwendungsbereich des neuen Abkommens: von Seiten der Schweiz umfasst es neben der Altersund Hinterlassenenversicherung, die bis dahin allein Gegenstand zwischenstaatlicher Regelung mit Italien war, jetzt auch die Invalidenversicherung, die Versicherung der Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle sowie die bundesrechtliche Familienzulagenordnung betreffend die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und die Kleinbauern; entsprechend sind italienischerseits einbezogen: die Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung, die Versicherung der Arbeitsunfälle und der Berufskrankheiten sowie die Familienzulagen. Zum zweiten aber auch in Anbetracht des Umstandes, dass dank der mit dem 1. Januar 1960 in unserer Gesetzgebung über die AHV eingetretenen Änderungen die zwischenstaatlichen Regelungen für diesen Zweig schweizerischerseits auf eine völlig neue Basis gestellt werden konnten, wovon im folgenden noch einlässlich die Rede sein wird.

Entsprechend der heutigen allgemeinen Tendenz auf dem Gebiete der zwischenstaatlichen Sozialversicherung fusst auch das vorliegende Abkommen auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art.2 des Abkommens). Von diesem zentralen Grundsatz ausgehend enthält das Abkommen hinsichtlich des Leistungsanspruchs aus den einzelnen Versicherungszweigen nur noch dort konkrete Regelungen, wo von der Gleichstellung abgewichen wird oder wo solche neben der Gleichstellung ergänzend notwendig sind. Dies muss beim Studium des Vertragsinhaltes immer vor Augen gehalten werden.

II. Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 1. Die italienische Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenversicherung Zum besseren
Verständnis der sich stellenden Probleme und der getroffenen Regelungen erachten wir es jeweils als angezeigt, in unseren Botschaften eine knappe Darstellung des Sozialversicherungssystems unseres Partnerstaates zu vermitteln. In derjenigen zum Sozialversicherungsabkommen mit Italien aus dem Jahre 1951 haben wir die mit'Gesetz vom 15. April 1952 in der italienischen

625 Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenversicherung eingetretenen tiefgreifenden Neuerungen einlässlich geschildert. In der Zwischenzeit sind in dieser Versicherung keine grundlegenden Änderungen eingetreten. Immerhin ist der persönliche Geltungsbereich der Versicherung mit gewissen Sonderregelungen auf die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und die Heimarbeiter ausgedehnt worden; vor allem aber sind die Leistungen in Anpassung an die geänderten Lohn- und Preisverhältnisse wiederholt erhöht worden. Zuletzt ist mit Gesetz vom 12. August 1962 der Multiplikationsfaktor für die Berechnung der Ausgleichszulage von 55 (1952: 44) auf 72 erhöht worden, was einer neuerlichen Erhöhung der Pensionen um zirka 80 Prozent entspricht (gegenüber 1952 zirka 50 Prozent). Die Mindestleistungen betragen jetzt monatlich 12 500 Lire für Personen unter 65 Jahren ·und 15 000 Lire für Personen über 65 Jahren (1952: 3500 Lire bzw. 5000 Lire).

Für diese Erhöhung der Mindestrenten zahlt der Staat 14 Milliarden Lire an die Versicherung. Gleichzeitig sind auch die Beiträge erhöht worden: Die Grundbeiträge betragen nun je nach Beitragsklasse für Angestellte 26 bis 420 Lire im Monat und für Arbeiter 6 bis 97 Lire pro Woche (1952: 26 bis 200 bzw. 6 bis 45 Lire). Der Beitragssatz für die Ausgleichsfondsbeiträge ist für die Zeit bis Ende Juni 1968 auf 18 Prozent und ab diesem Zeitpunkt auf 19,8 Prozent festgesetzt worden, wovon zwei Drittel (13,20 Prozent) zu Lasten des Arbeitgebers und ein Drittel (6,60 Prozent) zu Lasten des Arbeitnehmers gehen (1952: 9 Prozent, wovon 6,60 Prozent Arbeitgeber- und 2,40 Prozent Arbeitnehmerbeitrag).

2. Der gegenseitige Leistungsanspruch a. Die S t e l l u n g der i t a l i e n i s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n in der schweizerischen A l t e r s - und Hinterlassenenversicherung Ordentliche Renten Die italienischen Staatsangehörigen sollen hinsichtlich des Anspruchs auf die ordentlichen Renten der AHV die volle Gleichbehandlung mit den Schweizerbürgern geniessen, d.h. sie sollen auf diese Eenten schon nach einem vollen Beitragsjahr Anspruch haben.

Wie vorstehend bereits angedeutet, findet sich hierüber keine spezifische Bestimmung im Abkommen, weil sich diese Regelung aus dem in Artikel 2 verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung ergibt.

Um jedoch allzu grosse administrative Umtriebe
zu vermeiden, sollen italienische Staatsangehörige, die sich ausserhalb der Schweiz aufhalten, in jenen Fällen, in denen die ihnen zustehende Eente weniger als drei Zwanzigstel der Vollrente beträgt, an Stelle der Teilrente eine einmalige Abfindung in der Höhe des Barwertes der geschuldeten Eente erhalten (Art.7, Buchstabe a des Abkommens).

Ausserordentliche Renten In der Schweiz wohnhafte italienische Staatsangehörige sollen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Schweizerbürger auch Ansprach auf die

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ausserordentlichen Eenten der Alters- und Hinterlassenenversicherung haben, dies jedoch unter der Voraussetzung, dass sie sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an die Rente verlangt wird, im Falle einer Altersrente ununterbrochen während mindestens 10 voller Jahre und im Falle einer Hinterlassenenrent'e oder einer sie ablösenden Altersrente ununterbrochen während mindestens fünf voller Jahre in der Schweiz aufgehalten haben (Art. 7, Buchstabe b des Abkommens).

ü>. Die Stellung der italienischen Staatsangehörigen in der schweizerischen Invalidenversicherung Ordentliche Eenten Der Grundsatz der Gleichbehandlung soll auch weitgehend auf die Invalidenversicherung ausgedehnt werden.

So sollen die italienischen Staatsangehörigen schon nach einem vollen Beitragsjahr Anspruch auf die ordentlichen Eenten der Invalidenversicherung haben, wobei die Versicherungsklausel gemäss Invalidenversicherungsgesetz immer dann als erfüllt gelten soll, wenn der italienische Staatsangehörige vor Verlassen der Schweiz bereits eine Invalidenrente bezog oder .nach Wegzug von der Schweiz der italienischen Versicherung angehört. Dieses Zugeständnis, das dem italienischen Staatsangehörigen erlauben wird, auch bei Eintritt der Invalidität in Italien einen Bentenanspruch zu erwerben, drängt sich deshalb auf, weil unsere freiwillige Versicherung .aus naheliegenden Gründen den ausländischen Staatsangehörigen nicht geöffnet werden kann.

Wie in der AHV sollen auch hier Teilrenten unter drei Zwanzigstel der Vollrente bei Aufenthalt ausserhalb der Schweiz mit einem einmaligen Kapitalbetrag abgefunden werden (Art.8, Buchstabe e des Abkommens).

Ausserordentliche Renten Auch die ausserordentlichen Eenten der Invalidenversicherung sollen den italienischen Staatsangehörigen gewährt werden, und zwar analog wie in der AHV unter der Voraussetzung, dass sie sich unmittelbar vor dem Eentengesuch ununterbrochen während mindestens 5 voller Jahre in der Schweiz aufgehalten haben. Gleiches soll für die eine Invalidenrente ablösende Altersrente gelten (Art.8, Buchstabe d des Abkommens).

Eingliederungsmassnahmen Die italienischen Staatsangehörigen sollen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Schweizerbürger auch Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen haben, dies jedoch nur solange sie in der Schweiz Wohnsitz haben und unter der
Voraussetzung, dass sie unmittelbar vor dem Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge an die Versicherung entrichtet haben.

Für nichterwerbstätige Ehefrauen und Witwen sowie für minderjährige Kinder, die bekanntlich nicht der Beitragspflicht unterliegen, soll an Stelle der

627 minimalen Beitragsdauer eine Mindestaufenthaltsdauer von einem Jahr treten.

Minderjährigen Kindern soll der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen ferner auch immer dann zustehen, wenn sie in der Schweiz invalid geboren sind, oder sich seit der Geburt ununterbrochen daselbst aufgehalten haben (Art.8, Buchstabe a des Abkommens).

c. Die Stellung der schweizerischen S t a a t s a n g e h ö r i g e n in der italienischen Alters-', Invaliden- und Hinterlassenenversicherung Als Gegenleistung sichert Italien den Schweizerbürgern unter den gleichen Voraussetzungen wie den eigenen Staatsangehörigen den uneingeschränkten Anspruch auf sämtliche Leistungen der italienischen Alters-, Invaliden- und HinterlassenenVersicherung zu.

Besondere Beachtung verdient die erstmals im Abkommen aufgenommene Kegelung, wonach Italien - im Sinne einer einseitigen. Totalisation der Versicherungszeiten - die schweizerischen Versicherungszeiten immer dann auf die italienischen Versicherungszeiten anrechnet, wenn allein auf Grund der italienischen Versicherungszeiten im Falle von Invalidität, Alter oder Tod gegenüber der italienischen Versicherung kein Anspruch auf Leistungen besteht.

Die getroffene Begelung ist für die Schweizerbürger (wie übrigens auch für die italienischen Staatsangehörigen) in zweifacher Hinsicht von besonderer Bedeutung : einmal erübrigt sich für diese im Falle ihres Ausscheidens aus der italienischen Versicherung - namentlich dann, wenn sie Italien verlassen, um in die Schweiz zurückzukehren - die freiwillige Weiterführung der italienischen Versicherung für die Wahrung des Anspruchs auf eine Invaliden-, Alters- oder Hinterlassenenrente, solange sie Beiträge an die schweizerische Versicherung entrichten. Selbstverständlich bleibt es dem Schweizerbürger unbenommen, dennoch die italienische Versicherung freiwillig weiterzuführen, wenn er damit die Höhe der künftigen Leistungen verbessern will. Zum zweiten wird der Schweizerbürger immer dann - gegebenenfalls also auch schon nach einem einzigen Beitragsjahr - Anspruch auf die Leistungen der italienischen Versicherung haben, wenn mit der Zusammenrechnung der schweizerischen und italienischen Versicherungszeiten die italienische Wartezeit (Mindestbeitragsdauer) erfüllt wird. Dies ist von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Wartezeit für eine italienische
Invaliden- oder Hinterlassenenrente 5 Jahre und für eine Altersrente sogar 15 Jahre beträgt. In diesen Fällen gewährt Italien eine Teilrente, die dem Verhältnis der italienischen Versicherungszeiten zur Summe der in beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten entspricht, wobei - was beachtlich ist - Italien der Berechnung dieser Teilrente immer zum mindestens die gesetzliche Mindestrente zu Grunde legt (Art.9 des Abkommens).

