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Ans den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrathes.

(Vom 5. April 1892.)

Der schweizerische Bundesrath hat den Rekurs des Herrn Heinrich Häberlin, Advokat von Bissegg, in Frauenfeld (Thurgau) gegen einen Beschluß des Kantonsgerichts von Waadt, vom 20. Februar 1892, betreffend die Ausübung des Anwaltberufes im Kanton Waadt auf Grund eines thurgauischen Anwaltspatentes, gestützt auf folgende Erwägungen begründet erklärt: 1. Der Art. 5 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung ist seinem Inhalte nach ein wesentlicher Bestandtheil des Art. 33 des nämlichen Grundgesetzes, indem er angibt, was Rechtens sein solle während des Zeitraums zwischen dem Inkrafttreten der Bundesverfassung und demjenigen des verheißenen Bundesgesetzes betreffend die Erwerbung von Ausweisen für die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten im ganzen Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft. Hieraus folgt, daß über Streitigkeiten betreffend die Auslegung jenes Art. 5 dieselben Behörden zuständig sind wie über Beschwerden in Betreff der Anwendung des Art. 33 ; Beschwerden der letztern Art unterliegen aber gemäß Art. 59, 2. Absatz, Ziff. 8, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege der Beurtheilung des Bundesrathes und in letzter Linie der Bundesversammlung. Demnach hat der Bundesrath, vvas übrigens von den Parteien nicht bestritten ist, die vorliegende Beschwerde zu prüfen und zu beurtheilen.

2. Was die Streitfrage selbst anbelangt, so ist der Inhalt des citirten Art. 5 so klar, daß Zweifel über dessen Tragweite unmöglich aufkommen können. Er geht dahin, daß, so lange das in Art. 33 verheißene Bundesgesetz noch nicht besteht, jeder Kanton gehalten ist, dem Besitzer eines von einem andern Kantone ausgestellten Fähigkeitsausweises für eine wissenschaftliche Berufsart die Ausübung dieser Berufsart zu gestatten, und zwar in dem Umfange, in welchem seine, des verpflichteten Kantons, Gesetze

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diese Berufsart anerkennen und zulassen. Der Kanton, an den ein soches Zulassungsbegehren gerichtet wird, ist dem letztern gegenüber nicht zu Einschränkungen befugt, die aus Niederlassungsverhältnissen oder aus der Verschiedenheit der Anforderungen abgeleitet sind, welche in den Kantonen in Betreff der Erwerbung von Patenten für die Ausübung einer gegebenen wissenschaftlichen Berufsart bestehen. Wohl aber kann die Staatsbehörde, unter deren unmittelbarer Aufsicht die Ausübung der Berufsarfc steht, den ihr nach Art. 5 unterbreiteten Fähigkeitsausweis darauf prüfen, ob er in dem Kantone, der ihn ausgestellt hat, wirklich zur unbedingten Ausübung des Berufes, auf den er lautet, berechtige.

Das Kantonsgevicht von Waadt, dem nach den dortigen Gesetzen die Entscheidung über die Zulassung zur Anwaltspraxis zusteht, hat, wie es scheint, im vorliegenden Fall auf eine Prüfung in dieser Richtung verzichtet; wenigstens gründet es die Ablehnung des Gesuches des Herrn Häberlin nicht auf einen Fehler des von demselben vorgelegten Fähigkeitsausweises, sondern auf Anschauungen der erstangedeuteten Art, für welche, wie schon gesagt, der Art. 5 der Uebergangsbestimmungen gar keinen Anhaltspunkt gibt, und die der Bundesrath daher auch nicht als begründet anerkennen kann.

