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Parlamentarische Initiative Gleichstellung der Behinderten (Suter) Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom B.Februar 1998

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen nach Artikel 21ql""CT Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt mit 18 zu 5 Stimmen, auf die parlamentarische Initiative einzutreten und dem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

13. Februar 1998

1998-92

Im Namen der Kommission Der Präsident: Paul Rechsteiner

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Übersicht Am 5. Oktober 1995 hat Nationalrat Marc Suter eine parlamentarische Initiative in der Form einer allgemeinen Anregung eingereicht, die verlangt, dass eine Bestimmung zur Gleichstellung der Behinderten in die Bundesverfassung aufgenommen wird. Dieser Gleichstellungsartikel soll sowohl ein Diskriminierungsverbot als auch ein Gleichstellungsgebot enthalten; er soll sich nicht nur an Bund, Kantone und Gemeinden richten, sondern im Sinne der Dritt\virkung auch unter Privaten Wirkung entfalten. Nachdem der Nationalrat am 21. Juni 1996 der parlamentarischen Initiative Folge gegeben hat, wurde die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit beauftragt, eine Vorlage zu erarbeiten. Die Kommission hat den hier vorliegenden Entwurf gleichzeitig der Verfassungskommission zugeleitet, zur Einfügung in Artikel 7 Verfassungsentwurf (VE).

Erklärtes Ziel der parlamentarischen Initiative Suter ist es, eine grundlegende qualitative Verbesserung der Lebenssituation der Behinderten in der Schweiz zu erreichen, wie sie in vielen Staaten, insbesondere in den USA, festzustellen ist. Die Erfahrungen dort zeigen, dass eine Wechselwirkung zwischen rechtlichen Normen und gesellschaftlicher Realität besteht. Die Venvirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Behinderten bedarf eines Bewusstseinswandels sowohl bei nichtbehinderten als auch bei behinderten Bevölkerungskreisen, die in der Schweiz schätzungsweise eine halbe Million Menschen umfassen.1 Die Veranrivortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft sollen aufgerufen werden, gemeinsam mit den Betroffenen ein neues Bild des behinderten Menschen zu entwickeln und auch in der Schweiz einen Kurswechsel hin zu Integration statt Aussonderung, zu Selbstbestimmung statt Bevormundung, zu Gleichstellung statt Diskriminierung vorzunehmen.

Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK), Diskriminierung behinderter Menschen in der Schweiz - Benachteiligungen und Massnahmen zu deren Behebung, Zürich, April 1996

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Bericht I Allgemeiner Teil I II

Ausgangslage Einreichung der parlamentarischen Initiative

Die vom 5. Oktober 1995 datierte Initiative von Nationalrat Marc Suter bringt folgenden Wortlaut in Vorschlag: Keine Person darf wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung der Behinderten vor allem in Schule, Ausbildung und Arbeit, Verkehr, Kommunikation und Wohnen; es sieht Massnahmen zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vor. Der Zugang zu Bauten und Anlagen sowie die Inanspruchnahme von Einrichtungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ist gewährleistet.

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Vorprüfung

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) hat am 28. März 1996 gemäss Artikel 21'" Geschäftsverkehrsgesetz die Initiative vorgeprüft und den Initianten angehört. Sie hat mit 18 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Rat beantragt, der Initiative Folge zu geben. Am 21. Juni 1996 hat der Nationalrat ohne Opposition beschlossen, dem Antrag seiner Kommission zu folgen. In der Herbstsession 1996 wies das Büro dieses Geschäft zur Ausarbeitung einer Vorlage wieder der SGK zu. Diese setzte an ihrer Sitzung vom 21. November 1996 eine Subkommission ein, der die Nationalräte Cross Jost, Bortoluzzi, Deiss, Fasel sowie Nationalrätin Egerszegi angehörten.

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Verlauf der Arbeiten in der Subkommission und in der Kommission

Die Subkommission hat sich zwischen dem 24. Januar 1997 und dem 4. Juni 1997 an fünf Sitzungen mit der parlamentarischen Initiative Suter befasst und einen vom Textvorschlag von Nationalrat Suter abweichenden Entwurf erarbeitet. Sie hat sich vertieft mit folgenden Fragen auseinandergesetzt und Hearings dazu durchgeführt2: Psychische Behinderungen, geistige Behinderungen, besondere Förderung von Behinderten im Sonderschulbereich, Anforderungen an eine Behindertenstatistik, Armutsrisiken bei Behinderten, Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Behindertenpolitik sowie die Stellung der Behinderten in den USA und in Deutschland. Auch hat sie sich mit verfassungsrechtlichen Aspekten befasst. Umfassend dokumentiert und beraten wurde die Subkommission durch Herrn Ruedi Prerost, Beauftragter des ASKIO, Bern. An den Sitzungen nahm auch Herr Prof.

Pierre Tschannen, Universität Bern, teil, der als staatsrechtlicher Experte die Arbeiten der Subkommission begleitet und Textvorschläge ausgearbeitet hat.

Liste der angehörten Personen im Anhang l 2439

Am 15. August 1997 hat die SGK den Entwurf der Subkommission modifiziert und mit 18 zu 5 Stimmen gutgeheissen. Der Text für die Gleichstellung der Behinderten soll als Absatz 3 von Artikel 4 in die Bundesverfassung aufgenommen werden.

Gleichzeitig stellte die SGK Antrag an die Verfassungskommission, diesen Text in Artikel 7 des Entwurfs für eine nachgeführte Bundesverfassung (VE) einzufügen.

Im weiteren hat die SGK dem Rat beantragt, zwei Vorstösse zu überweisen: 1. Motion Behindertenstatistik (95.418), 2. Postulat «4. IV-Revision. Wiedereingliederung Behinderter» (95.418)3. Diese Vorstösse sind noch von keinem Rat behandelt worden.

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Die Beratung von Artikel 7 des Verfassungsentwurfs Die Beratungen in der Subkommission 2 und in der Verfassungskommission

Die mit den Grundrechten befasste Subkommission 2 der nationalrätlichen Verfassungskommission hat sich mit knapper Mehrheit der Fassung der nationalrätlichen SGK angeschlossen. Ausschlaggebend war das Ziel, in der geltenden und in der nachgeführten Verfassung keine inhaltliche Differenz zu schaffen. Sodann wollte die.

Subkommissionsmehrheit die Drittwirkung des Grundrechts auch unter Privaten im Sinne eines direkten Klagerechts (dritter Satz des Formulierungsvorschlags von Nationalrat Suter) beibehalten.

Die Verfassungskommission des Nationalrats 4 dagegen strich mehrheitlich den dritten Satz mit der Drittwirkung unter Privaten, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Eine differenzierte Drittwirkung der Grundrechte sei in Artikel 31 Absatz 3 VE in allgemeiner Weise vorgesehen. Es sei Sache des Gesetzgebers, diesen Grundsatz umzusetzen. Ein direktes Klagerecht sei für den Richter zuwenig justiziabel. Die Kommissionsminderheit dagegen will bei der Fassung der Subkommission bleiben.

Das Gleichstellungsgebot in der Fassung der SGK wurde durch die Verfassungskommission redaktionell vereinfacht, inhaltlich aber nicht verändert. Unverändert bleibt das Diskriminierungsverbot mit dem dreigliedrigen Behindertenbegriff: körperlich, geistig und psychisch.

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Der Beschluss des Ständerates

In seiner Beratung vom 20. Januar 1998 hat der Ständerat 3 beschlossen, in Absatz 2 von Artikel 7 des Verfassungsentwurfs auf eine Aufzählung der Diskriminierungstatbestände zu verzichten.

2

Die Situation behinderter Menschen in der Schweiz

In der Diskussion über die Notwendigkeit der Ergänzung der Bundesverfassung steht die Frage im Vordergrund, inwiefern in der Schweiz behinderte Menschen noch immer Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt sind. Die Dachor3 4

Anhang 6 Entwurf im Anhang 5

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ganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) hat 1995 eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, die Situation in der Schweiz zu beurteilen und gegebenenfalls Lösungsansätze im Sinne gesetzgeberischer Anregungen zu skizzieren. Im folgenden Kapitel sind Ergebnisse und Forderungen dieser Studie vorgestellt5.

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Regelschule - Sonderschule

In der Schweiz existiert heute ein differenziertes Sonderschul- und Therapieangebot für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen, welches jedem Kind eine adäquate Bildung erlaubt. Sondermassnahmen haben aber immer auch separierenden Charakter. Der daraus resultierende Einfluss auf die spätere Entwicklung und Stellung im gesellschaftlichen und beruflichen Leben ist gross und kann in seinem negativen Ausmass wohl nur von den Betroffenen selber wahrgenommen werden.

Ob ein behindertes Kind eine Regelschule besuchen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Der Zutritt bzw. die Zufahrt zu den Schulhäusern der Primär-, Sekundär- und Mittelschulen ist vielfach durch architektonische Barrieren erschwert; nur neuere Gebäude sind meistens rollstuhlgängig ausgestattet. Über die Aufnahme bzw.

