Stand der Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie

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Bericht des Bundesrates an die eidgenössischen Räte

vom 15. Dezember 1997

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht über den Stand der Gesetzgebung Über die ausserhumane Gentechnologie, wie er von der Motion 96.3363 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates «Ausserhumane Gentechnologie. Gesetzgebung ()» verlangt wurde, und beantragen Ihnen, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Dezember 1997

1648

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Koller Der Bundeskanzler; Couchepin

1998-35

Übersicht Die eidgenössischen Räte haben dem Bundesrat die Motion «Ausserhumane Gentechnologie. Gesetzgebung (Gen-Lex-Motion)» überwiesen. Diese enthält neben gesetzgeberischen Verpflichtungen den Auftrag, in einem Bericht das Ergebnis der Überprüfung des Standes der Rechtsetzung über die ausserhumane Gentechnologie einschliessllch der in die Wege geleiteten Vorhaben darzulegen. Im vorliegenden Bericht wird die Entstehung der schweizerischen Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie nachgezeichnet, es wird der Inhalt des Vorentwurfs der GenLex-Vorlage skizziert und schliesslich ein Gesamtüberblick über den Stand der Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie gegeben.

Bedeutende Regelungsschritte sind bereits erfolgt: Das neue Lebensmittelgesetz wurde 1992 beschlossen, die Revision von Umweltschutzgesetz und Epidemiengesetz 1995. Die Gesetzesänderungen, die mit dem Vorentwurf der Gen-Lex-Vorlage in die Vernehmlassung gehen, sind Ergänzungen des bisherigen Regelwerks. Die Vorschläge stützen sich auf die in der Motion aufgeführten Grundsätze, die zu konkretisieren sind.

Diese Grundsätze umfassen die Sicherheit von Mensch und Umwelt, die Achtung der Würde der Kreatur sowie Schutz und Erhaltung der biologischen Vielfalt. Gleichzeitig sollen Herstellung und Zucht gentechnisch veränderter Tiere bewilligungspflichtig sein. Weitere Aufträge der Motion betreffen die Haftpflicht, Informationsund Deklarationsfragen sowie die Schaffung einer Ethikkommission.

Durch einen Ausbau des Umweltschutzgesetzes, ergänzt durch bedeutende Änderungen des Tierschutzgesetzes und des Landwirtschaftsgesetzes, sollen diese Grundsätze konkretisiert werden. Verschiedene ergänzende Einzelmassnahmen betreffen die folgenden Erlasse:Produktehaftpflichtgesetz,. Natur- und Heimatschutzgesetz, Lebensmittelgesetz, Epidemiengesetz, Tierseuchengesetz, Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten.

Nach Abschluss des Gen-Lex-Verfahrens wird die Schweiz ein angemessenes und wirkungsvolles Regelwerk über die ausserhumane Gentechnologie besitzen, das die Vorgaben von Artikel 24""'" Absatz l und 3 der Bundesverfassung sowie jene der Gen-Lex-Motion getreulich und umfassend konkretisiert.

1649

Bericht Àusgangslage Die eidgenössischen Räte (Nationalrat: 26. Sept. 1996; Ständerat: 4. März 1997) haben die Motion 96.3363 der nationalra'tlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur «Ausserhumane Gentechnologie. Gesetzgebung ()» an den Bundesrat überwiesen.

Die Motion hat den folgenden Wortlaut: 1

2

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Der Bundesrat wird verpflichtet, die bisherige und die in Vorbereitung befindliche Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie auf Lücken, Mängel und Anpassungsbedürfnisse zu überprüfen, die im Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe für Gentechnologie (IDAGEN) vom Januar 1993 noch nicht erkannt und erfasst worden sind. Insbesondere sind auch die Schnittstellen zum Humanbereich zu überprüfen. Die Lücken sind möglichst rasch zu schliessen; Konsistenz der Regelungsziele und Begriffe sowie Kohärenz ist für alle Gentechnologieerlasse zu gewährleisten. Für die als notwendig erachteten Gesetzes- und Verordnungsänderungen ist die Vemehmlassung spätestens 1997 zu eröffnen.

Die Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie ist insbesondere auf die Konkretisierung folgender Grundsätze hin zu überprüfen: 2.1 Bei gentechnischen Arbeiten sind die Prinzipien der Würde der Kreatur, des Schutzes der Artenvielfalt und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zu gewährleisten. Das Nachhaltigkeitsprinzip und entsprechende Durchsetzungsinstrumente sind rechtlich zu verankern.

2.2 Leben und Gesundheit des Menschen sind vor schädlichen oder lästigen Auswirkungen gentechnisch veränderter Tiere, Pflanzen und anderer Organismen sowie von deren Produkten zu schützen.

2.3 Natur und Umwelt sind vor schädlichen Einwirkungen, die durch den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erzeugt werden, zu schützen. Die Verursacherin oder der Verursacher muss namentlich bei Freisetzung alle erforderlichen Massnahmen treffen, um mögliche Beeinträchtigungen zu vermeiden.

2.4 Gentechnische Eingriffe an Tieren sowie Zucht, Haltung und Verwendung transgener Tiere sind bewilligungspflichtig. Sie bedürfen der Rechtfertigung und der Darlegung einer Güterabwägung.

2.5 Das Haftpflichtrecht hat die Besonderheiten der Gentechnik hinsichtlich denkbarer langfristiger Auswirkungen zu berücksichtigen. Diese Anpassungen sind umgehend, allenfalls vor der Gesamtrevision des Haftpflichtrechtes, vorzunehmen.

2.6 Der Dialog mit der Öffentlichkeit über Nutzen und Risiken der Gentechnik ist zu fördern.

2.7 Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, sind als solche zu deklarieren.

2.8 Zur dauernden Überprüfung der Einhaltung der ethischen Grundsätze (Würde der Kreatur, Artenvielfalt, Nachhaltigkeit, Schutz
des Menschen, der Tiere und der Umwelt) ist eine Ethikkornmission einzusetzen, in der die verschiedenen Bevölkerungskreise und Interessengruppen vertreten sind. Sie hat einerseits zuhanden des Bundesrates sowie der Verwaltung vorausschauend umfassend ethische Bewertungen vorzunehmen und kann andererseits zu besonderen Bewilligungsgesuchen zuhanden der Fachkommission für biologische Sicherheit aus ethischer Sicht prüfend Stellung nehmen. Die Kommission kann Sachverständige beiziehen, Öffentliche Veranstaltungen durchführen und zu besonderen Fragen mit Spezialberichten die Öffentlichkeit informieren.

3

Der Bundesrat wird beauftragt, den eidgenössischen Räten wie folgt Bericht zu erstatten: 3.1 Bis 1997 hat der Bundesrat in einem Bericht das Ergebnis der in Ziffer l verlangten Überprüfung des Standes der Rechtsetzung über die ausserhumane Gentechnologie einschliesslîch der - gestützt auf die in Ziffer 2 enthaltenen Grundsätze - in die Wege geleiteten gesetzgeberischen Vorhaben darzulegen.

3.2 Er hat zudem dem Parlament jährlich einen Bericht über den Stand des Gesetzes- und Verordnungsprozesses sowie von dessen Umsetzung im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie zu erstatten.

Das Hauptanliegen dieser Motion ist somit die Überprüfung der geltenden und der in Vorbereitung befindlichen Gesetzgebung im Hinblick auf Lücken, Mängel und Anpassungsbedarf. Allfallige Lücken sind zu schliessen. Für die dafür notwendigen Gesetzes- und Verordnungsänderungen ist die Vernehmlassung noch im Jahr 1997 zu eröffnen.

Der Bundesrat hat am 15. Dezember 1997 das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) ermächtigt, die Vernehmlassung über die Gen-Lex-Vorlage zu eröffnen. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) eröffnet im gleichen Zeitraum die Vernehmlassung über drei Verordnungen, in welchen Belange der ausserhumanen Gentechnik geregelt werden.

Die Gen-Lex-Motion verlangt zudem in ihrer Ziffer 3.1, dass der Bundesrat in einem Bericht an die eidgenössischen Räte das Ergebnis der Überprüfung der Rechtsetzung über die ausserhumane Gentechnologie einschliesslich der in die Wege geleiteten gesetzgeberischen Vorhaben darlegt.

2

Der bisherige Ablauf der Rechtsetzung über die ausserhumane Gentechnologie

Die Gentechnologie ist sowohl für die Wissenschaft wie auch für die Rechtsetzung Neuland. Während die Forschung in den letzten Jahren damit beschäftigt war, ihre Erkenntnisse mittels der neuen Technologie zu erweitem und praktische Anwendungsbereiche zu erproben, ging die Rechtsetzung daran, die Risiken einzuschätzen und Missbrauchsregelungen zu schaffen. Die ersten Regelungen erfolgten in den wichtigsten Industrieländern auf privater Basis; die Gemeinschaft der Forscherinnen und Forscher stellte sich zunächst selbst Regeln und Schranken auf. Die bedeutendste davon war das Moratorium, das 1975 an einer Wissenschafterkonferenz in Asilomar beschlossen worden war. Schon im gleichen Jahr folgten Richtlinien der National Institutes of Health der USA («NIH-Guidelines for Research Involving Recombinant DNA Molécules»), und im gleichen Jahr setzten Grossbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland Kommissionen ein, die den Auftrag hatten, auf der Basis der NIH-Richtlinien nationale Regelungen vorzuschlagen. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften setzte 1975 die Kommission für Experimentelle Genetik unter dem Vorsitz von Prof. Werner Arber ein, welche die NIH-Richtlinien als anwendbar erklärte. Dieser Regelung auf privater Basis fehlte jedoch naturgemäss die Durchsetzbarkeit mittels Sanktionen bei Nichtbefolgung.

Die nationale schweizerische Rechtsetzung über die Gentechnologie basierte bis zur Einreichung der Gen-Lex-Motion auf den folgenden Untersuchungen: «Überlegungen und Empfehlung für Entwicklung und Anwendung von Organismen, deren DNS in vitro rekombiniert wurde», Bericht einer vom Bundes-

1651

ami für Bildung und Wissenschaft eingesetzten ad hoc-Arbeitsgruppe unter Dr. Ernest Bovay (1985); KOBAGO-Bericht («Gentechnologie, aktueller Stand und Zukunftsperspektiven», Bericht an den Bundesrat, ausgearbeitet von der Interdepartementalen Koordinationsstelle der Bewilligungsverfahren für die Anwendung von rDNSOrganismen, April 19921); IDAGEN-B ericht («Koordination der Rechtsetzung über Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin», Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe für Gentechnologie, Januar 19932); «Biotechnologie und Patentrecht; Die Patentierbarkeit von Erfindungen betreffend Organismen» (Bericht des EJPD, August 19933).

Für den im vorliegenden Bericht darzustellenden heutigen Stand des Rechtsetzungsprozesses diente vor allem das vom Bundesamt für Veterinärwesen in Auftrag gegebene Gutachten «Bericht zur Umsetzung der Gen-Lex-Motion» von Prof. Dr. iur.

Rainer J. Schweizer, Universität St. Gallen, (vom 23. Juni 1997)4 als Basis. Der selbe Autor hatte bereits im Mai 1996 im Auftrag einer Subkommission der Kommission des Nationalrates für Wissenschaft, Bildung und Kultur einen Bericht «Gentechnikrecht; Zwischenbilanz des Gesetzgebungsprozesses im Gentechnik- und Genschutzbereich»5 verfasst.

Anhand dieser Studien lässt sich die Entwicklung der Haltung der Bundesbehörden zur Notwendigkeit einer umfassenden Regelung der ausserhumanen (und der humanen) Gentechnologie nachvollziehen. Die einzelnen Schritte können kurz wie folgt charakterisiert werden:

21

KOBAGO-Bericht

Gestützt auf den oben erwähnten Bericht der Arbeitsgruppe unter Dr. Ernest Bovay beauftragte der Bundesrat am 20. August 1986 das EDI und das EVD, eine interdépartementale Koordinationsstelle einzusetzen, die dafür besorgt sein sollte, «dass die als erforderlich erkannten Bewilligungen für die Anwendung von rekombinanten Organismen aufgrund koordinierter Grundlagen ausgestellt werden».

Die am 2. April 1987 von den beiden betroffenen Departementschefs eingesetzte interdépartementale Koordinationsstelle der Bewilligungsverfahren für die Anwendung von rDNS-Organismen (KOBAGO) reichte im April 1992 ihren Bericht ein.

Dieser enthält eine Bestandesaufnahme der bis dahin praktizierten Anwendungen der Gentechnik sowie eine umfassende Erhebung der geltenden rechtlichen Regelungen in der Schweiz und in weiteren Ländern. Gestützt darauf wird ein Rechtsetzungsbedarf dargelegt. Der Bericht schlägt vor, auf ein eigenes schweizerisches Gentechnikgesetz zu verzichten und stattdessen die bisherige Gesetzgebung nach Bedarf zu ergänzen.

Mit Beschluss vom 27. Mai 1992 nahm der Bundesrat vom KOBAGO-Bericht Kenntnis. Er entschied, auf die Schaffung eines eigenen Gentechnikgesetzes zu verzichten, und beauftragte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), 1 2 3 4 5

EDMZ-Nr. 311.120 EDMZ-Nr. 407.760 EDMZ-Nr. 407.761 Zu beziehen im Bundesamt für Veterinärwesen, 3003 Bern Schulthess Polygraphischer Verlag AG, Zürich, 1996

1652

eine Interdépartementale Arbeitsgruppe zur Koordination der Rechtsetzungsprojekte einzusetzen.

Am 17. Mai 1992 stimmten Volk und Stände dem neuen Verfassungsartikel 24TMviei zu6. Damit wurden die Fortpflanzungsmedizin und die Gentechnologie als neue Regelungsaufträge für den Gesetzgeber in das schweizerische Grundgesetz eingeführt.

Durch diesen Verfassungsartikel ist das ganze bisherige Gentechnik-Gesetzgebungskonzept verändert worden.