3. Die Rückerstattung der Beiträge Seitens der Schweiz wird mit der Herabsetzung der Mindestbeitragsdauer für den Leistungsanspruch auf ein Jahr eine Bückerstattung der Beiträge gegen-

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standslos. Die italienische Delegation wies nun darauf hin, dass eine gewisse Anzahl italienischer Staatsangehöriger, gestützt auf die Bestimmungen des geltenden Abkommens, sich darauf eingestellt hätte, bei Erreichen der Altersgrenze nach italienischem Eecht (60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen) die Schweiz zu verlassen, um nach Italien zurückzukehren, wo sie die ihnen zustehende italienische Altersrente zu beziehen beabsichtigten. Um jedoch in Italien eine ausreichende Altersrente erhalten zu können, seien sie auf die Überweisung der zur schweizerischen AHV entrichteten Beiträge an die italienische Sozialversicherung unbedingt angewiesen. Im Sinne einer Übergangslösung erklärte man sich schweizerischerseits bereit, für die Dauer von 5 Jahren vom Inkrafttreten des Abkommens an gerechnet den italienischen Staatsangehörigen diese Möglichkeit einzuräumen. Dies soll jedoch ausschliesslich für den Fall des Alters gelten und setzt voraus, dass der italienische Staatsangehörige spätestens am Ende des Jahres, in dessen Verlauf der genannte Versicherungsfall eingetreten ist, die Schweiz verlassen hat (Art.23, Abs.5 des Abkommens).

Da wegen der zum Teil sehr langen Wartezeit der italienischen Gesetzgebung (15 Jahre für die Altersrenten) auch trotz Anrechnung der schweizerischen Versicherungszeiten kein Anspruch auf eine Leistung der italienischen Versicherung bestehen kann, konnte von Italien erreicht werden, dass die italienische Versicherung in diesen Fällen den Schweizerbürgern die vollen Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) zurückerstattet.

4. Die Zahlung der Leistungen nach dem Ausland Wie schon nach dem geltenden, so sollen auch nach dem vorliegenden Abkommen die schweizerischen und italienischen Staatsangehörigen die Leistungen der beiderseitigen Versicherungen in vollem Umfang erhalten, solange sie im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten wohnen. Für den Fall des Aufenthaltes in einem Drittstaat soll die Auszahlung der Leistungen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung erfolgen. Da weder die Schweiz noch Italien für die eigenen Staatsangehörigen eine Zahlungsbeschränkung bei Aufenthalt im Ausland kennen, bedeutet dies praktisch, dass jeder Vertragsstaat den Angehörigen des andern Vertragsstaates auch bei Aufenthalt in einem Drittstaat die Leistungen vollumfänglich erbringt.
Von diesem Grundsatz sollen indessen schweizerischerseits, mit Bücksicht auf die besondere Natur bestimmter Leistungen, einzelne Ausnahmen gemacht werden. So sollen die ausserordentlichen Eenten der schweizerischen Altersund Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung nur bei Wohnsitz des italienischen Versicherten in der Schweiz gewährt werden. Gleiches gilt mit Eücksicht auf ihren Fürsorgecharakter für die Invalidenrenten für Versicherte, die weniger als zur Hälfte invalid sind und für die Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung. Endlich soll gemäss einem international anerkannten Grundsatz ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen auch nur bei Wohnsitz im Inland, d. h. in der Schweiz bestehen.

629 Italienischerseits erübrigten sich Einschränkungen hinsichtlich der Auslandszahlung, einmal weil Italien keine beitragsfreien Leistungen kennt, dann aber auch weil nach italienischem Eecht kein Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen besteht, so dass es ohnehin im Ermessen der Versicherung steht, diese zu gewähren oder nicht.

5. Würdigung der in Aussicht genommenen staatsvertraglichen Eegelung Mit Bücksicht auf die Wichtigkeit der in diesem Abschnitt behandelten Versicherungszweige einerseits und auf die besondere Bedeutung der schweizerischerseits erstmals in Aussicht genommenen Neugestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen auf diesem Gebiet anderseits, scheint es gegeben, im folgenden Qoch etwas näher auf die getroffene staatsvertragliche Eegelung einzutreten.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die in Aussicht genommene Lösung 3ine logische Folge der auf den I.Januar 1960 eingeführten Pro-rata-Eenten ist.

Da diese Renten im allgemeinen dem Gegenwert der einbezahlten Beiträge entsprechen, besteht, zum mindesten dann, wenn der Partnerstaat zu angemessenen Gegenkonzessionen bereit ist, kein Grund mehr, um von seinen Angehörigen die Erfüllung einer besonderen Wartezeit zu verlangen. Durch die Herabsetzung der Mindestbeitragsdauer auf ein Jahr kann, wie im besonderen Abschnitt über die finanziellen Auswirkungen des Abkommens noch näher darzulegen sein wird, das finanzielle Gleichgewicht der AHV und Invalidenversicherung jedenfalls nicht mehr gefährdet werden.

Die neue Regelung ist aber nicht nur vom Standpunkt des finanziellen Gleichgewichts der beiden Versicherungseinrichtungen, sondern auch sozialpolitisch sehr zu begrüssen: in der Tat bedeutet die Gewährung einer Eente, gegebenenfalls schon nach einem einzigen Beitragsjahr, gegenüber der bisherigen Eegelung (mehrjährige Wartezeiten und Rückerstattung der Beiträge bei Fehlen eines Rentenanspruchs) einen bedeutenden sozialen Fortschritt, der namentlich bei vorzeitigem Tod oder frühzeitiger Invalidität, dank der geschilderten grosszügigen Regelung in diesen Fällen, bedeutsam wird. Dies trifft in ganz besonderem Masse auf Italien zu, da, wie erwähnt, diesem Staate aus finanziellen Gründen im geltenden Abkommen die sonst übliche Herabsetzung der Mindestbeitragsdauer von 10 auf 5 Jahre nicht zugestanden werden konnte.

Durch die
getroffene Regelung wird schweizerischerseits auch die Rückerstattung beziehungsweise die Überweisung von Beiträgen gegenstandslos, was nicht nur sozialpolitisch, sondern im Verhältnis zu Italien auch deshalb zu begrüssen ist, weil wegen des starken Auseinanderklaffens der beiderseitigen Eentenalter (60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen gemäss italienischer Gesetzgebung) die Beitragsüberweisung wiederholt zu Schwierigkeiten mit italienischen Stellen und Versicherten geführt hat.

Es versteht sich von selbst, dass die Schweiz als Gegenleistung für die Herabsetzung der Mindestbeitragsdauer auf ein Jahr von ihren Partnerstaaten, deren Gesetzgebung längere Wartezeiten aufweist, die Berücksichtigung der

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schweizerischen Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit und, wo notwendig, auch für die Erhaltung der Anwartschaft fordern muss, da nur so eine der schweizerischen Lösung ungefähr gleichwertige Eegelung erreicht werden kann.

Da bei langen Wartezeiten trotz der Zusarümenrechnung der beiderseitigen Versicherungszeiten gegenüber der ausländischen Versicherung unter Umständen kein Anspruch bestehen kann, muss im weiteren schweizerischerseits in diesen nicht häufigen Fällen die Eückerstattung der Beiträge verlangt werden.

Die in Aussicht genommene Eegelung ist aber auch für unsere Beziehungen zum Ausland von erheblicher Bedeutung, denn sie ermöglicht uns, für die beiden wichtigen Zweige der Alters- und Hinterlassenenversicherung und der Invalidenversicherung zwei vom Standpunkt dieser Beziehungen sehr wichtigen Eesultate zu erzielen: - einmal die Gleichstellung des Vertragsausländers mit dem Inländer ; - zum zweiten den Verzicht unserer Partnerstaaten auf die Anrechnung fremder Versicherungszeiten seitens unserer Versicherung.

Was letzteren Punkt betrifft, ist zu bemerken, dass dieser Verzicht deshalb möglich ist, weil einerseits dank der Gleichbehandlung (gleichbedeutend mit Anspruchsberechtigung nach einem einzigen Beitragsjahr) eine Anrechnung ausländischer Versicherungszeiten schweizerischerseits gegenstandslos wird und anderseits weil die einseitige schweizerische Lösung derjenigen der zwei- oder mehrseitigen Totalisation der Versicherungszeiten ebenbürtig ist. Diese Feststellung ist beim heutigen Bestand an ausländischen Arbeitnehmern in der Schweiz von erheblicher Bedeutung, weil die Totalisationsmethode - wie wir in früheren Botschaften zu den Sozialversicherungsabkommen eingehend dargelegt haben - für unser Land mit erheblichen administrativen Umtrieben verbunden wäre.

Was die Gewährung der ausserordentlichen Eenten der AHV und der Invalidenversicherung an die italienischen Staatsangehörigen betrifft, so ist einmal darauf hinzuweisen, dass dies der heutigen internationalen Tendenz entspricht. Wir verweisen insbesondere auf das in der letztjährigen Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen Nr. 118 über die Gleichbehandlung von In- und Ausländern in der Sozialen Sicherheit, auf die mehrfach erwähnte EWG-Verordnung Nr. 8 sowie auf die interimistischen
Übereinkommen über die Soziale Sicherheit des Europarates. Einem international anerkannten Grundsatz entspricht es auch, dass der Anspruch auf beitragsfreie Leistungen an die Voraussetzung einer Mindestaufenthaltsdauer geknüpft wird. Die schweizerischerseits im Abkommen festgelegten Fristen entsprechen jenen des vorgenannten, heute international als massgeblich erachteten Übereinkommens Nr. 118.

Endlich ist bei der Würdigung der getroffenen Eegelung auf die heutige doppelte Funktion der ausserordentlichen Eenten hinzuweisen: Seit der Einführung der Pro-rata-Eenten treten diese Eenten, wenn die besonderen wirt-

681 ächaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind, an die Stelle geringerer ordentlicher Teilrenten; zum andern werden die ausserordentlichen Eenten Personen ausgerichtet, die wegen fehlender oder ungenügender Beitragsdauer überhaupt keinen Anspruch auf eine ordentliche Eente erwerben konnten. Es betrifft dies .aur Hauptsache die vor dem 1. Juli 1883 geborenen Personen und deren Hinterlassene sowie die vor dem 1. Dezember 1948 verwitweten Frauen und verwaisten Kinder. Es entspricht heute einem Gebot der Billigkeit, wenn den Angehörigen unserer Partnerstaaten, die diesen Kategorien von Personen zugehören, die Wohltat der Gewährung der ausserordentlichen Eenten zugestanden wird. Es gilt dies in besonderem Masse für die langansässigen, heute hochbetagten Arbeitnehmer, die nicht selten ein Leben lang ihre besten Kräfte der schweizerischen Wirtschaft zur Verfügung gestellt haben und bisher ohne jegliche Leistung seitens der AHV geblieben sind.

III. Die Unfallversicherung 1. Die italienische Unfallversicherung Das italienische System der Versicherung der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten ist demjenigen der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung in verschiedener Hinsicht ähnlich; der grösste Unterschied besteht darin, dass es die Nichtbetriebsunfälle nicht erfasst; diese werden wie in den meisten anderen Staaten durch die Krankenversicherung gedeckt.

Der Kreis der Versicherten ist ausgedehnter als derjenige der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung. Er umfasst alle Personen, die im Dienste eines Dritten in bestimmten Betrieben Arbeit verrichten, so insbesondere in allen gewerblichen, industriellen und landwirtschaftlichen Betrieben.

Der sachliche Geltungsbereich umfasst die Betriebsunfälle sowie bestimmte Berufskrankheiten. Die Liste der versicherten Berufskrankheiten deckt sich weitgehend mit dem schweizerischen Verzeichnis, doch beschränkt das italienische System die Leistungsdauer für jede Berufskrankheit auf einen bestimmten Zeitraum.

Die Beiträge.an die Versicherung sind ausschliesslich von den Arbeitgebern aufzubringen. Der Prämiensatz richtet sich nach der Höhe der Betriebsgefahr.

