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Bundesblatt

112. Jahrgang

Bern, den 13. Oktober 1960

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) (Vom 30. September 1960) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Mit Ihrer Motion vom 4./19. Juni 1958 haben Sie uns beauftragt, die Vorlage für ein Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) nach Möglichkeit zu fördern. Diesem Auftrage Folge gebend, beehren wir uns,-Ihnen den Entwurf zu einem Arbeitsgesetz mit der nachstehenden Botschaft zu unterbreiten.

Am 5.April 1960 haben der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände ein Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit eingereicht. Das Volksbegehren hat zum Ziel, Artikel 34, Absatz l der Bundesverfassung durch eine Übergangsbestimmung zu ersetzen, .wonach das Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken sowie das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten in der Weise zu ändern wären, dass spätestens im Jahre 1962 die normale Arbeitszeit um mindestens vier Stunden verkürzt würde. Ebenso soll innert der gleichen Frist die Arbeitszeit im Handel und im Gewerbe gesetzlich geregelt werden, wobei für technische Angestellte und kaufmännisches Bureaupersonal die wöchentliche Arbeitszeit 44 Stunden nicht überschreiten darf.

Das Volksbegehren beschränkt sich somit auf die Frage der Höchstdauer der normalen Arbeitszeit für Industrie, Gewerbe und Handel. Diese Frage kann jedoch nur im Rahmen einer Gesamtregelung der Arbeits- und Buhezeit entschieden werden, welche. Ihrer Motion vom 4./19. Juni 1958 Folge gibt, «wonach eine Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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910 Begelung der Arbeitszeit vorzusehen ist, die der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht». Wir beantragen Ihnen daher, die heutige Vorlage ohne Verzug in Beratung zu ziehen und die Behandlung des Volksbegehrens vom 5. April 1960 für die Verkürzung der Arbeitszeit einstweilen zurückzustellen.

A. Einleitung L Entwicklung und Stand des Arbeitsschutzrechts a. Die Arbeitsschutzgesetzgebung in der Schweiz entwickelte sich, von gewissen Ansätzen abgesehen, wie in andern Industriestaaten in zeitlichem Zusammenhang mit der Industrialisierung erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie in andern Ländern beschränkte sich die Gesetzgebung zunächst auf den Schutz der Jugendlichen und Frauen, die von den nachteiligen Folgen der Fabrikarbeit am meisten bedroht waren. Die Betonung des Jugendlichenschutzes kommt auch in Artikel 34, Absatz l der Bundesverfassung zum Ausdruck, der die Befugnis des Bundes zum Erlass von Vorschriften über die Verwendung von Kindern in den Fabriken besonders erwähnt. Der Schutz der erwachsenen männlichen Arbeitnehmer wurde erstmals in der für die Entwicklung des schweizerischen Arbeitsschutzes bedeutsamen Periode der kantonalen Fabrikgesetze verwirklicht. Solche entstanden nach 1840 in den Kantonen Zürich, Glarus, Basel-Stadt, Basel-Land, Schaffhausen, Aargau und Tessin. Besondere Erwähnung verdient das glarnerische Gesetz von 1848 über die Arbeit in Baumwollspinnereien, das erstmals in den Fabriken den Normalarbeitstag auch für Erwachsene einführte und damit die Arbeitsdauer in der Industrie regelte. Die kantonalen Fabrikgesetze enthielten ferner Vorschriften betreffend die Unfallverhütung, Beginn und Ende des Arbeitstages, die Kündigungsfristen, den Erlass der Fabrikordnung und deren Genehmigung durch die Behörden und anderes mehr. In diesen Zeitraum fallen auch die Anfänge der Schutzgesetzgebung für besonders gefährliche Betriebe und Berufe, und zwar zuerst auf dem Gebiete der Zündhölzchenfabrikation (Zürich 1847, später St. Gallen, Bern und Schwyz).

Neben den Arbeitsschutzgesetzen ergingen damals, zunächst in katholischen Kantonen, die ersten Gesetze über Sonntagsheiligung, Sonntagsruhe oder öffentliche Ruhetage; obschon deren Ausgangspunkt religiöser Natur ist, wirkt sich die heute noch bestehende und weitausgebaute kantonale Ruhetagsgesetzgebung ebenfalls zugunsten der Arbeitnehmer aus.

Zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte der gesetzliche Arbeitsschutz in den schweizerischen Kantonen in dieser oder jener Form bereits eine ziemlich grosse Verbreitung gewonnen. In der Bundesverfassung von 1848 wurden dem Bund keine Befugnisse auf dem Gebiete
des Arbeitsschutzes eingeräumt. Damit war den besonders initiativen Kantonen die Möglichkeit gegeben, Neuland zu betreten und Erfahrungen zu sammeln, die den andern Kantonen und später auch dem Bund beim Erlass ihrer Vorschriften zustatten kamen. Nach Umfang und Wirksamkeit waren auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes von Kanton zu Kanton erhebliche Unterschiede zu verzeichnen,

911 womit die Industrie in Kantonen mit Arbeitszeitbeschränkungen gegenüber andern in ihrer Konkurrenzfähigkeit benachteiligt wurde. Wiederholte Anläufe zur Schaffung eines interkantonalen Konkordats, die seit dem Jahre 1855 eingesetzt hatten, führten jedoch zu keinem Erfolg.

6. Den Wendepunkt in der Entwicklung des schweizerischen Arbeitsschutzes bedeutet die Verfassungsrevision von 1874, die dem Bund die Befugnis einräumte, «einheitliche Bestimmungen über die Verwendung von Kindern in den Fabriken, über die Dauer der Arbeit erwachsener Personen und über den Schutz der Arbeiter gegen einen die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlassen» (Art. 34, Abs.l).

Die neue Verfassungsbestimmung bildete die Grundlage für eineEeihe von Bundesgesetzen, deren Inhalt durch den Stand der damaligen kantonalen Fabrikgesetzgebung sowie auch durch die entsprechenden Erlasse anderer Industriestaaten beeinflusst wurde. Im Vordergrund stand das Bundesgesetz vom 23.März 1877 betreffend die Arbeit in den Fabriken, das in der Volksabstimmung vom 21. Oktober 1877 mit 181 204 gegen 170 857 Stimmen angenommen und auf den I.Januar 1878 in Kraft gesetzt wurde; es bestand fast 30 Jahre lang unverändert. Dem Fabrikgesetz folgten das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1879 betreffend Fabrikation von Phosphorzündhölzchen und von Phosphorstreichkerzchen (abgelöst durch die Bundesgesetze vom 22. Juni 1882 und vom 2. November 1898 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen) und das Bundesgesetz vom 25. Juni 1881 betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb (erweitert durch die Bundesgesetze vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht sowie vom 26. Juni 1902 betreffend Lohnzahlung und Bussen bei den nach dem Bundesgesetz vom 26. April 1887 haftpflichtigen Unternehmungen).

Diesen Bundesgesetzen, die in erster Linie dem Schutz der Fabrikarbeiter dienten, war auf dem beschränkten Gebiete des Eisenbahnerschutzes das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vorausgegangen, das für das Verkehrspersonal die Freigabe jedes dritten Sonntags einführte. Die Eegelung im alten Eisenbahngesetz, das auf Artikel 26 der Bundesverfassung beruhte, wurde in der Folge durch die Bundesgesetze von 1890, 1902 und 1920 über die Arbeitszeit beim Betriebe der
Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten abgelöst, die sich gleichzeitig auf Artikel 36 stützten.

Während das Fabrikgesetz von 1877, wie erwähnt, eine lang andauernde Konstanz bewahrte, hat die Spezialgesetzgebung des Bundes für das Personal der Verkehrsanstalten ebenso wie jene für die Arbeitnehmer in Zündhölzchenfabriken im gleichen Zeitraum erhebliche Wandlungen erlebt.

Der kantonalen Gesetzgebung über den Arbeitsschutz, der in den Kantonsverfassungen von Zürich, Bern, Nidwaiden, Appenzell A.Eh., St. Gallen, Thurgau und Wallis ausdrücklich erwähnt wird, blieb neben dem Fabrikgesetz und den erwähnten Spezialgesetzen des Bundes noch ein ansehnliches Wirkungsfeld überlassen. Sie wandte sich vor allem den weiblichen Arbeitnehmern und den Lehrlingen zu. Arbeiterinnengesetze erliessen Basel-Stadt (1884, 1888, 1905),

912 St. Gallen (1898, 1925), Zürich (1894), Luzern (1895), Solothurn (1896), Neuenburg (1896, 1901), Aargau (1903), Bern (1908) und Appenzell A.Kh. (1908).

Diese Erlasse waren mehr oder weniger dem Fabrikgesetz nachgebildet und übertrugen dessen Schutzvorschriften zugunsten weiblicher Personen auf Arbeiterinnen in nicht-fabrikmässigen Betrieben. Die kantonale Gesetzgebung zum Schutze der Lehrlinge nahm ihren Anfang im Jahre 1890 in Neuenburg und fand mit der Zeit in fast allen eidgenössischen Ständen Eingang. Sie wurde abgelöst durch das Bundesgesetz vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung, das eine Eeihe von Schutzvorschriften zugunsten der Lehrlinge enthält. Schutzgesetze, die sich auf erwachsene männliche Arbeitnehmer bezogen, entstanden in dieser Periode in Dbwalden (1887), Nidwaiden (1888), Glarus (1892,1923) und Tessin (1912). In den Kantonen Waadt (1907) und Freiburg (1919) wurden die Gemeinden zum Erlass von Arbeitsschutzbestimmungen ermächtigt.

c. Auf der Ebene des Bundes setzten nach der Jahrhundertwende neue Bestrebungen zum Ausbau des Arbeitsschutzes ein, die ausgelöst wurden durch die Motion Studer betreffend die Eevision des Fabrikgesetzes (1904) und den im Jahre 1908 in die Bundesverfassung aufgenommenen Artikel 34ter, welcher den Bund ermächtigte, auf dem Gebiete des Gewerbewesens einheitliche Bestimmungen aufzustellen.

Am I.April 1905 wurde das Fabrikgesetz durch die Beschränkung der Samstagarbeit ergänzt und am 18. Juni 1914 durch das neue Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken ersetzt, das jedoch erst am I.Januar 1920 in Kraft trat. Dieser Aufschub war dadurch bedingt, dass die Arbeitszeitvorschriften des revidierten Gesetzes noch vor deren Inkraftsetzung durch das Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 ersetzt wurden, das an Stelle des im Gesetz von 1914 vorgesehenen zehnstündigen Arbeitstages die 48stündige Normalarbeitswoche einführte. Zum neuen Fabrikgesetz, das den Arbeitsschutz für Fabrikarbeiter umfassend ordnet, erliess der Bundesrat am S.Oktober 1919 eine Verordnung, während eine solche zum ersten Fabrikgesetz von 1877 gefehlt hatte.

Für die übrige gewerbliche Arbeit wurden nach der Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahre 1919 gestützt auf den ursprünglichen Artikel 34ter eine Eeihe von Bundesgesetzen über Teilgebiete des Arbeitsschutzes
erlassen, die gleichzeitig die Voraussetzungen für die Eatifikation von internationalen Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz bildeten. Es handelt sich dabei um die Bundesgesetze vom 81. März 1922 über die Beschäftigung der Jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, vom 26. September 1931 über die wöchentliche Euhezeit, vom 28.März 1934 über die Gewichtsbezeichnung an schweren, zur Verschiffung bestimmten Frachtstücken, vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer und vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit. Was den Arbeitsschutz in Verkehrsbetrieben betrifft, so ist neben dem bereits angeführten Bundesgesetz vom 6.März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten die Verordnung vom 4. Dezember 1933 über die Arbeits- und Euhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer zu erwähnen, die auf Grund von Artikel 37bls

913 der Bundesverfassung und des Bundesgesetzes vom 15. März 1982 über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr erlassen wurde. Keine bundesrechtlichen Arbeitsschutzvorschriften bestehen dagegen für die Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft sowie im privaten Haushalt, abgesehen von Artikel 100 des Bundesgesetzes vom S.Oktober 1951 über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes betreffend die Unfallverhütung.

In der Volksabstimmung verworfen wurden das Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 betreffend Ordnung des Arbeitsverhältnisses, das weittragende Bestimmungen über die Festsetzung von Löhnen vorgesehen hatte, das Bundesgesetz vom I.Juli 1922 betreffend Abänderung von Artikel 41 des Fabrikgesetzes, das dem Bund die Möglichkeit geben sollte, unter Umständen die wöchentliche Arbeitszeit bis auf 54 Stunden zu verlängern, sowie das Volksbegehren vom 14. September 1955 für die 44-Stunden-Woche (Arbeitszeitverkürzung).

Ebenso wie die Gesetzgebung des Bundes hat sich seit der Jahrhundertwende auch die kantonale Arbeitsschutzgesetzgebung auf Gebieten, auf denen der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, nach verschiedenen Eichtungen weiterentwickelt. So er li essen Basel-Stadt ein Arbeitszeitgesetz (1920) und ein Feriengesetz (1931), die Kantone Wallis (1983) und Waadt (1944) allgemeine Arbeitsschutzgesetze ; der Kanton Tessin schuf in den Jahren 1936 und 1958 umfassendere Arbeitsschutzgesetze, und Glarus erneuerte im Jahre 1947 das Gesetz von 1923 über den Arbeitsschutz. Nach dem Vorbilde von Basel-Stadt kamen bis heute in etwas mehr als der Hälfte der Kantone öffentlich-rechtliche Ferienregelungen zustande. Verschiedene Kantone haben sich durch Spezialerlasse des Kinopersonals angenommen oder den Sonderschutz für Arbeitnehmer einzelner Berufsgruppen ausgebaut, so im Gastwirtschaftsgewerbe und auch im Eahmen von Ladenschlussvorschriften für den Detailhandel. Ebenso tragen ferner die Submissionsverordnungen für Kantonsund Gemeindeverwaltungen dem Arbeitsschutz Rechnung.

d. Seit der Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung vom 6. Juli 1947 ist dem Bund die Möglichkeit gegeben, den Arbeitsschutz im denkbar weitesten Umfang zu ordnen, indem ihm in Absatz l, Buchstabe a des neuen Artikels 34ter die Kompetenz zur Gesetzgebung über den Schutz der
Arbeitnehmer schlechthin übertragen wurde. Die Umschreibung des Geltungsbereichs der Arbeitsschutzgesetzgebung des Bundes ist somit an keinerlei verfassungsmässige Schranken mehr gebunden, im Gegensatz zu der Ordnung vor dem Jahre 1947, wonach dem Bund lediglich eine auf gewisse Wirtschaftszweige beschränkte Befugnis zum Erlass öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzvorschriften zustand, nämlich für Fabrikbetriebe (Art.34, Abs.l), das Gewerbewesen, allerdings in einem sehr weiten Sinne verstanden (Art.34ter, alt), sowie für Eisenbahnen und andere Verkehrsanstalten (Art. 26 und 36) und den berufsmässigen Motorfahrzeugverkehr (Art.37bls).

914 II. Notwendigkeit eines allgemeinen Arbeitsgesetzes 1. Die Schaffung eines allgemeinen Arbeitsgesetzes entspricht vor allem aus zwei Gründen einem offenkundigen Bedürfnis. Einerseits gilt es, den Geltungsbereich der Arbeitsschutzgesetzgebung des Bundes auf sämtliche Arbeitnehmer der Industrie, des Handels und des Gewerbes auszudehnen, und andererseits handelt es sich darum, das geltende Arbeitsschutzrecht inhaltlich den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen anzupassen. Im übrigen ist der Bundesrat durch die Motion der eidgenössischen Räte vom 4./19.Juni 1958 beauftragt ·worden, die Vorlage zu einem Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Handel und Gewerbe zu unterbreiten.

2. Die Eidgenössische Betriebszählung des Jahres 1955 ergab für Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen, Verkehr und Dienstleistungen insgesamt 264 022 Betriebe mit l 594 644 Arbeitnehmern. Dem Bundesgesetz vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken waren in jenem Zeitpunkt 11 889 Betriebe mit 587 998 Arbeitnehmern unterstellt. Mit Einschluss der Betriebe und Arbeitnehmer, die vom Bundesgesetz vom 6. März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Bahnen und anderer Verkehrsanstalten erfasst werden, waren zur Zeit der letzten Betriebszählung insgesamt ungefähr ein Fünfzehntel der Betriebe und zwei Fünftel der Arbeitnehmer eines umfassenden bundesrechtlichen Arbeitsschutzes teilhaftig, der auch die Regelung der Arbeitszeit umschliesst. Für die grosse Mehrheit der Arbeitnehmer der genannten Wirtschaftszweige fehlt dagegen eine solche Regelung; dies gilt namentlich für grosse Gruppen der Arbeitnehmer in Handel und Gewerbe. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die Beschränkung des Geltungsbereichs des bundesrechtlichen Arbeitsschutzes in der Vergangenheit gelegentlich zu einer extensiven Auslegung des Fabrikgesetzes führte, um gewissen Arbeitnehmern in gewerblichen Betrieben den erhöhten Schutz der fabrikgesetzlichen Vorschriften zu bieten. Die bestehende Ordnung verstösst gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, weshalb der bundesrechtliche Arbeitsschutz grundsätzlich auf sämtliche Arbeitnehmer von Industrie, Handel und Gewerbe ausgedehnt werden sollte.

Wie der Überblick über Entwicklung und Stand des Arbeitsschutzrechts zeigt, sind zwar seit der Gründung des schweizerischen
Bundesstaates die Lücken des eidgenössischen Arbeitsschutzrechts teilweise in mannigfaltiger Weise durch kantonale Erlasse ausgefüllt worden. Die gesetzgeberische Tätigkeit der Kantone, die nach Inhalt und Geltungsbereich grosse Verschiedenheiten aufweist, hat jedoch zu einer starken Rechtszersplitterung geführt, abgesehen davon, dass einzelne kantonale Erlasse zum Teil noch auf die Verhältnisse früherer Zeiten zugeschnitten und heute überholt sind. Die grossen Unterschiede zwischen den Ordnungen der einzelnen Kantone auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes sind daher nur zum geringsten Teil in sachlichen und regionalen Verschiedenheiten der heutigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse begründet. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Schweiz immer mehr zu einem einheitlichen Wirt-

915 Schaftsgebiet entwickelt, womit die bestehenden Unterschiede und Ungleichheiten von Kanton zu Kanton nicht mehr vereinbar sind.

3. Neben der Ausdehnung des Geltungsbereichs des Arbeitsschutzes gilt es aber auch, den materiellen Inhalt der geltenden Ordnung den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen anzupassen. Die geltenden Arbeitsschutzgesetze des Bundes weisen bereits in der Umschreibung des Geltungsbereichs erhebliche Verschiedenheiten auf, aus denen sich eine ganze Eeihe von Überschneidungen in den einzelnen Teilordnungen ergeben, die nur auf dem Weg einer Kodifikation einwandfrei behoben werden können. Zudem wird vor allem das Fabrikgesetz, das sich - abgesehen von der Regelung der Arbeitszeit in Verkehrsanstalten - als einziger dieser Erlasse mit der Ordnung der Arbeitszeit befasst, nach verschiedenen Eichtungen den heutigen Anforderungen der Industrie nicht mehr gerecht, was im Vollzug zu mannigfaltigen Schwierigkeiten und Unzukömmlichkeiten führte. Ohne den späteren Ausführungen über die materielle Ausgestaltung der Vorlage vorgreifen zu wollen, sei in diesem Zusammenhang hingewiesen auf die Notwendigkeit, die geltenden Vorschriften der wachsenden Verbreitung der Fünftagewoche anzupassen, sowie auf das Bedürfnis nach einer angemesseneren Gestaltung der ' Überzeit- und Hilfsarbeit, der Schichtarbeit und des ununterbrochenen Betriebes und nach einer zweckmässigeren Gestaltung der Pausen unter Berücksichtigung der nicht am Arbeitsort wohnenden Arbeitnehmer. Aus diesen Gründen wäre ohnehin die Eevision des Fabrikgesetzes notwendig geworden. Wie angeführt, würde dies aber nicht genügen, sondern es erweist sich als unumgänglich, gleichzeitig mit der Eevision des Fabrikgesetzes eine bundesrechtliche Ordnung des gesamten Arbeitsschutzes in Industrie, Handel und Gewerbe in die Wege zu leiten und zu einem übersichtlichen, geschlossenen Ganzen zusammenzufassen. · 4. In den letzten Jahrzehnten, besonders aber seit dem zweiten Weltkrieg, hat das Kollektivrecht der Verbände eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren.

Nicht nur hat die Zahl der Gesamtarbeitsverträge stark zugenommen, sondern auch deren Inhalt ist immer weiter ausgebaut worden. Neben der Eegelung von Lohn und Arbeitszeit, die nach wie vor den Hauptinhalt darstellen, enthalten die Gesamtarbeitsverträge fast durchwegs auch Bestimmungen
über Ferien, bezahlte Feiertage und Sozialleistungen. So wichtig die Gesamtarbeitsverträge für die Erhaltung des Arbeitsfriedens und für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind, so wenig können sie einen vollständigen Ersatz für das öffentliche Arbeitsschutzrecht, das heisst für die Vorschriften bedeuten, die zur Wahrung des öffentlichen Interesses unumgänglich sind. Dies gilt nicht nur für jene Betriebs- und Arbeitnehmergruppen, für die keine oder nur ungenügend ausgebaute Gesamtarbeitsverträge gelten, wie vor allem für einen grossen Teil der Angestellten, sondern für sämtliche Betriebe und Arbeitnehmer, da der Gesundheitsschutz, die Eegelung der Höchstarbeitszeit, das Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit sowie vor allem der Schutz der Frauen und Jugendlichen nur durch Vorschriften des öffentlichen Eechts wirksam gesichert werden können. Einzig das Gesetz vermag zudem einen dauerhaften

916 Arbeitsschutz zu gewährleisten, während die Gesamtarbeitsverträge stets auf begrenzte Zeit abgeschlossen sind und wieder erneuert werden müssen, wobei die Gefahr eines vertragslosen Zustandes besteht. Die weitere Entwicklung der Gesamtarbeitsverträge wird aber keineswegs beeinträchtigt, weil der Gesetzgeber auf das Kollektivrecht Eücksicht nimmt und sich auf die unerlässlichen Mindestvorschriften beschränkt, auf welcher Grundlage die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer durch die Gesamtarbeitsverträge eine eingehendere und für die Arbeitnehmer günstigere Ordnung aufstellen können.