22

IDAGEN-Bericht

Mit Verfügung vom 7. Juli 1992 setzte das EJPD eine Arbeitsgruppe ein (Interdépartementale Arbeitsgruppe für Gentechnologie, IDAGEN), deren Aufgabe es war, «ein Programm über die mittel- und langfristig notwendigen Rechtsetzungsmassnahmen im Bereich der Bio- und Gentechnologie sowie ein Konzept über die Zusammenarbeit bestehender und allfälliger neuer Kommissionen oder Koordinationsgremien»7 vorzulegen, Die IDAGEN legte ihren Bericht dem Bundesrat im Januar 1993 vor.

Der IDAGEN-Bericht äussert sich zu neun Rechtsetzungsbereichen: Assistierte Fortpflanzungsmedizin und Anwendung der Gentechnologie beim Menschen; Gentechnisch veränderte Erreger; Toxische Organismen; Lebensmittel; Wortlaut des Artikels 24""" BV: «' Der Mensch und seine Umwelt sind gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie geschützt.

1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit menschlichem Keim- und Erbgut.

Er sorgt dabei für den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Familie und lässt sich insbesondere von den folgenden Grundsätzen leiten: a. Eingriffe in das Erbgut von menschlichen Keimzellen und Embryonen sind unzulässig.

b. Nichtmenschliches Keim- und Erbgut darf nicht in menschliches Keimgut eingebracht oder mit ihm verschmolzen werden.

c. Die Verfahren der Fortpflanzungshilfe dürfen nur angewendet werden, wenn die Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit nicht anders behoben werden kann, nicht aber um beim Kind bestimmte Eigenschaften herbeizuführen oder um Forschung zu betreiben. Die Befruchtung menschlicher Eizellen ausserhalb des Körpers der Frau ist nur unter den vom Gesetz festzulegenden Bedingungen erlaubt. Es dürfen nur so viele menschliche Eizellen ausserhalb des Körpers der Frau zu Embryonen entwickelt werden, als ihr sofort eingepflanzt werden können.

d. Die Embryonenspende und alle Arten von Leihmutterschaft sind unzulässig.

e. Mit menschlichem Erbgut und mit Erzeugnissen aus Embryonen darf kein Handel getrieben werden.

f. Das Erbgut einer Person darf nur mit ihrer Zustimmung oder aufgrund gesetzlicher Anordnung untersucht, registriert oder offenbart werden.

g. Der Zugang einer Person zu den Daten über ihre Abstammung ist zu gewährleisten.

' Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen
Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.» Zitat aus dem Bundesratsbeschluss vom 27. Mai 1992 1653

-

Klinische Versuche mit Arzneimitteln; Arbeitnehmerschutz; Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen; Umweltschutz; Patentrecht.

Im weiteren behandelt er ausführlich Koordinationsfragen, vor allem im Bereich der Melde- und Bewilligungsverfahren, und schlägt die Schaffung von Ethikkomitees für den humanen und für den ausserhumanen Bereich vor.

Der Bundesrat nahm vom IDAGEN-Bericht am 7. Juni 1993 zustimmend Kenntnis.

Seither werden die darin vorgeschlagenen Rechtsetzungsprojekte schrittweise realisiert.

221

Stand der IDAGEN-Projekte vor der Einreichung

der Gen-Lex-Motion Der Bundesrat hat in seiner Botschaft vom 6. Juni 1995 (95.044) über die Volksinitiative «zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation (Gen-SchutzInitiative)»8 den Realisierungsgrad des schweizerischen Gentechnikrechts ausführlich dargelegt. Dieser lässt sich zusammenfassend und wo nötig aufdatiert wie folgt darstellen9.

221.1

Lebensmittelrecht

Das neue schweizerische Lebensmittelrecht (Lebensmittelgesetz vom 9. Okt. 199210; Lebensmittelverordnung vom 1. März 199511) ist am 1. Juli 1995 in Kraft getreten.

Das Gesetz gibt in seinem Artikel 9 Buchstabe b dem Bundesrat die Kompetenz, gentechnische Verfahren zur Herstellung oder Behandlung von Lebensmitteln einzuschränken oder zu verbieten, wenn nach den derzeitigen Erkenntnissen der Wissenschaft eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.

Gestützt auf diese Bestimmung verlangt Artikel 15 der Lebensmittelverordnung, dass gentechnische Stoffe und Organismen, die als Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Verarbeitungshilfsstoffe in den Verkehr gebracht werden sollen, einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit bedürfen. Artikel 22 bestimmt, dass Lebensmittel, Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe, die gentechnisch veränderte Organismen sind oder aus solchen gewonnen worden sind, entsprechend deklariert werden müssen. Ausgenommen von dieser Kennzeichnungspflicht sind vom Organismus abgetrennte und vom Erbmaterial gereinigte Erzeugnisse.

Das Bundesamt für Gesundheit hat am 19. November 1996 eine Verordnung über das Bewilligungsverfahren für GVO-Lebensmittel, GVO-Zusatzstoffe und GVOVerarbeitungshilfsstoffe12 erlassen, die das Vorgehen bei Gesuchen und die verwaltungsinterne Koordination regelt.

8 9 10

11 12

BB11995 III1336 Für diese Darstellung wird die gleiche Systematik wie in der erwähnten Botschaft gewählt.

SR 817.0

SR 817.02 SR 817.021.35

1654

Gestützt auf diese Rechtsgrundlagen hat das Bundesamt für Gesundheit seither einige Bewilligungsverfahren durchgeführt.

221.2

Umweltschutzrecht

Die Sicherheitsaspekte bei der Verwendung von Mikroorganismen in geschlossenen Systemen wie Laboratorien oder Produktionsbetrieben sind bereits seit dem Erlass der Verordnung vom 27. Februar 1991 über den Schutz vor Störfällen13 weitgehend geregelt. Im dazugehörenden Handbuch II des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft vom Februar 1992 sind die Anforderungen an die Inhaber von Anlagen und an die Aufsichtsbehörden umschrieben. Für weiter gehende Vorschriften fehlte damals die gesetzliche Ermächtigung.

Eine solche besteht seit der Revision vom 21. Dezember 1995 des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198314, die am 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist. Die neu in das Gesetz eingefügten Artikel 29a-29h regeln den Umgang mit umweltgefährdenden Organismen. Nach dem Artikel 29c ist für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter oder pathogener Organismen eine Bewilligung des Bundes erforderlich.

Eine solche ist ebenfalls vorgeschrieben für Frei setzungsversuche mit solchen Organismen (Art. 29e). Eine abgestufte Melde- oder Bewilligungspflicht wird für den Umgang mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen in geschlossenen Systemen vorgesehen (Art. 29/). Für diese drei Stufen (Inverkehrbringen, Freisetzen, Umgang in geschlossenen Systemen) kann der Bundesrat Ausnahmen und Erleichterungen von der Melde- und Bewilligungspflicht vorsehen, wenn nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung eine Gefährdung der Umwelt ausgeschlossen ist.

Mit dem Artikel 29h setzt das Gesetz eine Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) ein. Ihre Funktionen decken sich teilweise mit der von den Akademien getragenen Schweizerischen Kommission für Biologische Sicherheit (SKBS), die durch die EFBS abgelöst wird. Dieser Kommission gehören Sachverständige aus den verschiedenen interessierten Kreisen an; das Gesetz schreibt vor, dass «Schutz- und Nutzungsinteressen» angemessen vertreten sein müssen. Die EFBS berät den Bundesrat beim Erlass von Vorschriften und unterstützt die Behörden beim Vollzug. Zu Bewilligungsgesuchen wird sie angehört. Sie ist ermächtigt, die Öffentlichkeit periodisch über wichtige Erkenntnisse zu informieren.

Mit dieser Revision ist das Umweltschutzgesetz zum eigentlichen Zemralerlass über die ausserhumane Gentechnologie geworden.

Noch bevor das revidierte
Gesetz in Kraft getreten ist, hat der Bundesrat am 20. November 1996 die Verordnung über die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit15 erlassen. Er konnte sich dabei auf eine Bestimmung in Artikel 52 des Verwaltungsorganisationsgesetzes16 abstützen. Damit wurde sichergestellt, dass die Kommission ihre Arbeit am 1. Januar 1997 aufnehmen konnte.

Im Hinblick auf bevorstehende Bewilligungen hat das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft gestützt auf das geltende Umweltschutzgesetz die Entwürfe für Aus-

"3 14 15 16

SR 814.012 SR 814.01 SR 172.327.8 AS 1979 114 1655

führungsbestimmungen zu den Bereichen Freisetzung und geschlossene Systeme (Freisetzungsverordnung und Einschliessungsverordnung) ausgearbeitet, die parallel zur Gen-Lex-Vorlage in die Vernehmlassung gehen.

221.3

Epidemienrecht

Gleichzeitig mit dem Umweltschutzgesetz hat das Parlament das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz)17 revidiert. Neu regelt das Gesetz auch den Umgang mit gentechnisch veränderten Erregern in geschlossenen Systemen, bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr, beim Transport, bei Freisetzungsversuchen und beim Inverkehrbringen.

Die revidierten Bestimmungen traten am 1. Juli 1997 in Kraft.

221.4

Arzneimittelrecht

Nach der geltenden Rechtslage nimmt der Bund nur in sehr beschränktem Rahmen Aufgaben im Heilmittelbereich wahr. Für die Herstellung immunbiologischer Erzeugnisse (beispielsweise Impfstoffe) für die Humanmedizin ist eine Herstellungsbewilligung des Bundesamtes für Gesundheit erforderlich, für die Herstellung aller anderen Arzneimittel eine Bewilligung des Kantons. Die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) hat bisher rund 30 Präparate registriert, die mittels gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden (beispielsweise mit den Wirkstoffen Insulin und Interferon). Arzneimittel, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, sind derzeit bei der IKS noch keine registriert. Das Bundesamt für Gesundheit hat einen Impfstoff (gegen Cholera) registriert, der gentechnisch veränderte Organismen enthält.

Im Bereich der Tierarzneimittel gilt eine analoge Bewilligungspflicht für immunbiologische Erzeugnisse18. Die Bewilligungen werden vom Bundesamt für Veterinärwesen erteilt.

Die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) hat am 18. November 1993 ein Reglement über die Heilmittel im klinischen Versuch erlassen, nach welchem geplante Versuche mit Heilmitteln am Menschen nach Einholen einer Genehmigung der zuständigen kantonalen Ethikkommission der IKS gemeldet werden müssen. In Ergänzung dazu hat der Bundesrat am 26. Juni 1996 die Verordnung über klinische Versuche mit immunbiologischen Erzeugnissen19 und die Verordnung über mikrobiologische und serologische Laboratorien20 erlassen.

221.5

Chemikalienrecht

Der Vorentwurf für das Chemikaliengesetz, welches das Giftgesetz vom 21. März 196921 ablösen soll und für weichen das EDI 1996 eine Vernehmlassung durchge17 18 19 20 21

1656

SR 818.101 Verordnung vom 27. Juni 1995 über immunbiologische Erzeugnisse für den tierärztlichen Gebrauch; SR 916.445.2 SR 818.124.1 SR 818.123.1 SR 814.80

führt hat, sieht eine Ausweitung seines Geltungsbereiches auf toxische Wirkungen, die durch Organismen ausgelöst werden, vor. Darin sind die gentechnisch veränderten Organismen ausdrücklich eingeschlossen. In der Vernehmlassung ist diese Ausweitung des Geltungsbereichs auf Zustimmung gestossen. Mit der Botschaft kann 1998 gerechnet werden.

221.6

Tierschutzrecht

Eine Beurteilung der IDAGEN-Vorschläge hat ergeben, dass im Bereich des Tierschutzes insofern kein dringlicher Handlungsbedarf bestand, als die Herstellung transgener Tiere schon bisher von der Bewilligungspflicht des Tierschutzrechts erfasst wurde.

Die Herstellung transgener Wirbeltiere gilt als Tierversuch im Sinne von Artikel 12 des Tierschutzgesetzes vom 9. Ma'rz 197822 und Artikel 58 ff. der Tierschutzverordnung vom 27. Mai 198l23. Als Tierversuche erfasst werden gemäss Tierschutzverordnung ausdrücklich auch Arbeiten an Keimzellen und Embryonen, sofern diese Arbeiten über den Geburts- bzw. Schlüpftermin hinaus andauern sollen, das heisst, wenn beabsichtigt ist, lebende transgene Tiere herzustellen.

Nicht erfasst werden durch diese Vorschriften gewisse ethische Aspekte (Würde der Kreatur) sowie die tierschutzrelevanten Aspekte der Tierzucht, also auch die Zucht transgener Tiere. Zur Vorbereitung einer Gesetzgebung über die ethischen Belange hat das EVD 1994 eine Ethik-Studienkommission eingesetzt, zu deren Aufgaben es gehörte, Richtlinien für eine künftige nationale Ethiklcommission vorzubereiten.

221.7

Arbeitnehmerschutzrecht

Die erwähnten Revisionen von Umweltschutzgesetz und Epidemiengesetz müssen mit den Arbeitnehmerschutzbestimmungen koordiniert werden. Eine Gesetzesrevision ist dafür nicht erforderlich, sondern es soll eine Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Mikroorganismen erlassen werden, für welche das EDI parallel zur Gen-Lex-Vorlage die Vernehmlassung eröffnet.

221.8

Patentrecht

Der IDAGEN-Bericht stellt im Patentrecht keinen unmittelbaren Regelungsbedarf fest, sondern verlangt, dass sich das schweizerische Recht an der Entwicklung des internationalen und des europäischen Patentrechts ausrichte. Der Artikel 24nflVI" der Bundesverfassung betrifft das Patentrecht nicht unmittelbar. Weder das Europäische Patentübereinkommen24 noch das diesbezügliche Recht der EU haben in den letzten Jahren spezifische Änderungen erfahren, die eine Anpassung des schweizerischen Patentgesetzes25 nach sich ziehen müssten. Wohl liegt ein Entwurf für eine Richtli22 2 3 24

25

SR 455 SR 455.1 SR 0.232.142.2 SR 232.14

1657

nie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen vor; eine solche ist jedoch bisher nicht verabschiedet worden.