Die Versicherungsleistungen bestehen in Krankenpflege, Krankengeld, Invaliden- und Hinterlassenenrenten. Das Krankengeld ist prozentual etwas niedriger angesetzt als jenes in der schweizerischen
obligatorischen Unfallversicherung; die Ansätze der Invalidenrenten liegen bei hochgradiger Arbeitsunfähigkeit höher als nach der schweizerischen Eegelung, währenddem die Hinterlassenenrenten gesamthaft wie in der Schweiz im Maximum 60 Prozent des versicherten Verdienstes betragen.

In der Landwirtschaft sind die Versicherungsleistungen etwas niedriger angesetzt als in den übrigen versicherten Betrieben.

682 2. Der Inhalt des Abkommens Sowohl Italien wie die Schweiz haben das Internationale Abkommen über die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer in der Entschädigung von Betriebsunfällen vom Jahre 1925 ratifiziert. Das vorliegende Abkommen bringt daher hinsichtlich der Betriebsunfälle keine wesentliche Neuerung. In bezug auf die Berufskrankheiten sei auf die in Artikel 13, Absatz 2 des Abkommens enthaltene Ermächtigung hingewiesen. Diese erlaubt es den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten, gegebenenfalls eine sich international immer mehr durchsetzende Eegelung zu treffen, wonach im Interesse der Arbeitnehmer die in beiden Staaten zurückgelegten Beschäftigungszeiten für die Anspruchsbegründung zusammengerechnet und die Leistungen im Verhältnis dieser Zeiten auf die beiderseitigen Versicherungsträger aufgeteilt werden.

Die schweizerische Gesetzgebung über die obligatorische Unfallversicherung deckt auch die Nichtbetriebsunfälle. Die italienische Gesetzgebung entschädigt die ausserbetrieblichen Unfälle, wie erwähnt, auf dem Wege über die Krankenversicherung. Mit Bücksicht auf den umfassenden Geltungsbereich der italienischen Krankenversicherung und die nach der innerstaatlichen Gesetzgebung den Schweizerbürgern gewährte Gleichbehandlung mit den Inländern erscheint es gegeben, den Italienern auch in der Nichtbetriebsunfallversicherung die ungekürzten Leistungen zu gewähren. Dadurch fällt die in Artikel 90, Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung für die Ausländer vorgesehene Viertelskürzung für die italienischen Staatsangehörigen auch in bezug auf die Nichtbetriebsunfallversicherung dahin.

IV. Die Familienzulagen 1. Die italienische Familienzulagenordnung Nach der italienischen Gesetzgebung über die Familienzulagen haben die Arbeitnehmer, nicht aber die Selbständigerwerbenden Anspruch auf Familienzulagen. Der Anspruch steht dem Familienhaupt für Personen zu, die es zu unterhalten hat. Familienzulagen werden für die Kinder, für den Ehegatten und für die Eltern gewährt, wobei die Ansätze für diese Personen unterschiedlich festgesetzt sind. Des weitern bestehen für folgende drei Wirtschaftsgruppen verschiedene Ansätze der Familienzulagen: - Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, - Bank- und Versicherungswesen, - Berufsjournalisten.
Die Kinderzulage beträgt je Kind im Monat für dio Arbeitnehmer in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft 4940 Lire, für die Arbeitnehmer im Bank- und Versicherungswesen 6500 Lire und für die Berufsjournalisten 5720 Lire. Als zulageberechtigte Kinder gelten die ehelichen, die affilierten und adoptierten Kinder, die Stiefkinder und unter gewissen Voraussetzungen die Ge-

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schwister, Neffen und Nichten des Arbeitnehmers. Die Altersgrenze beträgt 14 Jahre für die Kinder der Arbeiter und 18 Jahre für die Kinder der Angestellten. Für Kinder, die in Ausbildung begriffen sind, beträgt die Altersgrenze 21 Jahre, wenn das Kind eine Mittel- oder Berufsschule und 26 Jahre, wenn es eine Hochschule besucht.

Für die Kinder, die ausserhalb des italienischen Staatsgebietes wohnen, besteht kein Anspruch auf Zulagen.

Die Familienzulagen, mit Ausnahme jener für die Landwirtschaft, werden s.usschliesslich durch Beiträge der Arbeitgeber gedeckt. Die Ansätze der Arbeitgeberbeiträge sind für die drei erwähnten Wirtschaftsgruppen unterschiedlich festgesetzt. Die Arbeitgeber in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft haben einen Beitrag von 17,5 Prozent der Lohnsumme zu entrichten, wobei allerdings der massgebende Lohn nach oben begrenzt ist (zurzeit Lire 2000 bis 2500 im Tag).

2. Der Inhalt des Abkommens Wie wir bereits im Abschnitt A, Unterabschnitt IV, Ziffer 3 dargelegt haben, werden schweizerischerseits erstmals die bundesrechtlichen Familienzulagen in das Abkommen einbezogen, um den in unserer Landwirtschaft beschäftigten italienischen Arbeitnehmern die Kinderzulagen auch für ihre i:oa Ausland lebenden Kinder ausrichten zu können.

Mit Eücksicht auf die Schwierigkeiten, auf welche die Eekrutierung von ausländischen Arbeitskräften in der Landwirtschaft stösst, drängte sich im Verlaufe der Verhandlungen dieses Zugeständnis auf, zumal Italien im damaligen Zeitpunkt 90 Prozent der bei uns auf diesem Sektor beschäftigten Gastarbeiter stellte.

So sollen die italienischen landwirtschaftlichen Arbeitnehmer während der Dauer ihrer Beschäftigung in der Schweiz Anspruch auf die Kinderzulagen gemäss dem Bundesgesetz über die Familienzulagen an landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern haben, und dies ohne Eücksicht auf den Wohnort der Kinder (Art.15 des Abkommens).

Die angeführten Schwierigkeiten haben noch im Verlauf der Verhandlungen mit Italien zum Erlass der Gesetzesnovelle vom 16. März 1962 geführt, wodurch der Bundesrat ermächtigt wurde, die Ausrichtung von Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer auch, für ihre Kinder im Ausland anzuordnen. Von dieser Befugnis hat der Bundesrat mit Beschluss vom 21. September 1962 Gebrauch gemacht und die Zulageberechtigung mit Wirkung vom
I.Januar 1968 festgesetzt.

Obschon sich dadurch die staatsvertragliche Eegelung materiell mit der innerstaatlichen deckt, bestanden doch gute Gründe, um erstere dennoch beizubehalten: einmal konnte damit ein allgemeines Gegenrecht zugunsten unserer Landsleute sichergestellt werden. Zwar ist die italienische Eegierung von Gesetzes wegen ermächtigt, gegenüber Staaten, die Gegenrecht halten, die Auszahlung der Kinderzulagen für Kinder im Auslande anzuordnen. Es war Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. I.

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jedoch zum mindesten fraglich, ob sie mit Eücksicht auf den beschränkten Geltungsbereich der Bundesgesetzgebung über die landwirtschaftlichen Familienzulagen dies in genereller Weise hätte tun können. Aber auch in Anbetracht der verschiedenen Eechtsnatur von innerstaatlichem Erlass und Staatsvertrag schien es beiderseits angezeigt, die mit ersterem gewährten Eechte durch letzteren zu bekräftigen. Zum zweiten wurde mit der staatsvertraglichen Regelung die Voraussetzung geschaffen, um in der zur Durchführung des Abkommens noch abzuschliessenden Verwaltungsvereinbarung auch für diesen Sektor die sich als notwendig erweisende gegenseitige Verwaltungshilfe zu regeln.

Was die Gegenleistung Italiens anbelangt, ist, wie bereits angedeutet, festzuhalten, dass italienischerseits das Zugeständnis ein generelles ist, d.h. es bezieht sich auf die gesamte italienische Gesetzgebung über die Familienzulagen. Beim umfassenden Geltungsbereich dieser Gesetzgebung bedeutet dies, dass alle in Italien als Arbeitnehmer beschäftigten Schweizerbürger auch für ihre in der Schweiz oder in einem Drittstaat wohnhaften Kinder zulageberechtigt sind.

V. Die Krankenversicherung Es sei zunächst festgehalten, dass die Krankenversicherung als solche nicht Gegenstand des Abkommens bildet.

Wir haben aber bereits in Abschnitt A, Unterabschnitt IV, Ziffer 4 auf die ausserordentliche Bedeutung hingewiesen, die Italien dem Schutz seiner bei uns beschäftigten Arbeitnehmer beimass.

Dem italienischen Begehren nach einer umfassenderen Krankenpflegeversicherung konnte eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Wohl wird ein grosser Teil der ausländischen Arbeitnehmer entweder durch ein kantonales oder Gemeindeobligatorium erfasst oder untersteht einem Gesamtoder Normalarbeitsvertrag, der die Krankenversicherung regelt. Indessen ist darauf hinzuweisen, dass letztere Verträge in der Regel eine Krankengeldversicherung vorsehen, womit die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers gemäss Artikel 335 OR abgelöst wird. Italien legte indessen das Hauptgewicht auf die Krankenpflegeversicherung.

Es war zu bedenken, dass die in der Schweiz tatsächlich bestehenden Lücken im Versicherungsschutz umso schwerer wiegen, als unsere Wirtschaft in zunehmendem Masse gezwungen ist, Arbeitskräfte aus immer entfernteren Gebieten zu rekrutieren, wobei es
sich um Leute handelt, die nicht gewohnt sind, Selbstvorsorge zu treffen und auch nicht in unserem Lande über Angehörige verfügen, die ihnen im Krankheitsfall beistehen könnten.

Man konnte sich daher schweizerischerseits der Notwendigkeit nicht verschliessen, dem italienischen Begehren soweit entgegenzukommen, als dies bei der gegebenen Struktur unserer Krankenversicherung überhaupt möglich war.

So ist im Schlussprotokoll zum Abkommen eine Bestimmung aufgenommen worden, wonach der schweizerische Arbeitgeber dazu verpflichtet wird, darüber zu wachen, dass der italienische Arbeitnehmer, soweit er nicht bereits auf Grund

635 gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen oder dank eigener Initiative im Genuss einer Krankenpflegeversicherung im Sinne des KTJVG steht, eine solche Versicherung eingeht und, falls er dies unterlässt, die Versicherung für ihn abzuschliessen. Dabei kann der Arbeitgeber die erforderlichen Beiträge am Lohn des Arbeitnehmers abziehen (Ziff. 13 des Schlussprotokolls zum Abkommen) .

Nachdem der Bund durch Artikel 34bls der Bundesverfassung ermächtigt ist, auf dem Wege der Gesetzgebung die Kranken- und Unfallversicherung einzurichten und den Beitritt zu dieser allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen obligatorisch zu erklären, Befugnisse, die auf Grund von Artikel 8 der Bundesverfassung auch im Wege von Staatsverträgen ausgeübt werden können, bestand über die Zuständigkeit des Bundes für die Aufnahme der erwähnten Bestimmung in das Schlussprotokoll des Abkommens kein Zweifel. Die Wahl der für das getroffene Teilobligatorium massgebenden Kriterien ist nicht willkürlich, und die Ausgestaltung der Eegelung erweckt auch unter dem Gesichtspunkt der Eechtsgleichheit, wie sie in Artikel 4 der Bundesverfassung verankert ist, keine Bedenken.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung, auch wenn sie sich im Schlussprotokoll befindet, rechtlich auf derselben Stufe wie eine Abkommensbestimmung steht, da das Schlussprotokoll einen integrierenden Beiätandteil des Abkommens bildet. Im weiteren sei bemerkt, dass diese Verpflichtung sich ausschliesslich auf den Arbeitnehmer selbst, nicht dagegen auf seine allfällig in der Schweiz oder im Ausland lebenden Familienangehörigen bezieht.