5. Ferner ist noch auf einen weitern Umstand hinzuweisen, der zwar keinen Grund für die Neuordnung des Arbeitsschutzes bildet, aber als erwünschte Nebenfolge ebenfalls angeführt werden muss. Das Arbeitsrecht ist im Vergleich zu andern Eechtsgebieten ein verhältnismässig junger Eechtszweig, welcher der juristischen Durchbildung noch vielfach ermangelt. Seine Bedeutung wird entsprechend der zunehmenden Bedeutung der Arbeitskraft als Produktionsfaktor in Zukunft noch wachsen. Ausser der Verwirklichung des Arbeitsgesetzes ist deshalb auch eine Revision des Dienstvertragsrechts im Obligationenrecht an die Hand genommen worden.

Die Zusammenfassung der bisher im Fabrikgesetz aufgestellten und der in mehreren weitern Bundesgesetzen zerstreuten Normen, die zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind, zwingt den Gesetzgeber, die Eechtssätze einprägsamer und präziser zu formulieren und sie in den geschlossenen grössern Zusammenhang der Kodifikation des Arbeitsschutzes einzuordnen. Das allgemeine Arbeitsgesetz wird die Handhabung dieser Vorschriften erleichtern und die dringend notwendige juristische Durchdringung fördern. Auch der Ausbau des Eechtsweges wird sich für die Eechtsfortbildung als nützlich erweisen und viele bisher umstrittene Eechtsfragen klären.

6. Nicht unerwähnt sei schliesslich, dass die umfassende Ordnung des Arbeitsschutzes und die Anpassung der geltenden Regelung im Eahmen einer Kodifikation auch im Hinblick auf das Verhältnis der Schweiz zu den Übereinkommen der internationalen Arbeitskonferenz von Bedeutung ist. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass in jedem einzelnen Fall sorgfältig zu prüfen ist, ob ein von der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenes Übereinkommen den besonderen
Gegebenheiten und Bedürfnissen unserer Wirtschaft, unserer Arbeitsverhältnisse und unserer föderativen Staatsstruktuf nicht widerspricht. Andererseits bestreben wir uns, wie in unserem Bericht vom S.Januar 1950 zur Frage der Eatifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz (BEI 1950, I, 22 ff.) dargelegt wurde, beim Ausbau unserer Sozialgesetzgebung den Anforderungen der von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten Normen, soweit uns dies möglich ist, Eechnung zu tragen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung dieser Gesetzgebung prüfen wir jeweils die Frage, ob damit.die Voraussetzungen für die Eatifikation des einen oder andern internationalen Arbeitsübereinkommens erfüllt seien, dem die Schweiz bis dahin noch nicht beitreten konnte.

917 III. Werdegang der Vorlage Mit der Volksabstimmung vcm 5. Juli 1908 wurde Artikel 34ter (alt) der Bundesverfassung beigefügt, der den Bund ermächtigte, auf dem Gebiete des Gewerbewesens einheitliche Bestimmungen aufzustellen. Damit war die Bahn freigelegt für den Ausbau der Arbeitsschutzgesetzgebung des Bundes, die sich bis dahin auf die Fabriken (Art. 84, Abs. 1) und die Verkehrsanstalten (Art.26 und 36) beschränkt hatte. An einer Konferenz, die das damalige Eidgenössische Industriedepartement am 30. November 1908 mit den Vertretern der Wirtschaftsverbände abhielt, wurde das Programm für die künftige eidgenössische Gewerbegesetzgebung aufgestellt. Darin ist neben einem. Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und andere Postulate zum Schutze des Gewerbebetriebes sowie einem Gesetz über das Lehrlingswesen auch einem Arbeitsschutzgesetz der Vorrang eingeräumt worden. Während im Jahre 1930 das Berufsbildungsgesetz und 1943 das Wettbewerbsgesetz die hauptsächlichsten andern Postulate verwirklichten, konnten die Vorarbeiten am Arbeitsgesetz erst jetzt zum Abschluss gebracht werden. Dies hängt weitgehend mit den grossen Schwierigkeiten zusammen, die es zu überwinden gilt, müssen doch die verschiedenartigsten, betrieblichen, örtlichen und regionalen Verhältnisse in Berücksichtigung gezogen werden. In der Zwischenzeit hat der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiete des gewerblichen" Arbeitsschutzes immerhin eine Eeihe von Teilerlassen geschaffen, und zwar im Zusammenhang mit der Katifikation von Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation.

Die Vorarbeiten für ein allgemeineres Arbeitsgesetz kamen nur langsam in Gang. Der erste Entwurf wurde im Jahre 1918 vom Schweizerischen Gewerbeverband vorgelegt. Er beschränkte sich auf wenige materielle Bahmenbestimmungen und wollte vor allem den Berufsverbänden eine weitgehende Autonomie zuweisen, indem die Begelung der Einzelheiten den Gesamtarbeitsverträgen überlassen wurde, welche in erheblichem Umfang mit der Allgemeinverbindlichkeit und zudem mit öffentlich-rechtlicher Wirkung ausgestattet werden sollten.

Zehn Jahre später erschien eine auf Veranlassung der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände von F.Horand verfasste Schrift mit Postulaten und Bichtlinien für eine Angestelltengesetzgebung, und im Jahre 1929 veröffentlichte der Schweizerische
Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter einen umfassenden, in verschiedener Hinsicht grundlegenden Entwurf von Professor W.Hug für ein gewerbliches Arbeitsschutzgesetz.

Nach der Verabschiedung des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung wurde unverzüglich mit den amtlichen Vorarbeiten begonnen. Im Jahre 1931 wurde der frühere Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Fürsprecher H.Pfister, mit der Ausarbeitung eines Entwurfes beauftragt. Der «Vorentwurf Pfister» zu einem Bundesgesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben wurde im Frühjahr 1935 veröffentlicht und den Kantonen und Verbänden zur Vernehmlassung zugestellt. Die Stellungnahmen zu diesem Entwurf waren recht geteilt. Der Schweizerische Gewerk-

918 schaftsbund legte im Herbst 1985 einen Gegenentwurf vor, nachdem er bereits im Jahre 1938 «Eichtlinien und Postulate zum Schutze der Arbeit in den Gewerben» (verfasst von Dr. A. Gysin) herausgegeben hatte. Für zwei weitere Entwürfe (1934 und 1943) zeichnete die Nationale Aktionsgemeinschaft für wirtschaftliche Verteidigung, die vor allem die Angestelltenschaft vertrat. Auf Grund dieses reichhaltigen Materials sollte eine Expertenkommission einen Entwurf ausarbeiten. Da jedoch im gleichen Zeitpunkt die Arbeiten für die Eevision der Wirtschaftsartikel aufgenommen wurden, ist dieser der zeitliche Vorrang eingeräumt worden.

In den ersten Kriegsjahren war nicht daran zu denken, die Vorbereitungsarbeiten wieder aufzunehmen. In der Sommersession 1943 ging jedoch aus der parlamentarischen Behandlung des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb eine Motion hervor, die den Bundesrat einlud, den eidgenössischen Bäten beförderlich einen Gesetzesentwurf über die Arbeit im Handel und in den Gewerben vorzulegen. Im Herbst 1943 wurde eine «Vorberatende Kommission» unter der Leitung des Direktors des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Dr. G.Willi, bestellt, die auf Grund der unter dem Einfluss der Krisenund Kriegsjahre gewandelten sozialen Anschauungen einen «Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben (Gewerbliches Arbeitsgesetz)» ausarbeitete, der im Sommer 1945 mit einem begleitenden Bericht im Druck erschien. Gegenüber dem Vorentwurf Pfister war der Vorentwurf 1945 doppelt so umfangreich und sah in materieller Hinsicht eine ganze Eeihe bedeutender Neuerungen vor, so z.B. einen stark ausgebauten Kündigungsschutz (verbunden mit einer Abgangsentschädigung), den wöchentlichen freien Halbtag und eine öffentlich-rechtliche Ferienordnung. Der Vorentwurf 1945, der vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit nicht nur den Kantonen, sondern auch einer grossen Zahl von Verbänden -und Organisationen zur Vernehmlassung zugestellt wurde, fand bei den Kantonen und bei der Arbeitnehmerschaft im allgemeinen eine günstige Aufnahme, während ihm die Industrie und vor allem das Gewerbe ablehnend gegenüberstanden. Aber auch bei den Arbeitnehmerorganisationen wurden nachträglich kritische Stimmen laut. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund liess im Jahre 1946 eine «Variante»
zum Vorentwurf 1945 ausarbeiten, die ein sogenanntes Eahmengesetz vorsah und den Verbänden in einem weiten Umfang die Möglichkeit geben sollte, durch allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge eine den besonderen Eigenarten der einzelnen Berufszweige angepasste Sonderregelung zu treffen.

Im November 1946 trat die von Direktor M.Kaufmann vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit präsidierte «Grosse Expertenkommission» zusammen, aus deren Mitte zahlreiche Einwände grundsätzlicher Art gegen den Vorentwurf 1945 erhoben wurden. In der Folge wurde aus dem Schosse der grossen Kommission eine «Kleine Expertenkommission» bestellt, der drei Vertreter der Kantone, vier wissenschaftliche Sachverständige und je vier Vertreter der Spitzenverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehörten. Diese Expertenkommission erhielt den Auftrag, auf Grund der Vernehmlassungen zum

919 Vorentwurf 1945 einen neuen Entwurf auszuarbeiten, und erzielte in der ersten Hälfte des Jahres 1947 eine grundsätzliche Verständigung über die wesentlichen Fragen. Sie kam dabei zum Schluss, das Fabrikgesetz mit dem Arbeitsgesetz zu verschmelzen.

Auf Grund der Beschlüsse der Kleinen Expertenkommission erhielten die Professoren O.A.Germann und W.Hug den Auftrag, einen neuen Gesetzesentwurf unter Einbezug des Fabrikgesetzes auszuarbeiten. Der «Entwurf Germann/Hug» mit einem erläuternden Bericht der Gesetzesredaktoren wurde in den Jahren 1948 und 1949 von der Kleinen Expertenkommission und sodann von der Eidgenössischen Fabrikkommission, die dem Einbezug des Fabrikgesetzes ebenfalls zustimmte, durchberaten. Das bereinigte Ergebnis dieser Beratungen war der «Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Handwerk, Handel, Verkehr und verwandten Wirtschaf tszweigen (Arbeitsgesetz)», der im Dezember 1950 veröffentlicht und den Kantonen, den Spitzenverbänden der Wirtschaft sowie weitern interessierten Verbänden und Organisationen zur Vernehmlassung zugestellt wurde. In den folgenden zweieinhalb Jahren gingen zahlreiche und zum Teil sehr umfangreiche Vernehmlassungen ein. Dem Gedanken eines allgemeinen Arbeitsgesetzes und dem Entwurf als solchem wurde durchwegs grundsätzlich zugestimmt, jedoch nicht ohne Vorbehalte und mit gewichtigen Einwendungen im einzelnen, wobei die Meinungen ziemlich weit auseinander gingen.

Mit Eücksicht auf die Vorlage für ein Bundesgesetz über den Gesamtarbeitsvertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit musste die weitere Vorbereitung des Arbeitsgesetzes neuerdings zurückgestellt werden. Nach der Verabschiedung dieses Bundesgesetzes durch die eidgenössischen Bäte am 28. September 1956 und dessen Inkraftsetzung auf den 1. Januar 1957 wurden die Vorarbeiten für das Arbeitsgesetz wieder an die Hand genommen. An einer vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement im Herbst 1957 einberufenen Konferenz mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zeigte es sich, dass die Organisationen der Wirtschaft zwar grundsätzlich für die Vorlage eintraten, aber fast ausnahmslos eine wesentliche Entlastung des Entwurfes 1950 befürworteten. Im Zusammenhang mit dem Beschlüsse der eidgenössischen Eäte, Volk und Ständen die Ablehnung der Volksinitiative des
Landesringes der Unabhängigen über die 44-Stunden-Woche zu beantragen, wurde in der Sommersession 1958 eine Motion gutgeheissen, die den Bundesrat beauftragte, den Räten bis Ende 1959 den Entwurf zu einem Arbeitsgesetz vorzulegen und darin eine Regelung der Arbeitszeit vorzusehen, die der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht. Mit der Verwerfung der Initiative, deren Beratung eine nochmalige Verzögerung der Behandlung des Gesetzesentwurfes zur Folge hatte, in der Volksabstimmung vom 26. Oktober 1958 war die Bahn für die Weiterführung der Vorarbeiten wieder frei geworden.

Mit der endgültigen Bereinigung des Entwurfes wurde wiederum eine Expertenkommission beauftragt, welche die gleiche Zusammensetzung aufwies wie die Kleine Expertenkommission, die den Entwurf 1950 ausgearbeitet hatte; neu

920 beigezogen wurden zwei Vertreterinnen der Frauenverbände und in der Folge noch je ein Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Baugewerbes.

Die Expertenkommission hat den Entwurf in der Zeit von Ende Oktober 1958 bis Mitte Juli 1959 an vier Tagungen durchberaten. Im Sinn der Motion vom 4./19. Juni 1958 über die Regelung der Arbeitszeit gab die Expertenkommission den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit, sich insbesondere über die Höchstarbeitszeit zu verständigen und entsprechende Vorschläge einzureichen. Leider kam eine solche Einigung trotz längeren Verhandlungen nicht zustande. Nach Abschluss der Arbeiten der Expertenkommission ist die Vorlage von der Eidgenössischen Fabrikkommission im Herbst 1959 an zwei Tagungen durchberaten worden. Da zudem die Auswirkungen der Vorlage auf verschiedene Wirtschaftsgruppen sowie verschiedene Fragen des Geltungsbereiches und des Vollzuges noch eingehender abgeklärt werden mussten, konnte die Vorlage erst in diesem Jahr fertiggestellt werden.

B. Grundsätzliche Fragen des Entwurfes I. Sachlicher Umfang Bei der Ausarbeitung des Entwurfes wurde den Wünschen und Anregungen, die in den Vernehmlassungen der Kantone und Verbände zum Entwurf 1950 geäussert worden waren, nach Möglichkeit Rechnung getragen. Der systematische Aufbau des Entwurf es 1950 wurde weitgehend beibehalten, doch beschränkt sich die neue Vorlage bewusst auf den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz, der die Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge und die Unfallverhütung, die Arbeits- und Ruhezeit sowie den Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer umfasst. Wegen ihres Zusammenhanges mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften wird die Regelung der Betriebsordnung mit einbezogen.

a. Ausscheidung der Vorschriften über Zivilrecht und Zivilrechtspflege Im Unterschied zum Entwurf 1950 kann die Vorlage grundsätzlich auf die Aufstellung von Vorschriften über Zivilrecht und Zivilrechtspflege sowie auf die Änderung dienstvertragsrechtlicher Vorschriften des Obligationenrechts verzichten, weil der Titel « Dienstvertrag» des Obligationenrechts Gegenstand einer besondern Revisionsvorlage bildet, für deren Vorbereitung das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine spezielle Expertenkommission eingesetzt hat. In diese Vorlage sollen auch die
privatrechtlichen Bestimmungen des Fabrikgesetzes über das Dienstverhältnis zwischen Fabrikinhaber und Fabrikarbeiter aufgenommen werden. Ferner wird geprüft, in welchem Umfang die bestehenden prozessrechtlichen Vorschriften der Arbeitsschutzgesetze des Bundes, die vor allem zugunsten der Fabrikarbeiter und der Heimarbeiter bestimmte Ver-

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921 fahrensgrundsätze (Mündlichkeit, Kaschheit, Kostenlosigkeit, Beschränkung der beruf smässigen Prozessvertretung) festgelegt -haben, in das Obligationenrecht eingebaut werden sollen. Da die Beratung des Arbeitsgesetzes voraussichtlich vor der Eevision des Titels «Dienstvertrag» des Obligationenrechts zum Abschluss gebracht wird, ist im Entwurf eine Vorschrift (Art. 67, Abs. 2, Buchstabe a) vorgesehen, wonach die zivilrechtlichen und zivilprozessualen Vorschriften des Fabrikgesetzes für industrielle Betriebe weiterhin anwendbar sind in der Meinung, dass sie mit dem Inkrafttreten des revidierten Titels über den Dienstvertrag aufgehoben werden sollen.

Im Hinblick auf das Bundesgesetz vom 21. März 1958 betreffend Ergänzung des Dienstvertrags- und des Stiftungsrechts (Wohlfahrtseinrichtungen für das Personal) sind die Vorschriften der Artikel 79 und 80 des Fabrikgesetzes über die Wohlfahrtseinrichtungen nicht in den Entwurf aufgenommen worden.

Der Grundsatz, dass die Vorlage auf die Aufstellung zivilrechthcher Vorschriften verzichtet, erfährt jedoch eine Ausnahme, nämlich hinsichtlich der Ferien (vgl. Buchstabe d hienach).

b. Ausscheidung der V o r s c h r i f t e n über die Kollektivstreitigkeiten Der Abschnitt «Kollektivstreitigkeiten» des Entwurfes 1950 ist in der neuen Vorlage nicht enthalten, da es sich dabei nicht um ein Gebiet des öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzes handelt. In dieser Hinsicht beschränkt sich die Aufgabe des Staates darauf, den Arbeitsmarktparteien eine staatliche Institution zur Verfügung zu stellen, die sie zur Beilegung ihrer Interessenstreitigkeiten in Anspruch nehmen können. Das Bundesgesetz vom 12. Februar 1949 über die Eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten kann deshalb als Spezialgesetz zunächst weiterbestehen, doch ist in Aussicht genommen, dieses Gesetz später im Sinne der Artikel 54 bis 58 des Entwurfes 1950 zu revidieren, damit auch die Vorschriften der Artikel 30 ff.

des Fabrikgesetzes über das Einigungswesen aufgehoben werden können. Bis dahin ist jedoch dafür zu sorgen, dass die vom Fabrikgesetz vorgesehenen ständigen kantonalen Einigungsstellen zur Vermittlung in Kollektivstreitigkeiten zwischen Fabrikinhaber und Arbeitern beibehalten und in Kollektivstreitigkeiten bei allen Arbeitsverhältnissen eingesetzt werden
können. Eine entsprechende Eevision des Bundesgesetzes vom 12. Februar 1949 erscheint nicht als besonders dringlich, weil die Kantone durchwegs Einigungsstellen eingesetzt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die Vorschriften des Fabrikgesetzes über das Einigungswesen für industrielle Betriebe weiterhin anwendbar (Art. 67, Abs. 2, Buchstabe b).

c. Ausscheidung der V o r s c h r i f t e n über die obligatorische U n f a l l v e r s i c h e r u n g bei privaten V e r s i c n e r e r n In Artikel 86, Ziffer 4 des Entwurfes 1950 war die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung durch

922 einen Vierten Titel betreffend die obligatorische Betriebs- und Nichtbetriebsunfallversicherung bei privaten Versicherern vorgesehen. Damit sollte die obligatorische Versicherung sämtlicher nicht bei der Schweizerischen 'Unfallversicherungsanstalt versicherten Arbeitnehmer, die unter das Arbeitsgesetz fallen, eingeführt und geordnet werden. Ein umfassendes Versicherungsobligatorium fand bei den Arbeitnehmerverbänden und einzelnen Kantonen volle Zustimmung, bei den Arbeitgeberverbänden dagegen eindeutige Ablehnung. Es erscheint als gegeben, die Frage der obligatorischen Unfallversicherung im grössern Zusammenhang einer künftigen Bevision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes eingehend abzuklären.

d. Verzicht auf eine öffentlich-rechtliche

Ferienordnung

Wie die Beratungen der Expertenkommissionen für die Revision des Dienstvertragsrechts und für das Arbeitsgesetz sowie der Eidgenössischen Fabrikkornmission gezeigt haben, ist es durchaus möglich, die Frage der bezahlten jährlichen Ferien durch unabdingbare Mindestnormen des Privatrechts in befriedigender Weise zu ordnen. Gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Ferienordnung weist die privatrechtliche Lösung bedeutende Vorteile auf. Einmal lassen sich die staatliche Kontrolle und Durchsetzung vermeiden, deren Durchführung auf diesem Gebiet ohnehin sehr problematisch ist; es liegt auf der Hand, dass eine ungenügende Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeit kaum zur Hebung der staatlichen Autorität beiträgt. Sodann kann sich eine privatrechtliche Ordnung der Ferien eher als eine solche des öffentlichen Rechts auf einige wenige allgemeine Grundsätze beschränken, die als Mindestnormen zudem der Regelung durch Gesamtarbeitsvertrag, Normalarbeitsvertrag und Einzelabrede weiten Spielraum lassen. Dadurch wird auch dem allgemein anerkannten Gedanken der Förderung der Zusammenarbeit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ihrer Verbände zur autonomen Regelung ihrer Beziehungen am besten Rechnung getragen. Die privatrechtliche Lösung erlaubt überdies, Ferienvorschriften für alle Arbeitnehmer, also auch für jene in der Landwirtschaft und im Hausdienst, aufzustellen, während die öffentlich-rechtliche Ordnung des Arbeitsgesetzes sich auf Arbeitnehmer in Industrie, Gewerbe und Handel beschränken würde. Damit jedoch die Ferienregelung mit dem Arbeitsgesetz in Kraft treten kann, ohne dass die Revision des Titels «Dienstvertrag» abgewartet werden muss, soll eine das Obligationenrecht ergänzende Ferienvorschrift in den Entwurf aufgenommen werden (vgl. unten Kapitel C, Abschnitt VII).

e. Verzicht auf die q u a l i f i z i e r t e R e c h t s v e r o r d n u n g Nach Artikeln 86 bis 40 des Entwurfes 1950 über die «qualifizierte Rechtsverordnung» hätten in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen für einzelne Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen öffentlich-rechtliche Sonderbestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit auf gemeinsamen Vorschlag der Verbände erlassen werden können. Diese Vorschriften entsprachen dem damals

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von verschiedenen Seiten erhobenen Postulat eines stärkeren Anteils der Verbände an der Eechtsbildung auf dem Gebiete des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes. Doch wurden sie von der Mehrheit der Kantone und Verbände entschieden abgelehnt. Die Notwendigkeit einer elastischen Anpassung der gesetzlichen Eegelung an die konkreten Verhältnisse und Bedürfnisse einzelner Betriebs- und Arbeitnehmergruppen wurde zwar auch von den Gegnern der qualifizierten Eechtsverordnung anerkannt. Doch wurden eine Eeihe von gewichtigen .Überlegungen ins Feld geführt, die einen Verzicht auf diese Neuerung aufdrängen. So wurden staatspolitische Bedenken wegen einer allzuweit gehenden Förderung der Verbandsmacht laut. Anderseits befürchtete man aber auch eine Gefährdung der echten Verbandsautonomie wegen der Möglichkeit eines verstärkten Einflusses des Staates auf die Verbände und der damit verbundenen Beaufsichtigung und Kontrolle. Ferner wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass die Gesamtarbeitsverträge durch solche öffentlich-rechtlichen Eegelungen verdrängt werden könnten.