Ein Handlungsbedarf im Bereich des Patentrechts besteht gestützt auf den Motionsauftrag derzeit nicht. Wie bereits im IDAGEN-Bericht dargestellt, besteht aus völkerrechtlichen Gründen zudem keine Handlungsmöglichkeit.

221.9

Weitere Regelungsbereiche

Neben den oben angeführten Regelungsbereichen, auf welche die Botschaft des Bundesrates über die Volksinitiative «zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation (Gen-Schutz-Initiative)» näher eingeht, sind die folgeiiden in Vorbereitung befindlichen Erlasse zu erwähnen, die zwar in keinem direkten Zusammenhang mit der Gen-Lex-Motion stehen, die aber zeigen, dass auch die Gentechnik im Humanbereich Gegenstand intensiver rechtsetzerischer Tätigkeit ist: Der Bundesrat hat am 26. Juni 1996 die Botschaft Über ein Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung26 verabschiedet. Dieses wird zur Zeit vom Parlament beraten. Der Entwurf sieht ein Verbot der Chimären- und Hybridbildung sowie ein Verbot der Übertragung menschlicher Embryonen auf Tiere vor.

Mit der Vorbereitung eines Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen befasst sich eine Expertengruppe. Die Ausarbeitung eines Entwurfes für ein Genomanalysegesetz ist so weit fortgeschritten, dass in den kommenden Monaten mit der Eröffnung der Vemehmlassung gerechnet werden kann.

Der Bundesrat hat am 23. April 1997 die Botschaft zu einer Verfassungsbestimmung über die Transplantationsmedizin27 gutgeheissen. Die Vorlage wird derzeit vom Nationalrat beraten. Die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung würde dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet der Transplantation von Organen, Geweben und Zellen geben und auch den Bereich der Xenotransplantation einschliessen. Der Nationalrat hat am 10. Oktober 1997 eine Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur vom 22. Mai 1997 («Xenotransplantation. Regelung») überwiesen, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, eine Regelung der Xenotransplantation vorzubereiten. Der Bundesrat hat sich am 13. August 1997 bereit erklärt, die Motion entgegenzunehmen. Er hat darauf hingewiesen, dass zur Einführung einer Bewilligungspflicht für Xenotransplantationen eine Änderung des Bundesbeschlusses vom 22. März 199628 über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten, also eine separate Botschaft des Bundesrates an die eidgenössischen Räte, erforderlich sein wird.

3 31

Inhalt der Gen-Lex-Vorlage Grundsätzliche Überlegungen

Für die Umsetzung der gesetzgeberischen Aufträge der Gen-Lex-Motion wurden drei Varianten geprüft:

26 27 28

BB11996 III205 ff.

BB11997III 653 ff.

SR 818.111

1658

Schaffung eines Koordinationsgesetzes über die ausserhumane Gentechnologie.

Ein solches Gesetz hätte jene Motionsaufträge zu konkretisieren, die ohne Probleme nicht in die geltende Gesetzgebung aufzunehmen sind. Dazu zählt insbesondere der Auftrag zur Umsetzung ethischer Anliegen (Respektierung der Würde der Kreatur, Schutz der Artenvielfalt, Gewährleistung der Nachhaltigkeit, Ethikkommission).

Umsetzung der hauptsächlichen Motionsaufträge durch eine Ausweitung des Geltungsbereichs des Umweltschutzgesetzes.

Umsetzung der hauptsächlichen Motions auftrage durch eine Ausweitung des Geltungsbereichs des Tierschutzgesetzes.

Mit dem in die Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf für die Gen-Lex-Vorlage hat sich der Bundesrat für die zweite Variante, die Aufnahme der hauptsächlichen Motionsanliegen in das Umweltschutzgesetz, entschieden. Das Gesetz ist - wie oben in Ziffer 221.2 erläutert - seit seiner Revision vom 21. Dezember 1995 der eigentliche Haupterlass für die ausserhumane Gentechnologie geworden. Die Vorschläge der Gen-Lex-Vorlage verstärken diese Stellung noch. Die Erweiterung des Geltungsbereiches durch die Aufnahme ethischer Regelungen in das Gesetz bedingt indessen ein teilweises Umdenken. Mit diesen werden nämlich Elemente in das Umweltschutzgesetz eingefügt, die sich der naturwissenschaftlichen Messbarkeit entziehen.

Die Variante mit dem Tierschutzgesetz als Haupterlass für die Umsetzung der Motionsaufträge wurde nach kurzer Diskussion nicht weiterverfolgt. Das Gesetz gilt ausschliesslich für Wirbeltiere (nur ausnahmsweise auch für andere Tiere) und nie für Pflanzen und andere Organismen. Es ist zwar richtig, dass die gesetzliche Regelung des Tierschutzes und vor allem der Tierversuche geprägt ist von ethischen Überlegungen. Diese lassen sich in diesem Gesetz aber nicht ausweiten auf alle Organismen, das heisst die ganze belebte Umwelt, wie es von der Gen-Lex-Motion verlangt wird.

Von der Realisierung eines Koordinationsgesetzes über die ausserhumane Gentechnologie wird abgesehen. Es ist daran zu erinnern, dass sich der Bundesrat schon 1992 gegen ein eigenes Gentechnikgesetz und zugunsten einer dezentralen Regelung entschieden hat. Dieser Weg wurde seither von den eidgenössischen Räten wiederholt sanktioniert, beispielsweise mit der Revision von Umweltschutzgesetz und Epidemiengesetz oder
anlässlich der Beratung der Gen-Schutz-Initiative.

Grundsätzlich teilt der Bundesrat die von der Motion vertretene Ansicht, wonach die Regelung der ausserhumanen Gentechnologie in Artikel 24noïl" der Bundesverfassung ausreicht, um die Risiken der Technologie mit umfassenden und sinnvollen Massnahmen in den Griff zu bekommen29. Tatsächlich würde es der geltende Verfassungstext sogar ermöglichen, die ausserhumane Gentechnologie mit strengen Verboten auf Gesetzesebene zu regeln. Solche drängen sich indessen keineswegs auf.

32

Das Vorgehen zur Umsetzung der Gen-Lex-Motion

Mit der Vorbereitung der Realisierung der Motionsaufträge wurde das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET), das bereits die Federführung für die Gen-Schutz29

Diese Meinung wird namentlich geteilt von Prof. Rainer J. Schweizer in «Gentechnikrecht», S. 136, Ziffer 8 (vgl. Fussnote 5)

1659

Initiative hat, beauftragt. Dieses setzte eine Gen-Lex-Koordinationsgruppe ein, in welcher die betroffenen Bundesstellen aus EDI, EJPD und EVD vertreten sind30.

Das BVET beauftragte Prof. Dr. Rainer J. Schweizer, Universität St. Gallen, mit der Abfassung eines «Berichts zur Umsetzung der Gen-Lex-Motion». Als Verfasser der Studie «Gentechnikrecht; Zwischenbilanz des Gesetzgebungsprozesses im Gentechnik- und Genschutzbereich» und als Mitverfasser des Kommentars zu Artikel 24""'" der Bundesverfassung31 bringt er die Voraussetzungen mit, um die Umsetzung der Motionsaufträge auf hohem wissenschaftlichem Niveau beratend zu betreuen. Prof.

Schweizer wirkte auch bei der Ausarbeitung und der Koordination der Textvorschläge für die Gesetzesänderungen aktiv mit.

Erschwerend bei der Umsetzung wirkte sich aus, dass dafür eine ausserordentlich kurze Zeit zur Verfügung stand. Der Ständerat hat die Motion am 7. März 1997 überwiesen. Die Vernehmlassung über die Gen-Lex-Vorlage und der vorliegende Bericht sind spätestens Ende 1997 vom Bundesrat zu beschliessen.

33 33.1

Der Inhalt der Gen-Lex-Vorlage Ziele der Regelung

Der Rahmen der Gen-Lex-Vorlage ist durch Artikel 24"°"" der Bundesverfassung vorgegeben. Diese Verfassungsbestimmung, insbesondere deren Absatz 3, ist durch die Gesetzgebung getreulich und vollständig umzusetzen.

Weitere Rahmenbedingungen, die nicht aus dem erwähnten Verfassungsartikel herausgelesen werden können, werden von der Gen-Lex-Motion aufgestellt. Darunter ist insbesondere das Prinzip der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zu verstehen, das gemäss Motion für den Bereich der ausserhumanen Gentechnologie zu konkretisieren ist, sowie die Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen der Gentechnik im Haftpflichtrecht.

Aus dem von Verfassung und Motion vorgegebenen Blickwinkel heraus wurde die bestehende Gesetzgebung darauf untersucht, ob sie Lücken, Mängel und Anpassungsbedarf aufweist. Die Vorschläge, wie solche Lücken zu füllen sind, mussten darauf geprüft werden, ob sie konsistent und im Rahmen aller Gentechnik-Erlasse kohärent sind.

Schliesslich hat sich das schweizerische Gentechnikrecht im internationalen Vergleich zu behaupten. Die schweizerische Regelung darf nicht signifikant von derjenigen abweichen, die unsere hauptsächlichen Handelspartner gewählt haben.

Neben diesen formalen Zielen galt es, das schweizerische Gentechnikrecht auch darauf zu prüfen, ob es einerseits dem objektiven Regelungsanspruch, also den spezifischen Risiken der Gentechnologie, gerecht wird, und andererseits weitere Rechtsgüter wie die Forschungsfreiheit oder die Handels- und Gewerbefreiheit nicht unangemessen einschränkt.

Wo immer möglich, wurden Regelungen gewählt, die für das ganze Umweltschutzrecht oder für das ganze Tierschutzrecht gelten, und nicht nur für die Gentechnolo30 31

Als verwaltungsexterne Stelle wirkte die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel in der Gruppe mit.

Jean-François Aubert (Hg.), Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Basel/Zürich/Bern, 1996, dort: Saladin Peter/Schweizer Rainer J,, Kommentar zu Art. 24'°"" Abs. 3 BV

1660

gie. Ausgesprochen gentechnikspezifische Lösungen werden dort vorgeschlagen, wo dies sachlich gerechtfertigt ist oder wo es von der Motion verlangt wird.

33.2

Änderung des Umweltschutzgesetzes

Das Umweltschutzgesetz ist seit seiner Änderung vom 21. Dezember 1995 die zentrale Regelung für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich. Seine damals eingefügten Artikel 29a-29h enthalten unter der Kapitelüberschrift «Umweltgefährdende Organismen» die hauptsächlichen Vorschriften für den Umgang mit Organismen, die direkt (oder über ihre Stoffwechselprodukte oder Abfälle) die Umwelt oder mittelbar den Menschen gefährden können. Die Bestimmungen sind am 1. Juli 1997 in Kraft getreten und werden oben in Ziffer 221.2 skizziert.

In dieses Regelwerk sollen die folgenden hauptsächlichen Änderungen und Ergänzungen eingefügt werden: Um die Umsetzung des Verfassungsauftrages und der Motionsforderungen im Umweltschutzgesetz zu ermöglichen, ist es notwendig, den Zweckartikel (Art. l Abs. !·) zu erweitern. Zu schützen sind nun auch die biologische Vielfalt und die Würde der Kreatur. Ergänzend muss das Nachhaltigkeitsprinzip aufgeführt werden, dies im Sinne der dauerhaften Erhaltung der natürlichen Grundlagen. Die Liste der Schutzobjekte des Gesetzes umfasst nun neben Menschen, Tieren und Pflanzen auch «andere Organismen».

In bezug auf die Nachhaltigkeit ist anzuführen, dass ihre Umsetzung im schweizerischen Recht mit der Erwähnung in Artikel 31""" Absatz l der Bundesverfassung, im Umweltschutzgesetz und im Landwirtschaftsgesetz32 nicht abgeschlossen ist. Vielmehr wird die Beachtung des Nachhaltigkeitsprinzips im Umgang mit der Gentechnologie im Rahmen des Aktionsplanes «Nachhaltige Entwicklung» des Conseil du développement durable33 verankert werden müssen.

Als gänzlich neues Element im Umweltschutzrecht gilt der Begriff der Würde der Kreatur. Das Gesetz erklärt das Prinzip für Tiere und Pflanzen als anwendbar, nicht aber bei anderen Organismen. Dies ist eine Einschränkung, die sich vor allem auf den Bericht von Prof. Schweizer34 abstützt. Der Begriff der Würde der Kreatur soll von der zu schaffenden Ethikkommission von Fall zu Fall abgegrenzt werden. Das Gesetz gibt (im vorgeschlagenen Art. 29a Abs. 2) insofern eine Orientierungshilfe, indem es aussagt «Tiere und Pflanzen sind um ihrer selbst willen namentlich in ihren artspezifischen Eigenschaften und in ihrer artspezifischen Lebensweise zu achten.» Das geltende Umweltschutzgesetz schützt den Menschen nicht direkt, sondern - wie es in den Artikeln 29a,
29b und 29g steht - «mittelbar, also über Umwelteinwirkungen, die gesundheitliche Schäden hervorrufen können. Die Gesundheitsgesetzgebung (namentlich Giftgesetz, Lebensmittelgesetz, Epidemiengesetz und demnächst Heilmittelgesetz) geht dem Umweltschutzgesetz vor, soweit sie den direkten Schutz der menschlichen Gesundheit betrifft. Bei genauer Überprüfung zeigte sich indessen, dass die schweizerische Gesundheitsgesetzgebung gewisse Lücken aufweist, die in der Folge der Gen-Lex-Motion geschlossen werden müssen. Um einen Auffangtatbestand für solche Lücken zu schaffen, wird die Einschränkung 32 33 34

Art. l Bst. b Landwirtschaftsgesetz, BB11996 IV 312 BUWAL, 1997 Vgl. Fussnote 4

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«mittelbar» an den einschlägigen Stellen des Umweltschutzgesetzes gestrichen. Um jedoch klarzustellen, dass die Gesundheitsgesetzgebung hinsichtlich des Schutzes des Menschen grundsätzlich Vorrang geniesst, soll ein neuer Absatz 3 in Artikel 29a eingefügt werden.