Mit Bücksicht auf ihre Bedeutung ist die getroffene Eegelung mit den Kantonen und den Spitzenverbänden der Wirtschaft besprochen worden. Die Vertreter der Kantone und der Gewerkschaften haben ihr einhellig zugestimmt.

'Insbesondere sagten die Vertreter jener Kantone, die eine gleiche oder ähnliche Praxis bereits kennen, dass damit die besten Erfahrungen gemacht worden iäeien, was übrigens auch von Arbeitgeberseite anerkannt werde. Die Vertreter lier Gewerkschaften erklärten, dass sie mit Eücksicht auf die besondere Lage der ausländischen Arbeitnehmer in der in Aussicht genommenen Eegelung keine Diskriminierung der Schweizerbürger erblicken würden, und versicherten, dass sie daraus keine Begehren zugunsten der
schweizerischen Arbeitnehmer ableiten werden. Die Vertreter der Arbeitgeber erklärten, wohl vorab aus grundsätzlichen Überlegungen, dass ihnen die Eegelung zu weit gehe, ohne indessen ihre soziale und humanitäre Berechtigung in Frage zu ziehen.

C. Die finanziellen Auswirkungen des Abkommens I. Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Es sei zunächst darauf hingewiesen, dass die Pro-rata-Berechnung der [Renten, die wir am I.Januar 1960 in der AHV und in der Invalidenversicherung eingeführt haben, im Durchschnitt die individuelle Gleichwertigkeit der

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Beiträge und der entsprechenden Eenten verwirklicht, wenigstens soweit es sich um verhältnismässig jung eintretende Versicherte handelt. Diese Voraussetzung trifft insbesondere bei unseren Gastarbeitern zu, die heute das überwiegende Kontingent der Nutzniesser zwischenstaatlicher Vereinbarungen auf dem Gebiete der Sozialversicherung bilden. Für Einzelheiten über die finanziellen Auswirkungen der Pro-rata-Berechnung der Eenten verweisen wir auf die Ausführungen auf den Seiten 102ff. in unserer Botschaft vom 24. Oktober 1958 (Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Alters- und Hinterlassenenversicherungsgesetzes). Wir verfügen nicht über ausreichende statistische Unterlagen, um die finanziellen Auswirkungen eines einzelnen Abkommens exakt berechnen zu können. Hingegen sind Modellrechnungen angestellt und dem Ausschuss für die technische Bilanz der Eidgenössischen Kommission für die Alters-, Hinter lassenen- und Invalidenversicherung vorgelegt worden, die sich auf den Gesamtbestand unserer ausländischen Arbeitskräfte beziehen. Tatsächlich führt die individuelle Gleichwertigkeit der Beiträge und der entsprechenden Benten praktisch auch zu einem kollektiven finanziellen Gleichgewicht im Bahmen der technischen Bilanz der AHV.

Was bei Splitterrenten die Abfindung in der Höhe des Barwertes der geschuldeten Eente anbetrifft, so gibt auch diese Eegelung zu keinen finanziellen Bedenken Anlass. Für die Versicherung spielt es keine Eolle, ob sie ihre Leistung in einem einzigen Betrag (Barwert) oder in jährlich wiederkehrenden Beträgen ausrichtet.

Die Gewährung ausserordentlicher Eenten an italienische Staatsangehörige fällt finanziell nicht ins Gewicht. Die Belastung in der technischen Bilanz der AHV beträgt nämlich nur etwa 2 Millionen Franken, welcher Betrag in Beziehung zu den durchschnittlichen jährlichen Gesamtausgaben auf weite Sicht in der Grössenordnung von 1,7 Milliarden Franken gebracht werden muss.

Zudem wird die Belastung noch zurückgehen, weil es sich beim Bezügerkreis von ausserordentlichen Eenten zum grössten Teil um den rasch abnehmenden Bestand der vor dem 1. Juli 1883 geborenen Personen handelt.

II. Unfallversicherung Da in Anwendung des Übereinkommens Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Gleichbehandlung
in der Entschädigung von Arbeitsunfällen die italienischen Staatsangehörigen schon bisher den Schweizerbürgern in der Versicherung der Betriebsunfälle gleichgestellt waren, bringt das Abkommen für diesen Zweig der obligatorischen Unfallversicherung keine nennenswerte finanzielle Mehrbelastung. In der Versicherung der Nichtbetriebsunfälle entstehen hingegen dadurch Mehrauslagen, dass dio Kürzungsbestimmung von Artikel 90 des Gesetzes wegfällt. Der gesamte Mehraufwand wird hier nach Schätzung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ca. 3 Millionen Franken im Jahr ausmachen. Von dieser Summe gehen indessen für die

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Schweizerische Unfallversicherungsanstalt vorläufig noch die durch die bestehenden privaten Zusatzversicherungen weiterhin auszurichtenden Eenten ab, deren Gesamtbetrag mangels zuverlässiger Unterlagen nicht geschätzt werden kann.

III. Familienzulagen Da gemäss dem Bundesratsbeschluss vom 21. September 1962 alle ausländischen landwirtschaftlichen Arbeitnehmer seit dem I.Januar 1963'auch für ihre im Ausland wohnhaften Kinder Anspruch auf Kinderzulagen haben, bringt das Abkommen für die bundesrechtlichen Familienzulagen in der Landwirtschaft keine finanzielle Mehrbelastung. In unserer Botschaft vom 18. September 1961 haben wir die Mehrkosten für die Kinderzulagen an ausländische Arbeitnehmer gesamthaft auf 1,1 Millionen Franken geschätzt. Es ist von Interesse, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass zu Beginn der Verhandlungen mit Italien die italienischen Staatsangehörigen rund 90 Prozent der bei uns in der Landwirtschaft beschäftigten Gastarbeiter ausmachten, dieser Prozentsatz in der Zwischenzeit, insbesondere infolge des vermehrten Zuzuges von spanischen Arbeitskräften, auf rund 60 Prozent gesunken, ist.

IV. Krankenversicherung Die durch das Abkommen für die italienischen Arbeitnehmer vorgesehene Versicherungspflicht wird sich, soweit diese anerkannten Krankenkassen angeiächlossen sind, in einer vermehrten Ausrichtung von Bundesbeiträgen auswirken. Da jedoch die Zahl der italienischen Arbeitnehmer, die bereits auf Grund kantonaler oder Gemeindeobligatorien, durch betriebliche Krankenkassen, durch Gesamt- oder Normalarbeitsverträge oder durch Selbstvorsorge gegen Krankheit versichert ist, nicht bekannt ist, können über die aus der staatsvertraglichen Eegelung resultierenden Mehrkosten keine zuverlässigen Angaben gemacht werden; indessen dürfte sich die aus dem Abkommen resultierende Mehrbelastung in einem durchaus tragbaren Eahmen halten.

D. Inkrafttreten des Abkommens und Übergangsbestimmungen Das Abkommen tritt am ersten Tag des auf den Austausch der Eatifikationsurkunden folgenden Monats in Kraft, wobei für die einzelnen Versicherungszweige auf folgende Eegelungen hingewiesen sei : I. Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Grundsätzlich soll das Abkommen schweizerischerseits · auch auf Versicherungsfälle Anwendung finden, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind.

Die ordentlichen Eenten der schweizerischen AHV sollen den italienischen

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Staatsangehörigen jedoch nur dann nach den Bestimmungen des neuen Abkommens gewährt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1959, d.h. nach der Einführung der Pro-rata-Eenten eingetreten ist, da begreiflicherweise nur für solche Fälle die Mindestbeitragsdauer auf ein einziges Beitragsjahr herabgesetzt werden konnte. Für die früheren Fälle soll somit das geltende Abkommen auch weiterhin massgebend sein.

Ist der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1959, aber vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens eingetreten, so sollen die Leistungen wie folgt gewährt werden : - die Eingliederungsmassnahmen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens an; - die ordentlichen und ausserordentlichen Kenten sowie die Hilflosenentschädigung der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung frühestens mit Wirkung vom 1. Januar 1962 an, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass im Monat des Inkrafttretens des Abkommens ein Anspruch auf diese Leistungen besteht. (Damit soll erreicht werden, dass die Bückwirkung aussohliesslich rentenberechtigten Personen zugute kommt.)

Zudem sollen unter der gleichen Voraussetzung die der sogenannten 'Übergangsgeneration angehörenden italienischen Staatsbürger - es handelt sich um die heute hochbetagten, vor dem I.Juli 1883 geborenen Personen und ihre Hinterlassenen sowie um die vor dem I.Dezember 1948 verwitweten Frauen und verwaisten Kinder - die ausserordentlichen Renten der AHV schon vom I.Januar 1961 an erhalten (Art. 23, Abs. l des Abkommens).

Das Zugeständnis einer beschränkten Bückwirkung rechtfertigte sich einmal mit Bücksicht darauf, dass Italien - wie übrigens mehrere unserer übrigen Partnerstaaten - auf dem Gebiete der Invalidenversicherung schon während einer ganzen Reihe von Jahren vorgeleistet hat, dann aber auch weil die Schweiz auf den Wunsch ihrer Partnerstaaten nach sofortigem Einbau der Invalidenversicherung nicht eintreten konnte, weil sie es als unerlässlich erachtete, auf diesem für sie völlig neuen Gebiet vor der Übernahme von internationalen Verpflichtungen Erfahrungen zu sammeln. Für die Angehörigen der Übergangsgeneration sprachen, wie wir bereits dargelegt haben, besondere soziale und humanitäre Gründe für eine etwas weiterreichende Rückwirkung.