Nichtaufnahme eines behinderten Kindes in die Regelklasse entscheiden die Schulbehörden von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Es liegt im persönlichen Ermessen einer Lehrkraft, die Aufnahme eines behinderten Kindes in den Klassenverband zu befürworten. Keine Aufnahmebeschränkungen ergeben sich bei der Immatrikulation an Hochschulen.

Obwohl die Bundesverfassung für die Grundschule vorschreibt (Art. 27 Abs. 2 BV), dass die Kantone für genügenden Primarunterricht zu sorgen haben, wird immer wieder behinderten Kindern, die bei geeigneten Massnahmen die Regelschule besuchen könnten, der Zugang zu diesen verwehrt. Dies hat seinen Grund unter anderem im Finanzierungssystem. Bei der Schulung bzw. Sonderschulung von behinderten Kindern verteilt sich die Finanzierung heute auf den Bund (Art. 19) Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG)6 die Kantone (kantonale Schulgesetze) und die Eltern. Die Finanzierung der Regelschulen hingegen haben die Kantone allein zu tragen.

Die eidgenössische Invalidenversicherung erbringt ihre finanzielle Unterstützung in der Regel an Sonderschulinstitutionen. In einer Regelklasse des öffentlichen Schulsystems integrierte behinderte Kinder und Jugendliche haben nur sehr begrenzt Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung. Dies kann dazu beitragen, dass behinderte Kinder und Jugendliche aus finanziellen Gründen nicht der öffentlichen Regelschule zugeführt werden.

Ziel der Behindertenpolitik sollte es sein, dass behinderte Kinder wenn immer möglich die Regelschule
besuchen können .und in ihrem Interesse liegende zusätzlichen Fördermassnahmen erhalten. Nur wenn diese nicht in einer Regelklasse durchgeführt werden können, sollen sie im Rahmen einer Sonderklasse, wenn immer möglich im gleichen Primarschulhaus, stattfinden. Bereits heute können die Kantone ihre Schulgesetzgebung so ausgestalten, dass Kinder mit einer Behinderung die Regelschulen besuchen können. Im Rahmen der 4. IV-Revision sind die von der Invalidenversi5

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Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK), Diskriminierung behinderter Menschen in der Schweiz - Benachteiligungen und Massnahmen zu deren Behebung, Zürich, April 1996 SR 831.20

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cherung finanzierten schulischen Stützmassnahmen auszubauen, so dass diese aufgrund des konkreten Bedarfs gewährt werden können, unabhängig davon, in welcher Schule sich das Kind bzw. der oder die Jugendliche befindet.

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Aus-, Fort- und Weiterbildung

Abgesehen davon, dass die Ausbildungsmöglichkeiten behinderter Menschen durch ihre körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen eingeschränkt sind, begegnen diese oft noch zusätzlichen, vermeidbaren Hindernissen, die den Zugang zu einer Reihe von Ausbildungen erschweren oder verunmöglichen. Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich sein: Erschwerter Zugang zu gewissen Ausbildungen wegen baulich-technischer Hindernisse und fehlender Infrastruktur für behinderte Menschen. Diese Mängel lassen sich zwar teilweise mit Hilfsmitteln überwinden, wozu die IV grosszügige Beiträge gewährt. Das entsprechende Abklärungsverfahren der IV beansprucht allerdings relativ viel Zeit, was eine rasche und unbürokratische Aufnahme in einen Ausbildungsgang beeinträchtigt.

Kein Zugang zu gewissen Ausbildungen wegen mangelnder Bereitschaft, auf das reduzierte Arbeitstempo oder Leistungsschwächen in Unterricht und Prüfungen Rücksicht zu nehmen. Gehörlose z.B. sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass einige Berufsschulen die Anwesenheit von Gebärdendolmetschern nicht zulassen.

Wohl erlaubt das Bundesgesetz über die Berufsbildung 7 den kantonalen Behörden, für die Berufslehre von behinderten Menschen verschiedene Erleichterungen vorzusehen (Art. 19 BBG), doch finden sich in der Praxis immer weniger Lehrbetriebe, die bereit sind, behinderte Lehrlinge aufzunehmen.

Ziel muss es sein, dass behinderten Menschen der Zugang zu sämtlichen beruflichen Ausbildungen offensteht, die einen ihren Eignungen entsprechenden Berufsabschluss ermöglichen. Ausbildungsstätten, die anerkannte Ausbildungen anbieten und staatliche Subventionen erhalten, sollen gesetzlich verpflichtet werden, den Zugang für behinderte Menschen zu erleichtem; zu denken ist an die Anpassung der Ausbildungsprogramme und Prüfungen, die Bereitstelllung von Hilfsmitteln im Sinne eines Minimalstandards, Zulassung von Gebärdendolmetschem usw. Diskutiert werden müssen auch die Schaffung von finanziellen Anreizen für Lehrbetriebe, die sich bereit erklären, behinderte Lehrlinge aufzunehmen, sowie die Verbesserung der Information der Lehrbetriebe über die Möglichkeiten behindertengerechter Ausbildung seitens der IV-Stellen.

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Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

Wohl sind die Arbeitsmöglichkeiten behinderter Menschen aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen eingeschränkt, doch werden in zunehmendem Mass auch jene behinderten Menschen vom freien Arbeitsmarkt ausgeschlossen, die von ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten her ohne weiters in der Lage wären, einen effizienten Beitrag im Arbeitsprozess zu leisten. Damit werden 7

SR 412.10

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die Betroffenen von einem zentralen Bereich gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen und erfahren mangels Bestätigung, Kontakten und Geldmitteln auch eine soziale Ausgliederung. Die Gründe dafür sind vielfältig: erhöhter Leistungsdruck in der Wirtschaft; mangelnde Bereitschaft der Arbeitgeber, angepasste Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen; Angst vor zusätzlichen Umtrieben und Betreuungsleistungen; abnehmendes soziales Verantwortungsgefühl; Angst vor negativen Konsequenzen bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

Das Ziel ist, dass arbeitsfähige behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder reale Möglichkeiten erhalten, eine ihrer Behinderung angepasste Arbeit zu finden. Die Arbeitslosigkeit bei behinderten Menschen sollte sich im Rahmen der Arbeitslosigkeit der übrigen Bevölkerung halten. Verschiedene Massnahmen im Sinne von Anreizsystemen könnten zur Erreichung dieses Ziels beitragen: Die Einführung eines Bonus-Malus-Systems: Betriebe ab einer bestimmten Grosse werden durch ein Bundesgesetz verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz behinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzustellen. Wird diese Quote nicht erfüllt, so haben die betreffenden Betriebe einen «Malus» in einen Fonds zu leisten; aus diesem Fonds wird jenen Betrieben, die die Quote übertreffen, ein «Bonus» ausbezahlt. Wird der Malus genügend hoch festgelegt und ist damit auch der Bonus entsprechend hoch -, so ist von einem solchen System ein hoher Anreizeffekt zu erwarten.

Steuerliche Begünstigung für Betriebe oder Erlass von Lohnnebenkosten, die behinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anstellen (Bonus-Modell).

Ausbau der finanziellen Unterstützung durch die Invalidenversicherung bei der Eingliederung in den Arbeitsprozess. Zu denken wäre beispielsweise an die Entrichtung eines Taggeldes während der Einarbeitungszeit.

Minimalisierung der Risiken für den Arbeitgeber insbesondere im Bereich der beruflichen Vorsorge: Übernahme der Invaliditätsleistungen durch einen Risikofonds und damit Entlastung der betrieblichen Personalvorsorge.

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Öffentlicher Verkehr

Die öffentlichen Verkehrsmittel stehen einer grossen Zahl von Personen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Davon betroffen sind insbesondere auch Personen mit einer vorübergehenden oder dauernden Behinderung und Betagte. Gemäss Studien ist ein Sechstel der Bevölkerung mobilitätsbehindert. Diese Personen sind in einer Zeit hoher Mobilität wirtschaftlich und gesellschaftlich benachteiligt. Erschwerend kommt hinzu, dass für einen Teil dieser Personen die Alternative des Individualverkehrs infolge ihrer Funktionsdefizite nicht besteht.

Grundsätzlich zeichnet sich der öffentliche Verkehr durch eine Beförderungspflicht der Trägerorganisationen, durch fixe, vorbestimmte Routen und Fahrpläne sowie durch feste Tarife und öffentliche Benutzbarkeit aus. Nach Transportgesetz8 umfasst aber die Transportpflicht (Art. 3) nur diejenigen Personen, die mit dem Personal und mit den Transportmitteln, die zur Bewältigung des normalen Verkehrs ausreichen, transportiert werden können. Faktisch bedeutet dies, dass die Transportunternehmungen durch das eingesetzte Personal und die Fahrzeuge bestimmen können, welche Personen von ihrem Angebot Gebrauch machen können.

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Nur langsam haben in den letzten Jahren die Verantwortlichen für den öffentlichen Verkehr mit den notwendigen Ausbaumassnahmen im Bereich des Rollmaterials (neue Eisenbahnwagen, Niederflurbusse, Niederflurtrams), bei den Bauten und Anlagen (Stationsgebäude und Perronanlagen) sowie den Betri'ebseinrichtungen (Billettautomaten, Informationseinrichtungen, audiovisuelle Informationssysteme) begonnen. Die Entwicklung verläuft gesamtschweizerisch sehr unterschiedlich. Während z.B. in der Stadt Bern die städtischen Verkehrsbetriebe durch einen Volksentscheid zur Anschaffung von Niederflurbussen mit Rampen verpflichtet wurden, gibt es Regionen, wo beim öffentlichen Verkehr bisher noch keine Anpassungen erfolgt sind.