3. Aus den schon angeführten Gründen kann der Bundesrath ebensowenig auf das Begehren des Staatsrathes von Waadt eintreten, welches Zurückweisung der Angelegenheit an das Kantonsfericht zur nochmaligen Vornahme einer Prüfung verlangt. Der taatsrath ist vor Rücksendung des Rekurses an den Bundesrath in der Lage gewesen, dem Kantonsgericht von sich aus die nochmalige Erwägung der Angelegenheit nahe zulegen ; für den Bundesrath liegt keine Veranlassung hiezu vor. Auf die vom Staatsrathe gegen die Zureehterkennung des Rekurses geäußerten Bedenken materieller Natur ist zu erwidern, daß der Art. 5 eben nur eine Uebergangsbestimmung ist, deren Herrschaft aufhört, sobald das in Art. 33 der Bundesverfassung vorgesehene Gesetz in Kraft tritt, dem es anheim gestellt ist, die Verabfolgung von Fähigkeitsausweisen für die wissenschaftlichen Berufsarten mit den wünschbaren Garantien zu umgeben. (Vgl. auch Bundesbl. 1881, II, 91.)

(Vom 8. April 1892.)

Der Bundesrath hat den Rekurs des R. Sutter in Appenzell gegen die innerrhodische Verordnung vom 9. April 1888, betreffend den Kleinhandel mit gebrannten Wassern, bezw. das Begehren um Aufhebung des Art. 5 jener Verordnung, der von den Wirthschaften

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eine besondere Patenttaxe für den Ausschank von gebrannten Wassern verlangt, theils wegen sachlicher Unbegründetheit, theils wegen Inkompetenz abgewiesen.

Dem zum Generalkonsul der Vereinigten Staaten Amerika's in St. Gallen beförderten Herrn Samuel H. M. B y e r s , bisherigem Konsul, wird das Exequatur ertheilt.

Der Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1891, betreffend Erhöhung des jährlichen Gesammtkredites für die schweizerische meteorologische Centralanstalt, gegen welchen innerhalb nützlicher Frist keine Referendumsbegehreu eingegangen sind, wird in die amtliche Sammlung aufgenommen und tritt sofort in Kraft.

(Vom 9. April 1892.)

Handelsvertrag mit Italien.

Nachdem durch die in Bern mit dem Delegirten Italiens, Herrn Malvano, gepflogenen Unterhandlungen die Situation über die noch bestehenden hauptsächlichsten Differenzpunkte sich abgeklärt hat, werden die Schlußverhaodlungen nächsten Dienstag Nachmittags in Zürich wieder aufgenommen werden.

(Vom 12. April 1892.)

Herr Dr. jur. Paul R i t t e r , aus Basel, wird mit dem Titel eines Legationssekretärs als Berufs-Vicekonsul zur provisorischen Leitung des schweizerischen Generalkonsulates nach Yokohama gesandt.

^Wahlen.

(Vom 5. April 1892.)

Finanz- und Zolldepartement.

Einnehmer beim Nebenzollamt Pierre-Grand : Herr Louis Meilland, von Liddes (Wallis), bisher Grenzwächter-Einnehmer beim Nebenzollamt Troinex.

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Departement des Auswärtigen.

Gesandtschaftssekretär : Herr Dr. jur. Guillaume Du Pasquier, von Neuen bürg.

Attaché: ,, Cölestin Hornstein, von Fontenais (Bern).

(Vom 12. April 1892.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Telegraphist in ChauxHerr Franz Joseph Werner, von Unterde-Fonds : eggen (St. Gallen), zur Zeit Telegraphenaspirant in Ragaz.

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Bekanntmachungen von

Departementen un audern Verwaltungsstellen des Bundes.

Zahl der überseeischen Auswanderer aus der Schweiz.

Monat.

1892.

1891.

Zu- oder Abnahme.

Januar bis Ende Februar .

März Januar bis Ende März

861 875 1736

855 1032 1887

+ 6 --157 -- 151

B e r n , den 12. April 1892.

[B. B. 92.1. 914.]

Eidg. Auswanderungsbüreau, Administrative Sektion.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

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1892

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15

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13.04.1892

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