In Anbetracht des Umstandes, dass die Schweizerbürger
schon nach dem geltenden Abkommen die volle Gleichbehandlung mit den italienischen Staatsangehörigen geniessen, finden folgerichtig die Bestimmungen des neuen Abkommens italienischerseits grundsätzlich nicht auf die vor seinem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfälle Anwendung. Dieser Grundsatz erleidet jedoch eine gewichtige Ausnahme: die Bestimmungen des neuen Abkommens sollen nämlich immer dann, und dies ohne zeitliche Begrenzung, auf früher eingetretene Versicherungsfälle angewandt werden, wenn bisher wegen ungenügender Versicherungsdauer keine italienische Rente gewährt werden konnte. Damit wird erreicht, dass sich in allen diesen Fällen die erstmals im Abkommen vor-

639 gesehene Anrechnung von schweizerischen Versicherungszeiten durch die italienische Versicherung auswirken und dadurch gegebenenfalls der Anspruch auf eine Leistung dieser Versicherung entstehen kann. Diese Möglichkeit entfällt natürlich, wenn die Beiträge durch die italienische Versicherung bereits zurückerstattet worden sind (Art. 23, Abs. 2 des Abkommens).

u. Unîallversicherung Die Bestimmungen des Abkommens über die Unfallversicherung bedurften schweizerischerseits für das Gebiet der Nichtbetriebsunfallversicherung einer Übergangsregelung: Die Aufhebung der Viertelskürzung kann hier nicht für alle Fälle und auf denselben Zeitpunkt erfolgen, weil zum Ausgleich der bisherigen Kürzung vielfach private Zusatzversicherungen abgeschlossen worden sind, die in der Regel von Jahr zu Jahr erneuert werden und gegen die bei bereits eingetretenen Unfällen auch weiterhin ein Rentenanspruch besteht. So sieht das vorliegende Abkommen für die Nichtbetriebsunfallversicherung folgende Regelungen vor: in den Fällen, in denen keine Zusatzversicherung besteht, sollen die Renten vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens an von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ungekürzt ausgerichtet werden, und dies auch für Versicherungsfälle, die sich vor dem Inkrafttreten des Abkommens ereignet haben, soweit es sich in letzteren Fällen um Invalidenrenten oder Hinterlassenenrenten an Ehegatten oder Kinder handelt. Dagegen soll in jenen Fällen, in denen eine private Zusatzversicherung besteht, die ungekürzte Leistung seitens der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt erst mit Wirkung von dem auf das Inkrafttreten des Abkommens folgenden I.Januar an gewährt werden, da es aus naheliegenden Gründen angezeigt erschien, die Ablösung Schweizerische Unfallversicherungsanstalt/Privatversicherung auf Ende eines Kalenderjahres vorzunehmen. Ist jedoch der Versicherungsfall vor diesem Stichtag bereits eingetreten, so bleiben diese Fälle auch weiterhin durch die private Zusatzversicherung gedeckt, so dass die Aufhebung der Viertelskürzung seitens der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt entfällt (Art. 24 des Abkommens).

in. Familienzulagen Die Familienzulagen sollen beiderseits mit Wirkung vom I.Januar 1963 aa ausgerichtet werden. Damit ist schweizerischerseits die hier interessierende Auszahlung der Kinderzulagen
an italienische landwirtschaftliche Arbeitnehmer für ihre Kinder im Ausland übereinstimmend mit unserem bereits erwähnten Eeschluss vom 21. September 1962 geregelt worden.

Das Abkommen ist für die Dauer eines Jahres geschlossen. Es gilt jedoch von Jahr zu Jahr als stillschweigend erneuert, sofern es nicht von einem der Vertragsstaaten drei Monate vor Ablauf der Jahresfrist gekündigt wird. Somit handelt es sich um einen kurzfristigen Staatsvertrag, der nicht dem fakultativen

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Keferendum unterliegt. Wird das Abkommen gekündigt, so bleiben die gemäss seinen Bestimmungen erworbenen Kechte erhalten.

Das Abkommen vom 17. Oktober 1951 tritt im Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Abkommens ausser Kraft, mit Ausnahme jener Bestimmungen, welche einerseits die Aufrechterhaltung der erworbenen Hechte gewährleisten und anderseits die - während einer 5jährigen Übergangszeit noch mögliche Überweisung der schweizerischen AHV-Beiträge an die italienische Versicherung regeln.

E. Schlussbetrachtimgen Mit dem vorhegenden Abkommen ist die Schweiz, soweit es unter den gegebenen Umständen möglich war, den italienischen Begehren entgegengekommen. Das vorliegende Vertragswerk weist gegenüber dem geltenden Abkommen einen bedeutend erweiterten Anwendungsbereich auf. Erstmals sind schweizerischerseits auch die bundesrechtlichen Familienzulagen in der Landwirtschaft einbezogen und auf dem Gebiet der Krankenversicherung eine subsidiäre Pflicht des Arbeitgebers zur Versicherung des ausländischen Arbeitnehmers eingeführt worden. Mit dem neuen Vertragstyp ist in'den beiden wichtigen Zweigen der Alters- und Hinterlassenenversicherung und der Invalidenversicherung erstmals eine weitestgehende Gleichbehandlung der Angehörigen des Partnerstaates mit den Schweizerbürgern verwirklicht und damit auch die Voraussetzung für die wünschenswerte völlige Gleichbehandlung der Angehörigen unserer vier Nachbarstaaten geschaffen worden.

Wir sind überzeugt, dass das vorhegende Abkommen, welches die Stellung der Schweizerbürger in der italienischen Sozialversicherung und der italienischen Staatsangehörigen in der schweizerischen Sozialversicherung in grosszügiger und fortschrittlicher Weise regelt, die freundschaftlichen' Bande, die uns mit unserem südlichen Nachbarn verbinden, bekräftigen und vertiefen wird.

Wir möchten aber auch hervorheben, dass dem vorliegenden Abkommen die Bedeutung eines Mustervertrages zukommt, der für sämtliche zu revidierenden und neu abzuschliessenden Abkommen wegweisend sein wird. Seine Regelungen haben den grossen Vorteil, dass sie schweizerischerseits ein geschlossenes, unabhängiges und selbständiges Ganzes bilden, das sich harmonisch in die gegebene Struktur unserer Sozialversicherung einfügt. Diese typisch schweizerische Lösung hat darüber hinaus aber noch den bedeutenden Vorzug, dass sie derjenigen anderer Staaten oder Staatengruppen ebenbürtig ist. Sie wird deshalb dazu beitragen, die geachtete Stellung, die sich unser Land international auf dem Gebiet der Sozialversicherung geschaffen hat, noch zu festigen.

Abschliessend sehen wir uns veranlasst, darauf hinzuweisen, dass sich der Bundesrat mit Bücksicht auf den engen Zusammenhang, der 'zwischen der Stellung der italienischen Arbeitnehmer in der Sozialversicherung einerseits und auf dem Gebiete des Arbeits- und Niederlassungsrechtes anderseits besteht,

641 gegenüber Italien vorbehalten hat, die Eatifikation des Sozialversicherungsabkommens vom Zustandekommen einer befriedigenden Lösung hinsichtlich des schweizerisch-italienischen Einwanderungsabkommens abhängig zu machen.

Die Artikel 34bls, 34
Gestützt auf vorstehende Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen: es sei das am 14. Dezember 1962 zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit durch die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4;März 1963.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Spühler

Der Bundeskanzler : Ch. Oser

642 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über Soziale Sicherheit

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1963, beschliesst :

Art. l Das am 14. Dezember 1962 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

* 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.

1

Art. 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, die für die Anwendung des Abkommens notwendigen Vorschriften zu erlassen.

6782

648 Übersetzung aus dem französischen Originaltext

Abkommen zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit

Der Schweizerische Bundesrat und die Eegierung der Italienischen Republik, vom Wunsche geleitet, die bestehenden Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien auf dem Gebiete der Sozialversicherung an die Weiterentwicklung der Gesetzgebungen in den beiden Ländern anzupassen, sind übereingekommen, ein Abkommen zu schliessen, welches dasjenige vom 17. Oktober 1951 ersetzen soll, und haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt : Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Direktor Dr. Arnold Saxer, Beauftragter für Sozialversicherungsabkommen, Bern; Die Regierung der Italienischen Republik: Herrn Giuseppe Lupi s, Unterstaatssekretär im Aussenministerium, Born; die nach gegenseitigem Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben : Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Dieses Abkommen findet Anwendung: a. In der Schweiz: i) auf die Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung ; ii) auf die Bundesgesetzgebung über die Invalidenversicherung;

644

iii) auf die Bundesgesetzgebung über die Versicherung gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle sowie gegen Berufskrankheiten; iv) auf die Bundesgesetzgebung über die Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern ; b. In Italien : i) auf die Gesetzgebung über die Invaliden-, Alters- und Hinterlassenenversicherung, mit Einschluss der Sonderordnungen, die für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern an Stelle der allgemeinen Ordnung treten ; ii) auf die Gesetzgebung über die Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten ; iii) auf die Gesetzgebung über die Familienzulagen.

2. Dieses Abkommen findet auch Anwendung auf alle Gesetze und Verordnungen, welche die in Absatz l dieses Artikels aufgeführten Gesetzgebungen kodifizieren, ändern oder ergänzen.

Es wird ebenfalls Anwendung finden : a. auf Gesetze und Verordnungen, die einen neuen Zweig der Sozialen Sicherheit einführen, sofern dies zwischen den Vertragsstaaten so vereinbart wird; b. auf Gesetze und Verordnungen, die die bestehenden Versicherungszweige auf neue Kategorien von Personen ausdehnen, sofern der betreffende Staat nicht innert drei Monaten seit der amtlichen Veröffentlichung dieser Gesetze und Verordnungen bei der Eegierung des andern Staates dagegen Einspruch erhebt.

Artikel 2 Die schweizerischen und italienischen Staatsangehörigen sindindenEechten und Pflichten aus den in Artikel l genannten Gesetzgebungen einander gleichgestellt, soweit in diesem Abkommen und seinem Schlussprotokoll nichts .Abweichendes bestimmt ist.

Artikel 8 Unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Abkommens und seines Schlussprotokolls erhalten schweizerische und italienische Staatsangehörige, die auf Grund der in Artikel l genannten Gesetzgebungen Leistungen beanspruchen können, diese Leistungen in vollem Umfange und ohne jede Einschränkung, solange sie im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten wohnen. Unter dem selben Vorbehalt werden die genannten Leistungen vom einen Vertragsstaat den Angehörigen des andern Vertragsstaates, die in einem. Drittstaat wohnen, unter den gleichen Voraussetzungen und in gleichem Umfange gewährt wie den eigenen Staatsangehörigen, die in diesem Drittstaat wohnen.

645 Zweiter Abschnitt Anwendbare Gesetzgebung Artikel 4 1. Anwendbar ist grundsätzlich die Gesetzgebung desjenigen Vertragssi;aates, auf dessen Gebiet die für die Versicherung massgebende Beschäftigung ausgeübt wird.

2. Sind auf Grund einer im Gebiet beider Vertragsstaaten ausgeübten Beschäftigung gemäss dem in Absatz l genannten Grundsatz die Gesetzgebungen beider Vertragsstaaten anwendbar, so sind den Versicherungen jedes der beiden Vertragsstaaten Beiträge nur von dem im betreffenden Vertragsstaat erzielten Efwerbseinkommen geschuldet.

Artikel 5 Von dem in Artikel 4, Absatz l, genannten Grundsatz gelten folgende Ausnahmen: a. Arbeitnehmer eines Unternehmens mit Sitz in einem der Vertragsstaaten, die für eine beschränkte Zeit in das Gebiet des andern Vertragsstaates entsandt werden, bleiben während der ersten zwölf Monate ihrer Beschäftigung im andern Staat der Gesetzgebung des Vertragsstaates unterstellt, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat. Überschreitet die Beschäftigung im andern Staat diese Frist, so bleibt ausnahmsweise die Gesetzgebung des ersten Staates während zwölf weiterer Monate weiterhin anwendbar, sofern die zuständigen Behörden beider Staaten dies so vereinbaren.

b. Arbeitnehmer von Transportunternehmen des einen Vertragsstaates, die vorübergehend im Gebiet des andern Staates beschäftigt werden, unterstehen der Gesetzgebung des Staates, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat. Dasselbe gilt auch für die dauernd auf Anschlußstrecken oder in Grenzbahnhöfen beschäftigten Arbeitnehmer.

c. Die zum Dienst auf einem Seeschiff für Rechnung des Eeeders angeheuerten Personen unterstehen während der Dauer ihrer Heuer der Gesetzgebung des Vertragsstaates, unter dessen Flagge das Schiff fährt.

d. Erstrecken sich Unternehmen oder Betriebe aus dem Gebiet des einen in das Gebiet des andern Vertragsstaates, so unterstehen die Arbeitnehmer dieser Unternehmen oder Betriebe der Gesetzgebung des Vertragsstaates, in dessen Gebiet das Unternehmen oder der Betrieb seinen Sitz hat.

s. Bedienstete öffentlicher Verwaltungen (Zoll, Post, Passkontrolle usw.), die vom einen Vertragsstaat in das Gebiet des andern Staates entsandt werden, unterstehen der Gesetzgebung des entsendenden Staates.