Mit der Revision des Eisenbahngesetzes9 besteht seit 1996 die rechtliche Grundlage, dass bei der Festlegung des Leistungsangebotes die Anliegen behinderter Menschen berücksichtigt werden können (Art. 51 Abs. 2 Bst. e). Das Eisenbahngesetz sieht auch vor, dass der Bund Beiträge leisten sowie Darlehen gewähren oder verbürgen kann, wenn eine Transportunternehmung Investitionen zugunsten behinderter Menschen treffen will (Art. 56).

Auf kantonaler und kommunaler Ebene existieren vereinzelt Bestimmungen, welche behindertengerechte Angebote des öffentlichen Verkehrs verlangen. Zahlreiche Regionen und Städte verfügen über spezielle Behindertentransportdienste für die Beförderung von Personen in Rollstühlen. Die Anspruchsberechtigung ist sehr unterschiedlich geregelt und hängt unter anderem vom Wohnort, von der Behinderungsart und vom Einkommen ab. Ebenfalls sehr unterschiedlich ist die Qualität des Angebots. Nebst gut ausgebauten Fahrdiensten, vor allem in einigen Städten, gibt es mehrheitlich kleine Vereine mit ehrenamtlichem Fahrpersonal und teilweise gravierenden Einschränkungen bezüglich Verfügbarkeit. So unterschiedlich wie ihre Verfügbarkeit sind auch ihre Tarife. Nur die wenigsten Fahrdienste können ihren Service zu einem ähnlichen Tarif wie die öffentlichen Verkehrsmittel anbieten. Dieser Umstand hat zur Folge, dass die Mobilitätskosten für die vom öffentlichen Verkehr faktisch ausgeschlossenen behinderten Menschen recht hoch sein können. Diese Form von Behindertentransporten dürfte volkswirtschaftlich mehr Kosten verursachen als ein behindertengerechter öffentlicher Verkehr. 10 Ziel einer
Behindertenpolitik muss es sein, den öffentlichen Verkehr so auszubauen, dass auch Mobilitätsbehinderte diesen weitgehend selbständig benützen können.

Dies erfordert Anpassungsmassnahmen im Bereich des Rollmaterials, der Bauten und Anlagen und der Betriebseinrichtungen sowie die Bereitstellung des erforderlichen Personals. Zu denken ist an den Abbau von baulichen Hindernissen und die Neuentwicklung technischer Anlagen wie Niederflur-Eisenbahnwagen, Ortsangabendisplays sowie konsequente und deutliche Lautsprecherdurchsagen.

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Kommunikation

Wenn Gehörlose mit Hörenden via Telefon kommunizieren wollen, so ist dies nur über einen Vermittlungsdienst möglich, der die geschriebene Sprache des Schreibtelefons in die gesprochene Sprache übersetzt. Die Telecom hatte sich geweigert, einen solchen Vermittlungsdienst zu führen oder auch nur zu finanzieren. Die Ver9 10

SR 742.101 Studie Büro Ernst Basler & Partner im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr, Januar 1995, nach: DOK- Bericht, April 1996

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mittlung erfolgte bis vor kurzem durch den privaten Vermittlungsdienst der Stiftung Procom. Diese finanzierte sich einerseits durch Beiträge der Invalidenversicherung und Spenden, andererseits dadurch, dass sie von den Benutzerinnen und Benutzern relativ hohe Gebühren verlangte. So zahlten Gehörlose für ein Gespräch im Durchschnitt achtmal mehr als andere Telefonbenützer. Diese Benachteiligung ist im Rahmen des neuen Fernmeldegesetzes" per I.Januar 1998 weitgehend behoben worden: Im Rahmen der Grundversorgung muss den Hörbehinderten ein Vermittlungsdienst einschliesslich des Notrufs rund um die Uhr zum Tarif der günstigsten Tarifzone bereitgestellt werden.

Nach wie vor treten hingegen Probleme beim Telefonieren von öffentlichen Sprech- J stellen auf: Schwerhörige können diese nur benutzen, wenn sie einen Verstärker oder ein ausreichendes Magnetfeld für den Empfang mit der Telefonspule des Hörgerätes haben.

Ziel wäre es, dass Gehörlosen die Benutzung des Telefons in gleicher Weise wie den Hörenden ermöglicht wird. Sie sollten jederzeit und ohne zusätzliche tarifmässige Belastung über einen Vermittlungsdienst mit Hörenden telefonisch Kontakt aufnehmen können. Schwerhörigen sollte eine gewisse Anzahl öffentlicher Telefone mit Verstärkern zur Verfügung stehen.

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Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr

Die Benutzung von Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr ist für Menschen mit einer Körper- oder Sinnesbehinderung in unterschiedlicher Art und in unterschiedlichem Ausmass erschwert oder verunmöglicht. Nach Schätzungen sind etwa fünfzig Prozent der öffentlichen Einrichtungen wie Amtshäuser, Postämter, Kirchgemeindehäuser, Restaurants, Banken, Versicherungen, Geschäfte, Theater, Museen, Kinos und Schulen nicht rollstuhlgängig oder verfügen nicht über die notwendigen technischen und an die Bedürfnisse einzelner Behinderungsarten angepassten Einrichtungen. Dies, obschon heute in 25 von 26 Kantonen - und auf Bundesebene für Bauten der PTT und der SBB - einschlägige baugesetzliche Vorschriften für behindertengerechtes Bauen vorhanden sind. Die weitgehende Absenz einer Lobby bzw. von Organisationen mit Einsprachelegitimation führt dazu, dass Rechtsnormen nicht eingehalten werden, ohne dass jemand deswegen Sanktionen zu befürchten hätte.

Öffentliche Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr müssen so eingerichtet werden, dass ihre Benutzung für behinderte Menschen nicht erschwert oder ausgeschlossen wird. Dies erfordert rechtliche Grundlagen über hindemisfreies Bauen sowie über die Installation notwendiger behinderungsbedingter Einrichtungen auf kantonaler und eidgenössischer Ebene. Die Durchsetzung der einschlägigen Bestimmungen sollte dadurch verbessert werden, dass bestimmten Organisationen bzw.

· Fachstellen für behindertengerechtes Bauen Beschwerdemöglichkeiten eingeräumt werden.

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SR 784.10

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Wohnen in der eigenen Wohnung

Frauen und Männer mit einer Behinderung leben teilweise in Heimen, Servicehäusern oder in Wohngruppen. Solche Wohnformen können notwendig, verhältnismässig und von der betroffenen Person gewünscht sein. Regelmässig wird aber die Entfaltungsmöglichkeit, unter anderem durch die Hausordnung, eingeschränkt. Zusätzlich werden Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen in den Augen der Bevölkerung dadurch stigmatisiert, dass ihr Aufenthalt aus öffentlichen Geldern finanziert wird.

Dem Wohnen in der eigenen Wohnung stehen vor allem zwei Hindernisse entgegen: architektonische Barrieren und das Fehlen von technischen Einrichtungen für Behinderte. Die bedürfnisgerechte Anpassung verursacht je nach Einzelfall mehr oder weniger hohe Kosten. Diese können nur zum Teil durch Beiträge der Invalidenversicherung gedeckt werden; der Rest ist entweder von den Behinderten selbst oder mittels Hilfe von privaten Organisationen zu finanzieren.

Dem einzelnen sollte es ermöglicht werden, in einer an seine Bedürfnisse angepassten Wohnung zu leben; wenn er dies wünscht. Insbesondere sollten Kinder mit Behinderungen in der Wohnung ihrer Eltern oder der sie erziehenden Personen wohnen können. Durch eine vermehrte Bereitstellung von behindertengerechten Wohnungen und die Förderung von Assistenzdiensten, d. h. Hilfestellung Dritter bei der Führung des Haushaltes und bei den alltäglichen Lebensverrichtungen, könnte einiges in diese Richtung getan werden.

3 31

Die heutige Rechtslage.

Der geltende Gleichheitsartikel

Die geltende Bestimmung über die Rechtsgleichheit in Artikel 4 der Bundesverfassung enthält verschiedene in Rechtsprechung und Lehre gewonnene Teilgehalte, welche für die Stellung der Behinderten von Bedeutung sein können. 12 An erster Stelle steht das Gleichbehandlungsgebot, wonach Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln sei. Der faktischen Ungleichheit durch Behinderung ist somit Rechnung zu tragen.