Dem Hauptanliegen der Befürworter der qualifizierten Eechtsverordnung wird im Entwurf mit der in Artikel 25 vorgesehenen Möglichkeit, auf dem Verordnungsweg Sonderregelungen für bestimmte Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen aufzustellen, in einer Art und Weise Eechnung getragen, welche die geltend gemachten Nachteile ausschalten dürfte. Die Aufstellung derartiger Sonderbestimmungen bietet die Möglichkeit, auf die Besonderheiten der einzelnen Wirtschaftszweige Bedacht zu nehmen und die Verbände bei der Vorbereitung der Bestimmungen heranzuziehen, ohne dadurch die Grenzlinie zwischen staatlichem und Kollektivrecht zu verwischen.

II. Aufgaben von Bund und Kantonen Für die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes gilt gemäss Artikel 32, Absatz 2 und Artikel 34ter, Absatz 4 der Bundesverfassung der Grundsatz, dass dem Bund die Eechtssetzung obliegt, während der Vollzug der Bundesvorschriften in der Eegel den Kantonen zu übertragen ist. Die Frage, inwieweit der Bund von dieser umfassenden Kompetenz zur Vereinheitlichung des materiellen Eechts, insbesondere im Bereich der Arbeit in Handel und Gewerbe, Gebrauch machen und in welchem Umfang die Kantone für den Vollzug zuständig sein sollen, bedarf jedoch im einzelnen
sorgfältigster Abwägung.

a. Mitwirkung der K a n t o n e bei der Eechtsetzung 1. Der Entwurf 1950 räumte den Kantonen die Befugnis ein, weitergehende Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge zu erlassen; ferner überliess er den Kantonen die Eegelung der Arbeits- und Buhezeit der Arbeitnehmer nichtindustrieller Betriebe mit örtlich begrenztem Tätigkeitsgebiet, «bei denen der interkantonale Wettbewerb unerheblich ist », sowie des Personals von Anstalten für Erziehung und Unterricht, Fürsorge und Krankenpflege. Für den Fall, dass

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die Kantone von den erwähnten Befugnissen keinen Gebrauch machen würden, wären die Mindestvorschriften des Bundesgesetzes oder aber, was die Eegelung der Arbeits- und Buhezeit betrifft, die vom Bundesrat zu erlassenden Bestimmungen anwendbar gewesen. Diese Vorschläge fanden bei den Kantonen im allgemeinen Zustimmung, während sie namentlich bei den Arbeitgeberverbänden auf starken Widerstand stiessen.

Nach sorgfältiger Abwägung des Umfangs der Eechtsvereinheitlichung verzichtet der Entwurf darauf, den Kantonen Gesetzgebungskompetenzen in bezug auf die Gesundheitsvorsorge sowie die Arbeits- und Buhezeit einzuräumen. Das künftige Arbeitsgesetz soll grundsätzlich eine abschliessende Ordnung bringen und den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer einheitlich für das ganze Land ordnen, da auch die zu bekämpfenden Gefahren nicht von einem Landesteil zum andern verschieden sind, sondern höchstens von Beruf zu Beruf. Es bleibt daher kein Baum mehr für kantonales Arbeitsschutzrecht. Von dieser grundsätzlichen Ausscheidung wird jedoch die Zuständigkeit der Kantone zum Erlass öffentlichrechtlicher Vorschriften, die nicht zum eigentlichen Arbeitsschutzrecht gehören, aber in einem mehr oder weniger engen Verhältnis zu ihm stehen, nicht berührt.

So bleiben ausdrücklich vorbehalten kantonale Vorschriften über das Polizeirecht einschliesslich der Vorschriften über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten von Betrieben, die dem Detailverkauf, der Bewirtung und der Unterhaltung dienen (Art. 66, Buchstabe fe).

Die vorgeschlagene Regelung dürfte im heutigen Zeitpunkt für die Kantone um so eher annehmbar sein, als der wirtschaftliche Wettbewerb je länger je weniger an den Kantonsgrenzen Halt macht. Es wäre unzweckmässig, wenn einzelne Kantone Sondervorschriften über die Arbeitszeit in bestimmten Betriebsgruppen, z.B. im Detailhandel oder im Schuhmachergewerbe erlassen würden, andere dagegen nicht, so dass in letztern die eidgenössischen Mindestvorschriften gelten würden. Die Einräumung solcher Eechtsetzungskompetenzen vermöchte auch deshalb nicht zu befriedigen, weil dort, wo für einen Wirtschaftszweig Sonderbestimmungen notwendig sind, der umständliche Weg der kantonalen Gesetzgebung eingeschlagen werden müsste. Dieser unzweckmässigen Lösung steht die einfachere Ordnung gegenüber, die der Entwurf vorsieht, wonach
durch Verordnung bestimmte Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen, soweit dies mit Eücksicht auf ihre besondern Verhältnisse notwendig ist, ganz oder teilweise von den Arbeits- und Euhezeitvorschriften des Gesetzes ausgenommen und besonderen Bestimmungen unterstellt werden können (Art. 25). Auf diese Weise kann vor allem den Bedürfnissen des Gewerbes angemessen Eechnung getragen werden.

2. Bei der Aufstellung bundesrechtlicher Verordnungen wird den Kantonen eine weitgehende Mitwirkung gesichert. Sämtliche Durchführungsbestimmungen, mit Ausnahme der Verwaltungsbestimmungen, sind ihnen vor dem Erlass zur Stellungnahme vorzulegen" (Art.36, Abs.2). Ebenso sind die Kantone in der Eidgenössischen Arbeitskommission vertreten, die zuhanden der Bandesbehörden Fragen der Gesetzgebung und des Vollzuges zu begutachten hat (Art. 89). Gegen-

925 über dem Fabrikgesetz, das weder ein Mitspracherecht der Kantone beim Erlass von Verordnungen noch deren Vertretung in der Fabrikkommission vorsieht, stellt diese Regelung eine Verstärkung des kantonalen Einflusses bei der Schaffung und Anwendung des Bundesrechts dar.

b. M i t w i r k u n g der K a n t o n e beim Vollzug Den Kantonen ist grundsätzlich der Vollzug des öffentlichen Arbeitsschutzrechts übertragen (Art.37, Abs.l).

Die zuständige kantonale Behörde entscheidet in Zweifelsfällen, ob einzelne Betriebe, Betriebsteile oder Arbeitnehmer unter das Gesetz fallen (Art. 37, Abs. 3) und welche gesetzlichen Vorschriften anwendbar sind, wenn ein Arbeitnehmer in verschiedenen Betrieben oder Betriebsteilen beschäftigt ist. Nur die Unterstellung eines Betriebes unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe bleibt der Bundesbehörde vorbehalten (Art.4, Abs.l).

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Gesetzes durchgeführt werden; sie organisieren die erforderliche Kontrolle durch die eigenen Vollzugsorgane und bezeichnen eine kantonale Eekursbehörde (Art.37, Abs.l). Dem Bund obliegt im allgemeinen nur die Oberaufsicht, in deren Rahmen er den kantonalen Vollzugsbehörden Weisungen erteilen kann (Art.38). Zur Durchführung der Oberaufsicht im Sinne eines einheitlichen Vollzuges sollen in erster Linie die Eidgenössischen Arbeitsinspektorate eingesetzt werden. Diese Arbeitsinspektorate sind keine neuen Amtsstellen; vielmehr werden sie durch Umwandlung der bestehenden vier Eidgenössischen Fabrikinspektorate geschaffen.

Zu den Aufgaben der Kantone gehören im weitern die Plangenehmigung und Betriebsbewilligung für industrielle Betriebe sowie die Erteilung einer grossen Zahl der in den Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit vorgesehenen Bewilligungen, und zwar entweder für sämtliche Betriebe oder für nicht-industrielle Betriebe. Schliesslich obliegt den Kantonen die Anwendung der Strafbestimmungen (Art.58, Abs.2).

Damit ist den Kantonen ein grosses Mass von Befugnissen, aber auch von Verantwortung für die Verwirklichung des materiellen Arbeitsschutzrechts übertragen.

m. Staatliches Arbeitsschutzrecht und Kollektivrecht a. Das Verhältnis zwischen staatlichem und kollektivem Arbeitsrecht ist immer bedeutsamer geworden, seitdem mit dem fortschreitenden
Zusammenschluss der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu Verbänden die einseitige Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeber mehr und mehr von der kollektiven Regelung abgelöst wurde. Dies führte bei der Revision des Obligationenrechts von 1911 zur Anerkennung des Gesamtarbeitsvertrages als Rechtseinrichtung, die eine Quelle objektiven Rechts für die Ordnung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Im Laufe der weitern Entwicklung des GesamtarbeitsverBundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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träges ging das Bestreben der Verbände freilich dahin, die autonome Eechtsetzung und Kechtsanwendung an die Stelle der staatlichen Gesetzgebung und des staatlichen Vollzuges treten zu lassen.

Ebenso wie der einzelne Dienstvertrag beruht auch der Gesamtarbeitsvertrag auf der Privatautonomie, aber es handelt sich nicht um die Autonomie der Einzelnen, sondern der Verbände. Diese besteht jedoch nur innerhalb des vom öffentlichen Eecht gezogenen Eahmens, das im Gesamtinteresse bestimmte Mindestanforderungen aufstellt, die mit den Mitteln der staatlichen Aufsicht, des staatlichen Zwanges und der staatlichen Strafe von Amtes wegen durchgesetzt werden.

Der Gedanke, dass sich der Entwurf auf die im öffentlichen Interesse gebotenen Mindestvorschriften beschränken soll, findet seinen Ausdruck zunächst in der Umschreibung der von ihm geregelten Sachgebiete, die im Gegensatz zu den frühern Entwürfen bewusst den Bereich des in voller Entwicklung begriffenen Kollektivrechtes erweitert. Insbesondere gilt dies für die Ordnung der Arbeits- und Euhezeit. Diese beruht auf der Festsetzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für drei grosse Arbeitnehmerkategorien auf 46, 50 und 52 Stunden, soweit nicht für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen Ausnahmen vorgesehen werden. Ferner erfahren die gesetzlichen Mindestvorschriften eine möglichst grundsätzliche Ausgestaltung, die auf alle nicht unbedingt erforderliche Kasuistik verzichtet. Die Festsetzung von Mindestvorschriften und deren grundsätzliche Ausgestaltung ermöglicht es den Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, im Eahmen dieser Vorschriften eine ihren Bedürfnissen entsprechende abweichende Eegelung zugunsten der Arbeitnehmer durch Gesamtarbeitsvertrag mit privatrechtlicher Wirkung zu treffen.

Wie die konsequente Beschränkung des Entwurfes auf Mindestvorschriften dient auch der bereits im Abschnitt I, Buchstabe e erwähnte Verzicht auf die im Entwurf 1950 vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Sonderbestimmungen auf gemeinsamen Vorschlag der Verbände der klaren Unterscheidung zwischen dem staatlichen Arbeitsschutzrecht und dem Kollektivrecht.

b. Im Entwurf 1950 war eine Mitwirkung der Verbände beim Gesetzesvollzug in der Weise vorgesehen, dass die staatlichen Vollzugsbehörden im Einverständnis mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden die von
diesen bestellten paritätischen Kommissionen zur Kontrolle der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Gesetzes und der darauf beruhenden Bestimmungen hätten heranziehen können. Ferner hätten die Sonderbestimmungen auf gemeinsamen Vorschlag der Verbände die Kontrolle einer paritätischen Kommission übertragen können. Diese Mitwirkung der Verbände beim Vollzug wurde von zahlreichen Kantonen und Verbänden mit aller Entschiedenheit abgelehnt.

Dabei wurden grundsätzliche staatspolitische und staatsrechtliche Bedenken ins Feld geführt. Insbesondere wurde die Auffassung vertreten, dass private Verbände nicht zur Durchführung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden sollten, die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte.

927 Der Entwurf verzichtet im wohlverstandenen Interesse der Verbände selbst auf deren Mitwirkung beim Vollzug des Gesetzes. Dagegen wird eine Bücksichtnahme auf die Verbände und ihre autonomen Begelungen ausdrücklich vorgesehen in Fällen, in denen ein Verstoss gegen Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung zugleich eine Verletzung von Bestimmungen eines für den Fehlbaren verbindlichen Gesamtarbeitsvertrages darstellt. Die zuständige kantonale Behörde wird ermächtigt, in solchen Fällen auf die Massnahmen der Vertragsparteien zur Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages Bücksicht zu nehmen (Art.47, Abs.3), und der Strafrichter kann von einer Busse absehen oder diese ermässigen, wenn auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages eine angemessene Konventionalstrafe ausgesprochen wurde (Art.57, Abs.3).

c. Den Verbänden wird eine umfassende Mitwirkung bei der Aufstellung bundesrechtlicher Verordnungen eingeräumt. So sind vor dem Erlass von Verordnungs- und Ausführungsbestimmungen, mit Ausnahme der Verwaltungsbestimmungen, die zuständigen Organisationen der Wirtschaft zur Meinungsäusserung einzuladen (Art. 36, Abs. 2). Ferner sind die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ähnlich wie in der heutigen Fabrikkommission, in der Eidgenössischen Arbeitskommission vertreten und nehmen gleichberechtigt mit den Vertretern der Kantone und den wissenschaftlichen Sachverständigen an der Begutachtung von Fragen der Gesetzgebung und des Vollzuges teil (Art. 39, Abs.l).

Schliesslich steht den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen Verfügungen und Entscheide der Behörden das Beschwerderecht zu (Art. 54, Abs.l). Sie können auch den staatlichen Vollzugsbehörden Anzeigen wegen Nichtbefolgung von Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung oder einer Verfügung erstatten (Art.50, Abs.l).

IV. Gesetz und Verordnung Es gehört zu den wesentlichen Forderungen der Gesetzgebung im demokratischen Eechtsstaat, dass alle grundsätzlichen Normen, welche für den Einzelnen verbindlich sind, in das Gesetz selbst aufgenommen werden und nur die Begelung untergeordneter Einzelfragen auf den Weg der Bechtsverordnung verwiesen wird. Gerade auf dem Gebiete des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes muss der Verordnung noch ein verhältnismässig weites Feld überlassen werden, damit die Begelung den ebenso vielgestaltigen
wie oft wechselnden Verhältnissen in einem einfachen und raschen Bechtsetzungsverfahren angepasst werden kann.

Um sowohl dem Gedanken des Bechtsstaates als auch den Bedürfnissen der Praxis Bechnung zu tragen, ist es von grosser Bedeutung, für die Abgrenzung von Gesetz und Verordnung das richtige Mass und die zutreffende Methode zu finden.

a. Im Gegensatz zur geltenden Gesetzgebung (vgl. z.B. Art.81, Abs.l des Fabrikgesetzes) hatte der Entwurf 1950 eine Blankovollmacht für den Erlass von Bechtsverordnungen abgelehnt und in Artikel 81, Absatz l vorgesehen, dass

928 der Buudesrat nur «in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen» zum Erlass von Verordnungsbestimmungen zuständig ist. Nach diesem Grundsatz wurde im Entwurf 1950 überall dort, wo über die Vorschriften des Gesetzes hinaus weitere Eechtssätze erlassen werden sollten, ausdrücklich eine entsprechende Verordnungskompetenz vorgesehen. Damit sollte das Anwendungsgebiet des Verordnungsrechts eingeschränkt werden, indem nur in den ausdrücklich vorgesehenen Fällen und unter Beachtung der aufgestellten Voraussetzungen oder Eichtlinien Eechtssätze auf dem Wege der Eechtsverordnung erlassen werden können.

Die neue Vorlage knüpft an das System des Entwurfes 1950 an. Um die nötige Gewähr für die Einhaltung der rechtsstaatlichen Prinzipien zu bieten, muss bei der Ordnung jeder einzelnen Sachfrage im Gesetz ausdrücklich festgestellt werden, ob eine Kompetenz zum Erlass weiterer Eechtssätze durch Verordnung gegeben sein soll. Ausserdem aber müssen, soweit dies möglich ist, bereits in den gesetzlichen Vorschriften die wesentlichen Grundsätze der materiellen Ordnung enthalten sein, nach denen die Eegelung der Verordnung gestaltet werden soll.

Eine allgemeine Kompetenz kann grundsätzlich nur für den Erlass von Ausführungsbestimmungen vorgesehen werden, die nötig sind, um einzelne gesetzliche Vorschriften näher zu umschreiben, ohne deren Inhalt oder Anwendungsgebiet zu ändern, oder von Verwaltungsbestimmungen, die sich ausschliesslich an die Vollzugs- und Aufsichtsbehörden richten. Dagegen ist sorgfältig darauf geachtet worden, dass eine weitergehende Befugnis zum Erlass von eigentlichen Verordnungsbestimmungen nur in denjenigen Fällen vorgesehen werden soll, wo entweder ergänzende Bestimmungen unerlässlich sind (Art.2, Abs.3; Art.8, Abs.S; Art.10, Abs.2; Art.28, Abs.2; Art.24, Abs.l; Art.27,-Abs.3 und 4; Art.28, Abs.2; Art.29, Abs.4; Art.31, Abs.2; Art.32, Abs.2; Art.48, Abs.2) oder aber durch Verordnung für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen werden können (Art.8, Abs.2; Art.24, Abs.2; Art.25; Art.28, Abs.l).

Bei diesem System ist allerdings nicht zu vermeiden, dass sich im Gesetz verhältnismässig häufige Verweisungen auf die Verordnung finden. Um aber eindeutig klarzustellen, dass der Bundesrat überhaupt nur in den vom Gesetz abschliessend
aufgezählten Fällen zusätzliche Bestimmungen auf dem Wege der Verordnung erlassen kann, wird dieser Grundsatz ausdrücklich in den Entwurf aufgenommen (Art.36, Abs.l, Buchstabe a). Anderseits wird überall dort, wo es für den Vollzug oder für die Strafrechtspflege zur Vermeidung von Missverständnissen von Bedeutung ist, neben dem Gesetz auf die gestützt darauf erlassenen Verordnungen hingewiesen (Art.37, Abs.l; Art.38, Abs.l; Art.41, Abs.l; Art.42; Art.46, Abs.l; Art.47, Abs.l; Art.50, Abs.l; Art.55, Abs.l; Art.56, Abs.l; Art.57, Abs.2). Neben den Verordnungsbestimmungen kann der Bundesrat nur Ausführungsbestimmungen zur nähern Umschreibung einzelner Vorschriften des Gesetzes (Art.36, Abs.l, Buchstabe fe) sowie Verwaltungsbestimmungen für die Vollzugs- oder Aufsichtsbehörden (Art.36, Abs.l, Buchstabe c) erlassen.

929 b. Der Entwurf sorgt ferner dafür, dass durch ein geeignetes Verfahren beim Erlass der Kechtsverordnungen alle Beteiligten ausreichend zum Wort kommen.

Vor dem Erlass von Verordnungs- und Ausführungsbestimmungen sind die Kantone und die Eidgenössische Arbeitskommission anzuhören, und zudem ist den zuständigen Organisationen der Wirtschaft, unter denen die Spitzenverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu verstehen sind, Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben (Art.36, Abs.2). Wenn der Bundesrat auch gegenüber der Stellungnahme der Kantone und der Arbeitskommission sowie gegenüber der Vernehmlassung der Verbände rechtlich alle Freiheit besitzt, so liegt doch im vorgesehenen Verfahren die Garantie einer angemessenen Berücksichtigung aller beteiligten Interessen. Dabei wird in der Praxis dem Gutachten der Eidgenössischen Arbeitskommission, welche aus Vertretern der Kantone, wissenschaftlichen Sachverständigen sowie aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in gleicher Zahl bestellt werden soll, erhebliches Gewicht zukommen (Art.89).

V. Arbeitsgesetz und übriges Arbeitsschutzrecht Mit dem Entwurf soll weitgehend eine Kodifikation des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechtes geschaffen werden, welche die Übersichtlichkeit des Bechtsstoffes und damit die Eechtssicherheit erhöht, ohne dass darunter irgendwie die Anpassung der gesetzlichen Ordnung an die mannigfaltigen Bedürfnisse und Verhältnisse der einzelnen Wirtschaftszweige, Betriebs- und Arbeitnehmergruppen leiden müsste.

a. Verhältnis zum Fabrikgesetz Seit langem ist die Eevisionsbedürftigkeit des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den-Fabriken anerkannt. Deshalb war ursprünglich vorgesehen, gleichzeitig mit dem Erlass eines Gesetzes über die Arbeit im Handel und in den Gewerben auch eine Totalrevision des Fabrikgesetzes durchzuführen.

Das revidierte Fabrikgesetz müsste jedoch in weitem Umfange gleiche Bestimmungen enthalten wie ein Gesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben. Es erscheint daher als gegeben, die beiden Erlasse zu vereinigen und gleichzeitig die erforderlichen Sondervorschriften für industrielle Betriebe den heutigen Verhältnissen anzupassen. Massgebend für den Einbezug des Fabrikgesetzes in das Arbeitsgesetz ist auch die Überlegung, dass einerseits bei den Vorarbeiten
für die Gesetzgebung im Handel und in den Gewerben die Erfahrungen des Fabrikgesetzes bereits weitgehend berücksichtigt wurden und anderseits gewisse Neuerungen, wie z.B. der wöchentliche freie Halbtag (Art.19), gleichfalls für Fabrikbetriebe vorzusehen sind. Gewiss wäre es an sich möglich, für die Arbeit in Industrie sowie in Handel und Gewerbe zwei getrennte Gesetze zu schaffen, aber sie würden, wie erwähnt, weitgehend gleichlautende Bestimmungen enthalten, womit die Übersicht über das geltende Arbeitsschutzrecht beeinträchtigt würde. Ferner gilt es unbedingt zu vermeiden, dass im Falle der

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Volksabstimmung das Gesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben und das revidierte Fabrikgesetz ein verschiedenes Schicksal erleiden könnten.

