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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend gewisse Vorkehren gegen Überfremdung des Bodens (Vom 13. Juni 1960)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Im Zusammenhang mit der Erscheinung der zunehmenden Grundstückkäufe durch ausländische Erwerber und mit der darob entstandenen Beunruhigung - davon legen zahlreiche Pressestimmen, parlamentarische Interventionen in Bund und Kantonen und Zeitschriften an den Bundesrat und einzelne Mitglieder desselben Zeugnis ab - sehen wir uns veranlasst, Ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf dieses Problem hinzulenken, das wir nicht ohne Sorgen betrachten.

Die öffentliche Diskussion konzentriert sich im wesentlichen auf drei mehr oder weniger miteinander zusammenhängende Punkte: Die Bodenspekulation, die der Bodenmangel und der darauf beruhende Bodenpreisauftrieb nach sich zieht; das Statut des landwirtschaftlich genutzen Bodens; die Überfremdung des Bodens, das heisst der nicht rechtswidrige und im Einzelfall auch sonst nicht zu missbilligende, aber in seiner Häufung, wie sie sich heute lokal abzeichnet, gefahrbringende Erwerb von Grundeigentum durch ausländische juristische oder natürliche Personen, vorwiegend zu Investitionszwecken. Gefahrbringend wirkt er in erster Linie, indem er als zusätzliche Nachfrage den Preisauftrieb und die Spekulation auf dem Bodenmarkt begünstigt.

Wenn der Bundesrat im folgenden diesen dritten Punkt herausgreift und zum Gegenstand eines Kreisschreibens an die Kantonsregierungen macht, so geschieht es, weil die Kantone auf Grund des ihnen zur Ausführung übertragenen Bundesrechts und im Bereiche ihres eigenen Rechts über gewisse Möglichkeiten mittelbarer Einwirkung verfügen. Diese mittelbaren Möglichkeiten sollten schon im Hinblick auf die lokal verschiedene Intensität der Überfremdungstendenz ausgeschöpft werden, bevor eine direkte Intervention auf Bundesebene angestrebt wird ; zumal eine solche, um ihren Zweck zu erreichen, verf assungsund völkerrechtlich nicht unbedenkliche Eingriffe in das geltende Immobiliarsachen- und Gesellschaftsrecht erfordern würde und kurzfristig gar nicht zu bewältigen wäre. Immerhin gehen unsere Bemühungen auch dahin, auf dem Wege freiwilliger Vereinbarung eine gewisse Eestriktion in der Kreditgewährung für den Grunderwerb durch Ausländer in der Schweiz zu erreichen.

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Im folgenden seien die Möglichkeiten der Kantone stichwortartig in Erinnerung gerufen : 1. Zunächst ist auf das im Bundesgesetz vom 26.März 1931/S.Oktober 1948 (BS l, 121; AS 1949, 221) verankerte Fremdenpolizeirecht zu verweisen.

Soweit sich der ausländische Grundeigentümer nicht nur kurzfristig in der Schweiz aufhält, bedarf er einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung.

Wie der Bundesrat in Artikel 8, Absatz 2 seiner zugehörigen Verordnung vom I.März 1949 (AS 1949, 233) ausdrücklich bestätigt hat, kann der Erwerb von Grundeigentum das freie Ermessen der Fremdenpolizei nicht präjudizieren, verschafft also dem ausländischen Grundeigentümer kein Vorrecht, geschweige denn einen Anspruch auf die Bewilligung. Der eine Bewilligung verweigernde kantonale Entscheid ist nach Artikel 18, Absatz l des Gesetzes endgültig; insofern haben die kantonalen Fremdenpolizeibehörden ein massgebendes Wort mitzureden. Sie haben es damit in der Hand, einer Überfremdung des Bodens.

nötigen falls den Eiegel zu schieben, soweit der ausländische Grundeigentümer sich auf seinem Grund und Boden ansiedelt; diese Ansiedlung muss freilich bevölkerungsmässig ins Gewicht fallen, die Überfremdung des Bodens muss auf eine Überfremdung der Bevölkerung hinauslaufen, deren Grad die Fremden' Polizeibehörde nach Artikel 16, Absatz l des Gesetzes und Artikel l der Verordnung in erster Linie, zusammen mit dem geistigen und wirtschaftlichen Landesinteresse, zu würdigen hat.

2. Ausser djem Fremdenpolizeirecht kann das landwirtschaftliche Bodenrecht helfen, soweit es die Kantone auf sich anwendbar erklärt haben und es dann auch kompromisslos anwenden. Eine restriktive Auslegung des Begriffes «Bauland» bei der Anwendung von Artikel 218, Absatz 2 OR und von Artikel 19, Absatz l, Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (AS 1952, 408) würde auch den ausländischen Erwerb landwirtschaftlich genutzten Bodens etwas eindämmen. Eine Diskriminierung des ausländischen Erwerbers braucht dabei nicht stattzufinden. Von der Aufsicht über die gewerbsmässige Liegenschaftsvermittlung, die den Kantonen in Artikel 22 des Gesetzes zwingend vorgeschrieben wird, soll unter Ziffer 5 noch die Bede sein.

3. Ähnlich würde eine kompromisslose Anwendung von Artikel 31 in Verbindung mit Artikel 46,
Absatz l, Ziffer 3 des eidgenössischen Forstpolizeigesetzes vom 11.Oktober 1902/23.September 1955 (BS 9, 527; AS 1956, 1218) und des entsprechenden kantonalen Forstpolizeirechts, wonach das Waldareal keine Verminderung erfahren darf und für eine Verminderung grundsätzlich Eealersatz zu leisten ist, den da und dort anzutreffenden Übergang von Waldboden in ausländisches Eigentum zwecks Rodung und Überbauung verhindern.