Ein weiterer Teilgehalt von Artikel 4 der Bundesverfassung besteht in der Garantie von Teilhaberechten. Soweit staatliche Leistungen gewährt werden, besteht für alle Privaten unter gleichen Verhältnissen derselbe Anspruch auf rechtsgleiche Gewährung dieser Leistungen. 13 Die auf die Behinderung zurückzuführende faktische Ungleichheit darf nicht als Kriterium für die Verweigerung solcher Leistungen verwendet werden. Der Zugang zu staatlichen Einrichtungen ist somit Behinderten wie Nichtbehinderten in gleicher Weise zu gewähren. Die Frage ist nur, wie weit besondere Vorkehrungen für die Benutzung dieser Einrichtungen durch Behinderte getroffen werden müssen. Je mehr die Behinderten durch das Fehlen solcher Vorkehrungen in ihrem Anspruch auf Teilhabe am sozialen Leben beeinträchtigt werden, desto eher ist ein Anspruch auf die Gewährung einer entsprechenden Leistung gegeben.

Die herrschende Lehre und Praxis stehen justiziablen Ansprüchen auf positive staat12 13

A. Kölz, Rechtsgutachten zuhanden der SGK-Nationalrat, 28. Februar 1997 (nicht publiziert) G. Müller, Kommentar BV, Art. 4, Rz. 21, nach Rechtsgutachten A. Kölz

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liehe Leistungen, die sich allein auf den Gleichheitsartikel abstützen, zurückhaltend gegenüber; läuft aber die Nichtgewährung einer Leistung in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider, so wird dadurch das Willkürverbot verletzt.14 Kontrovers ist die Frage, ob Artikel 4 der Bundesverfassung auch einen Auftrag an den Gesetzgeber enthält, eine sozialgerechte Ordnung zu verwirklichen. Überwiegend wird ein solcher programmatischer Charakter des Gleichheitsgebots bejaht.

Konkret heisst das, dass die Gesetzgebung in Bund und Kantonen den Anspruch behinderter Menschen auf Gleichstellung soweit zu verwirklichen hat, als sich dies mit den Freiheitsrechten anderer verträgt. Wie die Praxis zeigt, sind jedoch vom geltenden Verfassungsrecht nur wenige konkrete Anstösse zugunsten einer tatsächlichen und rechtlichen Gleichstellung der Behinderten zu erwarten.

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Die rechtlichen Strategien der Behindertenpolitik

Welcher Behindertenbegriff liegt den verschiedenen Wirkungsbereichen der auf Gleichstellung gerichteten Politik zugrunde? Zu eng ist der Behindertenbegriff der Invalidenversicherung in der gemäss vierten IVG-Revision vorgesehenen Dreiteilung von körperlicher, psychischer und geistiger Behinderung. Ausländische Staaten lassen sich in der Regel vom dreistufig aufgebauten Behinderungsbegriff der Weltgesundheitsorganisation WHO leiten: Gesundheitsschaden - funktionelle Einschränkung - soziale Beeinträchtigung. Neuere Ansätze versuchen, von dieser mehr defektzentrierten Betrachtungsweise loszukommen und den Anspruch auf Gleichbehandlung als Menschen- und Bürgerrecht zu verstehen. Behinderung nach diesem Verständnis könnte dann jede Massnahme, Struktur oder Verhaltensweise sein, die Menschen mit Beeinträchtigungen Lebensmöglichkeiten nimmt, beschränkt oder erschwert. Es wird Aufgabe der von der Kommission geforderten schweizerischen Behindertenstatistik sein, die definitorischen Grundlagen unter Bezugnahme auf internationale Erfahrungen zu schaffen. 15 Auf der Ebene der Bundesverfassung sind vier Wirkungsbereiche der Behindertenpolitik zu unterscheiden: 321

Menschenwürde

Die Geschichte zeigt, dass seit jeher die unterschiedlichsten Kulturen die äusserlich wohlgeratenen Angehörigen der menschlichen Gattung bevorzugt und ihre entstellten oder behinderten Vertreter gefürchtet, ausgesondert und beiseite geschafft haben. 'S Die Grundrechte auf Leben und Menschenwürde, die der Verfassungsentwurf des Bundesrates in Artikel 6 zu achten und zu schützen gebietet, lehnen jede Bewertung von Leben oder jede Disqualifikation sogenannt minderwerten Lebens als inhuman ab. Neue Techniken der Diagnostik und der Therapie (z.'B. pränatale Diagnostik, Gentherapie) zeigen auf, dass die Gefahr der Minderbewertung behinderter Lebensformen nicht einfach der Vergangenheit angehört. Die ausdrückliche Veran14 15 16

G. Müller, Kommentar BV, Art. 4, Rz. 4a, nach Rechtsgutachten A. Kölz H.-G. Heiden (HG), Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden, rororo 1996,5. 15 ff..

Vgl. K. E. Müller, Der Krüppel, "etimologia passionis humanae", 1997; R. Traub, der Schrecken des Krüppels, Spiegel speziai 4/1997, S. 43 ff.

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kerung der Menschenwürde und des Rechts auf Leben in der Bundesverfassung dürfte jedoch die notwendigen verfassungsrechtlichen Schranken gegen jede Minderbewertung behinderten Lebens bilden. Zusätzliche verfassungsrechtliche Bestimmungen drängen sich in diesem Bereich nicht auf.

322

Diskriminierungsverbot

Kernbereich jeder Behindertenpolitik ist das Diskriminierungsverbot, wonach keine Person wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden darf. Artikel 7 Absatz 2 des Verfassungsentwurfs verankert dieses Verbot, wonach niemand wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung diskriminiert werden darf. Auch der Textentwurf der parlamentarischen Initiative Suter geht in seinem ersten Satz vom Diskriminierungsverbot aus.

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Gleichstellungsgebot

Das Verbot der Diskriminierung allein genügt nicht, um die Lebenssituation Behinderter jener sogenannt Normaler schrittweise anzugleichen. Es bedarf einer zusätzlichen Anstrengung des Gesetzgebers und der staatlichen Behörden, für die Gleichstellung der Behinderten in den verschiedenen Lebensbereichen zu sorgen, insbesondere in Schule, Ausbildung und Arbeit, Verkehr, Kommunikation und Wohnen.

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Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung mit Drittwirkung

Soweit das Verfassungsrecht dem Behinderten einen justiziablen, d. h. individuell durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Gleichstellung vermittelt, z.B. auf ungehinderten Zugang zu öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Bauten und Einrichtungen, wird ein Leistungsanspruch gegenüber dem Staat bzw. ein soziales Grundrecht normiert. Nach herrschender staatsrechtlicher Lehre kann von einem solchen sozialen Grundrecht nur gesprochen werden, wenn ein durchsetzbarer Rechtsanspruch des einzelnen bzw. eine individuelle Klagemöglichkeit besteht, wie sie z.B. das Gleichstellungsgesetz in den USA (Americans with disabilities act) -verwirklicht. Ein solches Recht entfaltet direkte Drittwirkung, wenn es auch gegenüber Privaten auf dem Klageweg durchsetzbar ist. Der dritte Satz des Textvorschlages der parlamentarischen Initiative Suter möchte den Zugang Behinderter zu Bauten und Anlagen, soweit sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind, auch im Verhältnis zu Privaten sicherstellen.

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Ausländische Rechtsordnungen USA

Als wegweisend auf dem Gebiete der Behindertenpolitik gelten die USA, wo bereits in den 70er Jahren umfassende gesetzliche Regelungen für die Gleichstellung behinderter Menschen verankert wurden. 17 Entsprechend den Besonderheiten des amerikanischen Rechtssystems wurde nicht der Weg über eine Verfassungsänderung, sondern über umfassende Gleichstellungsgesetze für Behinderte gewählt. Bereits 1973 wurde in der Section 504 des Rehabilitationsgesetzes der erste Gleichstellungsgrundsatz formuliert: «Kein ansonsten qualifizierter Behinderter darf nur aufgrund seiner Behinderung ausgeschlossen werden von der Teilhabe an einem Programm oder einer Aktivität, die finanzielle Unterstützung durch den Bund erhält.

Ihm dürfen weder deren Vorteile vorenthalten werden, noch darf er der Diskriminierung ausgesetzt sein.» Dieser Artikel bot eine wichtige Grundlage für die Zugänglichmachung weiter Bereiche des gesellschaftlichen Lebens für behinderte Menschen in den USA. Ein gesellschaftlicher Prozess wurde in Gang gesetzt, durch den Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen viele Türen geöffnet wurden, die ihnen aufgrund von Barrieren und fehlenden Hilfen bisher verschlossen waren. Im Jahre 1990 verabschiedete der Kongress der USA ein weiteres, viel umfassenderes Gleichstellungsgesetz für Behinderte, den «Americans with Disabilities Act (ADA)». Das neue Gesetz gliedert sich in fünf Hauptbereiche: Es verbietet Diskriminierungen von Behinderten bei der Einstellung und Beschäftigung, bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, bei der Benutzung des öffentlichen Personenverkehrs und bei der Inanspruchnahme von telekommunikativen Einrichtungen.

Überdies macht es Vorschriften für die Aktivitäten der Bundesstaaten und Kommunen.

Nach dem ADA ist es privaten und staatlich unterstützten Arbeitgebern mit mehr als 15 Arbeitnehmern verboten, für die Berufsausübung qualifizierte Menschen wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung, der Einstellung, Beförderung, Entlassung, Entlöhnung, Aus- und Fortbildung sowie hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zu diskriminieren. Die Arbeitgeber sind angewiesen, hinsichtlich den Anforderungen und den Strukturen einer Arbeitsstelle «angemessene Bedingungen» zu schaffen, die es Behinderten erlauben, die betreffende Tätigkeit auszuüben.