Beim Einbau des Fabrikgesetzes ist sorgfältig geprüft worden, welche Vorschriften des Fabrikgesetzes weiterhin erforderlich sind, welche unverändert und welche in veränderter Fassung in den Entwurf aufgenommen werden sollen und inwieweit sie mit Vorteil durch Vorschriften des neuen Gesetzes ersetzt werden. Es ist selbstverständlich, dass auch bei der Verschmelzung der beiden Gesetze auf die besondern Verhältnisse des industriellen Betriebes Eücksicht genommen werden muss. Dabei hat sich aber ergeben, dass für industrielle Betriebe verhältnismässig wenige Sondervorschriften erforderlich sind. Im einzelnen handelt es sich um die Plangenehmigung und Betriebsbewilligung (Art.7), die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art.8, Abs.l, Buchstabe o), die Grenzen der Tagesarbeit (Art.9, Abs.l), die Schichtarbeit (Art.21, Abs.2, und 22, Abs.8), die Betriebsordnung (Art.35, Abs.l) und die Bekanntgabe des Stundenplanes (Art.43, Abs.l). Von diesen Sondervorschriften abgesehen, sollen für die industriellen Betriebe die gleichen Vorschriften gelten wie für die andern Betriebe, weshalb die Unterscheidung inskünftig auch wesentlich an Bedeutung verlieren wird. Dabei wird aber angestrebt, die für alle Betriebe einheitlich geltenden Vorschriften so zu gestalten, dass sie den wirtschaftlichen Verhältnissen und besonders den Unterschieden nach Anlage, Grosse und Eigenart der einzelnen Betriebsgruppen möglichst weitgehend Eechnung tragen.

Der Begriff des industriellen Betriebes, an den sich die Sondervorschriften anknüpfen, wird im Unterschied zum Fabrikbegriff des geltenden Eechts im Gesetz selbst umschrieben (Art.4, Abs.2). Diese Umschreibung wird, soweit erforderlich, in besondern Ausführungsbestimmungen im Sinne von Art. 36, Abs.l, Buchstabe b konkretisiert werden können.

b. Verhältnis zum übrigen Arbeitsschutzrecht des Bundes Neben dem Fabrikgesetz fasst der Entwurf soweit als möglich auch die übrigen, bisher zerstreuten, teilweise überholten und sachlich ungleichen Arbeitsschutzvorschriften des Bundes für alle Arbeitnehmer, mit Ausnahme derjenigen in Land- und Hauswirtschaft, zusammen. Die Zusammenfassung erlaubt es, ausser dem Fabrikgesetz eine Eeihe weiterer
Bundesgesetze aufzuheben, nämlich diejenigen über die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen, über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, über die wöchentliche Euhezeit sowie über das Mindestalter der Arbeitnehmer (Art.67, Abs.l).

Abgesehen von der geltenden Bundesgesetzgebung über den Arbeitsschutz in Verkehrsbetrieben (vgl. S. 4) soll einzig das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit als Spezialgesetz des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes bestehen bleiben, weil es einerseits vornehmlich Sachfragen, wie die Lohnfestsetzung, regelt, die für die gesetzliche Ordnung in andern Betrieben nicht in Frage kommen, und weil anderseits die meisten Vorschriften des Entwurfes auf die Heimarbeit nicht angewendet werden können. Immerhin soll

931 die Gelegenheit benützt werden, verschiedene revisionsbedürftige Bestimmungen des Heimarbeitsgesetzes zu ändern (Art. 63). Im weitern wird bei der Eevision des Dienstvertragsrechts zu prüfen sein, ob gewisse Vorschriften des Heimarbeitsgesetzes, wie diejenigen über die Auszahlung des Lohnes und die Lohnabzüge, als rein privatrechtliche Vorschriften im Obligationenrecht juntergebracht werden können.

c. Verhältnis zum kantonalen Arbeitsschutzrecht Gestützt auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts bestimmt der Entwurf ausdrücklich, dass die kantonalen Vorschriften mit Einschluss der auf Grund kantonaler Ermächtigung von den Gemeinden erlassenen Vorschriften, soweit sie vom Gesetz geregelte Sachgebiete betreffen, aufgehoben werden (Art. 68, Abs. 1). Die Ausscheidung der aufgehobenen und der weiterhin geltenden Vorschriften ist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes von den Kantonen vorzunehmen und bedarf der Genehmigung des Bundesrates (Art.68, Abs.2).

VI. Arbeitsgesetz und internationale Arbeitsübereinkommen Bei der Vorbereitung des Entwurfes sind das Verhältnis zu den von der Schweiz ratifizierten internationalen Arbeitsübereinkommen sowie die Möglichkeit der Eatifikation weiterer Vereinbarungen eingehend geprüft worden. Insbesondere hat sich auch ein von der Schweizerischen Vereinigung für Sozialpolitik bestellter Ausschuss für internationales Arbeitsrecht mit diesen Fragen befasst. In den nachfolgenden Darlegungen soll die Bedeutung der internationalen Übereinkommen für die vom Entwurf geregelten Sachgebiete zusammenfassend gewürdigt werden.

a. Geltungsbereich Der Geltungsbereich des Entwurfes darf nicht enger sein als in den von der Schweiz ratifizierten Übereinkommen Nr. 14 über den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben (1921), Nr. 5 über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1919), Nr. 6 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1919) und Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (1948). Grundsätzlich erfassen die Übereinkommen alle in öffentlichen oder privaten Betrieben beschäftigten Personen ohne Eücksicht auf die Bechtsnatur des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dieser Anforderung entspricht Artikel l des Entwurfes; soweit Arbeitnehmer in öffentlichen oder Verkehrsbetrieben vom Gesetz ausgenommen werden
(Art.2, Abs. l, Buchstaben a und b), gelten für ihr Dienstverhältnis besondere Vorschriften, die mit den Anforderungen der erwähnten Übereinkommen durchwegs übereinstimmen, und im übrigen bietet Artikel 2, Absatz 3 die Möglichkeit, einzelne Vorschriften des Gesetzes auf Verkehrsbetriebe anwendbar zu erklären, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erforderlich ist.

Das Übereinkommen Nr. 89 gilt nach Artikel 8 nicht für Frauen, die verantwortliche Stellungen leitender oder technischer Art bekleiden. Die Frage, ob diese

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Umschreibung mit der in Artikel 2, Absatz 2, Buchstabe d des Entwurfes vorgesehenen Ausnahme der Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben, übereinstimme, darf bei sinngemässer Auslegung des Übereinkommens bejaht werden.

Alle Übereinkommen nehmen sodann vom Geltungsbereich reine Familienbetriebe aus, d.h. Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind. Nicht ausgenommen sind jedoch Familienmitglieder, welche in einem Betrieb arbeiten, in dem auch Drittpersonen beschäftigt sind (gemischte Familienbetriebe). Die Regelung des Entwurfes, die in reinen Familienbetrieben nur den engern Familienkreis und in gemischten Familienbetrieben nur den Ehegatten, die übrigen Angehörigen des engern Familienkreises aber nur dann ganz vom Gesetz ausnimmt, wenn diese Familienmitglieder auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht im Betriebe tätig sind, im übrigen aber die in Betracht fallenden Vorschriften des Gesetzes als anwendbar erklärt (Art.S, Abs.2), wird dem Sinn und Geist der Übereinkommen gerecht.

Im Hinblick auf die Möglichkeit der Eatifikation weiterer Übereinkommen ist zu bemerken, dass verschiedene neuere Konventionen auch Familienbetriebe nicht mehr vorbehaltlos ausnehmen. Den Übereinkommen Nr. 59 über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1987), Nr. 60 über das Mindestalter für die Zulassung von. Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten (1937) und Nr. 90 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1948) wird daher in der Weise Rechnung getragen, dass einzelne Vorschriften des Gesetzes durch Verordnung auf jugendliche Familienmitglieder des engern Familienkreises anwendbar erklärt werden können, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erforderlich ist (Art.S, Abs.S).

6. Arbeits- und Euhezeit Für die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit ist das von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen Nr. 14 über den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben (1921) zu beachten, dem der Entwurf Rechnung trägt, sofern durch die Sonderbestimmungen für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen (Art.25) und die Verordnungsbestimmungen über den ununterbrochenen Betrieb (Art.23, Abs.2) eine angemessene Ruhezeit gesichert wird.

Dagegen dürfte
die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 106 über die wöchentliche Ruhezeit im Handel und in den Bureaux (1957), die in dem von der Kommission für den Bericht des Bundesrates betreffend die 40. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz eingereichten Postulat des Nationalrates · (zu Nr.7594) vorn 18. Juni 1958 als wünschbar bezeichnet wurde, nicht möglich sein, da zwar die Ruhezeitvorschriften des Entwurfes diesem entsprechen, nicht aber die Regelung der vorgesehenen Ausnahmen und die Umschreibung des Geltungsbereiches (Art.2, Abs.l, Buchstabe a, Abs.2, Buchstabe a und Art.S). Aus materiellen Gründen können sodann nicht ratifiziert werden die Übereinkommen

933 Nr. l über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich (1919), Nr. 43 über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten (1934), Nr. 49 über die Verkürzung der Arbeitszeit in Flaschenglashütten (1935) und Nr. 61 über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie (1937).

c. Sonderschutz der jugendlichen Arbeitnehmer Für den Schutz der jugendlichen Arbeitnehmer sind die von der Schweiz ratifizierten Übereinkommen Nr. 5 über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1919) und Nr. 6 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1919) zu beachten. Im Hinblick auf das Übereinkommen Nr. 5 wird im Entwurf ausdrücklich vorgesehen, dass in der Verordnung die Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern und die Voraussetzungen, unter denen Jugendliche schon vom vollendeten 13. Altersjahr an zu Botengängen und leichten Arbeiten herangezogen werden dürfen, einzeln zu bezeichnen sind (Art. 28, Abs.l). Was die Nachtarbeit der Jugendlichen betrifft, so gestattet das Übereinkommen Nr. 6 Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit Jugendlicher von 16 bis 18 Jahren lediglich für den Fall einer nicht voraussehbaren oder nicht zu verhindernden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsstörung infolge höherer Gewalt und andere Ausnahmen nur in engem Bahmen für Jugendliche über 16 Jahren in bestimmten Betriebsgruppen. Der Entwurf geht insofern darüber hinaus, als Ausnahmen durch Verordnung vorgesehen werden können, insbesondere im Interesse der beruflichen Ausbildung (Art. 29, Abs.4). Jedoch lässt.das revidierte, von der Schweiz noch nicht ratifizierte Übereinkommen Nr. 90 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1948) für Jugendliche über 16 Jahren weitergehende Ausnahmen zu. In jedem Falle sind somit die Schranken des revidierten Übereinkommens Nr. 90 einzuhalten. Dies ist auch zu beachten beim Erlass von Sonderbestimmungen für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen (Art.25), soweit diese vom Geltungsbereich des Übereinkommens erfasst werden.

Unter den von der Schweiz nicht ratifizierten Übereinkommen sind in erster Linie die Konventionen Nr. 59, 60, 77, 78, 79 und 90 zu nennen.

Das Übereinkommen Nr. 59 über das. Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1937) setzt wie der
Entwurf (Art.28, Abs.l) als Mindestalter die Vollendung des 15. Altersjahres fest. Es kann jedoch nicht ratifiziert werden, weil es keine Ausnahmen im Sinne des Entwurfes vorsieht.

Ebenso ist die Batifikation des Übereinkommens Nr. 60 über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zu nicht-gewerblichen Arbeiten (1937) nicht möglich, das als Mindestalter nicht nur das 15. Altersjahr festsetzt, sondern darüber hinaus die Vollendung der gesetzlichen Grundschulpflicht verlangt, was über die Anforderungen des Entwurfes (Art. 28, Abs.2) hinausgeht.

Die Übereinkommen Nr. 77 und 78 über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe (1946) und zu nicht-gewerblichen Arbeiten (1946) enthalten über das Obligatorium der ärzt-

934 liehen Untersuchung hinaus weitgehende Vorschriften, deren Verwirklichung auf absehbare Zeit als ausgeschlossen erscheint, so dass die Ratifikation dieser Übereinkommen nicht möglich ist.

Das Übereinkommen Nr. 79 über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nicht-gewerblichen Arbeiten (1946) sowie das Übereinkommen Nr. 90 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1948) umschreiben die Nacht als Zeitraum von mindestens 12 aufeinanderfolgenden Stunden, welche die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr in sich schliessen müssen. Nach dem Entwurf darf dagegen die zwölfstündige Nachtruhe im Sommer bereits um 5 Uhr beendet sein, so dass auch diese beiden Übereinkommen nicht ratifiziert werden können.

d. Sonderschutz für weibliche Arbeitnehmer Für den Schutz weiblicher Arbeitnehmer ist das von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (1948) zu beachten. Die Regelung der Nachtruhe für weibliche Arbeitnehmer im Entwurf (Art. 32, Abs.l) entspricht den Anforderungen des Übereinkommens. Allerdings sind bei den Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit, die nach dem Entwurf unter besonderen, durch Verordnung zu bestimmenden Voraussetzungen bewilligt werden können (Art.32, Abs.2), die Schranken des Übereinkommens einzuhalten. Insbesondere ist zu beachten, dass die Anforderungen des Übereinkommens strenger sind als die im Entwurf (Art?15) genannten Voraussetzungen für solche Ausnahmen. Dasselbe gilt in bezug auf die Sonderregelungen für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen (Art.25), soweit diese unter den Geltungsbereich des Übereinkommens fallen.

e. Ferien Dem von der Schweiz nicht ratifizierten Übereinkommen Nr. 52 über den bezahlten Jahresurlaub (1932) wird bei der Regelung des Urlaubsanspruches in der das Obligationenrecht ergänzenden Ferienvorschrift des Entwurfes (Art. 60) materiell Rechnung getragen. Das Übereinkommen verlangt jedoch in Artikel 8 Zwangsmassnahmen, um seine Durchführung sicherzustellen. Dieser Forderung entspricht die rein zivilrechtliche Regelung nicht. Ausserdem erfasst das Übereinkommen allgemein auch Arbeitnehmer, deren Anstellungsverhältnis auf öffentlichem Recht beruht. Nach Artikel 862 des Obligationenrechts wird jedoch für das Dienstverhältnis der öffentlichen Beamten und Angestellten das öffentliche Recht
des Bundes und der Kantone vorbehalten. Aus diesen Gründen ist die Ratifikation des Übereinkommens nicht möglich.

VII. Aufbau und Gestaltung des Entwurfes Bei der Ausarbeitung des Entwurfes 1950 sind sowohl hinsichtlich der systematischen Anordnung wie der gesetzestechnischen Gestaltung und der Formulierung gegenüber den frühem Vorarbeiten neue Wege beschritten wor-

935 den, die dem Werk in allen Kreisen grosse Anerkennung eingetragen haben. Obschön die neue Vorlage in materieller Hinsicht eine starke Entlastung erfahren hat, wurden doch der systematische Aufbau und die Gesetzestechnik des Entwurfes 1950 weitgehend beibehalten; dieser Entwurf beruhte auf der Überlegung, dass das Gesetz in erster Linie die einheitliche Ordnung des öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzes bezweckt.

Der Entwurf regelt zunächst den Geltungsbereich (Abschnitt I). Die folgenden Abschnitte enthalten die materiellen Vorschriften über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung (Abschnitt II), Arbeits- und Euhezeit (Abschnitt III) und den Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer (Abschnitt IV).

Daran schliesst sich die Eegelung der Betriebsordnung (Abschnitt V) an. Dann folgen die Vorschriften, welche der Durchführung des materiellen öffentlichen Eechts dienen (Abschnitt VI), nämlich die Durchführungsbestimmungen, Organisation und Aufgaben der Behörden, Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Verwaltungsverfügungen und Verwaltungsmassnahmen, Verwaltungsrechtspflege und Strafbestimmungen. Im Anschluss daran finden sich die Änderungen von Bundesgesetzen (Abschnitt VII)> die im Zusammenhang mit der Schaffung des Arbeitsgesetzes vorgenommen werden sollen. Die Schluss- und Übergangsbestimmungen (Abschnitt VIII) beziehen sich auf den Vorbehalt und die Aufhebung geltenden Eechts sowie auf das Inkrafttreten des neuen Gesetzes.

Die gesetzestechnische Ausgestaltung des Entwurfes wird vom Bestreben geleitet, die gesetzliche Ordnung auf Grundsätze zu beschränken und diese in die Form leicht anwendbarer Vorschriften zu kleiden. Damit folgt der Entwurf nicht nur einer bewährten Tradition der schweizerischen Gesetzgebung, sondern er schafft auch die Grundlage für eine zweckmässige Abgrenzung der Bereiche des staatlichen Arbeitsschutzrechts und des kollektiven Arbeitsrechtes (vgl. Abschnitt II hievor). Allerdings sind dem Bestreben, eine bis in alle Einzelheiten gehende Kasuistik zu vermeiden, auf dem Gebiete des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes bestimmte Schranken gesetzt, die sich vor allem aus der Eigenart des Stoffes ergeben. Die Verhältnisse in den Betriebs- und Arbeitnehmergruppen, welche der weite Geltungsbereich des Entwurfes umfasst, sind in einzelnen Teilgebieten so
verschieden, dass für die Eegelung zahlreicher Sachfragen unterschiedliche Vorschriften aufgestellt werden müssen. So ginge es z.B. bei der Eegelung der Arbeits- und' Euhezeit nicht an, einfach den Grundsatz aufzustellen, dass der Arbeitgeber durch die Ansetzung der Arbeits- und Euhezeit Gesundheit und Arbeitskraft der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigen dürfe.

Vielmehr ist dieser Grundsatz in einzelne leicht anwendbare Eechtsvorschriften auszuprägen. Der Entwurf nimmt dort, wo es notwendig ist, sachliche Differenzierungen vor. Anderseits umgeht er die Schwierigkeiten der gesetzgeberischen Lösung auch nicht dadurch, dass die Festsetzung der Einzelheiten in vollem Umfang auf den Verordnungsweg verwiesen wird. Vielmehr werden, wie bereits dargelegt wurde (vgl. Abschnitt III hievor), sozusagen ausnahmslos alle grundsätzlichen Normen in das Gesetz selbst aufgenommen. Wo ergänzende oder Ausnahmebestimmungen durch Verordnung erlassen werden sollen, enthält das

936

Gesetz fast durchwegs bereits die Grundsätze der materiellen Eegelung. Dem entspricht auch die Terminologie: Der Ausdruck «Vorschriften» wird materiellrechtlich nur für Gesetzesnormen verwendet; die Verordnung enthält bloss «Bestimmungen».

Das Bestreben, den Entwurf von aller nicht unbedingt erforderlichen Kasuistik zu entlasten, ohne diese der Verordnung vorzubehalten, ist keineswegs erfolglos geblieben. Der Vorentwurf 1945 zu einem Bundesgesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben enthielt 154 Artikel, der Entwurf 1950 mit dem darin verarbeiteten Fabrikgesetz deren 91. Die neue Vorlage dagegen zählt nur noch 69 Artikel. Dank weitgehender Ausschaltung der Kasuistik konnte somit die Artikelzahl erheblich herabgesetzt werden. Das Gesetz wird dadurch übersichtlicher und lesbarer. Die gesetzestechnische Ausgestaltung des Entwurfes mit ihrer Beschränkung auf das Grundsätzliche ist geeignet, die praktische Brauchbarkeit zu erhöhen.

Bei der Gestaltung der einzelnen Vorschriften ist darnach getrachtet worden, eine Sachfrage jeweils auch in einem einzigen Artikel zu ordnen. Infolgedessen weisen verschiedene Artikel mehr als drei Absätze auf. Den einzelnen Artikeln wird ein selbständiger Eandtitel beigegeben, der Bestandteil des Gesetzestextes ist und den gesetzgeberischen Gedanken in prägnanter Weise zum Ausdruck bringen soll. Trotz der durch den Gegenstand bedingten Schwierigkeiten war man bestrebt, die einzelnen Vorschriften so klar und einfach als möglich zu formulieren. Der Gesetzessprache kommt eine besondere Bedeutung zu, da gerade 'das Arbeitsgesetz allgemeinverständlich sein soll.

C. Bemerkungen zu den einzelnen Abschnitten des Entwurfes Titel und Ingress Der Titel des vorliegenden Entwurfes ist kürzer und einprägsamer als jener des Entwurfes 1950 («Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Handwerk, Handel, Verkehr und verwandten Wirtschaftszweigen»). Auch die revidierten Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung sprechen im Zusammenhang mit der beruflichen Ausbildung (Art.34ter, Abs.l, Buchstabe g) von «Industrie», «Gewerbe» und «Handel» in einem weiteren Sinne, wobei der Verkehr und die verwandten Wirtschaftszweige einbezogen sind. Der Bedeutung nach entspricht die Formulierung des Titels dem Ausdruck «Gewerbewesen» im alten, durch die neuen Wirtschaftsartikel ersetzten Artikel 34ter der Bundesverfassung aus dem Jahre 1908; darunter verstand man von Anfang an den gesamten Bereich von Industrie, Gewerbe und Handel.

Die Vorlage stützt sich in erster Linie auf Artikel 84ter, Absatz l, Buchstabe a der Bundesverfassung, der den Bund allgemein zur Gesetzgebung über den Schutz der Arbeitnehmer ermächtigt. Für die Änderung der Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs, über das Obligationenrecht und über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden bildet Artikel 64, für die strafrechtlichen Bestimmungen Artikel 64bls der Bundesverfassung die Grundlage. Die

987 Änderung der Vorschriften über die obligatorische Unfallversicherung beruht auf Artikel 34bls, die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes auf Artikel 26 und 36 und jene des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege auf Artikel 103 und 114bls der Bundesverfassung. Als Grundlage für die Vorschriften über den Schutz der Umgebung eines Betriebes vor dessen schädlichen Auswirkungen dient Artikel 31bls, Absatz 2 der Bundesverfassung, wonach der Bund «unter Wahrung der allgemeinen Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft im Eahmen der Handels- und Gewerbefreiheit Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe treffen kann». Wie in unserer Botschaft vom 10. September 1937 (BB11937, II, 865) dargelegt, handelt es sich dabei um Vorschriften, «die nicht die volkswirtschaftlichen Wirkungen eines Gewerbes oder einer Betriebsart berichtigen, sondern den nachteiligen Wirkungen vorbeugen wollen, die der technischen Eigenart des Einzelbetriebes anhaften. Hierher gehören Einschränkungen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, Euhe, Sicherheit und Gesundheit».