Artikel 7 des Gesetzes enthält die Definitionen. Hier werden Veränderungen der biologischen Vielfalt als Einwirkungen explizit aufgeführt (Abs. 1). Im weiteren werden auch die pathogenen Organismen, ein Begriff, der im 3. Kapitel des Gesetzes wiederholt vorkommt, definiert (Abs. 5'°"").

Artikel 29a des Gesetzes umfasste bisher nur den umweltgerechten Umgang mit Organismen. Hier werden neu die Vorgaben der Verfassung und der Motion verankert.

Demnach ist beim Umgang mit Organismen darauf zu achten, dass die Würde der Kreatur bei Tieren und Pflanzen nicht missachtet wird und die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung nicht beeinträchtigt wird. In einem neuen Absatz 2 dieses Artikels wird vor gentechnischen Tätigkeiten an Tieren und Pflanzen im Hinblick auf die Würde der Kreatur eine Güterabwägung verlangt. Die Beachtung dieser ethischen Grundsätze ist jetzt für alle Tätigkeiten mit Organismen massgeblich.

Im Artikel 29d wird zudem die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen geregelt. Gleichzeitig wird der Bundesrat ermächtigt, Vorschriften Über die freiwillige Negativdeklaration zu erlassen, das heisst für die Erklärung, dass Produkte, die in Verkehr gebracht werden, keine gentechnisch veränderte Organismen sind oder solche enthalten. Neu ist, dass auch Gemische und Gegenstände, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten können, entsprechend gekennzeichnet werden müssen, wie es eine EU-Richtlinie35 vorsieht.

Artikel 29g ermächtigt bisher den Bundesrat zum Erlass «weiterer Vorschriften».

Diese offene Regelung soll zum einen mit den ethischen Schutzobjekten (Würde der Kreatur, biologische Vielfalt, Nachhaltigkeit) ergänzt werden; zudem soll dem Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt werden, Technologiefolgenabschätzungen anzuordnen oder zu unterstützen. Zum anderen wird hier für den Bereich des Umgangs mit Organismen ein Öffentlichkeitsprinzip eingeführt. Das bedeutet, dass jede Person auf Gesuch hin Anspruch auf Zugang zu Informationen hat, die fachliche Fragen des Umgangs mit Organismen betreffen, also meist
im Zusammenhang mit Bewilligungen erhoben werden. Die Grenze des Öffentlichkeitsprinzips bilden überwiegende Öffentliche oder private Interessen sowie laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, Es wird also nicht möglich sein, Gesuchsunterlagen einzusehen, so lange das Bewilligungsgesuch nicht erledigt ist und wenn vertrauliche Produktionsangaben darin enthalten sind.

33.21

Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich

In Artikel 29i wird eine Eidgenössische Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich geschaffen. Diese wird im Gesetz bewusst unmittelbar nach der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) aufgeführt.

Damit sollen die technischen und die ethischen Aspekte der Biotechnologie gleichsam abgedeckt werden.

35

1662

Richtlinie 97/35/EG der Kommission vom 18. Juni 1997

Die Kommission wird sich aus Vertreterinnen und Vertretern der folgenden Fachbereiche zusammensetzen; Ethik, Naturwissenschaften, Medizin, Rechtswissenschaft oder Ökonomie. Die Mitglieder sollen verschiedene Bevölkerungskreise und Interessengruppen vertreten.

Das Tätigkeitsgebiet der Ethikkommission ist die ausserhumane Biotechnologie.

Dieser Begriff geht über die Gentechnologie hinaus und schliesst sinnvollerweise beispielsweise Aspekte der Tier- und Pflanzenzucht mit ein. Gleichzeitig ist der Tätigkeitsbereich auf die ethische Seite der mit der Biotechnologie verbundenen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen eingeschränkt. Es handelt sich bei der Ethikkommission um eine beratende Kommission für Bundesrat und Bundes- sowie Kantonsbehörden, die im Vollzug tätig sind.

Die Ethikkommission nimmt Stellung zu beispielhaften Bewilligungsgesuchen oder Forschungsvorhaben. Dies im Gegensatz zur EFBS, die einen Ansprach darauf hat, zu allen Bewilligungsgesuchen im Bereich biologische Sicherheit Empfehlungen abzugeben. Die Kommission orientiert die Öffentlichkeit über ethische Aspekte der Biotechnologie und legt dem Bundesrat periodisch Bericht über ihre Tätigkeit ab.

Diese Informationsaufgaben entsprechen jenen der EFBS.

Um die Koordination mit der EFBS sicherzustellen, wird bei beiden Kommissionen die Pflicht zur Zusammenarbeit mit der jeweiligen anderen Kommission vorgeschrieben. Die gleiche Koordination wird für die Eidgenössische Tierversuchskommission (vgl. Ziff. 33.5) vorgeschrieben.

Die Information der Öffentlichkeit über Fragen des Umweltschutzes ist in Artikel 6 Absatz l des Umweltschutzgesetzes allgemein geregelt. In Ergänzung zum Informationsauftrag der EFBS und der Ethikkommission wird in Artikel 51a ein Informationsauftrag für den Bund eingefügt. Danach sind die Kenntnisse der Bevölkerung und der öffentliche Dialog über Einsatz, Chancen und Risiken der Biotechnologie zu fördern. Die dafür notwendigen Mittel stehen den Bundesstellen noch nicht zur Verfügung und müssen zuerst geschaffen werden.

33.22

Haftpflicht

Die Haftpflichtbestimmungen von Artikel 59a und 596 werden ergänzt. In Artikel 59(3 wird durch den neuen Absatz lbi' eine allgemeine Gefa'hrdungshaftungsnorm für Betriebe und Anlagen eingeführt, von denen wegen des Umgangs mit gentechnisch veränderten oder mit pathogenen Organismen eine besondere Gefahr ausgeht. Damit wird die unmittelbare Gefährdung des Menschen in die Haftpflicht, die sich bisher auf Gefahren für die Umwelt beschränkte, eingeschlossen.

Neu geregelt werden auch die Verjährungsfristen, wie dies einem zentralen Anliegen der Motion entspricht. Die dreijährige Frist (Art. 59c Abs. 1) und die dreissigjährige absolute Frist (Abs. 2) entstammen weitgehend dem Artikel 17 des EuroparatsÜbereinkommens vom 21. Juni 1993 über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch umweltgefährdende Tätigkeiten. In Artikel 59d wird die Verjährung des Rückgriffsrechts geregelt, in Artikel 59e die Unterbrechung der Verjährung.

Mit diesen Vorschlägen wird angestrebt, die Haftungsbestimmungen zugleich der langfristigen Gefährdung anzupassen und wirtschaftlich tragbar auszugestalten.

1663

33.3

Änderung des Produktehaftpflichtgesetzes

Mit der Gen-Lex-Vorlage wird der Geltungsbereich des Produktehaftpflichtgesetzes in Artikel 3 Absatz 2 auf landwirtschaftliche Produkte ausgedehnt, die gentechnisch verändert sind. Bei gentechnisch veränderten Produkten sind die typischen Risiken der industriellen Produktion gegeben. Daher ist die Ausnahme, die das Gesetz für unverarbeitete landwirtschaftliche Produkte kennt, tatsächlich nicht sachgerecht.

Die EG-Kommission hat gestützt auf eine Empfehlung des Europäischen Parlaments vorgeschlagen, landwirtschaftliche Produkte ^ab 1. Januar 1999 ausnahmslos der EGRichtlinie vom 25. Juli 1985 über die Haftung für fehlerhafte Produkte zu unterstellen36. Falls die EU ihre Richtlinie in diesem Sinne ändert, entsteht ein entsprechender Druck auf die schweizerische Rechtsetzung, Artikel 3 Absatz 2 vollständig zu streichen, um allfällige Exporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht zu gefährden.

33.4

Änderung des Natur- und Heimatschutzgesetzes

Der Auftrag der Motion, den Schutz der Artenvielfalt zu gewährleisten, ergänzt die konservatorische Zielsetzung des Natur- und Heimatschutzgesetzes, Es rechtfertigt sich, in seinem Artikel I Buchstabe d die Liste der Schutzobjekte um die biologische Vielfalt zu ergänzen, die erhalten werden soll.

Um die Ansprüche des Gesetzes gegenüber der Freisetzung und dem Inverkehrbringen gentechnisch veränderter oder pathogener Organismen zu wahren, soll der Bundesrat in Artikel 20 mit einem neuen Absatz 4 zum Erlass von Schutzmassnahmen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensraum sowie in Absatz 5 zum Erlass weiterer Massnahmen für vom Aussterben bedrohte Nutztiere und Nutzpflanzen ermächtigt werden. Damit wird der von gewissen Kreisen befürchteten Verarmung der Pflanzen- und Tierwelt durch Verdrängung infolge des Einsatzes gentechnisch veränderter Tiere (z.B. Nutztiere) und Pflanzen (z.B. Nutzpflanzen) begegnet.

33.5

Änderung des Tierschutzgesetzes

Die in der Gen-Lex-Vorlage enthaltenen Änderungsvorschläge für das Tierschutzgesetz gehen über die Aufträge der Gen-Lex-Motion hinaus. Dies hat verschiedene Gründe, vor allem jenen, dass mît der Aufnahme dieser Bestimmungen nicht zugewartet werden soll, bis die gegenwärtig anlaufende Gesamtrevision des Gesetzes abgeschlossen ist (eine diesbezügliche Botschaft ist nicht vor 1999 zu erwarten), Mit der vorgeschlagenen Revision des Tierschutzgesetzes werden zwei Ziele erreicht: Für die tierschutzrelevanten Aspekte der Tierzucht wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen; das Herstellen, Züchten, Halten und Verwenden gentechnisch veränderter Tiere untersteht einer Bewilligungspflicht.

Neu wird in den Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzes als allgemeine Handlungsanweisung eingefügt, dass die Würde des Tieres nicht missachtet werden darf.-Es darf davon ausgegangen werden, dass sich die Grundsätze von Artikel 2 schon bisher nach 36

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KÖM 97 478, 1.10.1997

der kreatürlichen Würde des Tieres ausrichteten, und ohne Zweifel stellt das ungerechtfertigte Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden oder das in Angst Versetzen eines Tieres auch eine Verletzung seiner Würde dar.

Der Einbezug der tierschutzrelevanten (nicht aber der wirtschaftlichen) Aspekte der Tierzucht in das Tierschutzgesetz entspricht einem älteren Anliegen. Ausser im Bereich der Tierversuche enthält das Tierschutzgesetz dazu keine Vorschriften, und auch die bisherige Regelung bezüglich Zucht von Versuchstieren ist unklar. Der hauptsächliche Anstoss kommt aus den Bereichen der Nutztier- und der Heimtierzucht, wo die häufig geäusserten Stichworte «Qualzucht» und «Defektzucht» auf einen Regelungsbedarf hinweisen.

Die allgemeinen Bestimmungen regeln die Tierproduktion mit traditionellen und jene mit gentechnischen Methoden gemeinsam, da sie sich bezüglich Auswirkungen auf das Tier nicht grundsätzlich unterscheiden.

Danach darf keine Zuchtmethode, ungeachtet ob es sich um eine natürliche oder eine künstliche handelt, bei den Elterntieren oder deren Nachkommen Schmerzen, Leiden Schäden oder Verhaltensstörungen verursachen (Art. la). Eine Ausnahme bildet der Tierversuchsbereich, wo sich - nach einer Güterabwägung - Zuchtziele rechtfertigen könnten, die dieser Bestimmung zuwiderlaufen. Der Bundesrat soll im weiteren ermächtigt werden, die Zucht und das Halten von Tieren mit bestimmten Merkmalen zu verbieten.

Der neue Artikel Ib unterstellt das Erzeugen, Züchten, Halten und Verwenden transgener Tiere den gleichen Bestimmungen, wie sie für die Tierversuche gelten.

Damit unterstehen diese Tiere den strengsten Regelungen des schweizerischen Tierschutzrechts. Schon heute ist bei der Erteilung von Tierversuchsbewilligungen eine Güterabwägung durchzuführen, und schon heute werden an die Versuchsleiter und ihr Personal hohe Anforderungen gestellt und unterstehen die Versuche und die Versuchstierhaltungen staatlichen Kontrollen.

Der Einbezug der Erzeugung, der Zucht, des Haltens und Verwendens transgener Tiere unter die Bestimmungen für Tierversuche hat zur Folge, dass die bestehende, bewährte Vollzugsstruktur der Kantone weiterbenutzt werden kann und keine neue Bewilligungsbehörde beim Bund aufgebaut werde muss. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass das Bundesamt für Veterinärwesen
schon heute gemass Artikel 26a des Tierschutzgesetzes gegen kantonale Tierversuchsbewilligungen Beschwerde oder Klage einlegen kann.

Wenn feststeht, dass die Erzeugung, Zucht, Haltung oder Verwendung transgener Tiere keine Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen verursacht, soll der Bundesrat Ausnahmen von der Bewilligungspflicht oder Erleichterungen im Verfahren zulassen können. Das kann beispielsweise bedeuten, dass das Halten transgener Nutztiere, deren Unbedenklichkeit erwiesen ist, nicht bewilligungs- oder meldepflichtig ist, sondern möglicherweise freigegeben wird, womit die hohen Anforderungen an die Tierhalter, wie sie heute im Tierversuchsbereich in Artikel 15 des Gesetzes enthalten sind, entfallen.

Die kantonalen und die eidgenössische Tierversuchskommissionen werden heute schon oft als Ethikkommissionen bezeichnet. Die kantonalen Tierversuchskommissionen prüfen die Bewilligungsgesuche und stellen der kantonalen Behörde Antrag; daneben werden sie für die Kontrollen der Versuchstierhaltungen und der Durchführung der Versuche beigezogen (Art. 18 Abs. 3). Die eidgenössische Kommission steht den Kantonen und dem Bund für die Beurteilung umstrittener Fälle zur Verfü-

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gung (Art. 19). Neu wird die eidgenössische Tierversuchskommission verpflichtet, mit der Ethikkommission zusammenzuarbeiten.