Als öffentliche
Einrichtungen und Dienstleistungen gelten Geschäfte, Hotels, Restaurants, Theater, Versammlungsräume, Büros, Museen, Parks, Schulen, Sportstätten, Ämter etc. Alle neuen Bauten, die von öffentlichen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, müssen für Behinderte zugänglich sein. Wie Studien gezeigt haben, werden dadurch die Baukosten durchschnittlich lediglich um 0,5 Prozent erhöht. Bei bestehenden Gebäuden müssen Veränderungen vorgenommen werden, wenn diese «leicht zu verwirklichen» und «ohne grössere Schwierigkeiten oder Kosten» umsetzbar sind. Die Barrieren müssen aber nicht nur für Rollstuhlbenutzer be17

Vgl. zu diesem Kapitel: «Gesetz über behinderte amerikanische Staatsbürger/innen "The Americans with Disability Act of 1990», ins Deutsche übersetzt von O. Miles-Paul und A. Strame!, Tagungsbericht Interessen Vertretung «Selbstbestimmt Leben», 1992 Ausführungen von O. Miles-Paul am Hearing der Subkommission SGK-N vom 7. Mai 1997 E. Murer, Personen mit Behinderungen, unpublizierter Aufsatz, 1997

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seitigt werden, sondern auch für andere Behindertengruppen wie die Sehgeschädigten und die Hörbehinderten. So sind öffentliche Einrichtungen dazu verpflichtet, auch .akustische Hilfsmittel und Dienstleistungen bereitzustelllen, um Menschen mit Behinderungen die Nutzung der angebotenen Güter oder Dienstleistungen zu ermöglichen. Dies umfasst sowohl die Bereitstellung von qualifizierten Gebärdendolmetschern oder anderen Hilfen für Hörbehinderte als auch die Bereitstellung von Materialien in Grossschrift, Brailleschrift oder auf Kassette für Sehbehinderte und Blinde. Wo solche Massnahmen eine «unangemessene Bürde» bedeuten würden, genügt es, dass Personal bereitsteht, um auf die speziellen Bedürfnisse behinderter Benutzer der Einrichtung einzugehen. So muss etwa das Personal in Gaststätten bereit sein, Sehbehinderten die Speisekarte vorzulesen.

Auch im öffentlichen Personenverkehr wurden mit der Verabschiedung des ADA erhebliche Verbesserungen erreicht. Seit August 1990 dürfen die öffentlichen Verkehrsbetriebe nur noch Busse in Betrieb setzen, die für Behinderte zugänglich sind.

Studien haben gezeigt, dass die Kosten für den Einbau von Hubliften den Kaufpreis um weniger als 5 Prozent übersteigen. Auch die Busse von privaten Firmen im Überlandverkehr müssen für Behinderte zugänglich sein, wobei ihnen jedoch eine Frist von sieben Jahren eingeräumt wurde. Den Betreibern von Eisenbahnen wurde eine Frist von fünf Jahren gewährt, innert der sie mindestens einen Waggon pro Zug für Behinderte zugänglich machen müssen; Neuanschaffungen müssen ausnahmslos rollstuhlgängig sein.

Um Hörbehinderten den Gebrauch der telekommunikativen Einrichtungen zu ermöglichen, wurden die Telefongesellschaften angewiesen, in den ganzen USA Relaissysteme mit dem notwendigen Personal zu betreiben; diese müssen Hör- und Sprachbehinderten rund um die Uhr zur Verfügung stehen und ihnen die Inanspruchnahme des Telefons ohne Mehrkosten ermöglichen.

In Anlehnung an die Bestimmungen des Rehabilitationsgesetze's, nach denen sämtliche Aktivitäten und Programme, die von der Bundesregierung gefördert und durchgeführt werden, behinderte Menschen nicht benachteiligen dürfen, wurde dieser Grundsatz durch das ADA auch den Bundesstaaten und Kommunen bezüglich der von ihnen geförderten Massnahmen auferlegt.

Die Einklagbarkeit der durch den
American with Disability Act vermittelten Ansprüche entspricht dem Klagerecht in anderen Bürgerrechtsgesetzen (civil rights laws), die andere benachteiligte Minderheiten betreffen. Klagen gegen die Verletzung des ADA können sowohl von Privatpersonen als auch von staatlicher Seite eingereicht werden. Der Generalstaatsanwalt kann in Fällen eines besonderen öffentlichen Interesses Geldstrafen beantragen: bei der erstmaligen groben Verletzung des Gleichstellungsgebots bis zu 50 000 $, im Wiederholungsfalle bis zu 100 000 $.

Einrichtungen, die finanzielle Unterstützungen durch die Bundesregierung erhalten, können die Zuschüsse durch den Bund entzogen werden, wenn sie Bestimmungen des ADA verletzen. Es wurde eine Vielzahl von staatlichen Kommissionen eingerichtet, die als Beschwerdestellen fungieren und einzelne Fälle von Diskriminierung herausgreifen und publik machen.

Um Klagen soweit wie möglich zu vermeiden, setzt die amerikanische Regierung vor allem auf Schulung und Information. So wurden seit der Verabschiedung des ADA in allen Teilen der USA zahlreiche Seminare durchgeführt, die sich an Arbeitgeber, Architekten, Verwaltungsangestellte usw. richten. Allein das Justizministerium der USA hat in den letzten Jahren über 70 Millionen Exemplare von Publikationen und Informationsblättern über den ADA verbreitet. Ein eigens für die richtige 2450

Umsetzung des Gesetzes eingerichteter, gebührenfreier telefonischer Informationsdienst wird monatlich durchschnittlich von 6500 Personen in Anspruch genommen.

Die verschiedenen Einrichtungen müssen von sich aus für die Zugänglichmachung ihrer Angebote sorgen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, verklagt zu werden. So ist es den amerikanischen Behinderten in einigen Bereichen gelungen, von stetigen Bittstellern zu kompetenten Beratern zu avancieren. Insgesamt hat die USGesetzgebung viel in Richtung tatsächlicher und rechtlicher Gleichstellung Behinderter bewirkt.

332

Australien und Kanada

Ausgehend von der Entwicklung in den USA, aber auch beeinflusst durch einen zunehmenden Bewusstseinswandel in den Gremien der Vereinten Nationen, förderten in den letzten Jahren eine Vielzahl von Ländern die Gesetzgebung zugunsten der Gleichstellung behinderter Menschen. Ähnlich wie die USA ist auch Australien direkt den Weg über die Schaffung eines Gleichstellungsgesetzes gegangen, ohne eine Verfassungsänderung vorzunehmen. Zahlreiche Länder dagegen haben im Laufe der letzten Jahre eine Verfassungsänderung vorgenommen, um die Stellung der Behinderten zu verbessern. So hat Kanada schon 1982 in Artikel 15 der Grundrechtscharta festgeschrieben, dass «Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, ihrer nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer geistigen oder körperlichen Schwächen diskriminiert werden dürfen».

Ein Gleichstellungsgesetz, das eine ähnliche Wirksamkeit wie das Gleichstellungsgesetz der-USA entfaltet, steht in Kanada allerdings noch aus.

333

Bundesrepublik Deutschland

Für die Schweiz dürfte die Lage in der Bundesrepublik Deutschland von besonderem Interesse sein. Das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 wurde durch eine Gleichstellungsnorm für Behinderte ergänzt (Änderung von 1994). Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) lautet neu: «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die. Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.» Der Anwendungsbereich des neuen Satzes in der Verfassung ist umstritten. 18 Es gibt im deutschen Rechtssystem keine allgemeingültige Definition von Behinderung.

Dagegen scheint die Frage geklärt, dass unter einer Benachteiligung auch eine Massnahme, die nicht direkt auf eine Diskriminierung von Behinderten abzielt, diese aber notwendigerweise zur Folge hat, gemeint ist. Nach der Lehre liegt eine Benachteiligung dann vor, wenn Regelungen oder andere Massnahmen der öffentlichen Gewalt Behinderte schlechter als Nichtbehinderte behandeln. Erstmals hat sich das 18

A. Jürgens, Hearing vor der Subkommission SGK vom 7. Mai 1997

2451

Bundesverfassungsgericht mit der neuen Bestimmung in einem Fall auseinandergesetzt, in dem es um die Zuweisung einer behinderten Schülerin in die Sonderschule geht. Das entsprechende Urteil 19 liegt nunmehr vor. Es bejaht einen individuellen Anspruch auf «integrative Beschulung» nur im Rahmen des «tatsächlich Machbaren» und räumt dabei den Schulbehörden einen weiten Ermessensspielraum ein (Beschränkung auf Willkürprüfung). Auch andere Elemente des Urteils verdienen Beachtung, z.B. die Herleitung einer qualifizierten Begründungspflicht bei Abweichung vom Gleichstellungsgebot.