I. Geltungsbereich (Art. 1-4) Bei der Eegelurig des Geltungsbereiches sind zunächst die Anwendbarkeit (betrieblicher Geltungsbereich, Begriff des Betriebes und persönlicher Geltungsbereich) und die Nichtanwendbarkeit des Gesetzes zu umschreiben, unter be-, sonderer Berücksichtigung der Familienbetriebe. Dabei beschränkt sich'der Entwurf auf die wesentlichen Grundsätze und überlässt deren nähere Ausführung der Verordnung. Sodann gilt es, die Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes im Einzelfall zu ordnen und den Kreis der industriellen Betriebe (bisher «Fabriken» genannt) festzulegen, für die bestimmte Sondervorschriften gelten.

1. Anwendbarkeit des Gesetzes (Art.l) a. Betrieblicher Geltungsbereich (Abs. l und 2) Entsprechend seinem Titel ist das Gesetz unter Vorbehalt von Artikel 2 und 3 anwendbar auf alle privaten und öffentlichen Betriebe der Industrie, des Gewerbes und des Handels. In Absatz l sind Industrie und Handel ausdrücklich als solche aufgeführt, wogegen zur Veranschaulichung des Sammelbegriffes « Gewerbe» eine Reihe von Betriebsgruppen aufgezählt werden. Diese Aufzählung ist aber, wie aus dem Wortlaut der Bestimmung klar hervorgeht, in keiner Weise abschliessend. Das Gesetz erfasst vielmehr sämtliche Betriebe in Industrie,
Gewerbe und Handel im weitesten Sinne, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind. So fallen auch Bergwerke, Steinbrüche und andere Betriebe zur Gewinnung von Bodenschätzen sowie sämtliche Zweige des Baugewerbes unter das Gesetz, und zur Gruppe der «anderen Dienstleistungen» zählen beispielsweise auch Erziehung und Unterricht, Fürsorge, Verbandssekretariate, Zeitungsredaktionen sowie die freien Berufe.

Neben der Gewinnung von Bodenschätzen wird im Unterschied zu den frühern Entwürfen, welche die Nichtanwendbarkeit des Gesetzes auf die forstwirt-

938 schaftliche Urproduktion sowie auf Nebenbetriebe zur Erhaltung oder Verarbeitung der Erzeugnisse eines forstwirtschaftlichen Hauptbetriebes vorgesehen hatten, als weiterer Zweig der Urproduktion auch die Forstwirtschaft in den Geltungsbereich der heutigen Vorlage einbezogen, obgleich die Forstwirtschaft nach herkömmlicher Auffassung ausserhalb der im Titel angeführten Wirtschaftszweige steht. Allerdings beschränkt sich der nunmehr vorgesehene Einbezug der Forstwirtschaft auf die Forstbetriebe öffentlicher Waldungen im Sinne des Bundesgesetzes vom 11.Oktober 1902 betreffend die Forstpolizei (Abs. 2). Dagegen fallen die Forstbetriebe der «Privatwaldungen mit Einschluss der Gemeinschaftswaldungen » nicht unter das vorliegende Gesetz, weil diese meistens mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden sind und zudem auch die nichtbäuerlichen Privatwaldungen in der überwiegenden Mehrheit eine Betriebsgrösse aufweisen, die zur Beschäftigung besonderer Arbeitskräfte mit Waldarbeiten nicht ausreicht. Die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Forstbetriebe öffentlicher Waldungen, die rund 73 Prozent der gesamten schweizerischen Waldfläche aufweisen, wird vorgesehen, weil für die Forstwirtschaft keine bundesrechtliche Eegelung auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes besteht. Diese Lücke wirkt sich vor allem als Nachteil für die Rekrutierung von Arbeitskräften für die Forstwirtschaft aus, weshalb massgebende Kreise der Forstwirtschaft die Unterstellung der Forstbetriebe öffentlicher Waldungen befürworten. Soweit die Arbeitnehmer nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, bedürfen sie eines besonderen Schutzes, für den Artikel 84ter, Buchstabe a der Bundesverfassung, welcher den Bund allgemein zur Gesetzgebung über den Schutz der Arbeitnehmer ermächtigt, die erforderliche Verfassungsgrundlage bildet. Zweifellos wäre es an sich richtiger, die «Forstwirtschaft» im Titel des Gesetzes ebenfalls zu erwähnen, doch möchten wir davon Umgang nehmen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass der Bauernwald und die übrigen Privatwaldungen ebenfalls unter das Gesetz fallen.

Die Ausscheidung zwischen öffentlichen Waldungen und Privatwaldungen im Sinne des Forstpolizeigesetzes obliegt den Kantonen, unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat. Im einzelnen gelten als öffentliche Waldungen mit Einschluss
der Weidwaldungen (Wytweiden) die «Staats- (d.h. Bundesund Kantons-), Gemeinde- und KorporationsWaldungen sowie solche Waldungen, welche von einer öffentlichen Behörde verwaltet werden», wobei in einigen Kantonen auch Wälder von privatrechtlichen Korporationen als «öffentlich» bezeichnet werden. Im allgemeinen stimmt der Kreis der öffentlichen Waldungen mit dem Geltungsbereich der obligatorischen Unfallversicherung für forstwirtschaftliche Arbeiten überein, die eine öffentliche Verwaltung ausführen lässt (vgl. Art. 19, Abs. l der Verordnung I vom 25. März 1916 über die Unfallversicherung) .

Entsprechend Artikel 25, Absatz 2, Buchstabe / können die Forstbetriebe öffentlicher Waldungen mit Bücksicht auf ihre besonderen Verhältnisse von den Arbeits- und Ruhezeitvorschriften des Entwurfes ausgenommen und entsprechenden Sondervorschriften unterstellt werden.

989

b. Begriff des Betriebes (Abs. 3 und 4) Ein Betrieb im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer dauernd oder vorübergehend einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt (Abs. 8) Dabei ist es unerheblich, ob es sich beim Arbeitgeber um eine natürliche oder juristische Person des Privatrechtes oder um eine juristische Person des öffentlichen Kechtes handelt. Neben den privaten Betrieben, das heisst, solchen, die von einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personengemeinschaft des Privatrechts geführt werden, erfasst das Gesetz somit auch die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten geführten Betriebe, soweit sie nicht gemäss Artikel 2, Absatz l, Buchstabe a ausdrücklich ausgenommen sind.

Die für Verwaltungen und. Betriebe des Bundes, der Kantone und der Gemeinden vorgesehene Ausnahme gilt auch für die Forstbetriebe öffentlicher Waldungen.

Als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes gelten auch Lehrlinge und Volontäre. Nicht erforderlich ist das Vorhandensein bestimmter Einrichtungen oder Anlagen, zum Beispiel besonderer Betriebsräumlichkeiten; dagegen sind die Sondervorschriften des Gesetzes für industrielle Betriebe nur auf «feste Anlagen von dauerndem Charakter» anwendbar (Art.4, Abs.2). Ebenso wenig wird eine Erwerbsabsicht vorausgesetzt, weshalb zum Beispiel auch gemeinnützige Anstalten unter das Gesetz fallen.

Sind die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Gesetzes nur für einzelne Teile eines Betriebes gegeben, so ist das Gesetz nur auf diese anwendbar (Abs.4), zum. Beispiel auf die mit einem Landwirtschaftsbetrieb verbundenen Gaststätten.

c. Persönlicher Geltungsbereich (Abs. 5) Das Gesetz ist anwendbar auf die Arbeitsverhältnisse aller Personen, die in einem unter das Gesetz fallenden Betriebe beschäftigt werden. Die Vorschriften des Gesetzes zum Schutze der Arbeitnehmer richten sich in erster Linie an die Arbeitgeber.

Entsprechend dem für das öffentliche Eecht geltenden Territorialitätsprinzip ist das Gesetz, ohne dass dies im Text ausdrücklich gesagt zu werden braucht, nur anwendbar auf die Arbeitsverhältnisse von Personen, die von einem in der Schweiz gelegenen Betrieb in der Schweiz beschäftigt werden. Ausgenommen ist das in der Schweiz wohnhafte Personal ausländischer Verwaltungen oder internationaler Organisationen (vgl. unten, S. 37). Arbeitsverhältnisse
von Personen, die von einem im Ausland gelegenen Betrieb in der Schweiz beschäftigt werden (z.B. Monteure), werden vom Gesetz erfasst, soweit dies nach den Umständen möglich ist, das heisst die Vorschriften gegenüber einem im Ausland gelegenen Betrieb tatsächlich durchgesetzt werden können (Abs. 5). Vorbehalten bleiben staatsvertragliche Vereinbarungen.

2. Nichtanwendbarkeit des Gesetzes (Art.2) Artikel 2 zählt unter Vorbehalt von Artikels, der den Sonderfall der Familienbetriebe regelt, die Ausnahmen vom Gesetz abschliessend auf, und zwar

940 sowohl in bezug auf den betrieblichen (Abs.l) als auch den persönlichen (Abs.2) Geltungsbereich. Dabei wird vorgesehen, dass einzelne Ausnahmen vom betrieblichen Geltungsbereich unter gewissen Voraussetzungen eingeschränkt werden können (Abs. 3).

a. Ausnahmen vom betrieblichen Geltungsbereich ( A b s . l ) aa. Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der K a n t o n e und der G e m e i n d e n , die vorwiegend Beamte und andere in einem ö f f e n t lichrechtlichen Dienstverhältnis stehende Personen beschäftigen, sowie die Schweizerische N a t i o n a l b a n k und die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Buchstabe o) Ursprünglich war vorgesehen, nur die Hoheitsverwaltungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden vom Gesetz auszunehmen und im übrigen die Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden über das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis vorzubehalten. Die Eegiebetriebe wären somit dem Gesetz unterstellt worden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Begriff der Hoheitsverwaltung sich als Abgrenzungsmerkmal nicht eignet und zu Auslegungsschwierigkeiten Anlass geben könnte und dass der Vorbehalt der öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse praktisch einer fast vollständigen Befreiung der öffentlichen Verwaltungen vom Arbeitsgesetz gleichkommen würde. Im Interesse der Eechtssicherheit ist es zweckmässiger, alle Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, die vorwiegend Personen beschäftigen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, auszunehmen. Für sie gelten somit nur die öffentlich-rechtlichen Vorschriften dieser Gemeinwesen.

Diese Eegelung empfiehlt sich auch deshalb, weil das Personalrecht des Bundes, der Kantone und der Gemeinden bereits gegenüber den geltenden Arbeitsschutzgesetzen des Bundes zum mindesten faktisch auf der ganzen Linie den Vorrang beansprucht, obwohl diese weder Ausnahmen noch Vorbehalte zugunsten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses vorsehen. Ausserdem wird damit vermieden, dass bei jeder einzelnen Vorschrift im Arbeitsgesetz ausdrücklich erklärt werden muss, dass die Kantone für deren Vollzug bei Bundesbetrieben nicht zuständig sind. Es ist übrigens in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass schon bisher bei Militärbetrieben des Bundes die Kantone, entgegen dem Wortlaut des Fabrikgesetzes,
beim Vollzug nicht in Erscheinung traten, und zwar weder in bezug auf die Plangenehmigung und Betriebsbewilligung noch in bezug auf Arbeitszeitbewilligungen und den Entscheid über die Anwendbarkeit des Gesetzes in Zweifelsfällen. Würden diese Betriebe dem Arbeitsgesetz unterstellt, so ergäbe sich zudem die besondere Situation, dass Streitigkeiten zwischen Bundesbehörden über die Unterstellung industrieller Betriebe vor dem Bundesgericht ausgetragen werden müssten, was durch die vorgeschlagene Lösung vermieden'wird.

Den Betrieben des Bundes werden im Gesetz ausdrücklich gleichgestellt die Schweizerische Nationalbank und die Schweizerische Unfallversicherungs-

941 anstalt, die als öffentliche Anstalten Aufgaben des Bundes erfüllen. In bezug auf die in Betracht fallenden Betriebe der Kantone und der Gemeinden wird die Verordnung auf das einschlägige kantonale und Gemeinderecht verweisen. Dabei sind neben den Kantonen auch die Bezirke und Kreise zu berücksichtigen, und als Gemeinden fallen neben den allgemeinen oder politischen Gemeinden (Einwohner-, Orts- oder Munizipalgemeinden) und ihre Unterabteilungen auch die besonderen Gemeinden, wie Schul-, Kirchen-, Bürger- und Armengemeinden, in Betracht.

ob. Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten unterstehen (Buchstabe fe) Während der Entwurf 1950 lediglich einen Vorbehalt zugunsten der bundesrechtlichen Vorschriften über die Arbeits- und Euhezeit in Verkehrsbetrieben vorsah, werden nunmehr die dem Bundesgesetz vom 6.März 1920 (Arbeitszeitgesetz) unterstellten Betriebe ganz vom Gesetz ausgenommen. Es handelt sich dabei um die Schweizerischen Bundesbahnen und die Post-, Telegraphenund Telephonverwaltung, die bereits nach Buchstabe a vom Gesetz ausgenommen werden, sowie die vom Bund konzessionierten Eisenbahn-, Schiffahrts- und Kraftwagenunternehmungen, von denen einzelne als Betriebe von Kantonen oder Gemeinden (vor allem die städtischen Verkehrsbetriebe) ebenfalls bereits unter Buchstabe a fallen. Diese Lösung rechtfertigt sich deshalb, weil das Arbeitszeitgesetz eine umfassende Ordnung der Arbeits- und Euhezeit unter Einschluss von Perienvorschriften sowie auch eine Vorschrift über die Beschäftigung weiblicher Personen enthält.

Die vorgeschlagene Ausnahme lässt lediglich in bezug auf das Mindestalter und die Beschäftigung jugendlicher Personen eine Lücke offen. Denn mit dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes wird das Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben aufgehoben (Art.67, Abs.l, Buchstabe c). Damit fällt auch die Verordnung vom 5. Juli 1923 betreffend die Beschäftigung jugendlicher Personen bei den Transportanstalten (Schweizerische Bundesbahnen, die vom Bund konzessionierten Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen mit Einschluss der vom Bund konzessionierten Automobilunternehmungen, der geleiselosen Bahnen, der Aufzüge und der Luftseilbahnen sowie die Schlaf- und
Speisewagenbetriebe) dahin. Dasselbe gilt für das mit dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes ebenfalls aufzuhebende Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer (Art. 67, Abs. l, Buchstabe e), das auch die öffentlichen und privaten Betriebe des Verkehrs erfasst (vgl. Art. l, Abs. l, Buchstabe c, 16 und 17, Abs. 2 der Vollzugsverordnung vom 24.Februar 1940). Was die Unfallverhütung betrifft, so unterstehen die dem Arbeitszeitgesetz unterstellten Betriebe dem Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung. Allerdings findet Artikel 65 dieses Gesetzes betreffend die Unfallverhütung auf solche Betriebe nicht Anwendung, sondern es wird lediglich vorgesehen, dass die Schweizerische Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

68

942 Unfallversicherungsanstalt berechtigt ist, beim Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartement die Änderung oder Ergänzung der sich auf die Unfallverhütung in diesen Betrieben beziehenden Vorschriften zu beantragen (vgl. Art. 13 der Verordnung II vom S.Dezember 1917 über die Unfallversicherung). Bei den eidgenössischen Verkehrsbetrieben und zum Teil auch bei vom Bund konzessionierten Transportunternehmungen wird die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung durch besondere Dienstzweige sichergestellt. Überdies dient die Vorschrift von Artikel 19, Absatz l des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957, welcher die Bahnunternehmungen verpflichtet, die Vorkehren zu treffen, die zur Sicherheit des Baues und des Betriebes der Bahn sowie zur Vermeidung der Gefahr für Personen und Sachen notwendig sind, der Wirkung nach nicht nur dem Schutze der Eeisenden und der Umgebung, sondern auch des Personals selbst.

Die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auf die dem Arbeitszeitgesetz der Verkehrsanstalten unterstellten Betriebe liegt unbestreitbar im Interesse der Eechtssicherheit und beruht nicht zuletzt'auf den häufigen Meinungsverschiedenheiten über die Anwendbarkeit des geltenden Fabrikgesetzes auf Verkehrsbetriebe, zum Beispiel auf die Hauptwerkstätten.der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten. Ebenso trägt sie auch den verständlichen Bedenken der beteiligten Bundesbehörden gegen die Zuständigkeit der Kantone in bezug auf Verkehrsbetriebe Bechnung, die besondern bundesrechtlichen Vorschriften unterstehen. Im Hinblick auf gewisse Lücken, die sich in der Gesetzgebung ergeben, insbesondere auf den Gebieten des Sonderschutzes für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer, wird jedoch in Absatz 3 vorgesehen, dass einzelne Vorschriften des Arbeitsgesetzes auf dem Arbeitszeitgesetz unterstehende Betriebe anwendbar erklärt werden können, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit, oder Sittlichkeit erforderlich ist. Was die Schweizerischen Bundesbahnen und die PTT-Verwaltung betrifft, wird es sich ausschliesslich darum handeln, die gesetzgeberischen Lücken zu schliessen, die durch den Hinfall der Verordnung vom S.Juli 1923 betreffend die Beschäftigung jugendlicher Personen bei den Transportanstalten und die Aufhebung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer
entstehen werden, und den Wöchnerinnenschutz nach Artikel 8 des Arbeitszeitgesetzes durch die Begelung von Artikel 33 des vorliegenden Entwurfes zu ersetzen (vgl. Art. 62, Ziff. 2).

cc. Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die S e e s c h i f f a h r t unter der Schweizerflagge unterstehen ( B u c h s t a b e c) Nach Artikel 47 und 63 des Bundesgesetzes vom 23. September 1953 (Seeschiffahrtsgesetz) hat der Bundesrat unter Berücksichtigung der internationalen Übereinkommen und der in der Seeschifferei geltenden Gebräuche die erforderlichen Bestimmungen über die Betriebssicherheit der Seeschiffe, über das Mindestalter und die ärztliche Untersuchung der Seeleute, über die Arbeits-

943 zeit, Verpflegung und Unterkunft an Bord und über den Anspruch auf bezahlte Ferien aufzustellen. Dementsprechend enthält die Seeschiffahrtsverordnung vom 20. November 1956 in den Artikeln 9 bis 14 und 16 bis 40 eine umfassende Ordnung des Arbeitsschutzes in der Seeschiffahrt, weshalb sich die Unterstellung der Seeschiffahrtsbetriebe unter das Arbeitsgesetz erübrigt. Deren Nichterfassung drängt sich ferner auch deshalb auf, weil die Seeschiffahrt sich ausserhalb des schweizerischen Staatsgebietes abwickelt und deshalb der Einwirkung der eidgenössischen und kantonalen Vollzugs- und Aufsichtsorgane, wie sie das Arbeitsgesetz vorsieht, entzogen wäre.

da. B e t r i e b e der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n und g ä r t n e r i s c h e n U r p r o duktion ( B u c h s t a b e d) Gemäss Artikel 96 des Bundesgesetzes vom S.Oktober 1951 über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes haben die Kantone das landwirtschaftliche Dienstverhältnis für ihr Gebiet durch Normalarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 324 des Obligationenrechts näher zu regeln.

Der Normalarbeitsvertrag soll namentlich die Pflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, die Arbeitszeit, Buhezeit und Ferien des Arbeitnehmers, die Lohnzahlung im Krankheitsfall sowie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ordnen und besondere Bestimmungen über die Arbeitsbedingungen der weiblichen und der jugendlichen Arbeitnehmer enthalten. Freilich vermag der Normalarbeitsvertrag, der nur unter Vorbehalt abweichender schriftlicher Vereinbarungen im Einzelfall verbindlich ist, das Arbeitsverhältnis nur privatrechtlich zu regem und damit dem landwirtschaftlichen Arbeitnehmer nur einen begrenzten Schutz zu bieten. Wie wir in unserer Botschaft vom 19. Januar 1951 zum Landwirtschaftsgesetz (BB1 1951, I, 148) dargelegt haben, wurde daher seinerzeit vorgeschlagen, Artikel 96 durch unabdingbare Vorschriften zu ergänzen, die sich namentlich auf die Arbeits- und Euhezeit sowie die Ferien beziehen und besondere Schutzbestimmungen für die Jugendlichen mit nach dem Alter abgestuften Arbeits- und Euhezeiten enthalten sollten. Von derartigen Vorschriften über das landwirtschaftliche Arbeitsverhältnis wurde jedoch in der Folge abgesehen, weil sie nach der Auffassung der Landwirtschaft ihren Bedürfnissen nicht gerecht würden und in
der praktischen Anwendung zu Schwierigkeiten führen könnten. Aus den gleichen Überlegungen kam auch der Einbezug der Landwirtschaft in das allgemeine Arbeitsgesetz nicht in Frage.

Für die Umschreibung des Begriffes der «landwirtschaftlichen Urproduktion» sind die Ausführungen unserer bereits erwähnten Botschaft vom 19. Januar 1951 wegleitend: «Auszugehen ist von der Bearbeitung von Grund und Boden als dem ursprünglichen Element der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Sie umfasst den Ackerbau mit allen herkömmlich auf dem Acker angebauten landwirtschaftlichen Nutzpflanzen (Getreide, Hackfrüchte, öl- und Gespinstpflanzen, Mais, Tabak) sowie den Wiesenbau, aber auch den Obst-, Wein- und Gemüsebau sowie die Beerenkultur. Dazu kommen Viehzucht, Geflügelhaltung, Bienenzucht, Kaninchenhaltung und Fischzucht.» Zur Landwirtschaft gehören

944 auch die mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbundenen und für ihn erforderlichen Waldgrundstücke (vgl. Art. 2, Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes). Ebenso gehört die Milchwirtschaft dazu, soweit es sich um das Sammeln und Verarbeiten der Milch zu Butter oder Käse in örtlichen Betrieben handelt. Somit werden die örtlichen Milchsammelstellen und die damit verbundenen Milchverarbeitungsbetriebe, wie insbesondere Käsereien, von der Anwendbarkeit des Gesetzes ausgenommen.

Erfasst werden dagegen die Molkereien, die Zentralbuttereien sowie die Fabrikation von Trockenmilch, Kondensmilch und Schachtelkäse.

