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Schweizerisches Bundesblatt.

44. Jahrgang. I.

Nr. 9.

2. März 1892.

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Bundesrathsbeschluß

den Rekurs von Bernhard Ammann in Lichtensteig, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.

(Vom

23. Februar 1892.)

Der schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des Rekurses des Bernhard A m m a n n in Lichtensteig, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs; auf das Gutachten des eidgenössischen Rathes für Schuldbetreibung und Konkurs und den gleichlautenden Antrag des Justizund Polizeidepartementes ; nach Feststellung folgender aktenmäßigen Thatsachen : Mit Zuschrift vom 6. Februar 1892 erhebt Herr Dr. jur. Gustav Waiser, Advokat in Herisau, Namens des Rekurrenten Beschwerde gegen einen Entscheid des Regierungsrathes von Appenzell A.-Rh., als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, vom 28. Januar 1892, wodurch Rekurrent mit seinem Gesuche um Ertheilung der provisorischen Rechtsöffnung abgewiesen worden ist.

In seiner Eingabe führt Rekurrent Folgendes an : Die Eheleute Ferdinand Benz und Lisette geb. Steiger, wohnhaft in Herisau, schulden dem Rekurrenten, früher in Hemberg (Kanton St. Gallen), jetzt in Lichtensteig, ursprünglich Fr. 998. 50.

Bundesblatt

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Das Schuldbekenntniß vom 8. August 1870 trägt die Unterschriften von Mann und Frau Benz. In dem nämlichen Aktenstück wird der Gläubiger auf ein Erbtheil in spe verwiesen, und es werden ferner Zins- und Abschlagszahlungen versprochen. Bis in das Jahr 1889 hinein ist zwischen Gläubiger und Schuldner Korrespondenz hinsichtlich dieser Schuld und des zu erwartenden Erbtheils geführt und dadurch die Schuld stets neu anerkannt worden.

Das in Aussicht gestellte Erbtheil wurde kürzlich fällig. Erbin war, da mittlerweile der Ehemann Benz gestorben ist, die Ehefrau Benz, die ja das Schuldbekenntniß mit ihrem Ehemanne auch unterschrieben hatte.

Am 2. Januar a. c. ist gegen Frau Benz für den Betrag von Fr. 1993 (Fr. 998 ursprüngliche Schuld und der Rest seither erlaufene Zinsen) der Zahlungsbefehl erlassen worden.

Die Schuldnerin erhob Rechtsvoi'schlag. Zwar erklärte sie nicht, sie sei nichts schuldig, sondern sie verlangte nur, daß ihr das Original oder eine authentische Abschrift des Forderungstitels vorgewiesen werde. Die Vorweisung ist erfolgt, und es hat der Vertreter der Frau Benz, Fürsprech Keller in Herisau, Einsicht von den Belegen genommen.

Der Kekurrent verlangte hierauf beim Berzirksgerichtspräsidenten, gemäß Art. 82 des Betreibungsgesetzes, die provisorische Bechtsöffnung; denn die Forderung, wenigstens die ursprüngliche Kapitalschuld von Fr. 998, beruht auf einer durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung.

Die Gegenpartei war nicht im Stande, die Schuldanerkennung durch liquide Einwendungen sofort zu entkräften. Sie machte lauter formelle Gründe gegen den Bestand der Forderung geltend. So : Der Gläubiger müsse sich an die Abtretung halten, es dürfe für ihn nicht auch noch gepfändet werden; erst zu erwartende Erbsquoten dürfen nach Thurgauer Recht nicht verpfändet werden; eine Ehefrau dürfe sich bei Lebzeiten des Ehemannes unterschriftlich nicht verpflichten u. dgl.

Trotzdem der Rekurrent den Richter wiederholt darauf aufmerksam machte, daß die gegnerischen Einwände, nicht seiner Cognition unterworfen seien, wies dieser in seinem allerdings nicht motivirten Entscheide vom 15. Januar a. c. das Begehren um Ertheilung der provisorischen Rechtsöffnung ab.

Der Rekurrent beschwerte sich hierauf bei der Aufsichtsbehörde des Kantons Appenzell A.-Rh.

Diese Behörde beschloß jedoch in ihrer Sitzung vom 28. Januar a. c., auf die Beschwerde wegen Inkompetenz nicht einzutreten.

787 Auch dieser Entscheid war nicht motivirt, und es sind darin die Gründe, warum Inkompetenz vorliegen soll, nicht enthalten.

Der Entscheid ist sachlich unrichtig, involvirt eine Rechtsverweigerung und ist deßhalb ein ungesetzlicher.

Der Rekurrent ersucht den Bundesrath, dafür zu sorgen, daß die kompetente kantonale Behörde die verlangte provisorische Rechtsöffnung für den in der Schuldanerkennung enthaltenen Betrag ertheile, wobei er sich allerdings für den Prozeß das Weitere vorbehalte; in E r w ä g u n g : Nach Art. 84 des Betreibungsgesetzes ist der Richter die kompetente Behörde für Beurtheilung von Streitigkeiten im Rechtsöffnungsverfahren, und zwar ist es, laut § 16, litt. a. Ziff. 3, des kantonalen Vollziehungsgesetzes, im Kanton Appenzell A.-Rh. der Bezirksgerichtspräsident. Die von dieser Gerichtsperson getroffenen Entscheide können nicht an die Aufsichtsbehörde gezogen werden ; denn Art. 17 des Betreibungsgesetzes sieht nur Beschwerdeführung bei der Aufsichtsbehörde gegen Verfügungen der Betreibungs- und Konkursämter vor, nicht aber gegen richterliche Entscheide.

Die Aufsichtsbehörde von Appenzell A.-Rh. hat sich daher mit Recht für die Beurtheilung dei- vorliegenden Streitigkeit inkompetent erklärt, beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Kenntnißgabe an den Vertreter des Rekurrenten unter Rückschluß der 13 Beilagen und an die kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreihung und Konkurs des Kantons Appenzell A.-Rh.

B e r n , den 23. Februar 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß den Rekurs von Bernhard Ammann in Lichtensteig, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs. (Vom 23. Februar 1892.)

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02.03.1892

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