Nötigenfalls wäre das kantonale Forstpolizeirecht zu revidieren. Eine Verpflichtung zu Realersatz beziehungsweise eine Erhöhung der Ersatzabgaben nur gegenüber einem ausländischen Waldeigentümer würde diesen allerdings diskriminieren und damit die ausländischen Rechtssubjekten in Staatsverträgen und

233 übrigens auch in Artikel 4 BV garantierte Gleichbehandlung mit Schweizerbürgern verletzen.

4. Die Kantone können in ihrem N a t u r - , Heimat- und Denkmals c h u t z r e c h t d i e Ausübung des Eigentums an landwirtschaftlich oder historisch besonders wertvollen Grundstücken beschränken, so dass diese regelmässig für einen privaten Erwerber im allgemeinen und für einen ausländischen Erwerber im besonderen nicht mehr in Frage kommen. Der ausländische Erwerb wird dadurch nicht diskriminiert. Die Eigentumsgarantie schreibt je nach der Tragweite der Beschränkung dafür - ausser dem öffentlichen Interesse - eine klare gesetzliche Ermächtigung und eine Entschädigungspflicht vor (B GE 84 1172 ff ; 85 1225 ff. und dort zitierte Präjudizien).

5. Die unter Überfremdung des Bodens leidenden Kantone werden prüfen müssen, ob sie die A u f s i c h t über das L i e g e n s c h a f t s v e r m i t t l u n g s gewerbe bis zu den Grenzen, die ihnen die Handels- und Gewerbefreiheit steckt, ausgebaut haben. Nachdem die Verbände dieses Gewerbezweiges keine Neigung bekunden, zu einer freiwilligen Disziplin, wenigstens zu einem Verzicht auf die marktschreierische Anpreisung des einheimischen Bodens im Ausland, Hand zu bieten, erscheint es angezeigt, dass der Staat zum Eechten sieht; er kann dies beispielsweise in Form einer Patentpflicht für jede gewerbsmässige Liegenschaftsvermittlung tun. Das landwirtschaftliche Bodenrecht verpflichtet die Kantone zu einer Aufsicht über die gewerbsmässige Liegenschaftsvermittlung.

6. Wie schon oben unter Ziffer 3 bemerkt, wäre eine Sondersteuer auf dem ausländischen Grundeigentum, auch in Form.der Nichtzulassung des Hypothekarschuldenabzuges, eine Diskriminierung, welche die im Völkervertragsrecht, besonders im internationalen Steuerrecht, und ganz allgemein auch in Artikel 4 B V garantierte Gleichbehandlung ausländischer Bechtssubjekte verletzenwürde.

Das heisst nicht, dass jede f i s k a l i s c h e D i f f e r e n z i e r u n g gegenüber dem ausländischen Grundeigentum undenkbar wäre. Völkerrechtlich denkbar bleibt eine höhere fiskalische Belastung, die an den ausländischen Wohnsitz des ausländischen oder schweizerischen - Eigentümers, nicht an die ausländische Staatsangehörigkeit anknüpft, oder die den - ausländischen oder schweizerischen - Veräusserer eines in ausländisches
Eigentum übergehenden Grundstückes, nicht den ausländischen Erwerber trifft; dann wird das ausländische Grundeigentum durch höhere Steuern, beispielsweise eine höhere Grundstückgewinnsteuer oder eine Handänderungsgebühr mit Steuercharakter, rechtlich nicht diskriminiert. Ob eine solche Erhöhung vielleicht den Veräusserer rechtlich im Lichte von Artikel 4 BV - ungebührlich diskriminieren würde, hätte letzten Endes das Bundesgericht zu beurteilen; der Bundesrat bezweifelt es.

Der Bundesrat gibt sich Bechenschaft darüber, dass für sich allein keine der unter Ziffer l bis 6 gestreiften Möglichkeiten mittelbarer Vorkehren der Kantone gegen die Überfremdung des Bodens einen durchschlagenden Erfolg verbürgt; erst ihre Kombination vermöchte die Entwicklung zu beeinflussen,

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wenn auch jede einzelne von ihnen als Demonstration der Besorgnis, die das Schweizervolk erfüllt, einen guten Sinn hat. Soweit die Vorkehren darin bestehen, neues Eecht zu schaffen, wären sie auch für die Kantone nicht ganz einfach, aber möglicherweise doch einfacher als unmittelbare Massnahmen des Bundes durchführbar; sofort durchführbar wären sie, soweit sie in einer strengeren Eechtsanwendung bestehen. Trotzdem sollte die Lösung zunächst über sie gesucht werden. Voraussetzung bildet natürlich, dass das ausländische Grundeigentum im Verhältnis zu Wert und Fläche des übrigen Grundeigentums wenigstens lokal wirklich einen besorgniserregenden Umfang erreicht, was die Kantone durch geeignete statistische Erhebungen abzuklären haben werden; die Kantonsregierungen würden den Bundesrat zu Dank verpflichten, wenn sie die Ergebnisse solcher Erhebungen ihm jeweilen zur Kenntnis bringen würden.

Wir benützen diesen Anlass, um Euch, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

Bern, den 13. Juni 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates,

sue

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Vizekanzler : F. Weber

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