Auch die Nebenbetriebe eines landwirtschaftlichen Hauptbetriebes, in denen überwiegend die eigenen Erzeugnisse verarbeitet oder verwertet werden, so die Milch-, Eier- Obst -und Gemüseverwertung und die Gärtnerei sind vom Gesetz ausgenommen. Dagegen fallen unter das Gesetz selbständige Betriebe, in denen landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitet oder verwertet werden, abgesehen von den bereits erwähnten örtlichen Milchsammelstellen und den damit verbundenen Milchverarbeitungsbetrieben. Im Bereich der mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbundenen und für ihn erforderlichen Waldgrundstücke sind auch Sägereien als Nebenbetriebe zu betrachten, soweit sie überwiegend aus diesen Grundstücken gewonnenes Holz verarbeiten.

Der gärtnerischen Urproduktion werden die verschiedenen Formen des Gartenbaues zugerechnet, soweit sie der Nutzbarmachung des pflanzlichen Keimes dienen, das heisst der sogenannte produzierende Gartenbau. Der Erfolg der Arbeit dieser Gartenbaubetriebe hängt wie jene des Bauern weitgehend von der Natur ab. Die Pflege der Kulturen und unvoraussehbare Naturereignisse bedingen nicht nur unregelmässige Arbeitszeiten, sondern verlangen auch Verrichtungen ausserhalb der normalen Arbeitszeit. Es erscheint deshalb als angezeigt, die Betriebe des produzierenden Gartenbaues, wie zum Beispiel den gärtnerischen Gemüsebau, vom Gesetz auszunehmen. Dagegen zählen die eigentlichen Handelsgärtnereien und die Landschaftsgärtnereien nicht zur Urproduktion und fallen somit unter das Gesetz. Namentlich im Hinblick auf die starke Verbreitung der gemischten Gärtnereibetriebe wird die Verordnung den Begriff der gärtnerischen Urproduktion noch
näher abgrenzen müssen.

ee. Fischereibetriebe (Buchstabe e) Die Fischerei, das heisst der Fischfang im Unterschied zur Fischzucht (vgl.

dd), die häufig in Verbindung mit einem landwirtschaftlichen Betriebe steht, wird wie in Artikel l, Absatz 2 der Verordnung I vom 23.Dezember 1982 zum Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung vor allem deshalb ausgenommen, weil die Verhältnisse ähnlich sind wie bei der landwirtschaftlichen Urproduktion.

Ein Bedürfnis für die Unterstellung der Fischerei unter das Gesetz dürfte kaum bestehen, da es sich vorwiegend um reine Familienbetriebe handelt ; so beschäftigten nach der Eidgenössischen Betriebszählung 1955 von insgesamt 779 Fischereibetrieben mit ständigem Personal deren 502 keine familienfremde Arbeitskräfte.

945 //. Private Haushaltungen (Buchstabe /) Die Hausangestellten werden herkömmlicherweise von den öffentlichrechtlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz nicht erfasst. Für ihre Unterstellung unter das Arbeitsgesetz besteht nach allgemeiner und unbestrittener Auffassung kein Bedürfnis, ganz abgesehen davon, dass aus nahehegenden Gründen solche Vorschriften kaum durchgesetzt werden könnten. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in den meisten Kantonen wie für landwirtschaftliehe Arbeitnehmer auch für die Hausangestellten besondere Normalarbeitsverträge bestehen.

b. Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich (Abs. 2) aa. Personen geistlichen Standes und andere Personen, die im Dienste von Kirchen stehen, sowie Angehörige von Ordens- oder Mutterhäusern oder anderer religiöser G e m e i n s c h a f t e n (Buchstabe«) Die Befreiung dieser Personenkategorien geht von der Erwägung aus, dass ein Arbeitsgesetz sich in die inneren Angelegenheiten von Kirchen und religiösen Gemeinschaften nicht einmischen soll; zu diesen Angelegenheiten gehört auch die Eegelung der Arbeit von Sigristen, Organisten und Angehörigen ähnlicher Berufe. Anders verhält es sich jedoch in bezug auf Drittpersonen, die in der Verwaltung von Ordens- und Mutterhäusern oder anderer religiöser Gemeinschaften oder in von solchen Gemeinschaften geführten Betrieben beschäftigt werden ; auf die Arbeitsverhältnisse dieser dem geistlichen Stand nicht angehörenden Personen ist das Gesetz anwendbar.

fcfc. Das in der Schweiz w o h n h a f t e Personal ö f f e n t l i c h e r Verwaltungen ausländischer Staaten sowie internationaler Organisationen (Buchstabe fc) Zu diesen Personen, die im Genüsse diplomatischer Vorrechte und Befreiungen oder besonderer steuerrechtlicher Vergünstigungen stehen, gehört zum Beispiel das in der Schweiz stationierte Personal ausländischer Zollverwaltungen und Verkehrsbetriebe, ferner die Mitglieder des offiziellen Personals der bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft akkreditierten diplomatischen Vertretungen, die Konsuln, denen der Bundesr'at das Exequatur erteilt hat, und die Funktionäre internationaler Organisationen, die in der Schweiz ihren Sitz haben. Es wird Sache der Verordnung sein, die Personenkategorien, die unter diese Ausnahmevorschrift fallen, näher zu umschreiben.

cc. Das fliegende Personal der L
u f t v e r k e h r s b e t r i e b e , die vorwiegend im internationalen Verkehr tätig sind, sowie Arbeitnehmer, die dem internationalen Abkommen über die Arbeitsbedingungen der E h e i n s c h i f f e r unterstehen (Buchstabe c) Obschon die gewerbsmässige Beförderung von Personen und Sachen auf regelmässig beflogenen Luftverkehrslinien gemäss Artikel 27 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt einer Konzession des Eidgenössischen

946 Post- und Eisenbahndepartements bedarf, gehören die Luftverkehrsunternehmungen nicht zu den vom Bund konzessionierten Verkehrsanstalten im Sinne von Artikel l, Absatz l, Buchstabe d des Arbeitszeitgesetzes, so dass sie nicht unter Absatz l, Buchstabe d fallen und somit vom vorliegenden Gesetz erfasst werden, gleich wie die Unternehmungen, die im gewerbsmässigen, aber nicht flugplanmässigen Luftverkehr tätig sind und nicht der Konzessionspflicht unterliegen (Art.33 des Luftfahrtgesetzes). Was die arbeitsrechtlichen Verhältnisse des Luftfahrtpersonals betrifft, so beschränkt sich Artikel 63 des Luftfahrtgesetzes auf die Vorschrift, dass die «Arbeitsbedingungen» vertraglich geregelt werden, wodurch jedoch das Verhältnis zum öffentlichen Arbeitsscbutzrecht nicht berührt wird. Mit Eücksicht auf die besondern Verhältnisse des Luftverkehrs'muss sowohl vom betriebsorganisatorischen als auch vom arbeitsrechtlichen Standpunkt aus zwischen den beiden Hauptkategorien des Luftfahrtpersonals, nämlich dem fliegenden Personal und dem Personal der Bodenorganisation, unterschieden werden. Die Arbeit des fliegenden Personals wird weitgehend durch internationale Eegelungen beherrscht. Aus der Erkenntnis, dass die Vorschriften über den Flugbetrieb im weitesten Sinne auf internationaler Ebene einheitlich gestaltet werden sollten, hat die Schweiz das Abkommen vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt (Abkommen von Chikago) ratifiziert. Gemäss Artikel 37 dieses Abkommens verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, seine Mitarbeit zur Verfügung zu stellen, um den praktisch höchstmöglichen Grad der Einheitlichkeit in den Vorschriften, Normen, Verfahren und in der Organisation betreffend die Luftfahrzeuge, das Luftfahrtpersonal usw.

zu erreichen. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) erlässt unter anderem Normen über die Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge und über weitere Fragen, welche die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit der Luftfahrt betreffen.

Diese Normen sind gemäss Artikel 88 des Abkommens für die Schweiz, soweit sie keine Vorbehalte angebracht hat, verbindlich. Unter anderem sind nach Anhang 6 zum Abkommen von Chikago die Luftverkehrsunternehmungen verpflichtet, für die Besatzungsmitglieder Höchstflugzeiten festzusetzen, die so geregelt werden sollen, dass die Flugsicherheit
nicht gefährdet wird. Die Normen der ICAO werden in ausführlichen Betriebsvorschriften der einzelnen Luftverkehrsunternehmungen wiedergegeben. So hat die schweizerische Unternehmung Swissair AG in diesem Sinne ein Flugbetriebshandbuch herausgegeben, das eine umfassende Begelung der «Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung», der «Arbeits- und Buhezeit» sowie eine «Betriebsordnung» enthält. Es handelt sich dabei um betriebsinterne Ausführungsbestimmungen zum Abkommen von Chikago, die nach dem Anhang 6 sowie Artikel 148 und 157 der Vollziehungsverordnung vom 5. Juni 1950 zum Luftfahrtgesetz vom Eidgenössischen Luftamt zu genehmigen sind und nur mit seiner Zustimmung abgeändert werden dürfen.

Ebenso überwacht das Luftamt die Durchführung der Vorschriften der ICAO sowie der schweizerischen Luftverkehrsunternehmungen, welche den Schutz des fliegenden Personals vor den Gefahren der Überbeanspruchung gewährleisten sollen. Die Unterstellung des fliegenden Personals unter das Arbeitsgesetz würde

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somit eine Doppelspurigkeit schaffen, die nicht nur unnötige administrative Umtriebe zur Folge hätte, sondern der Kechtssicherheit auf dem Gebiete der Sicherheitsvorschriften für den Flugbetrieb und ihrer Handhabung abträglich wäre, ganz abgesehen davon, dass sich der Luftverkehr, wie die Seeschiffahrt, weitgehend ausserhalb des schweizerischen Staatsgebietes abwickelt. Würden das Arbeitsgesetz und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen auch für das fliegende Personal Geltung haben, so müssten sie auf die internationale Ordnung Eücksicht nehmen, und Änderungen der schweizerischen Arbeitsgesetzgebung, die nicht von entsprechenden Abänderungen der internationalen Schutzbestimmungen begleitet wären, könnten sehr leicht zu nachteiligen Überschneidungen führen. Aus allen diesen Gründen erscheint es als gegeben, das fliegende Personal vom Arbeitsgesetz auszunehmen. Zu diesem Personal gehören im einzelnen die Luftfahrzeugführer, Navigatoren, Bordfunker und Bordmechaniker einerseits und das Kabinenpersonal anderseits.

Als vorwiegend im internationalen Verkehr tätige Betriebe kommen die ausländischen Unternehmungen in Frage, welche die Schweiz anfliegen, und von den schweizerischen Unternehmungen zur Zeit die Swissair AG und die Baiair AG. Das fliegende Personal der übrigen schweizerischen Luftverkehrsunternehmungen, d.h. der vorwiegend im Inlandverkehr tätigen Betriebe, fällt somit nicht unter die Ausnahmevorschrift von Artikel 2, Absatz 2, Buchstabe c.

Ebenso wie für das fliegende Personal im internationalen Luftverkehr sind auch für die Rheinschiffer die Arbeitsbedingungen weitgehend international geordnet. Im internationalen Abkommen vom 21. Mai 1954 über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer, das am I.Dezember 1959 in Kraft getreten ist, werden für alle Rheinschiffef die Nachtruhe während der Fahrt, die Arbeitszeit im Hafen und an den Lösch- und Ladestellen, die Überstunden, die Feiertage, die wöchentliche Ruhezeit und der bezahlte Jahresurlaub einheitlich und umfassend geregelt, so dass für einzelstaatliche Vorschriften kein Raum mehr verbleibt. Arbeitnehmer, welche diesem Abkommen unterstehen, sind deshalb ebenfalls vom Arbeitsgesetz auszunehmen.

dd. Die Arbeitsverhältnisse von Personen, die eine höhere leitende oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit im Betrieb
ausüben (Buchstabe d) Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, bedürfen wegen ihrer besondern Stellung im Betrieb keines öffentlich-rechtlichen Schutzes.

Diese Ausnahme* lehnt sich an die geltende Regelung im Fabrikgesetz und im Ruhezeitgesetz an. Sie ist auch in den Vernehmlassungen zum Entwurf 1950, aus dem sie wörtlich übernommen wurde, unangefochten geblieben. Eine höhere leitende Tätigkeit üben zum Beispiel Direktoren, Betriebsleiter und das höhere Forstpersonal aus, nicht aber Werkmeister und Poliere. Ferner gehören dazu die zur Geschäftsführung und Vertretung befugten Köllektivgesellschafter

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(OE Art. 564) und die unbeschränkt haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (OE Art. 599). Dasselbe gilt ferner für die zur Geschäftsführung und Vertretung befugten Mitglieder der Verwaltung einer Aktiengesellschaft (OE Art. 718) sowie die Geschäftsführer und Vertreter von Aktiengesellschaften (OE Art.717), von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (OE Art. 811/812) und von Genossenschaften (OE Art. 898/899). Schliesslich fallen darunter auch Drittpersonen, denen Geschäftsführung und Vertretung einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft übertragen sind.

Aus ähnlichen Überlegungen sind auch die Personen ausgenommen, die eine wissenschaftliche Tätigkeit im Betrieb ausüben. Diese Ausnahme ist von besonderer Bedeutung für die wissenschaftlichen Mitarbeiter staatlicher und privater Forschungslaboratorien und Forschungsinstitute. Dagegen ist selbstverständlich das übrige Personal, das an solchen Forschungsstätten beschäftigt wird, vom Gesetz nicht ausgenommen.

Von den Künstlern werden nur jene ausgenommen, die eine selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben, zum Beispiel Leiter von Orchestern und Solisten, nicht aber Mitglieder von Orchestern, Musikkapellen, Schauspielensemblos und dergleichen oder Artisten in Unterhaltungsbetrieben.

In den Ausführungsbestimmungen ist eine nähere Umschreibung dieser Personenkategorien vorzunehmen, wobei die Ausnahmevorschrift des Gesetzes nur mit der gebotenen Beschränkung angewendet werden soll.

ee. Die A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e von Heimarbeitern im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Heimarbeit (Buchstabe e) Wie in den Bemerkungen über das Verhältnis des Arbeitsgesetzes zum übrigen Arbeitsschutzrecht (Kapitel B, Abschnitt V, Buchstabe b) dargelegt wurde, soll das Heimarbeitsgesetz bestehen bleiben, weil es einerseits Sachfragen, wie die Festsetzung von Mindestlöhnen regelt, die für andere Arbeitsverhältnisse nicht in Betracht kommen, und weil anderseits die meisten Vorschriften des Arbeitsgesetzes auf die Heimarbeit nicht angewendet werden könnten.

c. Sondervorschrift für Verkehrsbetriebe (Abs. 8) Die Ermächtigung an den Bundesrat, auf dem Verordnungswege einzelne Vorschriften des Gesetzes, zu denen selbstverständlich auch die entsprechenden Verordnungsbestimmungen gehören, auf Betriebe anwendbar zu erklären, die dem
Arbeitszeitgesetz unterstehen und vom vorliegenden Entwurf ausgenommen sind, findet ihr Vorbild in Artikel 15, Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 81. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben. Demnach können die Vorschriften dieses Gesetzes durch Verordnung des Bundesrates auf die vom Bund betriebenen oder konzessionierten Transportanstalten anwendbar erklärt werden. Es wird sich dabei zur Hauptsache darum, handeln, gewisse materielle Vorschriften des vorliegenden Gesetzes

949 als anwendbar zu erklären, ohne dass damit der Vollzug dieser Vorschriften in den genannten Betrieben den für die Durchführung des Arbeitsgesetzes zuständigen Behörden übertragen' werden muss. Anderseits ist es durchaus denkbar, dass in gewissen Fällen eine Amtshilfe, zum Beispiel von den Eidgenössischen Arbeitsinspektoraten, vorgesehen werden kann.

3. Familienbetriebe (Art. 3) Bei den Familienbetrieben sind zwei Gruppen zu unterscheiden: einerseits die reinen Familienbetriebe, in denen ausschliesslich der Ehegatte des Arbeitgebers, seine Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie und deren Ehegatten sowie seine Stief- und Adoptivkinder beschäftigt sind, und anderseits die gemischten Familienbetriebe, in denen Mitglieder der Familie des Arbeitgebers zusammen mit Drittpersonen arbeiten.

a. Eeine Familienbetriebe (Abs. 1) Entsprechend Artikel 3, Buchstabe abls der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz sowie den von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 5, 6, 14 und 89 werden die reinen Familienbetriebe vom Gesetz ausgenommen. Der Personenkreis, der unter diese Ausnahme fällt, umfasst den Ehegatten sowie die minderjährigen Kinder, Stief- und Adoptivkinder, nicht aber die Pflegekinder des Arbeitgebers, die auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht zur Mitarbeit im Betrieb verhalten sind (ZGB Art. 161, Abs. 2, 268, Abs.2 und 271), ferner allgemein die Blutsverwandten des Arbeitgebers in aufund absteigender Linie und deren Ehegatten. Es handelt sich somit um jene Mitglieder der Familie des Arbeitgebers, welche in einem besonders engen familienrechtlichen Verhältnis zu ihm stehen.

b. Gemischte Familienbetriebe (Abs. 2) Es bedarf keiner näheren Begründung, dass in den gemischten Familienbetrieben die Arbeitsverhältnisse von Drittpersonen in vollem Umfang vom Gesetz°erfasst werden sollen. Der näheren Abklärung bedarf dagegen die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Familienmitglieder in diesen Betrieben. Mit Bücksicht auf die Stellung der Familienmitglieder und die besonderen Verhältnisse, die in zahlreichen, namentlich kleineren gemischten Familienbetrieben gegeben sind, ist die Anwendbarkeit des Gesetzes angemessen einzuschränken. Die in der Vorlage gewählte Lösung entspricht diesem Grundgedanken, möchte aber andererseits auch der Eegelung der internationalen Arbeitsübereinkommen
Eechnung tragen.

1. Eine Sonderstellung unter den Familienmitgliedern nimmt ohne Zweifel der Ehegatte des Arbeitgebers ein; es rechtfertigt sich, den Ehegatten unter allen Umständen vom Gesetz auszunehmen. Bei den andern Familienmitgliedern stellt die Vorlage darauf ab, ob die Mitarbeit auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht oder auf Grund eines eigentlichen Arbeitsverhältnisses erfolgt.

950 2. Soweit die Familienmitglieder in Erfüllung familienrechtlicher Pflichten im Betrieb tätig sind, rechtfertigt sich eine vollständige Ausnahme dieser Personen vom Gesetz. Es ist anzunehmen, dass diese Ausnahme mit den internationalen Übereinkommen, welche die Schweiz ratifiziert hat (Übereinkommen Nr.5, 6,14 und 89), vereinbar ist. Diese Übereinkommen sehen zwar Ausnahmen oder die Möglichkeit von Ausnahmen lediglich zugunsten der reinen Familienbetriebe vor. Dabei wird aber von der «Beschäftigung» von Familienmitgliedern gesprochen, das heisst von einer auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleisteten Arbeit. Es liegt daher nicht im Sinne der angeführten Übereinkommen, in die familienrechtlichen Verhältnisse einzugreifen, auch wenn es sich um gemischte Familienbetriebe handelt.

3. Sind dagegen die Familienmitglieder in gemischten Familienbetrieben nicht auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht tätig, sondern stehen sie zum Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis, so muss das Gesetz auf sie anwendbar sein. Doch soll auch in diesem Fall das Gesetz nur soweit zur Anwendung gelangen, als sich das im öffentlichen Interesse empfiehlt und es mit Bücksicht auf die von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen erforderlich ist. Aus diesen Gründen sollen lediglich Anwendung finden die Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung (Art. 5 und 5), das Verbot der Sonntagsarbeit (Art.16 bis 18), das Verbot der Abgeltung von Buhezeit (Art.20), den Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer (Art.27 bis 84), die Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Verwaltungsverfügungen und Verwaltungsmassnahmen und die Verwaltungsrechtspflege sowie über die Strafbestimmungen (Art. 41 bis 58).

4. Auf Familienmitglieder, die nicht unter Absatz l fallen, wie zum Beispiel die Geschwister des Arbeitgebers oder deren Kinder ist das Gesetz in vollem Umfang anwendbar. Dies rechtfertigt sich vor allem deshalb, weil das familienrechtliche Verhältnis dieser Familienmitglieder zum Arbeitgeber nicht so eng ist und weil sie in der Begel nicht in Hausgemeinschaft mit ihm leben.

o. Sondervorschrift für jugendliche Familienmitglieder ' (Abs. 8) In den Übereinkommen Nr. 59, 60, 79 und 80 der Internationalen Arbeitsorganisation kommt die materiell zweifellos unbestrittene Forderung
zum Ausdruck, dass Kinder und Jugendliche auch in Familienbetrieben nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, die für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit gefährlich sind. Aus diesem Grunde wird vorgesehen, dass einzelne Vorschriften des Gesetzes durch Verordnung auf jugendliche Familienmitglieder im Sinne von Absatz l, die in reinen Familienbetrieben oder auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht in gemischten Familienbetrieben tätig sind, anwendbar erklärt werden können, soweit dies zum Schutze von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erforderlich ist.

951 4. Anwendbarkeit des Gesetzes im Einzelfall Im Einzelfall ist das Gesetz, soweit es sich nicht um industrielle Betriebe handelt, auf Betriebe oder Betriebsteile und Arbeitsverhältnisse ohne weiteres anwendbar, das heisst ohne dass ein besonderes Unterstellungsverfahren Platz greift. Bestehen Zweifel über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf einzelne Betriebe oder auf einzelne Arbeitsverhältnisse, so entscheidet die zuständige kantonale Behörde (Art. 37, Abs.3). Dieser Grundsatz gilt auch für die Anwendung der Sonderregelungen im Sinne von Artikel 25 über die Arbeits- und Ruhezeit für bestimmte Betriebsgruppen oder Arbeitsverhältnisse.

Anders verhält es sich mit den besondern Vorschriften für industrielle Betriebe. Ein Betrieb oder Betriebsteil untersteht diesen .-Vorschriften nur auf Grund einer Unterstellungsverfügung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Art.4, Abs.l), wie dies bei der Unterstellung von Betrieben unter das Fabrikgesetz der Fall ist.

Näheres über die Anwendung des Gesetzes in streitigen Fällen wird im Abschnitt VI über die Verwaltungsrechtspflege (Art. 51 bis 54) ausgeführt.