/. Die Leiter und Mitglieder der diplomatischen und konsularischen Vertretungen des einen Vertragsstaates, mit Einschluss der Kanzleibeamten,

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die in das Gebiet des andern Staates entsandt werden, unterstehen der Gesetzgebung des entsendenden Staates, sofern sie dessen Staatsangehörigkeit besitzen. Dasselbe gilt für die Angestellten des Kanzleidienstes sowie für die in den persönlichen Diensten der genannten Leiter, Mitglieder und Beamten stehenden Personen, soweit sie die Staatsangehörigkeit des entsendenden Staates besitzen und nicht ausdrücklich verlangen, der Gesetzgebung des Staates unterstellt zu werden, in dessen Gebiet sie beschäftigt werden.

Artikel 6 Die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten können im gegenseitigen Einvernehmen neben den in Artikel 5 aufgeführten weitere Ausnahmen vom Grundsatz der anwendbaren Gesetzgebung vorsehen.

Dritter Abschnitt Besondere Bestimmungen 1. Kapitel Invaliden-, Alters- und Hinterlassenenversicherung Artikel 7 Für italienische Staatsangehörige und ihre Hinterlassenen gelten die folgenden besonderen Bestimmungen über den Anspruch auf Renten der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung: a. Hat ein italienischer Staatsangehöriger, der sich nicht in der Schweiz aufhält, Anspruch auf eine ordentliche Teilrente, die weniger als drei Zwanzigstel der entsprechenden ordentlichen Vollrente beträgt, so wird ihm an Stelle der Teilrente eine Abfindung in der Höhe des Ba,rwertes der geschuldeten Rente gewährt. Verlässt ein italienischer Staatsangehöriger, der eine solche Teilrente bezogen hat, die Schweiz endgültig, so wird ihm ebenfalls eine entsprechende Abfindung gewährt. Die Abfindung wird den italienischen Staatsangehörigen, die sich in Italien aufhalten, durch Vermittlung der italienischen Sozialversicherung ausbezahlt. Die Berechtigten können dieser gegenüber auf die Auszahlung der Abfindung verzichten und verlangen, dass die italienische Sozialversicherung ihnen an deren Stelle eine entsprechende Leibrente ausrichtet.

Nach Auszahlung der Abfindung durch die schweizerische Versicherung können weder der Berechtigte noch seine Hinterlassenen gegenüber dieser Versicherung irgendwelche Ansprüche aus den bis dahin entrichteten Beiträgen mehr geltend machen.

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b. Italienischen Staatsangehörigen steht ein Anspruch auf ausserordentliche Eenten nur zu, solange sie in der Schweiz Wohnsitz haben und wenn sie sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an die Rente verlangt wird, im Falle einer Altersrente ununterbrochen während mindestens zehn voller Jahre und im Falle einer Hinterlassenenrente oder einer sie ablösenden Altersrente ununterbrochen während mindestens fünf voller Jahre in der Schweiz aufgehalten haben.

Artikel 8 Für italienische Staatsangehörige gelten die folgenden besonderen Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung: a. Italienischen Staatsangehörigen steht ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen nur zu, solange sie in der Schweiz Wohnsitz haben und wenn sie unmittelbar vor dem Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge an die schweizerische Versicherung entrichtet haben.

Nichterwerbstätigen Ehefrauen und Witwen sowie minderjährigen Kindern italienischer Staatsangehörigkeit steht ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen nur zu, solange sie in der Schweiz Wohnsitz haben und wenn sie sich unmittelbar vor dem Eintritt der Invalidität ununterbrochen während mindestens eines Jahres in der Schweiz aufgehalten haben ; minderjährigen Kindern steht der Anspruch ausserdem zu, wenn sie in der Schweiz Wohnsitz haben und daselbst entweder invalid geboren sind oder sich seit der Geburt ununterbrochen aufgehalten haben.

b. Italienische Staatsangehörige, die der italienischen Versicherung angehören oder die vor Verlassen der Schweiz eine ordentliche Invalidenrente bezogen haben, sind den Versicherten gemäss schweizerischer Gesetzgebung gleichgestellt.

c. Artikel 7, Buchstabe a, findet sinngemäss auf die ordentlichen Invalidenrenten Anwendung.

d. Artikel 7, Buchstabe fe, findet sinngemäss auf die ausserordentlichen Invalidenrenten Anwendung, wobei eine ununterbrochene Aufenthaltsdauer in der Schweiz von mindestens fünf vollen Jahren für diese Eenten sowie für die sie ablösenden Altersrenten erforderlich ist.

e. Ordentliche Invalidenrenten für Versicherte, die weniger als zur Hälfte invalid sind, sowie Hilflosenentschädigungen werden italienischen Staatsangehörigen nur gewährt, solange sie ihren Wohnsitz in der Schweiz haben.

Artikel 9 1. Hat ein Versicherter auf Grund
allein der nach italienischer Gesetzgebung zurückgelegten Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten gemäss den Vorschriften dieser Gesetzgebung im Falle von Invalidität, Alter oder Tod

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keinen Anspruch auf Leistungen, so werden für den Erwerb des Anspruchs auf solche Leistungen die in der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten (Beitragszeiten und gleichgestellte Zeiten) mit den in der italienischen Versicherung zurückgelegten Zeiten zusammengerechnet, soweit sie sich nicht überschneiden.

2. Hängt die Gewährung der in Absatz l genannten Leistungen davon ab, dass die Versicherungszeiten in einem Beruf zurückgelegt worden sind, für den ein Sondersystem gilt, so werden für den Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen nur die in der Schweiz im gleichen Beruf zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet. Erfüllt der Versicherte trotz dieser Zusammenrechnung die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen nach dem genannten Sondersystem nicht, so werden die betreffenden Zeiten für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen nach dem allgemeinen System ebenfalls zusammengerechnet.

8. Wird in Anwendung der Absätze l und 2 unter Berücksichtigung schweizerischer Versicherungszeiten eine Leistung der italienischen Sozialversicherung gewährt, so berechnet sich diese wie folgt : a. Der für die Berechnung zuständige italienische Versicherungsträger bestimmt zunächst den Betrag der Leistung, auf welchen der Versicherte Anspruch hätte, wenn sämtliche nach den Absätzen l und 2 zu berücksichtigenden Versicherungszeiten allein in der italienischen Versicherung zurückgelegt worden wären. Für die nach schweizerischer Gesetzgebung zurückgelegten Versicherungszeiten werden jedoch die Beiträge, die sich auf diese Zeiten beziehen, nur auf der Grundlage des Durchschnittes der Beiträge berücksichtigt, die für die nach italienischer Gesetzgebung zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt worden sind.

b. Auf der Grundlage dieses Betrages, der gegebenenfalls auf die nach italienischer Gesetzgebung zugesicherte Minimamente erhöht wird, bestimmt der italienische Versicherungsträger die geschuldete Leistung im Verhältnis der Dauer der in der italienischen Versicherung zurückgelegten Zeiten zur Gesamtdauer der in den Versicherungen beider Vertragsstaaten zurückgelegten Zeiten, wobei jedoch die schweizerischen Versicherungszeiten nur soweit berücksichtigt werden, als sie sich nicht mit italienischen Versicherungszeiten überschneiden.

Artikel 10
1. Schweizerische Staatsangehörige, welchen trotz Anwendung von Artikel 9 kein Anspruch auf eine Leistung der italienischen Sozialversicherung zusteht, haben Anspruch auf Eückerstattung der von ihnen und ihren Arbeitgebern an diese Versicherung obligatorisch bezahlten Beiträge.

2. Schweizerische Staatsangehörige, welchen die Beiträge zurückerstattet wurden, können auf Grund dieser Beiträge gegenüber der italienischen Sozialversicherung keine Eechte mehr geltend machen.

649 2. Kapitel Versicherung gegen Unfälle und Berufskrankheiten Artikel 11 Schweizerische und italienische Staatsangehörige, die gemäss der Gesetzgebung des einen Vertragsstaates versichert sind und im Gebiet des andern Staates einen Unfall erleiden oder sich eine Berufskrankheit zuziehen, können vom Träger der Unfallversicherung oder Krankenversicherung des Vertragsstaates, in dessen Gebiet sie sich aufhalten, die erforderliche Krankenbehandlung verlangen. In diesen Fällen hat der Versicherungsträger, dem der betreffende Versicherte angehörte, die Kosten der Krankenbehandlung dem Versicherungsträger, der sie gewährt hat, zu erstatten.

Artikel 12 Ist ein Versicherungsträger eines der beiden Vertragsstaaten zu Leistungen an einen Versicherten verpflichtet, so berücksichtigt der Versicherungsträger des andern Staates bei der Festsetzung von Leistungen auf Grund eines neuen Unfalles oder einer neuen Berufskrankheit desselben Versicherten die vom ersten Versicherungsträger gewährten Leistungen, wie wenn sie zu seinen Lasten gingen.

Artikel 13 1. Kann eine Berufskrankheit nach der Gesetzgebung beider Vertragsetaaten entschädigt werden, so sind Leistungen nur nach der Gesetzgebung des Staates zu gewähren, in dessen Gebiet die Beschäftigung zuletzt ausgeübt wurde, die geeignet ist, eine solche Berufskrankheit zu verursachen, und sofern der Betroffene die Voraussetzungen dieser Gesetzgebung erfüllt.

2. Die zuständigen Behörden können jedoch im Interesse der Arbeitnehmer eine Eegelung vereinbaren, welche die Zusammenrechnung der in Betracht fallenden, im Gebiet der beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Beschäftigungszieiten sowie die Aufteilung der zu erbringenden Leistungen im Verhältnis zu diesen Zeiten vorsieht.

Artikel 14 1. Erhebt bei Verschlimmerung einer Berufskrankheit ein Arbeitnehmer, der nach der Gesetzgebung eines der beiden Vertragsstaaten eine Entschädigung für eine Berufskrankheit erhalten hat oder erhält, wegen einer Berufskrankheit gleicher Art Anspruch auf Leistungen nach der Gesetzgebung des andern Staates, so gelten folgende Begeln : a. Hat der Arbeitnehmer im Gebiet des letztgenannten Staates keine Beschäftigung ausgeübt, die geeignet war, die Berutskrankheit zu verursachen oder zu verschlimmern, so bleibt der Versicherungsträger des eisten Staates Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. I.

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verpflichtet, die Leistungen nach seiner eigenen Gesetzgebung unter Berücksichtigung der Verschlimmerung zu seinen Lasten zu gewähren.

b. "Hat der Arbeitnehmer ini Gebiet des zweiten Vertragsstaates eine solche Beschäftigung ausgeübt, so bleibt der Versicherungsträger des ersten Staates verpflichtet, die Leistungen nach seiner eigenen Gesetzgebung ohne Berücksichtigung der Verschlimmerung zu gewähren ; der Versicherungsträger des andern Vertragsstaates gewährt dem Arbeitnehmer eine Zulage, deren Höhe sich nach der Gesetzgebung dieses Staates bestimmt und dem Differenzbetrag zwischen der nach der Verschlimmerung geschuldeten Leistung und dem Betrag entspricht, der geschuldet sein würde, wenn die Krankheit vor der Verschlimmerung in seinem Gebiet eingetreten wäre.