Das Bundesamt für Veterinärwesen wird explizit damit beauftragt, Informationen über gentechnische Veränderungen an Tieren zu sammeln und die Öffentlichkeit über Tierversuche und gentechnische Veränderungen an Tieren zu orientieren (Art. 19aAbs.2bi'und4).

33.6

Änderung des Lebensmittelgesetzes

Wie in Ziffer 221.1 skizziert, umfasst das schweizerische Lebensmittelrecht schon heute alle Regelungen, die gemäss IDAGEN-B ericht notwendig sind. Es wurden zwei kleinere Lücken festgestellt, die mit der Gen-Lex-Vorlage geschlossen werden sollen.

Die eine betrifft die Kompetenz des Bundesrates in Artikel 9 des Lebensmittelgesetzes, Stoffe und Verfahren einzuschränken. Neu sollen in Buchstabe b, der die physikalischen, chemischen, mikrobiologischen oder gentechnischen Verfahren nennt, auch die Gebrauchsgegenstände eingeschlossen werden. Es ist heute schwierig, sich Gebrauchsgegenstände vorzustellen, die gentechnisch veränderte Organismen sind oder solche enthalten; dass es in Zukunft solche geben wird (z.B. Kosmetika), ist nicht auszuschliessen. Für die Gebrauchsgegenstände soll die Möglichkeit einer Kennzeichnungspflicht eingeführt werden.

Zum anderen soll eine Kompetenz für den Bundesrat in Artikel 12 Absatz l u ' geschaffen werden, das gleiche, in Ziffer 33.2 erläuterte Öffentlichkeitsprinzip für das Lebensmittelrecht einzuführen.

33.7

Änderung des Epidemiengesetzes

Im Epidemiengesetz wird die Bestimmung über die Meldepflicht (Art. 27) neu formuliert, um dem Bundesamt für Gesundheit zu ermöglichen, die Meldedaten, die es nach diesem Gesetz erhoben hat, weiterhin zu bearbeiten.

Im weiteren sind die Kennzeichnungsvorschriften anzupassen. Der Bundesrat soll in Artikel 29rf Absatz 2 Buchstabe d ermächtigt werden, die Kennzeichnung von Gegenständen, die Erreger enthalten oder aus Erregern gewonnen wurden, vorzuschreiben. Im weiteren wird in Artikel 30 Absatz 3b" die Kennzeichnungspflicht für immunbiologische Erzeugnisse, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder gentechnisch veränderte Organismen enthalten, geregelt.

33.S

Änderung des Landwirtschaftsgesetzes

Die in einem Abschnitt «Gentechnik» in das neue Landwirtschaftsgesetz («Agrarpolitik 2002»37) eingefügten Regelungsvorschläge umfassen neben der Erwähnung der ethischen Grundsätze (Sicherheit von Mensch und Umwelt, Würde der

37

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Bundesgesetz zur Förderung der Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz; Entwurf vom 26. Juni 1996), BB11996IV 312

Kreatur, biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit) die Kennzeichnungspflicht und eine Regelung betreffend gentechnisch veränderter Nutztiere.

In einem neuen Artikel 24a wird vorgeschrieben, dass gentechnisch veränderte landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Hilfsstoffe nicht erzeugt, gezüchtet, eingeführt, freigesetzt oder in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie die Sicherheit von Mensch und Umwelt gefährden, die Würde der Kreatur missachten und die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung beeinträchtigen. Diese Regelung ist auf die gentechnisch veränderten Erzeugnisse oder Hilfsstoffe beschränkt.

Die Kennzeichnungspflicht (neuer Art. 24b) gilt für landwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte sowie für Hilfsstoffe, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten.

Für die Zucht und die Einfuhr gentechnisch veränderter landwirtschaftlicher Nutztiere wird in einem neuen Artikel 144a eine Güterabwägung vorgeschrieben: Zucht und Einfuhr sind erst erlaubt, wenn «wichtige Gründe» für Zucht und Absatz vorliegen und die Voraussetzungen des Umweltschutzgesetzes und des Tierschutzgesetzes erfüllt sind.

Schliesslich soll der Bundesrat die Einfuhr und das Inverkehrbringen landwirtschaftlicher Hilfsstoffe, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, einer Zulassungspflicht unterstellen können (Art. 157 Abs. 2).

33.9

Änderung des Tierseuchengesetzes

Im Tierseuchengesetz ist lediglich die Kennzeichnungspflicht für immunbiologische Erzeugnisse und andere Präparate, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, in einem neuen Absatz 6 des Artikels 27 einzufügen.

33.10

Änderung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, ßlutprodukten und Transplantaten

Im Bundesbeschluss vom 22. März'1996 über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten ist einzig die Kompetenz des Bundesrates einzufügen, die Kennzeichnung von Transplantaten, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen, zu regeln. Damit wird der Motionsauftrag auch für jene Organe erfüllt, die für Xenotransplantationen Verwendung finden. Die Bestimmung kann später in die zu schaffende Bundesregelung über die Xenotransplantation (vgl Ziff. 221.9) überführt werden.

4

Die schweizerische Regelung der ausserhumanen Gentechnologie nach Erfüllung der Gen-Lex-Motion

Die Gen-Lex-Motion ist nicht nur ein Einzelauftrag an den Bundesrat, sondern sie setzt zusammen mit dem Artikel 24"°TM' der Bundesverfassung gleichzeitig den Gesamtrahmen für die schweizerische Regelung der ausserhumanen Gentechnologie.

Nachdem oben die Inhalte der Gen-Lex-Vorlage dargestellt worden sind, kann hier unter Einbezug der bereits abgeschlossenen oder unabhängig von der Motion in die Wege geleiteten Rechtsetzung die schweizerische Regelung der ausserhumanen

1667

Gentechnologie im gesamten skizziert werden. Sinnvollerweise wird hiefür die Systematik der Ziffer 2 der Gen-Lex-Motion gewählt.

4.1

Gewährleistung des Prinzips der Würde der Kreatur

Die Respektierung der Würde der Kreatur gilt als allgemeine Maxime menschlichen Handelns. Der Begriff ist in der Ethik anzusiedeln, nicht im Recht. Er hat deshalb auch im nationalen schweizerischen Recht bisher nirgends Aufnahme gefunden, mit Ausnahme von Artikel 24nc""" Absatz 3 der Bundesverfassung, wo die Würde der Kreatur beim Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen durch das Bundesrecht zu gewährleisten ist. Die Erfüllung des diesbezüglichen Verfassungsauftrags, die von der Motion ausdrücklich verlangt wird, muss in einer Konkretisierung des Begriffs auf Gesetzesebene bestehen.

Es stellt sich die Frage, inwieweit letztlich nicht quantifizierbare Begriffe aus der Ethik in Handlungsanweisungen umgesetzt werden können. Hier ist anzumerken, dass dies für den ebenfalls nicht messbaren Begriff «Treu und Glauben» bereits vor vielen Jahren gelungen ist. Der Bundesrat schlägt in der Gen-Lex-Vorlage eine differenzierte Umsetzung vor, Wo es möglich ist, wird eine nichtdiskriminierende Konkretisierung vorgeschlagen, was zur Folge hat, dass die Würde der Kreatur im ganzen Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes zu beachten ist.

Zuerst wird die Würde der Kreatur neu in den Zweckartikel (Art. 1) des Umweltschutzgesetzes eingeführt und später bei den Regelungen dieses Gesetzes, die sich mit dem Umgang mit Organismen befassen, als Handlungsmaxime eingeführt. Dies betrifft namentlich die Artikel 29a-29i und 60 Ziffer l des Umweltschutzgesetzes.

Es ist unbestritten, dass sich die Würde von Tieren von derjenigen von Pflanzen und weiteren Organismen abhebt. Eines der Ziele des Tierschutzgesetzes war schon immer auch die Gewährleistung der kreatürlichen Würde des (Wirbel-)Tieres. Um dem Auftrag der Gen-Lex-Motion ausdrücklich gerecht zu werden, wird diese Würde als Schutzobjekt neu in Artikel 2 des Tierschutzgesetzes eingefügt.

Im Landwirtschaftsgesetz wird im neuen 6. Abschnitt «Gentechnik» (Art. 24o) die Würde der Kreatur als einzuhaltendes Kriterium für die Erzeugung, Züchtung, Einfuhr, Freisetzung sowie für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Nutztiere, Nutzpflanzen oder Hilfsstoffe aufgeführt.

Die Konkretisierung der Würde der Kreatur, insbesondere die Anwendung der Maxime in Einzelfällen von beispielhafter Bedeutung, ist eine der Aufgaben der Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich, die mit dem neuen Artikel 29i des Umweltschutzgesetzes geschaffen wird.

4.2

Gewährleistung des Prinzips des Schutzes der Artenvielfalt

Der Schutz der Artenvielfalt ist seit langem in verschiedenen Gesetzen verankert. Zu erwähnen sind insbesondere das Natur- und Heimatschutzgesetz38, das Jagdgesetz39

38 39

SR451 SR 922.0

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und das Bundesgesetz vom 21. Juni 199l40 über die Fischerei. Auch aus dem Umweltschutzgesetz kann dieser Schutzzweck unter dem Begriff «Lebensgemeinschaften» (Art. l Abs. 1) herausgelesen werden. Gemäss diesen Regelungen ist der umfassende Schutz der biologischen Vielfalt schon heute eine Prämisse für alle menschlichen Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die belebte Umwelt haben können.

Die Gen-Lex-Motîon verlangt darüberhinaus in ihrer Ziffer 2.1 einengend, dass «bei gentechnischen Arbeiten» das Prinzip des Schutzes der Artenvielfalt zu gewährleisten ist. Der Begriff «Artenvielfalt» wird unter dem umfassenderen Begriff der «biologischen Vielfalt» nach der Biodiversitätskonvention subsumiert. Dem Motionsauftrag kann mit einer Spezifizierung des heute schon umfassenden Schutzes im Umweltschutzgesetz sowie im Natur- und Heimatschutzgesetz und, soweit gentechnisch veränderte Nutztiere, Nutzpflanzen und landwirtschaftliche Hilfsstoffe Wirkung entfalten, im Landwirtschaftsgesetz entsprochen werden. Die Gen-LexVorlage enthält die dafür notwendig scheinenden ergänzenden Regelungen in den Artikeln 29a ff. des Umweltschutzgesetzes, in Artikel l des Natur- und Heimatschutzgesetzes und in Artikel 24a des Landwirtschaftsgesetzes.

4.3

Gewährleistung des Prinzips der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen

Das Prinzip der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen ist Gegenstand der Biodiversitätskonvention der UNO-Umweltschutzkonferenz von 199241. Der Bundesrat hat dieses Prinzip mit seiner Ratifizierung ausdrücklich anerkannt und sich damit verpflichtet, dieses in die nationale Gesetzgebung überzuführen. Dies geschieht im Rahmen einer Strategie42, die der Bundesrat am 9. April 1997 gutgeheissen hat. Die adäquate Umsetzung dieser Strategie wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die Gen-Lex-Motion verlangt ausdrücklich, dass ßir gentechnische Arbeiten das Nachhaltigkeitsprinzip und entsprechende Durchsetzungsinstrumente gesetzlich zu verankern sind. Alle anderen menschlichen Tätigkeiten mit Auswirkungen auf die belebte und die unbelebte Umwelt sind von diesem Moli onsauftrag nicht erfasst.

Das Nachhaltigkeitsprinzip soll im Artikel l des Umweltschutzgesetzes so aufgeführt werden, dass es für den ganzen Anwendungsbereich dieses Gesetzes gilt. Es wird indessen in diesem Gesetz einzig für den Umgang mit Organismen tatsächlich konkretisiert, also für jenen Bereich, in dem auch die Gentechnik geregelt wird. Im Landwirtschaftsgesetz, wo die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen bereits im Artikel l aufgeführt wird, soll in Artikel 24a eine sinngemässe Regelung eingeführt werden. Damit sind vorerst die gentechnischen Arbeiten, die sich auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen auswirken könnten, im nationalen schweizerischen Recht umfassend geregelt. Weitere Konkretisierungen des Prinzips der nachhaltigen Nutzung auf nationaler und multilateraler Ebene werden bei der Umsetzung der erwähnten Strategie zu diskutieren sein.

4° 41 42

SR 923.0 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 5. Juni 1992 über den Schutz der Biologischen Vielfalt; SR 0.451.43 BB11997III1045 ff.

1669

4.4

Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen

Der Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen vor negativen Auswirkungen der Gentechnik ist seit Beginn der regulierenden Tätigkeit in diesem Bereich oberstes AnHegen der gesetzgebenden Behörden. Dieses Schutzanliegen ist denn auch in Artikel 10 Absatz l des Umweltschutzgesetzes und in der darauf abgestützten Störfallverordnung vom 27. Februar 1991 teilweise umgesetzt worden. Auch die weiteren Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes schliessen den unmittelbaren und den mittelbaren Schutz des Menschen ein, sofern nicht eine Spezialgesetzgebung besteht.

Die Bewilligungspflicht für Lebensmittel, Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe, die gentechnisch veränderte Organismen sind oder daraus gewonnen wurden, dient dem gleichen Ziel.

Im Bereich des Heilmittelrechts hat der Bund bisher nur beschränkte gesetzgeberische Tätigkeiten entwickelt. Das Interkantonale Konkordat über die Kontrolle der Heilmittel (IKS), das sich ebenfalls an den Arbeiten der IDAGEN und der Gen-LexKoordinationsgruppe beteiligt hat, hat die Ausführungsvorschriften zu Artikel 3 des Konkordates, nämlich das Reglement vom 18. November 1993 über die Heilmittel im klinischen Versuch, so angepasst, dass kein rechtsfreier Raum besteht. Zudem überprüft die IKS schon heute Heilmittel, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen hergestellt sind, nach internationalen Grundsätzen auf ihre Zulässigkeit. Regelungslücken sind heute noch auszumachen in den Bereichen der somalischen Gentherapien und der Xenotransplantation. Beide sind als kurative Tätigkeiten am Menschen ausserhalb der hier zur Diskussion stehenden ausserhumanen Gentechnik anzusiedeln. Für diese Bereiche (einschliesslich der Genomanalyse) sind die gesetzgeberischen Tätigkeiten eingeleitet.