5. Sondervorschriften für industrielle Betriebe Es wurde bereits dargelegt, aus welchen Gründen das geltende Fabrikgesetz in das allgemeine Arbeitsgesetz eingebaut werden soll (vgl. Kapitel B, Abschnitt V). Dies bedingt, dass neben den allgemeinen Vorschriften, die für sämtliche Betriebe gelten, besondere Vorschriften für die industriellen Betriebe aufgestellt werden. Es handelt sich dabei um verhältnismässig wenige Bestimmungen, die in Artikel 4 des Entwurfes als « Sondervorschriften für industrielle Betriebe» bezeichnet werden und hauptsächlich die Plangenehmigung und die Betriebsbewilligung (Art.7), die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art.8, Abs.l, Buchstabe a), die Grenzen der Tagesarbeit an Tagen vor Sonn- und Feiertagen (Art.9, Abs.l). die Schichtarbeit (Art.21, Abs.2, 22, Abs.8), die Betriebsordnung (Art.35) und die Bekanntgabe des Stundenplanes (Art.43, Abs.l) betreffen.

Der neue Begriff des «industriellen Betriebes» ersetzt sowohl den Begriff der «Fabrik» als auch jenen der «industriellen Anstalt», die dem geltenden Fabrikgesetz zu Grunde liegen. Es geht dabei aber nicht nur um eine Änderung der Bezeichnung, sondern um eine materielle Umschreibung des Begriffes des «industriellen
Betriebes». Damit wird die grundsätzliche Frage, was unter einem «industriellen Betrieb» zu verstehen sei, gelöst.

a. Bisheriger F a b r i k b e g r i f f Gemäss Artikel l des Fabrikgesetzes ist als Fabrik zu betrachten eine industrielle Anstalt, die eine Mehrzahl von Arbeitern ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigt, sei es in den Bäumen der Anstalt und auf den zu ihr gehörenden Werkstätten, sei es anderwärts bei Verrichtungen, die mit dem industriellen

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Betrieb im Zusammenhang stehen. Die Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz enthält in Artikel l ff. eingehende Bestimmungen über die erforderliche «Mehrzahl von Arbeitern». Darunter werden verstanden sechs und mehr Arbeiter bei Verwendung von Motoren, ebenso ohne Verwendung von Motoren, wenn sich unter den sechs Arbeitern wenigstens eine jugendliche Person befindet ; in Betrieben ohne Motoren und ohne Jugendliche werden mindestens elf Arbeiter vorausgesetzt. Darüber hinaus sind aber auch industrielle Anstalten mit weniger als sechs oder elf Arbeitern als Fabriken anzusehen, wenn sie ausserordentliche Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter bieten oder in ihrer Arbeitsweise den Charakter von Fabriken unverkennbar aufweisen. Die geltenden Vorschriften definieren wohl die «Fabrik», welche die in Artikel l ff. der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz aufgeführten zahlenmässigen und anderen Voraussetzungen erfüllt, umschreiben aber die «industrielle Anstalt» selbst, auf die allein das Fabrikgesetz anwendbar ist, weder im Gegensatz noch in der Verordnung.

Wegen des Fehlens einer Legaldefinition der industriellen Anstalt bestand in der Unterstellungspraxis immer eine gewisse Unklarheit darüber, ob das Vorliegen des industriellen Charakters erste Voraussetzung sei, damit ein Betrieb .überhaupt als Fabrik im Sinne des Gesetzes bezeichnet werden kann. Diese Frage ist so alt wie das geltende Fabrikgesetz, ja sie geht sogar zurück auf das erste Fabrikgesetz vom 23.März 1877, das seinerseits auf dem Gesetz des Kantons Glarus vom 10. August 1864 über die Fabrikpolizei fusst. Ihre Abklärung hat aber immer wieder Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen und wiederholt Anlass zu Kritik an der Unterstellungspraxis gegeben. Je nach dem Interessenstandpunkt wurde den Behörden vorgeworfen, dass sie den Kreis der unterstellten Betriebe entweder zu weit oder umgekehrt zu wenig weit zögen. Es bedurfte einer jahrzehntelangen, auch heute noch nicht restlos abgeschlossenen Entwicklung, um zu einigermassen festen Eichtlinien darüber zu gelangen, was als «industrielle Anstalt» im Sinne von Artikel l des Fabrikgesetzes zu gelten habe und welche dieser «Anstalten» als Fabriken im Sinne der Verordnung dem Gesetz zu unterstellen seien.

Die Entwicklung des Fabrikbegriffes von einer engern, sich an die Alltagssprache anlehnenden
Interpretation zu einer weitern, vom Sprachgebrauch unabhängigen Umschreibung der für die Unterstellung in Betracht kommenden Betriebe wurde wesentlich durch die Praxis der Bekursbehörden bestimmt.

Der Bundesrat, der bis Ende 1928 über Beschwerden in Unterstellungssachen zu befinden hatte, vertrat die Auffassung, es entspreche nicht der Auffassung des Gesetzgebers, spezifische Handwerksbetriebe dem Fabrikgesetz zu unterstellen (BB11910, II, 181). Im gleichen Sinn erklärte er in einem Beschwerdeentscheid vom S.September 1928, dass «die Verwendung von Motoren heute eine alltägliche Erscheinung bildet und für sich allein betrachtet einem Betrieb nicht den Charakter einer industriellen Anstalt gibt» (Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden, II. Heft, Nr.77).

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Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 11. Juni 1928 über die Eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege wurde die Entscheidungsbefugnis über Unterstellungsbeschwerden dem Bundesgericht übertragen. Dieses stellte sich fast von Anfang an auf den Standpunkt, die Beschränkung des Fabrikgesetzes auf industrielle Anstalten diene nicht etwa der Unterscheidung zwischen «Fabrik» und «Handwerk», sondern der Ausscheidung von Handel und Landwirtschaft gegenüber Industrie und Gewerbe ; für die Abgrenzung des Handwerks gegenüber der Fabrik sei die Grosse des Betriebes, gemessen an der Arbeiterzahl, ausschlaggebend (BGE 60, I, 400, Erw.l). So definiert das Bundesgericht (BGE 75,1, 87 und 75,1, 892) die «industrielle Anstalt» wie folgt: «Unter industrieller Anstalt ist der Betrieb zu verstehen, der der Warenproduktion dient, zum Unterschied von Unternehmungen der Landwirtschaft (Urproduktion) und des Handels, die nicht in den Bereich des Fabrikgesetzes fallen. Betriebe gewerblichen Charakters sind vom Fabrikgesetz nicht ausgenommen.

Sie fallen in seinen Bereich, wenn sie Unternehmungen der Warenproduktion sind und die von der Fabrikgesetzgebung vorgesehene Grosse aufweisen; diese wird nach Betriebseinrichtungen und Arbeiterzahl bestimmt».

Aus dieser grundsätzlichen Überlegung hat das Bundesgericht in verschiedenen Fällen die Unterstellung von Betrieben als Fabriken gutgeheissen, bei denen die Mindestzahl von sechs Arbeitern gerade erreicht war, obschon es sich um Betriebsgruppen handelte, die nicht von vorneherein zur Industrie gehören.

Es sind hier zu nennen Schreinereien, Zimmereien, Möbel- und Polsterwerkstätten, Schneidereien, Pelznähereien sowie Schmiede- und Beparaturwerkstätten.

Das Bundesgericht ist somit in seinen Entscheiden im Laufe der Jahre weiter gegangen als die Praxis der Unterstellungsbehörde, welche zur Abgrenzung der industriellen Anstalt gegenüber dem gewerblichen Betrieb immerhin . nicht nur die Zahl der Arbeiter, sondern auch die 'Organisation der Arbeit und die Einrichtungen des Betriebes berücksichtigt. Diesem Standpunkt des Bundesgerichtes wurde aus gewerblichen Kreisen immer wieder entgegengehalten, es gebe Betriebe der Warenproduktion, die gar keine Fabriken sein könnten, da sie keine industriellen Anstalten seien. Die Zahl der Arbeiter sei nur dann für die
Unterstellung unter das Fabrikgesetz von Belang, wenn der industrielle Charakter bereits feststeht, das heisst die Arbeiterzahl entscheide nur darüber, ob die industrielle Anstalt eine Fabrik sei, nicht aber, ob dem Betrieb industrieller Charakter zukomme.

b. Der Begriff des industriellen Betriebes (Art. 4, Abs. 2) Mit Eücksicht auf diese Auslegungsdifferenzen sahen sich sowohl die Expertenkommission als auch die Eidgenössische Fabrikkommission veranlasst, den Begriff des «industriellen Betriebes», wofür die entsprechenden Sondervorschriften gelten sollen, im Gesetz selbst zu umschreiben. Der Begriff ist aus selbständigen Kriterien entwickelt worden, welche erlauben sollen, die industriellen

954 Betriebe vor allem von den gewerblichen Betrieben, die ja ebenfalls unter das Gesetz fallen werden, zu unterscheiden. Die Umschreibung des industriellen Betriebes bildet einen der wichtigsten Punkte der Auseinandersetzung um das Arbeitsgesetz, beruht nun jedoch auf einer einmütigen Stellungnahme der Expertenkommission und der Eidgenössischen Fabrikkommission. Nach dieser Umschreibung gilt ein Betrieb als industriell, wenn Arbeitsweise oder Arbeitsorganisation durch Maschinen oder andere technische Einrichtungen oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt und für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt werden (Abs. 2, Buchstabe a). Diesen Betrieben werden gleichgestellt die «automatisierten» (Abs. 2, Buchstabe 6) und die «gefährlichen» (Abs.2, Buchstabe c) Betriebe.

Dabei wird immer vorausgesetzt, dass es sich um Betriebe mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie handelt (Abs.2, Einleitung).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine «feste Anlage von dauerndem Charakter» vorliegt, ist zu beachten, dass verhältnismässig oft Bauten aufgestellt werden, in welchen provisorisch ein industrieller Betrieb untergebracht wird, aber jahrelang stehen bleiben. Entscheidend ist somit weniger die ursprüngliche Absicht des Erstellers einer Anlage als vielmehr die Tatsache, dass die Anlage praktisch dauernden Charakter erhalten hat.

Was unter Betrieben für die «Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern» zu verstehen ist, muss in der Verordnung umschrieben werden.

Dabei kann zum Beispiel angeknüpft werden an Artikel 8, Buchstabe b der Vollzugsverordnung vom 15. Juni 1923 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, die von Betrieben spricht, «in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, mit Einschluss des Schiffbaues und der Abbruchunternehmungen». Unter die Betriebe für die «Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie» fallen z.B. die Produktions- und Verteilanlagen der Elektrizitätswirtschaft,
Atomanlagen sowie Eohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (insbesondere die Pump- oder Speicherwerke).

Ferner ist festzuhalten, dass je nach den Umständen nicht bloss ganze Betriebe, sondern auch lediglich einzelne Betriebsteile als «industriell» zu betrachten sind. Man denke etwa an Druckereien von Handels-, Bank- oder Versicherungsbetrieben oder an mechanische Werkstätten von Bauunternehmungen und dergleichen. Diese Klarstellung ist auch dann von Bedeutung, wenn ein nach Absatz 2, Buchstabe a nicht-industrieller Betrieb mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Güter- oder Energieproduktion einen «automatisierten» oder «gefährlichen» Betriebsteil aufweist.

In bezug auf die Umschreibung der verschiedenen Arten industrieller Betriebe ist folgendes zu bemerken :

955 1. Die weitaus wichtigste Art industrieller Betriebe wird durch drei alternative Kriterien, die sich aus der Natur des Betriebes ergeben, sowie durch ein zahlenmässiges Kriterium umschrieben. Die Arbeitsweise und Arbeitsorganisation im Betrieb müssen entweder durcif«Maschinen» oder «andere technische Einrichtungen» oder durch «serienmässige Verrichtungen» wesentlich bestimmt werden. Ist eines dieser Kriterien im Einzelfalle gegeben, so muss überdies die zahlenmässige Voraussetzung erfüllt sein, dass im Betrieb wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt sind (Abs.2, Buchstabe a). Dabei fallen selbstverständlich nur jene Arbeitnehmer in Betracht, die unmittelbar im eigentlichen Produktionsprozess beschäftigt sind; der Kreis der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer wird durch Verordnung näher zu umschreiben sein. Die erwähnten 'Kriterien treffen ohne Zweifel für eine grosse Zahl von Gewerbetreibenden nicht zu, so vor allem bei den Betrieben, deren Produkte immer noch den Charakter der individuellen Anfertigung tragen und bei denen Maschinen oder andere technische Einrichtungen nur die Bedeutung von Hilfsmitteln haben.

2. Als zweite Art «industrieller Betriebe» gelten die «automatisierten Betriebe», das heisst Betriebe, deren Arbeitsweise und Arbeitsorganisation «wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden» (Abs. 2, Buchstabe b).

Diese Betriebe fallen, im Unterschied zu den industriellen Betrieben im Sinne von Absatz 2, Buchstabe a unter die Sondervorschriften für die industriellen Betriebe ohne Bücksicht auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Allerdings muss es sich im einzelnen um Betriebe handeln, deren Arbeitsweise und Arbeitsorganisation wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden, während Betriebe, in denen nur einzelne Automaten verwendet werden, nicht in Betracht fallen. Ebenso ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus der Einleitung von Absatz 2, dass es sich um die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie handeln muss, was zum Beispiel bei der Automation im Bürobetrieb - man denke hier an Lochkartenanlagen -, nicht zutrifft. Diese Bestimmung führt entsprechend der Entwicklung der Technik den Gedanken der geltenden Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz weiter, wonach als Fabriken auch
die industriellen Anstalten betrachtet werden, «die eine unter den genannten Grenzen stehende Zahl von Arbeitern beschäftigen, aber in ihrer Arbeitsweise den Charakter von Fabriken unverkennbar auf weisen» (Art. l, Abs. l, Buchstabe d der Vollzugs Verordnung zum Fabrikgesetz). Sie bedeutet eine wertvolle Klärung, über die seit Jahren lebhaft diskutiert wurde. Es wäre in der Tat nicht verständlich, dass stark automatisierte Betriebe, die in besonderer Weise industriellen Charakter aufweisen, den Sondervorschriften des industriellen Betriebes nur deshalb nicht unterstellt sein würden, weil sie weniger als sechs Arbeitnehmer beschäftigen. Auch wenn der automatisierte Betrieb nicht von vorneherein als besonders gefährlich bezeichnet werden kann, so ist seine Unterstellung unter die Sondervorschriften dennoch gerechtfertigt, vor allem im Hinblick darauf, dass der Plangenehmigung für solche Betriebe besondere Bedeutung zukommt.

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8. Als dritte Art industrieller Betriebe gelten die sogenannten «gefährlichen Betriebe», das heisst Betriebe, «die Leben und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer in besonderem Masse gefährden», und zwar ebenfalls ohne Kücksicht auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer (Abs. 2, Buchstabe c). Bereits Artikel l, Absatz l, Buchstabe d der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz, wonach als Fabriken auch industrielle Anstalten zu betrachten sind, die weniger als sechs Arbeiter beschäftigen, aber «aussergewöhnliche Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter bieten,» enthält eine dem Inhalt nach gleiche Bestimmung, doch ist es gerechtfertigt, diese Norm in das Gesetz selbst aufzunehmen. Dagegen muss die nähere Ausführung dieser Vorschrift der Verordnung überlassen werden, die sich unter anderem an Artikel 11 der Vollzugs Verordnung zum Fabrikgesetz anlehnen wird. Es versteht sich von selbst, dass es sich um Gefahren handeln muss, die über diejenigen eines gewöhnlichen industriellen Betriebes hinausgehen, weil sonst der Geltungsbereich der Sondervorschriften für industrielle Betriebe eine Ausdehnung erfahren würde, die nicht dem Willen des Gesetzes entspricht. Im Vordergrund stehen, wie nach geltendem Eecht, explosionsgefährliche Betriebe und solche mit,besondern Vergiftungsgefahren.

Wenn auch die vorerwähnten, im Gesetz ausdrücklich festgelegten Kriterien für die Unterstellung von Betrieben unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe neben der näheren Umschreibung in den Ausführungsbestimmungen noch der Auslegung durch die Unterstellungsbehörde und im Beschwerdefalle durch das Bundesgericht bedürfen, so geben sie, im Gegensatz zum geltenden Fabrikgesetz, den zuständigen Behörden doch bereits bestimmte materielle Eichtlinien an die Hand. Die neue Begriffsumschreibung wird deshalb die künftige Unterstellungspraxis erleichtern. Sie bewirkt aber keine wesentliche Änderung des Bestandes an unterstellten industriellen Betrieben. Eine von den Eidgenössischen Fabrikinspektoren durchgeführte Untersuchung ergab, dass die Zahl der bisher dem Fabrikgesetz unterstellten Betriebe, die nach dem Inkrafttreten des neuen Arbeitsgesetzes nicht mehr als «industrielle Betriebe» gelten können, im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fabriken (annähernd 12 750 mit rund 624 500 Fabrikarbeitern) sehr gering sein wird. Anderseits
werden auf Grund von Absatz 2, Buchstabe b (automatisierte Betriebe) bisher nicht erfasste Betriebe neu unterstellt, weshalb sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes die Gesamtzahl der unter den Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes stehenden industriellen Betriebe und ihrer Arbeitnehmer von der Gesamtzahl der Fabriken und Fabrikarbeiter nach geltendem Eecht kaum unterscheiden wird.

II. Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung (Art. 5-7) 1. Allgemeines

Die Massnahmen zum Schutze von Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer gehören zu den Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes.

Die Vorschriften dieses Abschnittes liegen im öffentlichen Interesse und können daher nicht durch Gesamtarbeitsverträge ersetzt werden, ganz abgesehen davon,

957 dass sich die Gesamtarbeitsverträge im allgemeinen nur wenig mit Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung befassen. Da die geltende Eegelung der Gesundheitsvorsorge und der Unfallverhütung recht vielgestaltig ist und zu Missverständnissen Anlass geben kann, empfiehlt es sich, zunächst einen kurzen Überblick über die heutige Eechtslage zu vermitteln.

a. Bisherige Regelung Vorschriften über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung enthielt bereits das glarnerische Gesetz vom 10. August 1864 über die Fabrikpolizei, welches als Vorbild diente für Artikel 2, Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 23. August 1877 betreffend die Arbeit in den Fabriken, «wonach zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit gegen Verletzungen überhaupt alle erfahrungsgemäss und durch den jeweiligen Stand der Technik sowie durch die gegebenen Verhältnisse ermöglichten Schutzmittel angewendet werden sollen». Diese Vorschrift wurde in Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht und die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 25.

Brachmonat 1881 betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieben auf die neben den Fabrikbetrieben ebenfalls der Haftpflicht unterstellten Inhaber von Gewerbebetrieben als anwendbar erklärt. Nach dem Bundesgesetz von 1881 betreffend die Haftpflicht war der Betriebsinhaber haftbar, wenn in den Räumlichkeiten der Fabrik durch den Betrieb derselben Arbeitnehmer getötet oder körperlich verletzt wurden oder wenn in bestimmten vom Bundesrat bezeichneten Betrieben, die gefährliche Krankheiten erzeugen, Arbeiter durch Erkrankungen Schaden erlitten, die erwiesenermassen und ausschliesslich durch den Betrieb der Anlage verursacht worden waren.

Wie in der Botschaft vom 10. Dezember 1906 (BEI 1906, VI, 229 ff.) zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) ausgeführt wurde, sollte die bisherige Haftpflicht durch die obligatorische Unfallversicherung abgelöst werden, deren Geltungsbereich neben den bisher haftpflichtigen noch eine Reihe weiterer Betriebe umfassen sollte. Der erwähnte Gesetzesentwurf enthielt einen Artikel 45, der die Vorschrift von Artikel 2, Absatz 4 des alten Fabrikgesetzes sozusagen wörtlich übernahm. Die Formulierung des alten Fabrikgesetzes, mit der auch diejenige von Artikel 5 des Haftpflichtgesetzes von 1887 übereinstimmte,
wurde im Laufe der parlamentarischen Beratung des Entwurfes von 1906 dahin geändert, dass nach dem nunmehrigen Artikel 65, Absatz l des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 der Betriebsinhaber oder sein Stellvertreter zur Verhütung von (Berufs)krankheiten und Unfällen «alle Schutzmittel einzuführen» hat, die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stande der Technik und den gegebenen Verhältnissen anwendbar sind. Die Beschränkung der Pflicht des Betriebsinhabers auf die Anwendung von Schutzmitteln gegen Unfälle und Berufskrankheiten entspricht der Verfassungsgrundlage der obligatorischen Unfallversicherung. Gestützt auf Artikel 34t)ls, Absatz l der Bundesverfassung können nicht schlechthin alle Massnahmen zum Schutze von Leben und Gesundheit der Versicherten vorBundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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958 geschrieben werden, sondern nur solche, die mit der Unfallversicherung im Zusammenhang stehen, nämlich Schutzmittel zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten, soweit diese durch die Tätigkeit des Betriebes verursacht werden und soweit sie Gegenstand der Unfallversicherung bilden. In den parlamentarischen Beratungen wurde mit allem Nachdruck botont, die ganze Tendenz des Kranken- lind Unfallversicherungsgesetzes müsse darauf hinausgehen, die Unfälle nicht nur zu entschädigen, sondern auch zu vermeiden, wodurch am besten die so oft eintretenden unheilvollen Folgen des Unfalls abgewendet werden ; die beste Unfallversicherung sei und bleibe die Unfallverhütung.