Die neue Bestimmung wurde auch von anderen Gerichten, z.B. bei der Anwendung und Auslegung des Privatrechts, als Wertentscheidung des Verfassungsgebers berücksichtigt. So hat ein Amtsgericht das Benachteiligungsverbot herangezogen, als es entschied, dass die Miteigentümer eines Hauses ihre Einwilligung nicht verweigern dürfen, wenn eine gehbehinderte Miteigentümerin einen rollstuhlgerechten Zugang zu ihrer Wohnung bauen will. 20 Dabei stützte sich das Gericht auf eine Klausel im Wohneigentumsgesetz, wonach die Eigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme'verpflichtet sind. Diese Generalklausel wurde zur indirekten Drittwirkung des Grundrechts herangezogen. In einem anderen Fall hat dagegen das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Stellenbewerber danach fragen darf, ob er schwerbehindert sei, auch'wenn diese Eigenschaft für den Arbeitsplatz keinerlei Bedeutung hat. Das Gericht entschied, dass, solange es keine gesetzliche Umsetzung des Gleichheitssatzes im Arbeitsrecht gebe, Artikel 3 des Grundgesetzes keine Wirkung zwischen Privaten entfalte. 21

334

Andere Mitgliedstaaten der EU

Neben Deutschland haben noch andere EU-Mitgliedstaaten eine ausdrückliche Erwähnung der Behinderten in ihre Verfassungen aufgenommen 22 .

Die Republik Griechenland hat schon im Jahre 1986 folgende Formulierung in ihre Verfassung vom 9. Juni 1975 aufgenommen: Artikel 21 « ...Kinderreiche Familien, Versehrte aus Krieg und Frieden, Kriegsopfer, Waisen und Witwen der im Krieg Gefallenen sowie die an unheilbaren körperlichen oder geistigen Krankheiten Leidenden haben Anspruch auf die besondere Fürsorge des Staates. Der Staat sorgt für die Gesundheit der Bürger und trifft besondere Massnahmen zum Schutze der Jugend, des Alters, der Versehrten und für die Pflege Unbemittelter.» Die Verfassung des Königreiches Spanien vom 29. Dezember 1978'enthält in Artikel 49 (Änderung vom 27. August 1992) folgende Bestimmung: «Die öffentliche Gewalt betreibt eine Politik der Vorsorge, Behandlung, Rehabilitation und Eingliederung der körperlich und geistig Behinderten, denen sie die besondere Aufmerksamkeit zuwendet, derer sie bedürfen. Sie gewährt ihnen besonderen Schutz bei der Inanspruchnahme der Rechte, die dieser Titel allen Bürgern gewährt.» Die Republik Portugal hat in Artikel 71 ihrer Verfassung vom 2. April 1976 folgende Bestimmung aufgenommen (Änderung vom 25. Nov. 1992): «Körperlich oder geistig behinderte Bürger haben uneingeschränkt alle in der Verfassung verankerten 19 20 21 22

BVR 9/97 vom 8. Oktober 1997, noch nicht publiziert Nicht publiziert NJW (Neue Juristische Wochenschrift) 1996, Seite 2323 ff.

Beck-Texte im dtv, Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, 3. A, München 1993, nach L. Fischli-Giesser, Textsammlung, Universität Bern, 12. Juli 1995

2452

Rechte und Pflichten mit Ausnahme derer, zu deren Wahrnehmung und Erfüllung sie nicht imstande sind. Der Staat verpflichtet sich, auf nationaler Ebene eine Politik der Vorsorge und Behandlung, der Rehabilitation und Resozialisierung von Behinderten zu verfolgen sowie eine Pädagogik der Bewusstseinsbildung der Gesellschaft zu entfalten, hinsichtlich des Erkennens der Pflicht, Behinderte zu achten und sich mit ihnen solidarisch zu fühlen und unbeschadet der Rechte und Pflichten der Eltern und Vormünder, die Aufgabe zu übernehmen, Rechte der Behinderten wirksam durchzusetzen. Der Staat unterstützt die Behindertenorganisationen.» Auch die Republik Irland hat eine entsprechende Änderung von Artikel 40 ihrer Verfassung vom 1. Juli 1937 vorgenommen (Änderung vom 26. Nov. 1992): «Als Menschen sind alle Bürger vor dem Gesetze gleich. Dies bedeutet nicht, dass der Staat in seinen Gesetzen nicht die gebührende Rücksicht auf die unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die unterschiedlichen sozialen Funktionen nehmen muss.» Eine sinngemässe Erwähnung der Behinderten findet sich in der Verfassung der Republik Italien vom 27. Dezember 1947 (mit Änderung von 1967): Artikel 38 «...

Arbeitsunfähige und nur beschränkt arbeitsfähige Personen haben ein Recht auf Erziehung und Berufsbildung.» Artikel 3: «Alle Staatsbürger geniessen dieselbe soziale Achtung und sind vor dem Gesetz gleich, ohne Unterscheidung nach Geschlecht, Rasse, Sprache, Religion, politischen Ansichten sowie persönlichen und sozialen Verhältnissen. Es ist Aufgabe der Republik, die Hindernisse wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art zu beseitigen, die die Freiheit und Gleichheit der Bürger tatsächlich einschränken, und die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die wirksame Teilnahme aller Arbeitenden an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung des Landes verhindern.» Schliesslich hat die Republik Österreich am 14. August 1997 eine Verfassungsänderung in Kraft gesetzt. In Artikel 7 Absatz l des Bundes-Verfassungsgesetzes wurden folgende Sätze angefügt: «Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennen sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.»
23 In Frankreich ist schon seit 1990 ein Antidiskriminierungsgesetz in Kraft, das die Gleichstellung der Behinderten regelt. Dieses Gesetz bietet eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten im Falle von'Diskriminierungen: zum Beispiel Geldstrafen zwischen 2000 und 40 000 Francs und in besonderen Fällen auch Haftstrafen von zwei Monaten bis zu einem Jahr. Gastwirte, die sich weigern, behinderte Gäste zu bewirten, müssen sich seit der Verabschiedung dieses Gesetzes im Falle einer Klage vor Gericht verantworten, ähnlich wie Taxifahrer oder andere Dienstleistungsanbieter, die sich weigern, behinderte Menschen zu bedienen. Neben der individuellen Klage gibt es die Möglichkeit des Verbandsklagerechtes, wobei als einzige Voraussetzung gilt, dass der Verband bereits fünf Jahre lang geschäftsfähig sein muss.24 Bezieht man die Gesetzgebung mit in die Betrachtung ein, so muss insgesamt festgestellt werden, dass die Behindertenproblematik in den EU-Staaten stärker ins öf-

23 24

BGBI.I Nr. 87/1997 H.G. Heiden (HG.): Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden, rororo 1996 2453

fentliche Problembewusstsein gerückt erscheint als in der Schweiz, vor allem aufgrund der Erfahrungen mit den Kriegsversehrten des zweiten Weltkriegs. 25

335

Völkerrechtliche Bestimmungen

Gemäss den Zielen und Prinzipien der Charta der Vereinigten Nationen haben Menschen, die an einem Gebrechen leiden, die gleichen bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie kulturellen Rechte und dürfen diese in gleicher Weise ausüben wie gesunde Menschen. Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stipuliert, dass jeder Mensch Anspruch habe auf eine «Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlergehen gewährleiste» sowie «das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter oder anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände». Ein Weltprogramm zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen lädt die Staaten ein, die nötigen Schritte zur Gleichstellung zu unternehmen. Auch der Europarat hat verschiedene Projekte lanciert, um den Behinderten die wirtschaftliche und soziale Integration zu erleichtem, ihnen gleiche Chancen zu geben und ihnen ein selbständiges Leben zu ermöglichen. 26 Schliesslich sei noch auf ein Dokument des Moskauer Treffens der Konferenz über die Menschliche Dimension der KSZE27 vom 3. Oktober 1991 hingewiesen, das in Ziffer 41 wie folgt lautet: «Die Teilnehmerstaaten beschliessen, 1) den Schutz der Menschenrechte für Behinderte zu gewährleisten; 2) Massnahmen zu treffen, um die Chancengleichheit und die volle Teilnahme solcher Personen am öffentlichen Leben zu gewährleisten; 3) die angemessene Beteiligung solcher Personen an sie betreffenden Entscheidungen zu fördern; 4) zu Dienstleistungen ,und zur Ausbildung von Sozialarbeitern im Hinblick auf die berufliche und soziale Eingliederung von Behinderten zu ermutigen; 5) zu günstigen Zugangsmöglichkeiten für Behinderte zu öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, zu Wohnhäusern, Transportmitteln sowie kulturellen Veranstaltungen und Erholungsmöglichkeiten zu ermutigen.»

II Besonderer Teil 4

Erläuterung zu den einzelnen Bestimmungen des Verfassungsentwurfs (Art. 4 BV) Erster Satz: Diskriminierungsverbot

41

Kernbereich jeder Behindertenpolitik ist das Diskriminierungsverbot, wonach keine Person wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden darf. Artikel 7 Absatz 2 des Verfassungsentwurfs (VE) des Bundesrates 28 verankert dieses Verbot, wonach niemand wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung diskriminiert werden 25 26 27 28

E. Knappel/B. Frick, Schwerbehinderte und Arbeitswelt, Frankfurt a. M./NewYork 1988 H. Koller, Die Stellung und der Schutz der Menschen mit einer Behinderung, unpubliziertes Referat, November 1994 Mit empfehlendem Charakter Anhang 3

2454

darf. Auch der Textentwurf der parlamentarischen Initiative Suter geht in seinem ersten Satz vom Diskriminierungsverbot aus.

