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Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räthe der Eidgenossenschaft sind am 30. Mai 1892 zur II. Fortsetzung der ordentlichen Wintersession zusammengetreten; die ordentliche Sommersession, deren Beginn auf den 6. Juni festgesetzt ist, wird sich unmittelbar an erstere anreihen.

Als neue Mitglieder sind erschienen: a. im N a t i o n a l r a t h e : Herr Oberst U l r i c h M e i s t e r , Stadtforstmeister, alt Nationalrath, von und in Zürich; b. im S t ä n d e r a t h e : Herr alt Nationalrath L u c i u s R a s c h e i n , Obergerichtspräsident, von und in Malix (Graubünden).

Im N a t i o n a l r a t h e eröffnete Herr Präsident L a c h e n a l die Session mit folgender Ansprache: Meine Herren !

Zum fünften Male seit weniger als einem Jahre treten die eidgenössischen Räthe zusammen und ist Ihr Präsident dazu berufen, Ihre Berathungen zu leiten. Bevor ich nun diesen Sitz verlasse, um meinen Platz in Ihren Reihen wieder einzunehmen, fühle ich mich gedrungen, Ihnen meinen wärmsten Dank auszudrücken und Ihnen zu sagen, daß, wenn ich getrachtet habe, mich Ihres Zutrauens würdig zu erweisen, meine Anstrengungen auch belohnt worden sind und Sie mir meine Aufgabe durch das Pflichtgefühl, den Eifer und die Ausdauer, die Sie bei der Erfüllung Ihrer Thätigkeit beweisen, sehr erleichtert haben. Ich versichere Sie, daß die Ehre, die Sie mir sowie dem Kanton Genf erwiesen haben, indem Sie mich zu diesem hohen Amte beriefen, zu den schönsten Erinnerungen aus meiner öffentlichen Laufbahn gehören wird.

Glücklicherweise hat der Tod unsere Versammlung seit ihrer letzten Zusammenkunft verschont. Dagegen hat er dem Ständerathe

287 den Herrn Peterelli aus Graubilnden entrissen, der diesem Rathe schon so lange Jahre hindurch erprobte Dienste geleistet hat. Die Verdienste dieses ältesten Mitgliedes der Bundesversammlung, das den hergebrachten Traditionen treu anhing und zu den wenigen noch lebenden Vertretern der Tagsatzung gehörte, werden im Ständerath ihre richtige Würdigung finden. Wir bedauern seinen Hinscheid und werden sein Andenken stets in Ehren halten als das eines Kollegen, der unsere Achtung und unsere Zuneigung verdient hat.

Hinwieder hat der Tod das Bundesgericht schwer heimgesucht, indem er ihm den Herrn G. Olgiati entriß. Geboren im Jahre 1826 zu Puschlav in Graubünden, besuchte Olgiati die Primarschule und das Gymnasium zu Chur und machte dann in Heidelberg, München, Berlin und Wien gründliche juristische Studien. Nachdem er heimgekehrt war, praktizirte er einige Zeit als Advokat und wurde Mitglied des Großen Käthes und des Erziehungsrathes. Im Jahre 1874, bei der Reorganisation des Bundesgerichtes, wurde er in diese Behörde gewählt und gehörte ihr bis zu seinem am 18. Mai in Lausanne erfolgten Tode ununterbrochen an. Herr Olgiati verband mit einem durchaus edlen und geraden Charakter, mit einem weitsichtigen und empfänglichen Geiste ein tiefes juristisches Wissen, das er stets auf geschmackvolle und originelle Weise zu äußern verstand; seine Laufbahn ist allzu kurz gewesen, und die Anstrengung, die ihm die Leitung des eidgenössischen Geschwornengerichtes in Zürich kostete, welche er mit allgemein anerkannter Würde und Unparteilichkeit durchführte, hat ohne Zweifel sein Ende beschleunigt.

Diejenigen, welche das Glück hatten, um ihn zu sein, verlieren an ihm einen zuverläßigen Freund, seine Familie einen zärtlichen Vater und das Vaterland einen rechtschaffenen Beamten und einen guten Bürger.

Die auswärtigen Beziehungen der Schweiz weisen keine bemerkenswerthe Aenderung auf; es scheint, daß der allgemeine Friede nicht gestört werden wird; aber die internationalen ökonomischen Beziehungen zeigen kein sehr erfreuliches Bild. Ich will die Ansicht der Bundesversammlung nicht beeinflussen und ihr in keiner Weise vorgreifen; aber ich kann doch nicht genug darauf hinweisen, wie gefahrvoll die Lage unseres Landes wäre, wenn uns nicht in Bälde die beruhigende Nachricht zukäme, daß mit unsern südlichen und westlichen
Nachbarn der Vergangenheit entsprechende Handelsbeziehungen aufrecht erhalten würden.

Auf dem Gebiete der innern Politik werden Sie, meine Herren, die Aufgabe des Gesetzgebers wieder zu erfüllen und dem Studium der verschiedensten und interessantesten Fragen obzuliegen haben.

Es liegen Ihnen vor : die nothwendig gewordene Umgestaltung der

288 Bundesrechtspflege, die Patenttaxen der Handelsreisenden, die Revision des organischen Gesetzes über die politischen Rechte, Motionen von eingreifender Bedeutung betreffend die Berufssyndikate, das bestrittene Zündhölzchenmonopol ; alle diese Gegenstände, die ich hier nur aufzählen kann, ohne sie, wie ich gerne möchte, näher skizziren zu dürfen, werden nach und nach Ihre parlamentarische Thätigkeit in Anspruch nehmen.

Sie werden auch mit Befriedigung vernehmen, daß Dank der Beruhigung im Tessin die Rekurse Pagnamenta und Cattori von der Traktandenliste gestrichen werden konnten, sowie ferner, daß unsere lieben Miteidgenossen von Glarus sich mit regem Eifer darauf vorbereiten, das eidgenössische Schützenfest vom 12. bis 21. Juli nächsthin würdig zu feiern, und Sie, meine Herren, herzlichst zur Theilnahme einladen.

Mit diesen Worten erkläre ich die Fortsetzung der ordentlichen Wintersession der eidgenössischen Räthe für eröffnet.

Im S t ä n d e r a t h e gedachte Herr Präsident G ö t t i s h e i m bei der Eröffnung der Sitzung des verstorbenen Kollegen Peterelli von Graubünden und ersuchte den Rath, das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen zu ehren.

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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrathes.

(Vom 27. Mai 1892.)

Dem Herrn Jakob B o 11 i g e r, von Leutwyl, Aargau, gewesenem schweizerischen Vicekonsul für den Staat Sâo Paolo, Brasilien, Amtsvorgänger des Herrn W i l d b e r g e r , wird für die in der erwähnten Eigenschaft während langer Jahre geleisteten guten Dienste der Dank des Bundesrathes ausgesprochen.

Als Landsturmkommandant des VIII. Territorialkreises wird ernannt : Herr Kommandant W a l s e r, in Seewis.

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1892

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01.06.1892

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