Für immunbiologische Erzeugnisse (vor allem Impfstoffe) im Human- und im Veterinärbereich besitzt der Bund Regelungskompetenzen im Epidemien- und im Tierseuchengesetz. Für solche Produkte, ob mit oder ohne gentechnische Bestandteile, besteht eine Bewilligungspflicht. Im Zusammenhang mit zwei vom EDI vorbereiteten Verordnungen (Freisetzungsverordnung, Einschliessungsverordnung) werden die Bewilligungsverfahren der Bundesämter für Gesundheit und für Veterinärwesen in die Koordination zwischen allen von gentechnisch veränderten Erzeugnissen allfällig betroffenen Bundesstellen
eingebunden.

Der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor schädlichen Einwirkungen beim Umgang mit Mikroorganismen ist Gegenstand eines Verordnungsentwurfes, der vom EDI in die Vernehmlassung gegeben wird. Dieser Entwurf legt besondere Anforderungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz fest. Die Verordnung betrifft sowohl den beabsichtigten wie den unbeabsichtigten Umgang mit Mikroorganismen, unabhängig davon, ob diese gentechnisch verändert oder unverändert sind. Die Gefährdungen werden in verschiedene Risikostufen eingeteilt, die spezifische Schutzmassnahmen bedingen. Für die höheren Risikogruppen besteht eine Bewilligungspflicht. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers, die an sich schon gestützt auf andere Erlasse43 gilt, wird für den Umgang mit Mikroorganismen explizit aufgeführt.

43

1670

Vgl. Art. 82 Unfallversicherungsgesetz (SR 832.20), Art. 6 Arbeitsgesetz SR 822.11).

4,5

Schutz von Natur und Umwelt

Auch der Schutz von Natur und Umwelt vor Einwirkungen, die durch den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erzeugt werden, ist seit Beginn der Rechtsetzung über die ausserhumane Gentechnologie eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers. Dieser Bereich darf denn auch nach der 1995 abgeschlossenen Revision des Umweltschutzgesetzes als insofern geregelt eingestuft werden, als einzig die Achtung der Würde der Kreatur, die Wahrung der Artenvielfalt und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen als Lücken festgestellt werden konnten.

Es ist insbesondere der neue Artikel 29a, der den Schutz von Natur und Umwelt vor den Gefährdungen durch Organismen, ihre Stoffwechselprodukte und ihre Abfälle in das Gesetz eingeführt hat. Der gleiche Artikel regelt nun neu auch die Achtung der Würde der Kreatur, die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Gewährleistung ihrer nachhaltigen Nutzung, so dass er als umfassender Grundschutz von Natur und Umwelt vor schädlichen und lästigen Einwirkungen durch Organismen (nicht nur gentechnisch veränderte) gelten darf.

Die weiteren Artikel im 3. Kapitel des Umweltschutzgesetzes («Umgang mit Organismen») sind Handlungsanweisungen, die diesen umfassenden Schutz in der Praxis regeln. Dazu gehören insbesondere die Bewilligungspflicht für das Inverkehrbringen (Art. 29c), die Deklarationspflicht, die Regelungen betreffend Freisetzungsversuche (Art. 29e) und Einschliessungsmassnahmen, d.h. die Sicherheit beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in geschlossenen Systemen, beispielsweise Laboratorien (Art. 29f). Die Ermächtigung von Artikel 29g an den Bundesrat, weitere einschränkende Vorschriften zu erlassen, wird im Vorschlag der Gen-LexVorlage noch erweitert. Damit wird sichergestellt, dass mit Verordnungsrecht rasch auf allfällig neu auftauchende Risiken oder Missbräuche reagiert werden kann.

Gleichzeitig wird in Artikel 29gb" aber auch eine Ermächtigung an den Bundesrat aufgenommen, wonach dieser für bestimmte Organismen, deren Unbedenklichkeit nach dem Stand der Wissenschaft oder nach der Erfahrung erwiesen ist, Erleichterungen einführen kann.

4.6

Bewilligungspflicht für gentechnische Eingriffe an Tieren sowie für die Zucht, Haltung und Verwendung transgener Tiere

Die Tierschutzgesetzgebung regelte schon bisher die Herstellung transgener Tiere unter den gleichen Bedingungen wie die übrigen Tierversuche. So unterstellt Artikel 60 Absatz 2 Buchstabe h der Tierschutzverordnung den Umgang mit Keimzellen und Embryonen, sofern «die Versuche über den Geburts- oder Schlüpftermin andauern», der Bewilligungspflicht, Die Bewilligung wird von der kantonalen Bewilligungsbehörde erteilt und vom Bundesamt .für Veterinärwesen, das ein gesetzliches Beschwerde- bzw. Klagerecht (Art. 26a des Tierschutzgesetzes), gegen kantonale Bewilligungsentscheide besitzt, überprüft. In den Kantonen, in welchen Tierversuche durchgeführt werden, steht der Bewilligungsbehörde eine kantonale Tierversuchskommission beratend und antragstellend zur Seite. Die Fragen, die umstritten oder von Übergreifender Bedeutung sind, werden der Eidgenössischen Tierversuchskommission vorgelegt. Sowohl die kantonalen wie auch die eidgenössische Tierversuchskommissionen können als Ethikkommissionen in ihrem Zuständigkeitsbereich

1671-

betrachtet werden, da zu ihren Aufgaben die Güterabwägung bei Tierversuchen gehört.

Das Tierschutzgesetz gilt grundsätzlich nur für Wirbeltiere. Als Organismen sind die wirbellosen Tiere aber vom Umweltschutzgesetz erfasst. Der Bundesrat ist durch Artikel I Absatz 2 des Tierschutzgesetzes ermächtigt, den Geltungsbereich auch auf weitere Tierarten auszuweiten, sofern sich dies als sinnvoll und notwendig erweist.

Nicht durch das Tierschutzrecht erfasst wurden bisher Fragen der Tierzucht. Durch die oben dargelegte Änderung im Rahmen der Gen-Lex-Vorlage (Ziff. 33.5) wird der Geltungsbereich des Gesetzes inskünftig auch Tierzüchtungen systematisch umfassen (neuer Artikel 7a) und diese den Zielen des Gesetzes unterstellen. Insbesondere wird dadurch das Prinzip der Respektierung der Würde der Kreatur in den Bereich der Tierzucht eingeführt. Diese Ausweitung des Geltungsbereichs ist abzugrenzen von den wirtschaftlichen Zuchtregeln, die im Landwirtschaftsrecht enthalten sind. Das Tierschutzrecht erfasst die tierschutzrelevanten Aspekte der Tierzucht; es will sicherstellen, dass natürliche wie auch künstliche (darunter gentechnische) Zuchtmethoden bei den Eltemtieren und deren Nachkommen keine durch das Zuchtziel bedingten oder damit verbundenen Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen verursachen.

Die bisherige Bewilligungspflicht von Artikel 60 der Tierschutzverordnung wird auf Gesetzesebene ausgeweitet auf das Erzeugen, Züchten, Halten und Verwenden transgener Tiere. Es erscheint sinnvoll, das seit Jahren bewährte Bewilligungssystem der Tierversuche auch auf die Herstellung, Zucht, Haltung und Verwendung transgener Tiere anzuwenden. Das hat zur Folge, dass für die diesbezüglichen Bewilligungen keine neue Vollzugsstruktur aufgebaut werden muss. Die Kantone bleiben weiterhin für den Vollzug verantwortlich. Die Koordination zwischen den beteiligten Stellen in Kantonen und Bundesverwaltung kann auf Verordnungsstufe sichergestellt werden.

Wie kaum in einem anderen Bereich sind solche Bewilligungen abhängig von einer Güterabwägung. Der Bundesrat wird ermächtigt, deren Kriterien festzulegen; er hat dafür aber ein weitgefasstes Anhörungsverfahren durchzuführen. Ähnlich wie im Bereich des Schutzes von Natur und Umwelt wird der Bundesrat ermächtigt, Ausnahmen von oder Erleichterungen der Bewilligungspflicht
zu regeln, wenn feststeht, dass in bestimmten Fällen keine tierschutzrelevanten Kriterien für eine Bewilligungspflicht sprechen und die Würde der Kreatur respektiert bleibt.

4.7

Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen der Gentechnik im Haftpflichtrecht

Anlässlich der 1995 abgeschlossenen Revision des Umweltschutzgesetzes wurden neue Haftpflichtregelungen eingefügt, die in den eidgenössischen Räten ausführlich diskutiert worden sind. Grundsätzlich sind diese Bestimmungen nicht umstritten, sie sollen sich zuerst einmal in der Praxis bewähren (die Gesetzesänderung ist auf den 1. Juli 1997 in Kraft getreten). In der Gen-Lex-Motion wird als einziger Kritikpunkt die Frage der langfristigen Auswirkungen der Gentechnologie wieder aufgerollt.

Dieser Auftrag gab Anlass zur Überprüfung der Verjährungsfristen. Das Übereinkommen des Europarates vom 21. Juni 1993 über die zivilrechtliche Haftung für umweltgefährdende Tätigkeiten, das von der Schweiz noch nicht ratifiziert worden ist, sieht eine relative Frist von drei Jahren und eine absolute Verwirkungsfrist von

'1672

30 Jahren vor. Es scheint sinnvoll, diese Fristen für die Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche sowie für das Rückgriffsrecht nach dem Umweltschutzgesetz zu übernehmen. Eine dreissigj ährige Frist gilt im schweizerischen Recht bereits im Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 19&344 und im Strahlenschutzgesetz vom 22. März I991«.

4.8

Förderung des Dialogs mit der Öffentlichkeit

Auch in diesem Aufgabenbereich ist die Gefahr einer Diskriminierung der Gentechnik gegenüber anderen Technologien nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin zeigen zwar Umfragen, dass in bezug auf die Gentechnik ein Informationsdefizit besteht und dass in gewissen Kreisen unseres Landes das Bedürfnis nach einer öffentlichen Auseinandersetzung über Chancen und Risiken dieser Technologie geltend gemacht wird.

Der Motionsauftrag kann zweigeteilt werden: erstens ist sicherzustellen, dass die Bewilligungsbehörden über ihre Tätigkeit die interessierten Kreise und die Öffentlichkeit angemessen informieren bzw. dass die bei den Behörden Hegenden Informationen in vertretbarem Ausmass interessierten Personen offenstehen, zweitens soll ein Forum für den eigentlichen Interessendialog ermöglicht werden.

Das Umweltschutzgesetz enthält in seinem Artikel 6 bereits einen umfassenden Informationsauftrag. Dieser ist auch auf alle umweltrelevanten Aspekte der Gentechnik anzuwenden. Auch das Lebensmittelgesetz erteilt in seinem Artikel 12 den Behörden einen Informationsauftrag. Damit sind die hauptsächlichen, aber noch nicht alle Teilaspekte der ausserhumanen Gentechnik abgedeckt. Neu ist ein Informationsauftrag über gentechnische Veränderungen an Tieren in' das Tierschutzgesetz (Art. 19a Abs. 4) einzufügen.

Während die Information durch die Bewilligungsbehörden eine Art «Bringschuld» ist, muss auch derjenige Teil der Information in die Rechtsetzung einbezogen werden, der in der Offenlegung von Unterlagen für interessierte Personen besteht.

Grundsätzlich gelten in der Schweiz die verwaltungsintemen Verfahren als vertraulich. Von diesem Prinzip soll zugunsten einer möglichst umfassenden Transparenz im Umweltschutz- und im Lebensmittelbereich abgewichen werden. Die Gen-LexVorlage enthält sowohl im Umweltschutzgesetz (Art. 29g Abs. 3) wie auch im Lebensmittelgesetz (Art. 12 Abs. 1) einen Vorschlag, der die Offenlegung von Informationen über Fragen gentechnologischer Verfahren vorsieht, wobei die privaten und öffentlichen Interessen an einer Geheimhaltung, z.B. bei Fabrikationsvorgängen, gewahrt bleiben.

Als weiterer Bestandteil der Informationsregelung über die Gentechnik darf der Vorschlag gelten, wonach die im Umweltschutzgesetz (Art. 290 gemäss Gen-LexVorlage zu schaffende Ethikkommission für die Gentechnik im
ausserhumanen Bereich eine Informationspflicht über ethische Probleme der Biotechnologie wahrnimmt.

Im Rahmen der in einer Verordnung zu regelnden Detailkompetenzen dieser Ethikkommission ist zu definieren, in welcher Weise sie ihre Aufgabe der öffentlichen Information zu bestimmten Fragen der Bio- und Gentechnologie durchführen kann.

W "5

SR 732.44 SR 814.50

1673

Ein institutionalisiertes Dialogforum (beispielsweise eine staatliche Konsenskonferenz) soll im heutigen Zeitpunkt nicht vorgeschlagen werden. Parteien und weitere Interessengruppen, aber auch die Medien scheinen besser geeignet, das Gespräch bei aktuellem Anlass aufzugreifen. Die Arbeit der Ethikkommission ist als komplementär einzustufen.

Um dem Bundesrat die Möglichkeiten, die Information und den Dialog mit der Öffentlichkeit über die Chancen und Risiken der Gentechnologie zu fördern, nicht durch die heute absehbaren Möglichkeiten zu beengen, soll ihm im neuen Artikel 51(3 des Umweltschutzgesetzes ein entsprechender Auftrag in offener Form erteilt werden. Mit dieser Vorschrift werden die Bundesbehörden jederzeit nicht nur die Möglichkeit, sondern auch den ausdrücklichen Auftrag haben, den Informationsund Dialogauftrag wahrzunehmen und die dafür notwendigen personellen und finanziellen Mittel von den eidgenössischen Räten zu verlangen,

4.9

Deklarationspflicht für Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten

Die Deklarationspflicht ist das Hauptinstrument des Täuschungsschutzes. Die bestehende Regelung kann als umfassend und zweckmässig bezeichnet werden. Das Umweltschutzgesetz schreibt nämlich in seinem Artikel 29d Absatz 2 vor: «Wer gentechnisch veränderte Organismen in Verkehr bringt, muss den Abnehmer darüber informieren.» Diese Vorschrift bildet als Bestandteil einer Querschnittsgesetzgebung die Basis für ihre Umsetzung in den anderen Bereichen, beispielsweise auch im Lebensmittel- und im Landwirtschaftsrecht. Sie ist aber von der Deklaration, wie sie von der Motion gefordert wird, zu unterscheiden.