2. In den Fällen von Absatz l muss der Arbeitnehmer dem Versicherungsträger des Vertragsstaates, nach dessen Gesetzgebung er Leistungsansprüche geltend macht, die erforderlichen Auskünfte über die Leistungen erteilen, die früher als Entschädigung für die betreffende Berufskrankheit festgesetzt worden sind. Hält dieser Träger es für notwendig, so kann er den Träger, welcher dem Betroffenen Leistungen gewährt hat, um Unterlagen über diese Leistungen ersuchen.

3. Kapitel Familienzulagen Artikel 15 Landwirtschaftliche Arbeitnehmer italienischer Staatsangehörigkeit haben während der Dauer ihrer Beschäftigung in der Schweiz Anspruch auf die Kinderzulagen gemäss d.er Bundesgesetzgebung über die Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern, und zwar ohne .Rücksicht auf den Wohnort der den Anspruch begründenden Personen.

Artikel 16 Schweizerische Staatsangehörige haben während der Dauer ihrer Beschäftigung in Italien Anspruch auf die Familienzulagen gemäss der italienischen Gesetzgebung und zwar ohne Rücksicht auf den Wohnort der den Anspruch begründenden Personen.

Artikel 17 Wenn für ein Kind sowohl auf Grund der schweizerischen wie auch der italienischen Gesetzgebung Anspruch auf Zulagen besteht, so sind nur die Zulagen nach der Gesetzgebung am Arbeitsort des Vaters geschuldet.

651 Vierter Abschnitt Durchführungsbestimmungen Artikel 18 1. Bei der Durchführung dieses Abkommens leisten sich die Behörden und Stellen der beiden Vertragsstaaten gegenseitig Hilfe, wie wenn es sich um die Anwendung ihrer eigenen Gesetzgebung über Soziale Sicherheit handelte.

2. Die zuständigen Behörden: a. vereinbaren die notwendigen Durchführungsbestimmungen für die Anwendung dieses Abkommens. Sie regeln insbesondere die Einzelheiten der gegenseitigen Hilfe sowie die Kostentragung für die medizinische oder administrative Abklärung von Fällen, in denen sich Personen im G-ebiet des einen Vertragsstaates aufhalten und Leistungen von Versicherungen des andern Staates beanspruchen oder beziehen;, b. können vereinbaren, dass zur Erleichterung des Verkehrs zwischen den beiderseitigen Versicherungsträgern von jedem Vertragsstaat Verbindungsstellen bestimmt werden ; c. unterrichten sich gegenseitig von allen Massnahmen, die zur Durchführung dieses Abkommens getroffen werden ; d. unterrichten sich gegenseitig sobald als möglich über alle Änderungen ihrer Gesetzgebung.

3. Als «zuständige Behörden» für die Durchführung dieses Abkommens gelten : - in der Schweiz: das Bundesamt für Sozialversicherung; - in Italien : das Ministerium für Arbeit und soziale Vorsorge.

Artikel 19 1. Die Versicherungsträger, die nach diesem Abkommen Zahlungen zu leisten haben, werden durch Zahlung in der Währung ihres Landes von ihrer Verpflichtung befreit.

2. Überweisungen, die in Anwendung dieses Abkommens vorzunehmen sind, erfolgen nach dem im Zeitpunkt der Überweisung zwischen den Vertragsstaaten geltenden Zahlungsabkommen.

3. Falls im einen oder andern Vertragsstaat Vorschriften über die Einschränkung des Devisenverkehrs erlassen werden sollten, treffen die beiden Vertragsstaaten im gegenseitigen Einvernehmen unverzüglich Massnahmen, um auf Grund der Bestimmungen dieses Abkommens die Überweisung der beiderseits geschuldeten Beträge sicherzustellen.

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Artikel 20 1. Die durch die Gesetzgebung des einen Verfcragsstaates vorgesehene Stempel- und Gebührenbefreiung oder -ermässigung für Urkunden, die gemäss dieser Gesetzgebung beizubringen sind, gelten auch für Urkunden, die nach der Gesetzgebung des andern Staates beizubringen sind.

2. Die Behörden und Stellen der beiden Vertragsstaaten verzichten auf die diplomatische oder konsularische Légalisation der Urkunden, Bescheinigungen und Unterlagen, welche bei der Durchführung dieses Abkommens vorgelegt werden müssen.

Artikel 21 Gesuche, Erklärungen und Eechtsmittel, die innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Stelle eines der beiden Vertragsstaaten einzureichen sind, gelten als fristgerecht eingereicht, wenn sie innert dieser Frist bei einer entsprechenden Stelle des andern Staates eingereicht werden. In diesem Fall leitet diese Stelle die Gesuche, Erklärungen und Rechtsmittel unverzüglich an die zuständige Stelle des ersten Staates weiter.

Artikel 22 1. Die Regierungen der beiden Vertragsstaaten bestellen eine Gemischte Kommission, die die richtige Durchführung dieses Abkommens überwacht, mögliche Streitfälle aus seiner Anwendung regelt und weitere Probleme der Sozialen Sicherheit erörtert. Sie kann gegebenenfalls Vorschläge für die Revision des Abkommens, des zugehörigen Schlussprotokolls und der entsprechenden Verwaltungsvereinbarung unterbreiten.

2. Der Gemischten Kommission gehören Vertreter der beteiligten Verwaltungen der beiden Staaten in gleicher Zahl an. Jede Delegation kann die erforderlichen Experten beiziehen.

8. Die Gemischte Kommission tritt auf Ansuchen des einen oder andern Vertragsstaates wechselweise in der Schweiz und in Italien zusammen.

4. Die Gemischte Kommission bestimmt ihre Organisation und Arbeitsweise selbst.

5. Kann ein Streitfall auf diesem Wege nicht behoben werden, so ist er einem Schiedsgericht zu unterbreiten, das sich aus je einem Vertreter der beiden Vertragsstaaten und einem Angehörigen eines Drittstaates als Vorsitzenden zusammensetzt.

653 Fünfter Abschnitt Übergangsbestimmungen 1. Kapitel Invaliden-, Alters- und Hinterlassenenversicherung Artikel 23 1. Schweizerischerseits werden die Leistungen gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens grundsätzlich auch in den Fällen gewährt, in denen sich der Versicherungsfall vor Inkrafttreten des Abkommens ereignet hat. Die ordentlichen Benten der Alters- und Hinterlassenenversicherung werden jedoch nur dann nach den Bestimmungen dieses Abkommens gewährt, wenn der Versicherungsfall nach dem 81. Dezember 1959 eingetreten ist und die Beiträge nicht gemäss dem Abkommen vom 17. Oktober 1951 oder gemäss Absatz 5 dieses Artikels überwiesen oder rückvergütet wurden oder, werden.

Ist der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens eingetreten, so werden die Leistungen nach den Bestimmungen dieses Abkommens wie folgt gewährt : a. die Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung vom Inkrafttreten des Abkommens an; b. die ordentlichen und ausserordentlichen Eenten sowie die Hilflosenentschädigungen der Alters- und Hinterlassenen- sowie der Invalidenversicherung, auf welche ein Anspruch für den Monat des Inkrafttretens besteht, unter Vorbehalt von Buchstabe e frühestens vom 1. Januar 1962 an; c. die ausserordentlichen Benten der Alters- und Hinterlassenenversicherung, auf welche ein Anspruch für den Monat des Inkrafttretens besteht, frühestens vom 1. Januar 1961 an, und zwar an folgende italienische Staatsangehörige: i) vor dem I.Juli 1883 geborene Personen und ihre Hinterlassenen; ii) vor dem I.Dezember 1948 verwitwete Frauen und verwaiste Kinder.

2. Italienischerseits werden die Leistungen gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens grundsätzlich in den Fällen gewährt, in denen der Versicherungsfall nach Inkrafttreten des Abkommens eintritt. Jedoch werden in den Fällen, in denen der Versicherungsfall vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist, die Leistungen gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens von seinem Inkrafttreten an gewährt, wenn anders wegen ungenügender Versicherungszeiten keine Eente gewährt werden kann und sofern die Beiträge durch die italienische Sozialversicherung nicht zurückerstattet worden sind.

8. Versicherungs-, Beitrags- und Aufenthaltszeiten, die vor Inkrafttreten dieses Abkommens zurückgelegt wurden, werden vorbehaltlich der Absätze l und 2 dieses Artikels ebenfalls berücksichtigt.

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4. Die durch die Gesetzgebungen der beiden Vertragsstaaten für die Geltendmachung von Ansprüchen vorgesehenen Fristen beginnen frühestens vom Inkrafttreten dieses Abkommens an zu laufen.

5. Während fünf Jahren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an können die italienischen Staatsangehörigen in Abweichung von Artikel 7 verlangen, dass bei Eintritt des Versicherungsfalles des Alters nach der italienischen Gesetzgebung die von ihnen und ihren Arbeitgebern an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung entrichteten Beiträge an die italienische Sozialversicherung überwiesen werden; Voraussetzung ist dabei, dass sie die Schweiz vor Ende des Jahres, in dem der genannte Versicherungsfall eingetreten ist, verlassen haben, um sich in Italien oder in einem Drittstaat niederzulassen. Hinsichtlich der Verwendung der überwiesenen Beiträge, ihrer allfälligen Bückerstattung an den Berechtigten und der Wirkungen der Beitragsüberweisung gilt Artikel 5, Absätze 4 und 5, des Abkommens vom 17.Oktober 1951.

2. Kapitel Versicherung gegen Unfälle und Berufskrankheiten Artikel 24 1. Italienische Staatsangehörige, die in der Zeit vor Inkrafttreten dieses Abkommens keiner Zusatzversicherung zum Ausgleich der auf Artikel 90 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallvorsicherung beruhenden Leistungskürzung aus der Nichtbetriebsunfallversicherung teilhaftig waren,erhalten für Unfälle, die sie nach Inkrafttreten dieses Abkommens erleiden, die vollen Leistungen nach dem genannten G-esetz. Für Unfälle, die sich vor Inkrafttreten des Abkommens ereignet haben, werden die Invalidenrenten sowie die Hinterlassenenrenten an Ehegatten und Kinder vom genannten Zeitpunkt an ohne Kürzung ausgerichtet.

2. Italienische Staatsangehörige, die vor dem. auf das Inkrafttreten dieses Abkommens folgenden 1. Januar einer Zusatzversicherung im Sinne von Absatz l teilhaftig waren, erhalten für Unfälle, die sich nach diesem Zeitpunkt ereignen, die vollen Leistungen nach dem Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung. Haben sie vor diesem Zeitpunkt einen Unfall erlitten, so bleibt die Leistungskürzung gemäss Artikel 90 des genannten Gesetzes weiterhin aufrecht.

3. Kapitel Familienzulagen Artikel 25 Die Familienzulagen werden nach den Bestimmungen dieses Abkommens vom 1. Januar 1968 an gewährt.

655 Sechster Abschnitt Schlussbestimmungen Artikel 26 1. Dieses Abkommen bedarf der Eatifikation. Die Eatifikationsurkunden werden sobald als möglich in Bern ausgetauscht.

2. Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des auf den Austausch der Eatifikationsurkunden folgenden Monates in Kraft.