Im Sinne des dreiteiligen Invaliditätsbegriffs gemäss dem bundesrätlichen Entwurf zur vierten IVG-Revision 29 werden im Entwurf der SGK die Behinderungsformen in ihrer körperlichen, geistigen und psychischen Ausprägung konkretisiert. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass Behinderung häufig mit körperlicher Behinderung und die Behinderten vor allem mit den motorisch, d. h. den in ihrer Fortbewegungsfreiheit Beeinträchtigten, gleichgesetzt werden. Die unsichtbaren psychischen Behinderungen dagegen werden weniger wahrgenommen, was in Ausnahmefällen einen Schutz, häufig aber eine zusätzliche Diskriminierung bedeuten kann. Man müsste in ihrem Falle eher von Beeinträchtigung als von Behinderung sprechen; da aber der Begriff Behinderung allgemein gebräuchlich ist, soll er beibehalten werden.

Entgegen der zuweilen geäusserten Auffassung handelt es sich bei der psychischen Behinderung um keine neu zur Anerkennung gebrachte Behinderungsform. Psychisch Behinderte sind in den IV-Richtlinien und der IV-Praxis seit längerer Zeit als gleichberechtigt anerkannt.

42

Zweiter Satz: Gleichstellungsgebot

Das Verbot der Diskriminierung allein genügt nicht, um die Lebenssituation Behinderter jener sogenannt Normaler schrittweise anzugleichen. Es bedarf einer zusätzlichen Anstrengung des Gesetzgebers und der staatlichen Behörden, für die Gleichstellung der Behinderten in den verschiedenen Lebensbereichen zu sorgen, insbesondere in Schule, Ausbildung und Arbeit, Verkehr, Kommunikation und Wohnen.

Es sei auf die noch immer bestehende Ungleichbehandlung Behinderter in zahlreichen Bereichen hingewiesen, wie sie die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) in seinem Bericht 30 eindrücklich dargestellt hat (vgl.

Ziff. 2).

Der Fassung der Kommission liegt die Einsicht zugrunde, dass eine absolute Gleichstellung Behinderter kaum je erreichbar ist und dass eine rechtliche Gleichstellung der Behinderten mit den Nichtbehinderten nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung ihrer Situation führt. Gleichstellung ist ein Wort, das in der Regel auf Probleme zugeschnitten ist, bei welchen die gleichzustellenden Individuen, abgesehen von kleinen physischen Unterschieden, faktisch gleich sind und nur noch rechtlich gleichgestellt werden müssen. Bei den Behinderten bestehen aber auch Ungleichheiten faktischer Natur, welche zuweilen eine rechtliche Differenzierung oder eine spezielle Förderung nötig machen. Wo die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung nicht erreicht werden kann, ist jedenfalls auf die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen hinzuwirken. Dies ist nach Ansicht der Kommissionsmehrheit im Begriff der Gleichstellung durchaus mitenthalten, verlangt sie doch eine differenzierende Gleichbehandlung nach Massgabe der tatsächlichen Ungleichheit. Eine Minderheit beantragt, gemäss dem Antrag der Subkommission den Begriff «Gleichstellung» durch «Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen» zu ersetzen. Der Begriff Gleichstellung könnte ihrer Ansicht nach bedeuten, dass den Behinderten Dinge zugestanden werden müssen, die faktisch einfach nicht möglich sind, sei es zu ihrem eigenen 29 30

Botschaft 97.052, Art. 4 Abs. l Bundesgesetz über die Invalidenversicherung DOK, Diskriminierung behinderter Menschen in der Schweiz - Benachteiligungen und Massnahmen zu deren Behebung, Zürich, April 1996 2455

Schutz oder im Hinblick auf Freiheiten anderer. Die Sorge um die Gleichwertigkeit, der Lebensbedingungen drücke zudem klarer aus, dass im Hinblick auf das Ziel der Gleichstellung für die Behinderten mehr getan werden müsse als für die Nichtbehinderten. Eine weitere Minderheit beantragt, den Zusatz «im Rahmen der verfügbaren Mittel», wie ihn die Subkommission vorgesehen hatte, aufzunehmen. Die Mehrheit ist aber der Ansicht, dass dieser ausdrückliche Hinweis auf die Verhältnismässigkeit nicht nötig sei.

In verschiedenen Lebensbereichen ist es somit angezeigt, Behinderte im besonderen Masse gegenüber sogenannt Normalen zu fördern und ihnen zum Ausgleich der faktischen Ungleichheit zusätzliche Ansprüche einzuräumen und besondere Einrichtungen zu vermitteln. Dies gilt in besonderem Masse für den Bereich der Sonderschulung. Auch wenn in diesem Bereich gegenüber früher vermehrt integrative Bildungsformen der Sonderpädagogik bevorzugt werden, steht allseits ausser Zweifel, dass ohne besondere Einrichtungen in diesem Bereich die Förderung handicapierter Schülerinnen und Schüler nicht zu bewältigen ist. Die Lebensumstände und die Lebensbedingungen Behinderter mögen von jenen Nichtbehinderter in einem gewissen Ausmass verschieden bleiben; sie müssen aber stets am Gebot der qualitativen Gleichwertigkeit gemessen werden können. Es wird also mit anderen Worten nicht durchwegs völlige Identität der Lebensbedingungen angestrebt, sondern nach dem Massstab der Lebensqualität und der gleichen Lebenschancen gleichwertige Rahmenbedingungen.

Notwendig sind nicht nur staatliche Massnahmen im Sinne von Geboten und Verboten. Gerade im Bereiche der Wiedereingliederung Behinderter auf dem Arbeitsmarkt sind vermehrt Anreizmodelle notwendig, welche Unternehmer motivieren, Behinderte zu beschäftigen. Die zum Teil im Ausland geltenden Quotensysteme haben sich nicht restlos bewährt. Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmer in diesem Bereich weniger auf staatliche Gebote und Verbote reagieren, als vielmehr auf finanzielle, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Anreize. Die grossen Behindertenorganisationen unter Federführung der Pro Mente Sana haben im Mai 1997 zwei solche Anreizmodelle zur Diskussion gestellt, das Bonus-Malus-Konzept zur Förderung der Integration durch einen Ausgleichsfonds und ein Anreizsystem der
Invalidenversicherung (Förderung der Integration durch einen finanziellen Anreiz).

Auch im Rahmen der Expertenanhörung zur wirtschaftlichen Situation Behinderter wurde auf den Stellenwert ökonomischer Anreize hingewiesen, die bislang in der Schweiz fehlen und daher prioritär ins Auge zu fassen seien.

Schliesslich hat die Kommission mit zwei Ergänzungen zum Ausdruck gebracht, dass die private Initiative nach wie vor ein wichtiges Element bei der Förderung von Behinderten bleiben soll: «...es sieht in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung Massnahmen und Anreize ,...VOD>. Der Staat möchte die Anstrengungen Privater im Bereiche der Gleichstellung und Förderung Behinderter nicht ersetzen, sondern ergänzen und unterstützen. Behinderte sind in einem besonderen Masse auf intakte Sozialbeziehungen angewiesen. Staatliche Förderung soll diesen sozialen Verantwortungszusammenhang nicht schwächen, sondern ermutigen und stärken.

Darin eingeschlossen sind auch die Bemühungen zahlreicher Behindertenorganisationen, die durch den Staat im Rahmen der privaten Invalidenhilfe finanziell unterstützt werden. Eine Kommissionsminderheit möchte die Formulierung «in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung» streichen; sie sieht darin eine unnötige Einschränkung.

2456

43

Dritter Satz: Leistungsansprüche mit Drittwirkung

Der dritte Satz des vorgesehenen Verfassungsartikels enthält die verfassungsrechtliche Verankerung justiziabler Leistungsansprüche Behinderter mit Wirkung auch gegenüber Privaten (Drittwirkung). Soweit das Verfassungsrecht dem Behinderten einen justiziablen, d. h. individuell durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Gleichstellung vermittelt, z.B. auf ungehinderten Zugang zu öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Bauten und Einrichtungen, wird ein Leistungsanspruch gegenüber dem Staat bzw. ein soziales Grundrecht normiert. Nach herrschender staatsrechtlicher Lehre kann von einem solchen sozialen Grundrecht nur gesprochen werden, wenn ein durchsetzbarer Rechtsanspruch des einzelnen bzw. eine individuelle Klagemöglichkeit besteht, wie sie zum Beispiel das Gleichstellungsgesetz in den USA (Americans with disabilities act) verwirklicht. Ein solches Recht entfaltet direkte Drittwirkung, wenn es auch gegenüber Privaten auf dem Klageweg durchsetzbar ist.