Um den klaren Willen zu einer durchgehenden Deklaration auszudrücken und um die Einheit der einzelnen Gesetze zu gewährleisten, sind DeklarationsVorschriften in verschiedene Erlasse aufgenommen worden. Der wichtigste davon ist die Lebensmittelverordnung, die in ihrem Artikel 22 vorschreibt, dass nicht nur Lebensmittel, Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe als «GVO-Erzeugnisse» zu deklarieren sind, wenn sie gentechnisch veränderte Organismen enthalten, sondern auch die Produkte, die daraus gewonnen worden sind. Für die Gebrauchsgegenstände, die ebenfalls vom Lebensmittelgesetz erfasst werden, bestand bisher keine Deklarationspflicht in bezug auf gentechnisch veränderte Organismen. Deshalb wird in das Lebensmittelgesetz ein neuer Artikel 21a eingefügt, der dem Bundesrat die Möglichkeit einräumt, die Kennzeichnung von Gebrauchsgegenständen zu regeln.

Im Rahmen der Gen-Lex-Vorlage wird eine Kennzeichnungspflicht für transgene Tiere (im neuen Art. Ib Abs. 4 des Tierschutzgesetzes) eingeführt. Zur Abdeckung einer Regelungslücke soll im Artikel 29d Absatz 2 des Epidemiengesetzes eine Ermächtigung an den Bundesrat eingefügt werden, wonach dieser vorschreiben kann, dass Gegenstände, die Erreger enthalten oder aus Erregern gewonnen wurden, gekennzeichnet sein müssen. Im selben Gesetz ist eine obligatorische Deklaration für immunbiologische Erzeugnisse, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, vorgesehen. Analog dazu wird die gleiche Deklarationspflicht im Tierseuchengesetz eingeführt. Schliessläch wird im Landwirtschaftsgesetz ein neuer Artikel 24t eingesetzt, der eine Deklarationspflicht aufstellt für landwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte sowie für land-

1674

wirtschaftliche Hilfsstoffe, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten.

4.10

Schaffung einer Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich

Der IDAGEN-Bericht schlägt die Schaffung von zwei nationalen Ethikkomitees vor, je eines für die Gentechnik im humanen und für jene im ausserhumanen Bereich. Für den humanen Bereich wird im Entwurf für ein Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung46 eine Ethikkommission vorgeschlagen. Eine vom EVD eingesetzte Studiengruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Veterinärwesen schlug im November 1995 die Schaffung einer ständigen interdisziplinären Ethikkommission für die Gentechnologie im ausserhumanen Bereich vor, die in erster Linie im Rahmen der Bewilligungsverfahren tätig werden sollte.

Eine Ethikkommission, allerdings mit beratender Stimme, wird von der Gen-LexMotion ausdrücklich verlangt. Sie wird durch den neuen Artikel 29* des Umweltschutzgesetzes geschaffen. Ähnlich wie der voranstehende Artikel 29h, der die Eidgenössische Fachkommission für Biologische Sicherheit (EFBS) behandelt, soll der Artikel über die Ethikkommission Vorschriften und Kompetenzen aufführen. Während die EFBS aus «Sachverständigen aus verschiedenen interessierten Kreisen» besteht, soll sich die Ethikkommission aus Personen zusammensetzen, «die wissenschaftliche oder praktische Kenntnisse der Ethik, Naturwissenschaften, Medizin, Rechtswissenschaft oder Ökonomie haben sowie auch verschiedene Bevölkerungskreise und Interessengruppen vertreten». Ihre Aufgaben richten sich nach dem von der Gen-Lex-Motion vorgegebenen Katalog.

Die Ethikkommission wird selber keine Entscheidfunktion haben, sondern dem Bundesrat und der Bundesverwaltung beim Vollzug der Regelungen über die Biotechnologie beratend zur Seite stehen. Sie erhält durch das Gesetz das Recht, die Öffentlichkeit über wichtige ethische Probleme der Biotechnologie zu informieren.

Es scheint unerlässlich, die Koordination zwischen den verschiedenen Gremien ausserhalb der Verwaltung, die im Bereich der Bio- und Gentechnologie tätig werden, sicherzustellen. Aus diesem Grund wird die Zusammenarbeit der Ethikkommission mit der Eidgenössischen Fachkommission für Biologische Sicherheit (EFBS) sowie der zu schaffenden Ethikkommission für den Humanbereich im Gesetz vorgeschrieben. Zusätzlich wird in Artikel-19 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes geregelt, dass die Eidgenössische Kommission für Tierversuche mit der neuen Ethikkommission zusammenarbeiten muss.
Gemäss dem üblichen Ablauf des Gesetzgebungsprozesses kann damit gerechnet werden, dass die Gesetzesänderungen der Gen-Lex-Vorlage frühestens im Jahr 2000 in Kraft treten. Anschliessend müssten die Vollzugs Vorschriften erarbeitet bzw. angepasst werden. Eine Ethikkommission, die zum ersten Mal im Jahr 2001 zusammentreten könnte, hätte sich möglicherweise bereits eines grossen Teils ihres potentiellen Tätigkeitsfeldes begeben, indem nämlich die ausserhumane Gentechnologie in unserem Land so weit etabliert ist, dass korrigierende Eingriffe im ethischen Bereich durch die Kommission kaum mehr möglich und sinnvoll wären. Aus diesem Grunde prüft das EVD, einen Entwurf für eine bundesrätliche Verordnung über die 46

BB11996 III 205 ff.

1675

Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich schon im Verlaufe der kommenden Monate vorzulegen. Es könnte sich dabei auf die in Artikel 57 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes47 enthaltene bundesrätliche Kompetenz stützen, ähnlich wie es bei der Einsetzung der EFBS vor dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes getan wurde. Dieses Vorgehen würde es erlauben, baldmöglichst ein Arbeitsinstrument zu schaffen, auf das weite Kreise warten. Sollte der neue Artikel 29i des Umweltschutzgesetzes, der die Ethikkommission gesetzlich verankert, nach der Vemehmlassung und dem parlamentarischen Verfahren nicht mehr seinen heutigen Gehalt aufweisen, so wäre die Verordnung nur anzupassen und nicht gänzlich neu zu schaffen.

Die Schaffung einer Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich stellt im internationalen Vergleich einen neuartigen und zukunftsweisenden Vorschlag dar. Sowohl die Präsidenten der USA wie auch Frankreichs kennen Ethikkommissionen, die aber einzig dem Staatsoberhaupt Bericht erstatten und sich nicht zu Bewilligungen oder Forschungsprojekten äussern. Sie sind auch nicht für die Beurteilung einer einzelnen Technologie zuständig. Weder das deutsche noch das österreichische Gentechnikgesetz kennen ein vergleichbares Organ (vgl. Ziff. 54 und 55). Es ist festzustellen, dass die Idee einer solchen einzig für Ethikfragen der ausserhumanen Gentechnologie zuständigen Kommission samt den Erwartungen, die in ihre Schaffung gelegt werden, bisher vorwiegend nur in der Schweiz diskutiert worden sind.

4.11

Gesamtüberblick

Es ist davon auszugehen, dass aufgrund von KOBAGO-Bericht, IDAGEN-Bericht und Gen-Lex-Motion in Verbindung mit den gründlichen Untersuchungen von Prof.

Rainer J. Schweizer praktisch jede heute erkennbare Regelungslücke geschlossen werden kann. Weiter gehende Ansprüche, wie sie beispielsweise in der Gen-SchutzInitiative zum Ausdruck kommen, beruhen in der Regel auf einem nicht zu rechtfertigenden absoluten Sicherheitsanspruch. Aus diesem Grund haben Bundesrat und Parlament die Forderungen der Gen-Schutz-Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt; sie werden demzufolge in diesen Bericht nicht einbezogen.

Bedeutende Regelungsschritte im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie sind bereits erfolgt: Das neue Lebensmittelgesetz wurde 1992 von den eidgenössischen Räten beschlossen, die Revision von Umweltschutz- und Epidemiengesetz 1995.

Die Ausführungserlasse zum Lebensmittelgesetz sind in Kraft, die Ausführungsbestimmungen zum revidierten Umweltschutzgesetz sind vom EDI in die Vemehmlassung gegeben worden (Einschliessungsverordnung, Freisetzungsverordnung). Auch die Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Mikroorganismen befindet sich in der Vemehmlassung.

Die Gesetzesänderungen, die mit der Gen-Lex-Vorlage in die Vemehmlassung gehen, sind durchwegs Ergänzungen des ansehnlichen bisherigen Regelungswerks.

Von den eigentlichen IDAGEN-Projekten ist nur noch jenes im Bereich des Tierschutzes nicht aufgegriffen worden; die weiteren Bestandteile der Gen-Lex-Vorlage sind die von der Gen-Lex-Motion verlangten Weiterungen des IDAGEN-Programms.

47 1676

SR 172.010; AS 1997 2022

Die ausserhumane Gentechnologie ist in der Schweiz heute vor allem durch das Umweltschutzgesetz geregelt. Sein Anwendungsbereich wird mit der Revision von 1995 und mit der in der Gen-Lex-Vorlage vorgeschlagenen Änderung erheblich ausgeweitet. Durch den Einbezug der Würde der Kreatur, der biologischen Vielfalt sowie der nachhaltigen Nutzung in die Schutzobjekte des Gesetzes und die damit zusammenhängende Schaffung einer Ethikkommission für die ausserhumane Gentechnologie ist ein eigentlicher Querschnittserlass über die ausserhumane Gentechnologie entstanden. Alle anderen Erlasse, die Fragen der ausserhumanen Gentechnologie regeln (insbesondere im Tierschulz-, Lebensmittel- und Landwirtschaftsrecht), stehen in einem inneren Zusammenhang mit dem Umweltschutzgesetz. Es wurde deshalb auch die Frage geprüft, ob dieses in «Umweltschutz- und Gentechnikgesetz» umgetauft werden sollte. Davon wird abgesehen, da dieses «Gentechnikgesetz» den im Namen enthaltenen Bereich nicht umfassend regeln würde.

Das 3. Kapitel («Umgang mit Organismen») und der 4. Titel («Haftpflicht») des Umweltschutzgesetzes enthalten nun alle notwendigen Massnahmen, um die Risiken und die Gefahr von Missbrauch beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu beherrschen.

Eine recht umfangreiche Ergänzung erfährt das Tierschutzgesetz, indem dort die tierschutzrelevanten Aspekte der Tierzucht (und damit auch die Weiterzucht transgener Tiere) in den Geltungsbereich aufgenommen werden. Neu kommt in das Gesetz eine Bestimmung, wonach die Herstellung, Zucht, Haltung und Verwendung transgener Tiere ausdrücklich unter die Bestimmungen über Tierversuche fallen, was bisher nur auf Verordnungsebene galt.

Die Berücksichtigung der Würde der Kreatur, die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Gewährleistung der nachhaltigen Nutzung sind nun in allen Gesetzen, die im Bereich der ausserhumanen Gentechnik zur Anwendung kommen, ausdrücklich erwähnt. Es handelt sich dabei um ethische Postulate, die schon bisher weitgehend als ungeschriebene Voraussetzungen für diese Gesetze galten. Sie stellen daher keine eigentliche Erweiterung von deren Geltungsbereich dar.

Mit der Gen-Lex-Vorlage, aber auch mit den bisherigen Regelungen wurde angestrebt, die ausserhumane Gentechnik so zu regeln, dass keine Regelung vorgeschlagen wird, die ausschliesslich
auf die Gentechnik und nicht auch auf die anderen Technologien anwendbar ist, wo dies nicht ausdrücklich notwendig oder durch den Motionsauftrag erwünscht ist. Die neuen Vorschriften im Umweltschutzgesetz und in anderen Gesetzen gelten somit - wo dies möglich ist - jeweils für den ganzen Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes, nicht nur für eine einzelne Technologie.

5 51

Die schweizerische Gentechnikregelung im internationalen Vergleich Allgemeine Bemerkung

Die Schweiz verfügt nach dem Abschluss des Gen-Lex-Verfahrens über ein umfassendes Regelwerk über die ausserhumane Gentechnologie, das sich auf eine wissenschaftlich begründbare Risikoabschätzung abstützt. Sie dürfte damit im internationalen Vergleich durchaus bestehen.

1677

Die nachfolgenden Angaben müssen summarisch bleiben. Sie beschränken sich auf zusammenfassende Angaben zu einigen staatlichen Regelungen und verzichten auf Wertungen, Die einzelnen Staaten wie auch die EU haben unterschiedliche Regelungsansätze.

Gemeinsam ist allen angeführten Beispielen, dass eine umfassende Abdeckung des Bereichs angestrebt wird und dass Forschung und Produktion höchstens durch unvermeidbare staatliche Schranken eingeschränkt werden sollen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie sich auf den Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen konzentrieren und auf die Regelung der Würde der Kreatur nicht eingehen.

52

Europäische Union

Die EU unterscheidet zwischen der Anwendung gentechnisch veränderter Organismen in geschlossenen Systemen (für welche sie die Richtlinien 90/219/EWG und 90/679/EWG geschaffen hat) einerseits und Freisetzungen andererseits (welche in der Richtlinie 90/220/EWG geregelt werden).

Grundsätzlich lässt die EU den Mitgliedstaaten erheblichen Spielraum bei der Regelung der Materie. Sie prüft die nationalen Gesetzgebungen einzig darauf, ob sie Widersprüche zu den erwähnten EU-Regelungen aufweisen.