3. Das Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über Sozialversicherung vom 17. Oktober 1951 tritt mit Ausnahme seines Artikels 14, Absatz 2, sowie, inbezug auf die Anwendung von Artikel 23, Absatz 5, des vorliegenden Abkommens, mit Ausnahme seines Artikels 5, Absätze 4 und 5, mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Abkommens ausser Kraft.

Artikel 27 1. Dieses Abkommen wird für die Dauer eines Jahres geschlossen. Es gilt von Jahr zu Jahr als stillschweigend erneuert, sofern es nicht von einem der beiden Vertragsstaaten drei Monate vor Ablauf der Jahresfrist gekündigt wird.

2. Wird das Abkommen gekündigt, so bleiben die gemäss seinen Bestimmungen erworbenen Eechte erhalten. Die auf Grund seiner Bestimmungen erworbenen Anwartschaften werden durch Vereinbarungen geregelt werden.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsstaaten dieses Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

So geschehen am 14. Dezember 1962 in Born, in zweifacher Ausfertigung, eine in französischer, eine in italienischer Sprache; beide Fassungen sind in gleicher Weise verbindlich.

Für den Schweizerischen Bundesrat : (gez.) Saxer

Für die Eegierung der Italienischen Eepublik : ' (gez.) G.Lupis

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Schlussprotokoll Anlässlich der heutigen Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Bepublik über Soziale Sicherheit (nachstehend «Abkommen» genannt) haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsstaaten folgende Erklärungen vereinbart: 1. Das Abkommen findet, ohne Eücksicht auf deren Nationalität, auch Anwendung auf die Hinterlassenen von schweizerischen und italienischen Staatsangehörigen.

2. Als Hinterlassene oder Kinder im Sinne des Abkommens gelten die in der anwendbaren Gesetzgebung als solche bezeichneten Personen.

8. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäss Artikel 2 des Abkommens erstreckt sich schweizerischerseits nicht auf die Bestimmungen über die freiwillige Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung für Auslandschweizer, über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Invalidenversicherung von Schweizerbürgern, die im Ausland für einen Arbeitgeber in der Schweiz tätig sind und von diesem entlöhnt werden, sowie über die Fürsorgeleistungen für die im Ausland wohnhaften invaliden Schweizerbürger.

4. Die Eegelung von Artikel 5 des Abkommens findet, unter Vorbehalt von Buchstabe / des genannten Artikels, auf alle Arbeitnehmer Anwendung, gleichgültig welches ihre Staatsangehörigkeit sei.

5. Untersteht ein Arbeitnehmer in Anwendung von Artikel 5 des Abkommens der schweizerischen Gesetzgebung, so bedeutet dies, dass er bezüglich seiner Stellung in der schweizerischen Versicherung behandelt wird, wie wenn er in der Schweiz erwerbstätig wäre. Ausgenommen bleiben die in Buchstabe c genannten Falle.

6. Den Bediensteten öffentlicher Verwaltungen im Sinne von Artikel 5, Buchstabe e, des Abkommens gleichgestellt sind : i) die nach Italien entsandten Arbeitnehmer schweizerischer Staatsangehörigkeit der Schweizerischen Zentrale für Verkehrsförderung; ii) das schweizerische Lehrpersonal der Schweizerschulen in Italien; iii) die Bediensteten schweizerischer Staatsangehörigkeit des Schweizerischen Institutes in Born.

7. Schweizerische Staatsangehörige, die in Italien den in Artikel l, Absatz l, Buchstabe b des Abkommens aufgeführten italienischen Versicherungen angehört haben und in die Schweiz zurückkehren, können dieso Versicherungen zu den gleichen Bedingungen wie italienische Staatsangehörige freiwillig fortführen.

657 8. Die in den Artikeln 7, Buchstabe a, und 8, Buchstabe c des Abkommens vorgesehene Abfindung entspricht dem Barwert der Eente, die bei Eintritt des Versicherungsfalles nach schweizerischem Eecht geschuldet wird oder dem Barwert dieser Rente im Zeitpunkt, in dem der Versicherte die Schweiz endgültig verlässt, sofern die Ausreise nach Zusprechung der Eente erfolgt.

9. Bei der Anwendung der Artikel 7, Buchstabe b, und 8, Buchstaben a und d des Abkommens wird der Ausdruck «Wohnsitz haben» im Sinne des , [Schweizerischen Zivilgesetzbuches verstanden, nach welchem sich der Wohnsitz grundsätzlich an dem Ort befindet, an dem sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält.

10. Inbezug auf die Voraussetzungen für den Anspruch auf ausserordentliche Eenten gilt der Aufenthalt in der Schweiz im Sinne von Artikel 7, Buchstabe b, und 8, Buchstabe d, des Abkommens als ununterbrochen, wenn ein italienischer Staatsangehöriger die Schweiz im Kalenderjahr während einer drei Monate nicht übersteigenden Dauer verlässt. Anderseits wird ein Zeitraum, während welchem ein in der Schweiz wohnhafter italienischer Staatsangehöriger von der schweizerischen Alters-- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung befreit war, für die in den Artikeln 7, Buchstabe b, und 8, Buchstabe d, des Abkommens vorgesehenen Fristen nicht mitgerechnet.

11. In der Schweiz wohnhafte Grenzgänger, die vor Inkrafttreten des Abkommens gemäss Ziffer 2 des Schlussprotokolls zum Abkommen vom 17. Oktober 1951 zwischen der Schweiz und Italien über Sozialversicherung von der italienischen Versicherung befreit worden sind, bleiben weiterhin befreit.

12. Die an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung entrichteten Beiträge, die gemäss den Abkommen vom 4. April 1949 und vom 17. Oktober 1951 zwischen der Schweiz und Italien an die italienische Sozialversicherung überwiesen wurden, können nicht mehr an die schweizerische Versicherung rücküberwiesen werden. Aus diesen Beiträgen können keine Rechte mehr gegenüber der schweizerischen Versicherung abgeleitet werden.

18. Soweit die italienischen Arbeitnehmer nicht bereits im Genüsse einer Krankenpflegeversicherung im Sinne des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung stehen, hat ihr Arbeitgeber darüber zu wachen, dass sie eine
solche Versicherung eingehen und, falls sie es unterlassen, die Versicherung für sie abzuschliessen. Er kann dabei die erforderlichen Beiträge an ihrem Lohne abziehen; anderslautende Vereinbarungen unter den Parteien bleiben vorbehalten.

Dieses Schlussprotokoll, das einen integrierenden Bestandteil des heute zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Abkommens über Soziale Sicherheit bildet, bedarf der Ratifikation und gilt unter denselben Voraussetzungen und für dieselbe Dauer wie das Abkommen selbst.

658 So geschehen am 14. Dezember 1962 in Born, in zweifacher Ausfertigung, eine in französischer, eine in italienischer Sprache; beide Fassungen sind in gleicher Weise verbindlich.

Für den Schweizerischen Bundesrat :

Für die Eegierung der Italienischen Bepublik :

(gez.) Saxer

(gez-) G.Lupis

Übersetzung aus dem französischen Originaltext

Gemeinsame Erklärungen Anlässlich der heutigen Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über Soziale Sicherheit haben die Bevollmächtigten der beiden vertragschliessenden Staaten die nachstehenden gemeinsamen Erklärungen unterzeichnet.

1. Familienzulagen Die italienische Delegation hat wiederholt auf die Bedeutung hingewiesen, welche die italienische Begierung der Anerkennung des Anspruchs der in der Schweiz beschäftigten italienischen Staatsangehörigen auf die kantonalen Familienzulagen beimisst, und zwar auch dann, wenn ihre Familienangehörigen ausserhalb des Gebietes der Schweizerischen Eidgenossenschaft wohnen.

Die italienische Delegation hat die schweizerische Delegation ferner auf die Notwendigkeit hingewiesen, bei der Gewährung der kantonalen Familienzulagen jegliche Diskriminierung der italienischen Arbeitnehmer gegenüber den schweizerischen zu vermeiden und zwar sowohl hinsichtlich des Bezügerkreises als auch der Höhe der Leistungen sowie aller weiteren Umstände, die die Leistungsgewährung beeinflussen.

Die schweizerische Delegation hat hervorgehoben, dass die Bundesbehörden an sämtliche Kantone gelangt sind, damit die erwähnten Zulagen gewährt werden. Die meisten Kantone haben denn auch bereits ihre Gesetzgebung geändert und gewähren schon heute oder demnächst gestützt auf diese Änderungen die von den kantonalen Familienzulagenordnungen vorgesehenen Leistungen an in der Schweiz arbeitende italienische Staatsangehörige für ihre in Italien zurückgebliebenen Kinder.

659 Die schweizerische Delegation hat im weitem die Bereitschaft der Bundesbehörden erklärt, ihre Bemühungen fortzusetzen, dass einerseits jene Kantone, die ihre Gesetzgebung nocht nicht im vorerwähnten Sinne geändert haben, dies sobald als möglich tun, und dass anderseits von jeder unterschiedlichen Behandlung der italienischen und schweizerischen Arbeitnehmer abgesehen wird.

2. Kranken- und Tuberkuloseversicherung der in Italien wohnhaften Familienangehörigen (Krankenpflegeleistungen gemäss der schweizerischen Gesetzgebung) Während der Verhandlungen hat die italienische Delegation verschiedentlich die Frage der Kranken- und Tuberkuloseversicherung der in Italien zurückgebliebenen Familienangehörigen der italienischen Arbeitnehmer in der Schweiz :5ur Diskussion gestellt und im Verlaufe einlässlicher Erörterungen mit Nachdruck auf die Bedeutung, die die italienische Eegierung diesem Problem beimisst fiowie auf die Notwedigkeit, hiefür eine angemessene Lösung zu finden, hingewiesen.

Die schweizerische Delegation hat anerkannt, dass diese Frage für Italien oin bedeutsames Problem darstellt; sie hat demgegenüber aber festgestellt, dass der gegenwärtige Stand der schweizerischen Gesetzgebung einer Eegelung, die gleichzeitig den Besonderheiten dieser gesetzlichen Ordnung und den italienischen Wünschen Eechnung tragen würde, entgegensteht. Indessen hat die schweizerische Delegation in Anbetracht der Vorstellungen der italienischen Delegation - die sich im übrigen den Schwierigkeiten, denen man schweizerischerseits gegenübersteht, nicht verschliesst - und des Gewichts, das Italien diesem Problem beilegt, die Verpflichtung übernommen, den ganzen Fragenkomplex noch einlässlicher abzuklären und eine befriedigende Lösung zu suchen.

Im Hinblick hierauf haben die beiden Delegationen vereinbart, im Laufe der nächsten Monate erneut zusammenzukommen, um die Prüfung dieser Frage wieder aufzunehmen.

Vom Wunsche geleitet, das Inkrafttreten des Abkommens und die Gewährung der daraus fliessenden Vorteile nicht zu verzögern, haben die beiden Delegationen beschlossen, das Abkommen inzwischen zu unterzeichnen und die Verhandlungen über die übrigen Punkte der Tagesordnung zu beenden.

Eom, den 14.Dezember 1962.

Für den Schweizerischen Bundesrat :

Für die Eegierung der Italienischen Eepublik :

(gez.) Saxer

(gez-) G.Lupis

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Abkommens über Soziale Sicherheit (Vom 4. März 1963)

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1963

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.03.1963

Date Data Seite

616-659

Page Pagina Ref. No

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