Der dritte Satz des Entwurfs der Kommission möchte den Zugang Behinderter zu Bauten und Anlagen sowie zu Einrichtungen und Leistungen, soweit sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind, auch im Verhältnis zu Privaten sicherstellen. Ein Teil der Kommission erachtet ein solches Recht als nicht justiziabel, weil inhaltlich zuwenig bestimmt. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass auch andere soziale Grundrechte, z.B. das ungeschriebene Grundrecht auf materielle Existenzsicherung 31 , der Auslegung und der Konkretisierung durch den Verfassungsrichter bedürfen.

Eine Schranke bildet der Grundsatz der Zumutbarkeit. Bauten und Anlagen sowie die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen sind dem Behinderten nur soweit zugänglich zu machen, als dies unter dem Gesichtspunkt der verfügbaren Mittel und Möglichkeiten als zumutbar erscheint. Damit wurde insbesondere dem Einwand Rechnung getragen, die Umgestaltung bestehender Gebäude und Einrichtungen könnte erhebliche Kostenfolgen auslösen. In den Beratungen wurden auch andere Möglichkeiten geprüft, um die Drittwirkung solcher Ansprüche insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kostenfolgen zu mildern. So wurde eine Übergangsbestimmung erwogen, wonach die Zugänglichkeit zu Bauten und Anlagen, welche der Öffentlichkeit zugänglich sind, erst nach einer Übergangszeit von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Bestimmungen
zu gewährleisten sei. Erwogen wurde auch, den Massstab der Zumutbarkeit zu konkretisieren, z.B. durch den Nebensatz, der Zugang zu Bauten und Anlagen und die Inanspruchnahme von Einrichtungen sei zu gewährleisten, soweit dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei. Es erwies sich, dass diese Präzisierungen den Ermessensspielraum eher einengen und nicht allen möglichen Fällen Rechnung tragen.

Ausserdem wurde die Ergänzung «...Einrichtungen oder Leistungen....» eingeführt.

Das Wort «Leistungen» umfasst Dienstleistungen wie z.B. Konzertveranstaltungen, Reisen etc., die mit dem Wort «Einrichtungen» nicht ohne weiteres umfasst würden.

Durch diese Erweiterung werden die Bedürfnisse gewisser Behindertenkategorien, vor allem der Sinnesbehinderten, besser abgedeckt. Die Kommission hat bewusst auf eine Aufzählung der Bereiche verzichtet, in denen Handlungsbedarf gegeben ist, da diese ohnehin nur beispielhaft sein könnte und unter Umständen dem Wandel der Technik und der Wertvorstellungen zu wenig Rechnung tragen würde. Sie ist aber klar der Auffassung, dass es sich um Bereiche wie Schule, Ausbildung und Arbeit, Verkehr, Kommunikation - z.B. die Benützung von Telecom-Einrichtungen - und Wohnen handelt.

31

Art. 10 VE 2457

44

Verhältnis des Verfassungsentwurfs der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) zum Vorschlag der Verfassungskommission (Nachführung)

Es sei auf die Ausführungen in Ziffer 14 vorstehend verwiesen. Es ist bedauerlich, dass keine inhaltliche Kongruenz zwischen diesen Anträgen besteht 32 , zumal zusätzlich eine materielle Differenz zum Beschluss des Ständerates vom 20. Januar 1998besteht.33

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die finanziellen und personellen Auswirkungen der neuen Verfassungsbestimmung sind zurzeit kaum abschätzbar. Wie gross der Aufwand für die einzelnen Kostenträger wäre, hängt davon ab, welche Wirkung die neue Bestimmung auf die Gesetzgebung und die Gerichtspraxis entfalten würde. Im übrigen sind die einzelnen Kostenträger nicht definiert. Neben dem Bund würden in erster Linie die Kantone und Gemeinden zu Mehrausgaben verpflichtet; aber auch gewisse Sozialversicherungen wie zum Beispiel die Invalidenversicherung, die. Krankenversicherung und die berufliche Vorsorge könnten mittels Gesetzesänderung zu Mehrausgaben verpflichtet werden.

Anderseits könnten eine grössere Selbständigkeit und die bessere Integration der Behinderten in manchen Bereichen auch zu Einsparungen für die öffentliche Hand führen. Es sei aber betont, dass der Kerngehalt der neuen Verfassungsbestimmung durchaus im bestehenden Gleichheitsartikel von Artikel 4 der Bundesverfassung schon angelegt ist, so dass die Auffassung irrig ist, neues Recht schaffe neue Aufwendungen des Staates.

9555

32 33

Anhänge 4 und 5 Anhang 6

2458

Anhang l Subkommission Gleichstellung der Behinderten Begleitende Experten Prof. Pierre Tschannen, Institut für öffentliches Recht, Universität Bern Ruedi Prerost, Vertreter der ASKIO (Arbeitsgruppe schweizerischer Kranken- und Invalidenselbsthilfeorganisationen, neu: Behinderten-Selbsthilfe Schweiz), Bern Liste der angehörten Personen (in der Reihenfolge ihrer Anhörungen) Jürg Gassmann, Zentralsekretär von Pro Mente Sana Claudia Babst, Zentralsekretärin von Insieme (Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für geistig Behinderte) Prof. Dr. Urs Häberlin, Universität Freiburg Prof. Alfred Kölz, Universität Zürich Werner Haug, Vizedirektor Bundesamt für Statistik Andreas Trösch, Bundesamt für Justiz .

Prof. Hans Schmid, Hochschule St. Gallen Ottmar Miles-Paul, Geschäftsführer des Behindertenverbandes Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben, Kassel Andreas Jürgens, Sprecher des Forums behinderter Juristinnen und Juristen,.Kassel Vertreter der Verwaltung Beatrice Breitenmoser, Bundesamt für Sozialversicherung Franz Wyss, Bundesamt für Sozialversicherung Markus Buri, Bundesamt für Sozialversicherung Beatrice Aubert, Bundesamt für Justiz

2459

Anhang 2 97.3393

Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N)

Behindertenstatistik Der Bundesrat wird beauftragt, durch die Bundesämter für Sozialversicherung und Statistik und in Koordination mit den Projekten des Nationalfonds NFP 8 «Behinderte Menschen in der Schweiz» den Aufbau einer schweizerischen Behindertenstatistik in die Wege zu leiten, welch die persönliche und finanzielle Situation der Behinderten in allen Sozialversicherungszweigen (IV, UV, AH, MV, BVO) und in der Sozialfürsorge berücksichtigt.

97.3394

Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N)

4. IV-Revision. Wiedereingliederung Behinderter Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzgeberische Umsetzung von Anreizmodellen zur wirksameren beruflichen Wiedereingliederung Behinderter in die Arbeitswelt im Rahmen der vierten IVG-Revision vorrangig zu prüfen.

2460

Anhang 3 96.091

sn/ns Bundesverfassung. Reform

Entwurf des Bundesrates Artikel 7 Rechtsgleichheit 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, der sozialen Stellung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung.

Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre Gleichstellung, namentlich in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.

2461

An/lang 4 Nationalrat Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK)

Antrag der SGK an die Verfassungskommission vom 15. August 1997 Artikel 7 Rechtsgleichheit 1 unverändert 2 ... oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

3 unverändert 4 ( cu) " Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung der Behinderten mit den Nichtbehinderten; es sieht in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung Massnahmen und Anreize zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vor. Der Zugang zu Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ist soweit zumutbar gewährleistet.

2462

Anhang 5 Nationalrat Verfassungskommission

Antrag der Verfassungskommission vom 21. November 1997 Artikel 7 Rechtsgleichheit 1 (deutsche Fassung gemäss Bundesrat) 2 ... der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen...

... einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

3 ... sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, namentlich...

4 Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung der Behinderten, es sieht Massnahmen zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vor.

2463

Anhang 6 Ständerat

Beschluss vom 20. Januar 1998 Artikel 7 Rechtsgleichheit ' unverändert 2 Niemand darf diskriminiert werden.

unverändert'

9555

2464

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Entwurf

Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in den Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 13. Februar 19981 und in die Stellungnahme des Bundesrates vom ...-, beschliesst: Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 4 Abs. 3: 3 Keine Person darf wegen ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung benachteiligt werden. Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung der Behinderten mit den Nichtbehinderten; es sieht in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung Massnahmen und Anreize zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vor. Der Zugang zu Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ist soweit zumutbar gewährleistet.

9555

1 2

BB1 1998 2437 BB1 1998 ...

2465

Bundesverfassung

Minderheitsanträge Artikel 4 Absatz 3 BV Minderheit I (Egerszegi, Borer, Deiss, Fischer-Seengen, Hochreutener, Pidoux, Rychen, Schenk) ' Das Gesetz sorgt für die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen von behinderten und nichtbehinderten Menschen;...

Minderheit II (Schenk, Borer, Deiss, Eymann, Fischer-Seengen, Gysin, Hochreutener, Pidoux, Rychen) 2 Das Gesetz sorgt im Rahmen der verfügbaren Mittel für...

Minderheit III (Coll, Baumann Stephanie, Bühlmann, Cavalli, Cross Jost, Hafner Ursula, Jeanprêtre, Pasquier, Rechsteiner Paul) 2..«in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung»... streichen 9555

2466

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Parlamentarische Initiative Gleichstellung der Behinderten (Suter) Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 13.Februar 1998

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Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1998

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

18

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95.418

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.05.1998

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2437-2466

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