Die Richtlinie 90/219/EWG (geschlossene Systeme) enthält im wesentlichen die administrativen Verfahren, die für eine vorbeugende Kontrolle angewendet werden müssen, sowie die allgemeinen Sicherheitsmassnahmen für den Fall einer Anwendung gentechnisch veränderter Mikroorganismen in Forschung und Produktion. Andere gentechnisch veränderte Organismen (z.B. Pflanzen oder Tiere) werden durch diese Richtlinie nicht abgedeckt. Die Richtlinie wird derzeit überarbeitet. Die schweizerischen Regelungen (Art. 29/des Umweltschutzgesetzes, Entwurf des EDI für die Verordnung Über den Umgang mit Organismen in geschlossenen Systemen) gehen über die Grenzen dieser Richtlinie insofern hinaus, als sie den Umgang mit allen Organismen umfassen, nicht nur jenen mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Im Gegensatz zur europäischen Regelung regelt das schweizerische Umweltrecht auch die Sicherstellung der gesetzlichen Haftpflicht.

Die Richtlinie 90/679/EWG betrifft den Arbeitnehmerschutz und bestimmt die Sicherheitsmassnahmen beim Einsatz pathogener biologischer Stoffe. Der Entwurf der Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Mikroorganismen, der vom EDI in die Vernehmlassung gegeben worden ist, entspricht weitgehend dieser Richtlinie.

Gegenstand der Richtlinie 90/220/EWG sind gentechnisch veränderte Organismen, die absichtlich in die Umwelt freigesetzt werden sollen, und Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen und in Verkehr gebracht werden sollen. Freisetzungen während der Versuchsphase benötigen jeweils eine nationale Bewilligung. Für das Inverkehrbringen genügt eine einzige nationale Bewilligung, die von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden muss.

Das schweizerische Recht (Art. 29e des Umweltschutzgesetzes, Entwurf der Verordnung
über den Umgang mit Organismen in der Umwelt) ist materiell wie formell, d.h. in der Regelungsdichte, mit dieser Richtlinie vergleichbar. Sie umfasst allerdings neben den gentechnisch veränderten auch die natürlichen und die pathogenen Organismen und regelt die Sicherstellung der gesetzlichen Haftpflicht.

1678

Mit der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates (Novel-Food-Verordnung)' regelt die EU das Inverkehrbringen neuartiger Lebensrnittel und neuartiger Lebensmittelzutaten. Unter «neuartigen Lebensmitteln» werden in erster Linie solche verstanden, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, sowie solche, die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden, solche jedoch nicht enthalten. Diese Lebensrnittel dürfen keine Gefahr oder Täuschung für die Verbraucherinnen und Verbraucher darstellen und keine Ernährungsmängel mit sich bringen. Die neuartigen Lebensmittel müssen in jenem Mitgliedstaat, in welchem sie erstmals in Verkehr gebracht werden sollen, bewilligt werden. Die Deklaration der Merkmale und Ernährungseigenschaften, durch welche sich diese Lebensmittel von konventionellen Lebensmitteln unterscheiden, ist vorgeschrieben.

Die EU bereitet seit längerem eine Richtlinie zum rechtlichen Schutz biotechnischer Erfindungen vor. Eine solche ist aber bis heute nicht beschlossen worden.

53

USA

In den USA sind die Forschung und die industrielle bzw. landwirtschaftliche Anwendung der Gentechnologie am weitesten fortgeschritten. Es gibt indessen kein nationales Gentechnikgesetz, sondern eine Fülle von Regelungen auf nationaler und einzelstaatlicher Basis, die sich anhand von Richtlinien der National Institutes of Health orientieren.

Für Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen in geschlossenen Systemen existieren Richtlinien der National Institutes of Health, die aber von den einzelnen Staaten oder auf lokaler Ebene umgesetzt werden müssen.

Eine zentrale Sieuerungsfunktion kommt dem Animal and Plant Health Inspection Service (APHIS) und teilweise der Environment Protection Agency (EPA) sowie der Food and Drug Administration (FDA) zu. Für Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen, welche Genomsequenzen von Krankheitserregern enthalten, ist eine Bewilligung von APHIS erforderlich. Eine solche wird ebenfalls benötigt für die kommerzielle Anwendung, bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln, die in Verkehr gebracht werden sollen, zudem noch eine Bewilligung der FDA.

Die USA kennen keine gesetzlichen Ausschlussgründe für die Patentierbarkeit von Tieren und Pflanzen.

54

Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland gilt seit dem 1. Juli 1990 das Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz), das 1993 revidiert wurde. Das Gesetz unterscheidet zwischen geschlossenen Systemen («gentechnische Anlagen») für Forschung und Produktion einerseits und der Freisetzung und dem Inverkehrbringen andererseits. Die Tätigkeiten in geschlossenen Systemen werden in vier Sicherheitsstufen eingestuft, die verschiedene Sicherheitsmassnahmen nach sich ziehen. Während die Anlagen der Stufe l nur meldepflichtig sind, müssen die Anlagen der anderen Stufen zur Genehmigung angemeldet werden. Den Bewilligungsbehörden werden sehr kurze Bearbeitungsfristen eingeräumt; werden diese überschritten, so gilt die Anlage als bewilligt. Die Vereinfachung der Bewilligungsverfahren, beispielsweise durch die Anset-

1679

zung kurzer Bearbeitungsfristen, ist das Ergebnis der Novellierung des Gesetzes von 1993.

Freisetzungen werden vom Robert-Koch-Institut, das dem Bundesgesundheitsamt angeschlossen ist, bewilligt. Auch diesem werden jeweils nur drei Monate für die Entscheidfìndung zugestanden.

Beim Robert-Koch-Institut besteht eine Sachverständigenkommission («Zentrale Kommission' für die.Biologische Sicherheit ZKBS»). Ihre 15 Mitglieder vertreten einerseits die Wissenschaften (10 Mitglieder rekrutieren sich aus Mikrobiologie, Zellbiologie, Virologie, Genetik, Hygiene, Ökologie, Sicherheitstechnik) und andererseits die Bereiche Gewerkschaften, Arbeitsschutz, Wirtschaft, Umweltschutz, Forschungsförderung. Die ZKBS prüft und bewertet sicherheitsrelevante Fragen nach den Vorschriften des Gentechnikgesetzes. Sie berät die Bundesregierung und die Länder.

Die Gefährdungshaftpflicht ist auf einen Höchstbetrag von 160 Millionen DM limitiert. Die Verjährungs- und Verwirkungsfristen sind mit jenen des Bürgerlichen Gesetzbuches identisch. Allfällige langfristige Auswirkungen der Gentechnik finden keine Ausnahmebestimmung.

Das deutsche Gentechnikgesetz äussert sich nicht zu Fragen der Patentierbarkeit.

55

Österreich

Die Republik Österreich verfügt seit dem 12. Juli 1994 über ein Gentechnikgesetz48.

Dieses unterscheidet zwischen den Arbeiten in geschlossenen Systemen einerseits und dem Freisetzen und Inverkehrbringen andererseits. Die Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen in geschlossenen Systemen werden in vier Sicherheitsstufen eingeteilt und sind genehmigungspflichtig (in der Stufe l nur beim erstmaligen Arbeiten). Auch hier setzt das Gesetz der Behörde ausserordentlich kurze Behandlungsfristen.

Freisetzungen sind ebenfalls bewilligungspflichtig. Die Behörde hat eine Entscheidfrist von 90 Tagen. Das zuständige Bundesministerium kann die Bewilligungsvoraussetzungen erleichtern, wenn mit der Freisetzung bestimmter Organismen bereits genügend Erfahrungen gesammelt worden sind.

Das österreichische Gesetz regelt im weiteren die Genanalyse und die Gentherapie am Menschen. Es enthält keine eigenen Haftpflichtbestimmungen; allerdings wurden mit seinem Erlass die land- und forstwirtschaftlichen Naturprodukte, die gentechnisch veränderte Organismen sind, in das Produkthaftungsgesetz eingeschlossen. Das zuständige Bundesministerium gibt ein Gentechnikbuch heraus, in dem der Stand von Wissenschaft und Technik für Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, für Freisetzungen und Inverkehrbringen von Organismen sowie für Genanalysen und somalische Gentherapie am Menschen dokumentiert wird.

Die Zusammensetzung der umfangreichen Gentechnikkommission ist durch das Gesetz vorgeschrieben. Ihr gehören an: sieben Vertreter von Bundesministerien, je ein Vertreter der Bundesarbeitskammer, des Gewerkschaftsbundes, der Landwirtschafts48

1680

«Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie geregelt werden (GTG) und das Produkthaftungsgesetz geregelt wird»; Bundesgesetzblatt, 12.7.1994, 158.Stück

kammern, der Wirtschaftskammer, je ein Vertreter der wissenschaftlichen Ausschüsse, acht Sachverständige der Bereiche Mikrobiologie, Zellbiologie, Virologie, Molekularbiologie, Hygiene, Ökologie, Sicherheitstechnik und Soziologie, je ein von der Wirtschaftskammer und vom Gewerkschaftsbund vorgeschlagener Molekularbiologe, sowie ein wissenschaftlicher Philosoph, ein Theologe, ein Arzt, eine mit Umweltproblemen vertraute Person und ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. -Die Kommission berät die Behörde über grundsätzliche Fragen der Anwendungen der Gentechnik, sie bereitet Abschnitte des Gentechnikbuches vor.

Ihr stehen drei ständige wissenschaftliche Ausschüsse zur Seite, je einer für Arbeiten in geschlossenen Systemen, einer für Freisetzungen und Inverkehrbringen sowie einer für die Anwendung der Gentechnik am Menschen. Die Kommission verfügt über eine «von einem rechtskundigen Beamten» geleitete Geschäftsstelle.

Das österreichische Gesetz hat in seinem Artikel 3 fünf Grundsätze aufgestellt, die von weitreichendem Interesse sind: Das Vorsorgeprinzip verlangt, dass Freisetzungen keine nachteiligen Folgen für die Sicherheit haben dürfen.

Das Zukunftsprinzip verbietet es, der Forschung und ihrer Umsetzung unangemessene Schranken aufzuerlegen.

Das Stufenprinzip postuliert, dass der Weg vom geschlossenen System zur Freisetzung stufenweise freigegeben werden soll.

Das demokratische Prinzip bindet die Öffentlichkeit mittels Information und Mitwirkung in den Gesetzesvollzug ein.

Das ethische Prinzip verlangt, dass der Verantwortung des Menschen für Tier, Pflanze und Ökosystem sowie bei Genanalyse und Gentherapie der Würde des Menschen Rechnung zu tragen ist.

Das österreichische Gentechnikgesetz äussert sich nicht zu Fragen der Patentierbarkeit.

6

Die finanziellen und personellen Auswirkungen des schweizerischen Gentechnikrechts

Mit der Regelung der ausserhumanen Gentechnik wurde und wird im Verlauf der Jahre ein gänzlich neuer Bereich in das schweizerische Recht eingefügt. Die Behörden von Bund und Kantonen haben dabei neue Aufgaben zu übernehmen. Diese bestehen vor allem im Erteilen von Bewilligungen, aber auch in Kontrollen und Analysen.

Bewilligungen sind neu zu erteilen in den folgenden Bereichen: Umweltschutz (Freisetzungen), Arbeitnehmerschutz (Arbeiten in geschlossenen Systemen), Lebensmittel, Landwirtschaft, Tierschutz. Mit Ausnahme des Tierschutzes, wo die bestehenden kantonalen Strukturen für die neuen Bewilligungen zur Herstellung, Haltung, Zucht und Verwendung transgener Tiere eingesetzt werden sollen, sind dafür neue Bundesstellen einzurichten oder bestehende auszubauen. Diese Entwicklung hat bereits im Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft eingesetzt, wo sich die Sektion Biotechnologie und Stoffflüsse mit den aus dem Umweltschutzgesetz erwachsenden spezifischen Aufgaben befasst, sowie im Bundesamt für Gesundheit, wo die Gesuche um Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel in der Sektion Mikrobiologie und Hygiene geprüft werden. Es ist absehbar, dass diese Stellen ausgebaut werden müssen, wenn die Zahl der Gesuche zunimmt.

1681

Die Ausgestaltung des Kontrollwesens hängt weitgehend vom zu schaffenden Verordnungsrecht ab. Es ist beispielsweise unabdingbar, dass den kantonalen Laboratorien, die sich mit den Stichprobenanalysen von Lebensmitteln befassen, von den Bundesbehörden ausgearbeitete validierte Analysemethoden zur Verfügung gestellt werden. Inwieweit dies bei einem steigenden Anteil gentechnisch veränderter Stoffe, die für das Inverkehrbringen zugelassen sind, einen Ausbau der Bundesstellen zur Folge haben wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.

7

Die zukünftige Entwicklung des schweizerischen Gentechnikrechts

Die Gentechnik ist gegenwärtig in voller Entwicklung begriffen. Parallel zu ihr gestaltet sich das Recht. Ziel der Rechtsetzung muss es sein, angemessene Massnahmen zu ergreifen, mit welchen die Risiken der Gentechnik beherrscht werden, ohne dass ihre Chancen unangemessen geschmälert werden.

Zu diesem Zweck muss vor jeder neuen Regelung die Frage beantwortet werden: Rechtfertigen die spezifischen Risiken der Gentechnik eine spezifische Gesetzgebung? Erst wenn diese Frage gestützt auf die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse bejaht werden kann, ist eine gentechnikspezifische Gesetzgebung zu erarbeiten.

Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass er den Auftrag der Gen-Lex-Motion mit der Eröffnung der Vemehmlassung über die Gen-Lex-Vorlage getreulich und vollständig umgesetzt hat. Er hebt damit das schweizerische Recht über die ausserhumane Gentechnologie auf das Niveau des Rechts anderer Industriestaaten und der EU. Wie in anderen Bereichen der menschlichen Tätigkeiten gilt es, die zukünftige Entwicklung dieses Gebiets aufmerksam zu verfolgen, um das Recht anpassen zu können.

Das Gentechnikrecht darf nichts Starres sein, sondern soll permanent auf seine Angemessenheit überprüft werden. Verschärfungen und Erleichterungen müssen möglich bleiben.

9542

1682

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Stand der Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie Bericht des Bundesrates an die eidgenössischen Räte vom 15. Dezember 1997

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1998

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