Inzwischen war in das Dienstvertragsrecht des Obligationenrechts vom 30.März 1911 unter dem Randtitel «Schutzmassregeln und Arbeitsräume » folgender Artikel 339 aufgenommen worden: «Der Dienstherr hat, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Dienstverhältnis und die Natur der Dienstleistung ihm billigerweise zugemutet werden darf, für genügende Schutzmassregeln gegen die Betriebsgefahren, für angemessene und gesunde Arbeitsräume und, wo Hausgemeinschaft besteht, für gesunde Schlafräume zu sorgen». Dieser Schutz gegen Krankheiten und Unfälle ist naturgemäss von grösster Bedeutung für die Arbeitnehmer in Industrie, Gewerbe und Handel. Die allgemeine Vorschrift des Obligationenrechtes wurde daher durch eidgenössisches und kantonales Recht schärfer gefasst und genauer umschrieben, insbesondere durch Artikel 5 des Fabrikgesetzes vom 18. Juni 1914 unter dem Randtitel «Fabrikhygiene und Unfallverhütung». Es handelt sich dabei um eine von der Unfallversicherung unabhängige Norm des Arbeitsschutzes, die den Arbeitgeber ganz allgemein verpflichtet, die Arbeitsräume, Maschinen und Werkgerätschaften so herzustellen und zu unterhalten, dass Gesundheit und Leben der Arbeiter nach Möglichkeit gesichert werden. Darüber hinaus enthält Artikel 5 des Fabrikgesetzes weitere Vorschriften über die Arbeitshygiene, womit sich das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz nicht befasst. Was im besondern die Verpflichtung zur Anwendung von Schutzmitteln zur Verhütung von Krankheiten betrifft, so erstreckt sie sich nach Fabrikgesetz, trotz wörtlicher Übereinstimmung dessen Artikel 5, Absatz l mit Artikel 65, Absatz l KUVG über den Kreis der Berufskrankheiten,
die unter die obligatorische Unfallversicherung fallen, hinaus. Artikel 5 des Fabrikgesetzes bezieht sich somit im Unterschied zu Artikel 65 nicht bloss -auf die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten, sondern überdies auf die allgemeine Gesundheitsvorsorge, wie Beleuchtung, Lüftung, Arbeitsplatzgestaltung, Lärmbekämpfung, Verhütung von Überanstrengungen usw.

Zum Verhältnis zwischen der Unfallverhütungsvorschrift des Fabrikgesetzes und jener des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes äusserte sich der Bundesrat in der Botschaft vom 6.Mai 1910 betreffend die Revision des Fabrikgesetzes (BB1 1910, III, 575 ff.) wie folgt: «Da die eidgenössische Kranken- und Unfallversicherung naturgemäss am Gegenstand ebenfalls ein grosses Interesse hat, fragt es sich, wie eine Doppelspurigkeit der Gesetzgebung zu vermeiden sei. Wir nehmen an, dass einstweilen die Gesetzgebungsarbeit auf dem

959 einen Gebiet ihren Weg, unbekümmert um das andere, fortzusetzen habe, und dass die Übereinstimmung in einem spätem Stadium herzustellen sei. Inzwischen verweisen wir auf Artikel 45 des Entwurfes über die Versicherung». Nachdem die Unfallverhütungsvorschrift in den beiden Gesetzen den gleichen Wortlaut erhalten hatte, wurde das Verhältnis des Fabrikgesetzes zum Kranken- und Unfallversicherungsgesetz im Bereich der Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten in Artikel 10 der Verordnung II vom S.Dezember 1917 über die Unfallversicherung geordnet. Danach wird der Erlass von Bestimmungen über die Krankheits- und Unfallverhütung (sowie auch allgemein über die Gesundheitsvorsorge), die bei der Errichtung einer Fabrik oder bei der Einrichtung bestehender Räume zu Fabrikzwecken zu befolgen sind, den Vollzugsbestimmungen zum Fabrikgesetz überlassen, ebenso die Ausführung von Artikel 9 des Fabrikgesetzes (Beseitigung nachträglicher Übelstände). Im übrigen bestand damals die Absicht, die allgemeinen Bestimmungen über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten für die im Betriebe befindlichen Fabriken und die andern der obligatorischen Unfallversicherung unterstellten Unternehmungen in einer besondern Vollziehungsverordnung zu regem, die sich aber nicht auf die Gesundheitsvorsorge schlechthin hätte beziehen können. Von einer solchen umfassenden Verordnung auf Grund des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes ist bis heute abgesehen worden. Vielmehr wurde einstweilen, abgesehen von den Weisungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt im Sinne von Artikel 65, Absatz 2 KUVG der Weg der Spezialverordnung für bestimmte Sachgebiete beschritten, die aber zum Teil die Arbeit in den Fabriken nicht berühren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die bisherige Arbeitsschutzgesetzgebung des Bundes nur für die Fabriken Vorschriften über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung aufgestellt hat, wobei die Fabriken gleichzeitig den Vorschriften des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten unterstellt sind. Für Betriebe, die nicht dem Fabrikgesetz unterstehen, gelten diese Vorschriften des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes nur dann, wenn sie formell der obligatorischen Unfallversicherung unterstellt worden sind. Für alle andern Betriebe gelten
keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundes über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung; es finden lediglich die privatrechtlichen Bestimmungen von Artikel 889 des Obligationenrech'tes Anwendung.

b. Die Eegelung des E n t w u r f e s Es entspricht einem unbestrittenen Bedürfnis, im vorliegenden Entwurf (Art. 5, 6 und 7) die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung nicht nur für die industriellen Betriebe zu ordnen, sondern auch für alle übrigen Betriebe, die unter das Gesetz fallen. Im übrigen werden in Artikel 66, Buchstabe 6 der Vorlage - ähnlich wie in Artikel 88, Absatz 4 des Fabrikgesetzes - ganz allgemein die Vorschriften des Bundes über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten vorbehalten. Dieser Vorbehalt bezieht sich insbesondere auf Artikel 65

960 (Unfallverhütung), Artikel 65Ms (Verhütung von Berufskrankheiten) und Artikel 68 (Berufskrankheiten) des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes sowie auf die zugehörigen Ausführungsbestimmungen, namentlich den bereits erwähnten Artikel 10 der Verordnung II vom 3. Dezember 1917 über die Unfallversicherung.

Auf dem Gebiete der Gesundheitsvorsorge und der Unfallverhütung sind somit im einzelnen folgende Unterscheidungen in Bezug auf Inhalt, Geltungsbereich und Zuständigkeit vorzunehmen : 1. Artikel 5 des vorliegenden Entwurfes ist inbezug auf seinen Inhalt umfassender als Artikel 65 und C5bls KUVG. Das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz beschränkt sich auf die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten, für welche die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt einzustehen hat, während sich der Entwurf auch auf die allgemeine Gesundheitsvorsorge (Beleuchtung, Lüftung, Arbeitsplatzgestaltung, Lärmbekämpfung, Verhütung von Überanstrengungen usw.) bezieht.

2. Für die Errichtung eines Betriebes sind Artikel 5, 6 und 7 des vorliegenden Entwurfes massgebend. Dabei ist, ohne Eücksicht auf die Unterstellung unter die obligatorische Unfallversicherung, zu unterscheiden zwischen industriellen und andern Betrieben. Industrielle Betriebe unterliegen sowohl den materiellen Vorschriften in Artikel 5 und 6 als auch dem Verfahren der Plangenehmigung und der Betriebsbewilligung gemäss Artikel7 (Präventivkontrolle), während auf die Errichtung nicht-industrieller Betriebe lediglich Artikel 5 und 6 anwendbar sind.

3. Nach der Eröffnung von Betrieben, die der obligatorischen Unfallversicherung unterstehen, bleiben in bezug auf die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten die Artikel 65 und 65bls KUVG vorbehalten (vgl. Art. 61, Ziff. 3 und 4). Die Anwendbarkeit von Artikel 5 und 6 des vorliegenden Entwurfes wird somit in diesem Umfang eingeschränkt. Dies gilt einerseits für alle industriellen Betriebe und anderseits für jene nicht-industriellen Betriebe, die auf Grund einer besondern Vorschrift ebenfalls der obligatorischen Unfallversicherung unterstellt worden sind.

4. Im Unterschied zürn Kranken- und Unfallversicherungsgesetz regelt der vorliegende Entwurf, wie bereits das Fa-brikgesetz, auch den Schutz der Umgebung vor schädlichen Auswirkungen des Betriebes. Die Vorschriften über den Umgebungsschutz
gemäss Artikel 5 des Entwurfes gelten schon bei der Errichtung des Betriebes, finden aber auch später Anwendung, wenn sich nachträglich schädliche Auswirkungen einstellen.

5. Nach der anwendbaren Norm (Arbeitsgesetz und Kranken- und Unfallversicherungsgesetz) richten sich auch die Strafbestimmungen. Auf Widerhandlungen gegen Artikel 5, 6 und 7 des vorliegenden Entwurfes sind Artikel 55, Absatz l, Buchstabe b, Artikel 56 und Artikel 57, Absatz 2, Buchstabe a anzuwenden, auf solche gegen Artikel 65 und 65bls KUVG die Bestimmung von Artikel 66 KUVG (vgl. Art.61, Ziff.4, Abs.3).

961 2. Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Art. 5 und 6) a. Dem Arbeitgeber wird die Pflicht auferlegt, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar sowie den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind (Art. 5, Abs. 1). Insbesondere hat der Arbeitgeber die betrieblichen Einrichtungen, das heisst Arbeitsstätten und ihre Zugänge, Arbeitsplätze, Maschinen, Installationen und Werkzeuge, so einzurichten und zu unterhalten und den Arbeitsablauf, das heisst Verfahren, Vorgänge, Ehythmus und Tempo der Arbeit sowie die Herstellung, Verarbeitung und Behandlung von Gütern so zu regeln, dass Unfälle, Berufsund andere Krankheiten und Überbeanspruchung der Arbeitnehmer möglichst vermieden werden (Art.5, Abs.2). Ferner hat er die nach Artikel 5, Absatz l geeigneten Massnahmen zu treffen, namentlich in bezug auf Licht, Luft und Temperatur, für die Beseitigung von Staub, Dämpfen, Gasen und Abfällen, zum Schutz gegen schädliche Einwirkungen von Schall, Erschütterungen, Strahlungen und Giftstoffen sowie gegen Explosions- und Feuergefahr. Wie nach Artikel 78 des Fabrikgesetzes gelten entsprechende Vorschriften auch in bezug auf Ess-,- Aufenthalts- und Schlafräume sowie sanitäre Installationen.

Inhaltlich entspricht diese Verpflichtung des Arbeitgebers Artikel 5, Absatz l des Fabrikgesetzes und Artikel 65, Absatz l KUVG; die Formulierung, dass er die «den Verhältnissen des Betriebes angemessenen» Massnahmen zu treffen hat, bringt jedoch klarer als das geltende Eecht zum Ausdruck^ dass auf die konkreten und besonderen Verhältnisse des Betriebes in wirtschaftlicher und technischer Beziehung Rücksicht zu nehmen ist. Damit wird den in den Vernehmlassungen zum Entwurf 1950 und in der Expertenkommission von Arbeitgeberseite geäusserten Wünschen namentlich im Hinblick auf Kleinbetriebe Rechnung getragen.

Wie nach Artikel 8, Absatz 4 und Artikel 9 des geltenden Fabrikgesetzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, neben den Massnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auch die Massnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der Umgebung vor schädlichen Auswirkungen erforderlich sind (Art.5, Abs.l). Was als «Umgebung» zu verstehen ist, richtet sich nach der Reichweite solcher
Auswirkungen, die über die unmittelbare Nachbarschaft des Betriebes hinausgreifen kann. Artikel 34ter der Bundesverfassung, worauf sich der Entwurf vor allem stützt, beschränkt sich auf den Schutz der Arbeitnehmer und bietet somit keine Rechtsgrundlage für den Umgebungsschutz. Dagegen ist es auf Grund von Artikel 31bls, Absatz 2 der Bundesverfassung, der im Ingress des Entwurfes ebenfalls angeführt wird, ohne weiteres möglich, die Pflichten des Arbeitgebers zur Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung auf den Umgebungsschutz auszudehnen, der sich vom Schutz der Arbeitnehmer vielfach kaum trennen lässt. Der Umgebungsschutz gilt nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Tier- und Pflanzenwelt. Wesentlich ist, dass die notwendigen Vorkehren für den Schutz der Umgebung schon

962 bei der Errichtung des Betriebes getroffen werden. Die Vorschrift des Entwurfes schliesst selbstverständlich nicht aus", dass die Kantone ihrerseits auf Grund der Gesetzgebung über die Bau-, Feuer-, Wasser- und Gesundheitspolizei ebenfalls die Umgebung schützen. Neben solchen kantonalen Vorschriften werden auch entsprechende Erlasse des Bundes, wie zum Beispiel das Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (vgl. Art.7 des Fabrikgesetzes), ausdrücklich vorbehalten (Art.66, Buchstabe b).

Im Unterschied zum Fabrikgesetz wird der Arbeitgeber im Interesse eines wirksamen Betriebs- und Umgebungsschutzes ausdrücklich verpflichtet, die Arbeitnehmer beim Sicherheitsdienst gegen Unfallgefahren und bei der Gesundheitsvorsorge zur Mitwirkung heranzuziehen (Art. 5, Abs. 8).

b. Das Gegenstück zur umfassenden Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers bildet die Verpflichtung der Arbeitnehmer, den Arbeitgeber in der Durchführung ·der Vorschriften über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung zu unterstützen. Dies liegt sowohl im Interesse des einzelnen Arbeitnehmers selbst als auch der übrigen Arbeitnehmer. Insbesondere haben die Arbeitnehmer die Sicherheitsund Gesundheitsvorkehren richtig anzuwenden und dürfen sie ohne besondere Erlaubnis des Arbeitgebers weder entfernen noch ändern (Art. 6). Diese Vorschrift geht ebenso wie Artikel 5, Absatz 2 über das geltende Fabrikgesetz hinaus.

c. Die nähern Bestimmungen über Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung, insbesondere für industrielle Betriebe, wird die Verordnung aufstellen müssen, wobei selbstverständlich das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und dessen Ausführungsbestimmungen vorbehalten bleiben (Art. 66, Buchstabe a). Das Gesetz selbst kann diese Bestimmungen nicht aufstellen, weil sie technische Einzelheiten betreffen, die überdies dem Wandel der technischen Entwicklung unterworfen sind.

<ü. Im Hinblick auf diese neuen Vorschriften kann das ohnehin veraltete Bundesgesetz vom 2. November 1898 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen aufgehoben werden (Art.67, Abs.l, Buchstabe a). Um dem internationalen Übereinkommen vom 26. September 1906 betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem Phosphor) in der Zündholzindustrie, das von der Schweiz ratifiziert worden ist, Genüge zu leisten,
sollen die Fabrikationsvorschriften in die Verordnung zum Arbeitsgesetz und die Vorschriften über den Vertrieb der Zündhölzchen in die Bestimmungen über Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände der Verordnung vom 26.Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen aufgenommen werden.

3. Plangenehmigung und Betriebsbeioilligung für industrielle Betriebe (Art.7) Im Interesse einer wirksamen Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung wird in industriellen Betrieben durch ein besonderes Verfahren dafür gesorgt, dass bereits das Projekt für den Bau und die Einrichtung des Betriebes vorher

963 geprüft wird (Plangenehmigung) und dass der Betrieb seine Tätigkeit erst aufnehmen darf, wenn feststeht, dass Bau und Einrichtung des Betriebes der Plangenehmigung entsprechen (Betriebsbewilligung). Wie nach geltendem Eecht wird jedoch dieses besondere Verfahren wegen der damit verbundenen administrativen Umtriebe auf die-industriellen Betriebe im Sinne von Artikel 4 beschränkt. Betriebe, die nicht über eine feste Anlage von dauerndem Charakter verfügen, wie zum Beispiel Bauplätze, die vielfach ebenfalls erhöhte Gefahren für Leben und Gesundheit mit sich bringen, eignen sich von.vorneherein nicht für das Verfahren der Plangenehmigung und Betriebsbewilligung. Es bleibt jedoch den Kantonen und Gemeinden vorbehalten, im Bahmen des Polizeirechtes (Art. 66, Buchstabe b) die nötigen Vorschriften aufzustellen, um den Forderungen der Gesundheitsvorsorge und der Unfallverhütung Nachachtung zu verschaffen.

· Verantwortlich für die Einholung der Plangenehmigung für industrielle Betriebe ist nicht nur der Arbeitgeber, sondern ganz allgemein der Bauherr.

Diese Begelung trägt dem Umstände Eechnung, dass besonders in Städten industrielle Bauten von Immobiliengesellschaften, Bauunternehmern und andern Bauherren, die nicht gedenken, sich selbst als «Arbeitgeber» zu betätigen, erstellt und während oder nach der Fertigstellung an industrielle Unternehmungen verkauft beziehungsweise ganz oder teilweise vermietet werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass Plangenehmigungen nicht erst dann eingeholt werden, wenn der Bau bereits fertig erstellt ist und die Gefahr besteht, dass die zuständige kantonale Behörde sich vor vollendete Tatsachen gestellt sieht, die den zu befolgenden Vorschriften nicht entsprechen. Wer als Arbeitgeber tätig sein will, hat sodann die Betriebsbewilligung einzuholen.

Die Bezeichnung der Behörden, die das Verfahren der Plangenehmigung und der Betriebsbewilligung durchzuführen haben, ist Sache der Kantone. Von Bundes wegen wird vorgeschrieben, dass die zuständige kantonale Behörde in beiden Stadien des Verfahrens das Gutachten des eidgenössischen Arbeitsinspektorats und bei der Plangenehmigung durch dessen Vermittlung die Weisungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt einholt (Abs. l und 3).

Diese Begelung entspricht dem geltenden Fabrikgesetz.

Bei Betrieben mit besonderen Gefahren,
insbesondere mit Feuer- oder Explosionsgefahr, ferner bei der Fabrikation von Erzeugnissen, die unter Verwendung giftiger Stoffe hergestellt werden, ist die Genehmigung der geplanten Anlage von der Vornahme besonderer Schutzvorkehren abhängig zu machen (Abs.2), ohne deren Vorhandensein die Betriebsbewilligung nicht erteilt werden darf.

Artikel 9 des Fabrikgesetzes enthält im Anschluss an die Bestimmungen über Plangenehmigung und Betriebsbewilligung die Vorschrift, dass die Kantonsregierung, falls sich beim Betrieb Übelstände erzeigen, welche Gesundheit und Leben der Arbeiter oder der Bevölkerung der Umgebung gefährden, dem Fabrikinhaber zu deren Beseitigung eine Frist bestimmt und, wenn nötig, die Einstellung des Betriebes bis nach Beseitigung der Übelstände anordnen kann.

964 Diese Frage wird nunmehr für alle Betriebe, ob industriell oder nicht, im Zusammenhang mit den Vorschriften über den Vollzug des Gesetzes geregelt (Art. 47 und 48).

Pestzuhalten ist schliesslich, dass für Betriebe, die bereits dem Fabrikgesetz unterstellt wurden und in Zukunft als industrielle Betriebe gelten, bei Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes nicht nochmals das Plangenehmigungs- und Betriebsbewilligungsverfahren durchgeführt werden soll. Artikel 7 ist somit nur auf neu den Sondervorschriften zu unterstellende Betriebe anwendbar. Die Verordnung wird darüber die erforderlichen Bestimmungen enthalten.

III. Aibeitszeit und Ruhezeit (Art. 8-26) 1. Allgemeines a. Die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit sind von grundlegender Bedeutung für den Arbeitsschutz. Anderseits stellt dieser Teil der Vorlage den Gesetzgeber vor die grössten Schwierigkeiten, da eine grosse Zahl von Bedürfnissen, Interessen und Sonderwünschen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei der Gestaltung des Abschnittes wurde vor allem danach getrachtet, Einheitlichkeit der Begelung mit Anpassungsfähigkeit zu verbinden. Die Rücksichtnahme auf die verschiedenartigen und oft wechselnden Verhältnisse wird insbesondere durch ergänzende Bestimmungen der Verordnung ermöglicht, die jeweils auch die zum Schutze der Arbeitnehmer erforderlichen Auflagen festzusetzen hat.

Den Ausgangspunkt für die vorgeschlagene Eegelung bildet im wesentlichen die geltende Ordnung des Fabrikgesetzes einerseits und des Ruhezoitgesetzes anderseits. Neben der Anpassung dieser beiden Ordnungen an die heutigen Verhältnisse und Bedürfnisse gilt es vor allem die Frage zu entscheiden, in welchem Umfang die entsprechenden Grundsätze auf die Betriebs- und Arboitnehmergruppen anwendbar sind, die bisher nur zum Teil oder überhaupt nicht von der Bundesgesetzgebung erfasst wurden.

b. Begrenzungen der freien Gestaltung der Arbeitszeit und damit auch der Ruhezeit sind vor allem in dem Sinne notwendig, dass Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten festgelegt werden. Daraus ergibt sich weitgehend die Gliederung des vorliegenden Abschnittes.

Der erste Unterabschnitt über die Arbeitszeit (Art. 8-12) regelt die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die Grenzen der Tagesarbeit, den Ausgleich ausfallender Arbeitszeit, die Uberzeitarbeit und die Hilfsarbeit.

Der zweite
Unterabschnitt über die Ruhezeit (Art. 13-20) ordnet zunächst die tägliche Ruhezeit sowohl in der .Form der Pausen während der Arbeit als auch durch das Verbot der Nachtarbeit, wobei Ausnahmen von diesem Verbot zugelassen werden. Ferner wird die wöchentliche Ruhezeit, nämlich das Verbot der Sonntagsarbeit mit den entsprechenden Ausnahmen und die Gewährung eines wöchentlichen freien Halbtages, geregelt. Anschliessend folgt das Verbot der Abgeltung'von Ruhezeit.

965 Den Gegenstand des dritten Unterabschnittes (Art.21-23) bilden die Vorschriften über die zweischichtige Tagesarbeit, die mehrschichtige Arbeit und den ununterbrochenen Betrieb.

Der vierte Unterabschnitt fasst unter 'dem Titel «Weitere Vorschriften» (Art. 24-26) die Normen zusammen, die von den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes über die Arbeits- und Buhezeit abweichende Regelungen oder Ausnahmen vorsehen. Dazu gehört insbesondere die Vorschrift über die Aufstellung von Sonderbestimmungen für bestimmte Gruppen von Betrieben und Arbeitnehmern auf dem Verordnungsweg, die sich zufolge ihrer besonderen Verhältnisse nur in beschränktem Masse der allgemeinen Ordnung unterstellen lassen.

2. Arbeitszeit (Art. 8-12) a. Allgemeine A u s f ü h r u n g e n zur A r b e i t s z e i t f r a g e «o. Bisherige Entwicklung und gegenwärtiger Stand der A r b e i t s z e i t g e s t a l t u n g und ihrer gesetzlichen Regelung Im Bericht vom 13. Dezember 1957 über das Volksbegehren für die 44-Stundenwoche (Arbeitszeitverkürzung) haben wir die Entwicklung der Arbeitszeitgestaltung bis zur Mitte des Jahres 1957 und ihrer gesetzlichen Regelung unter besonderer Berücksichtigung der Industrie und des Baugewerbes dargestellt (BB1 1957, II, 1101 ff.). Dieser Überblick zeigte, dass der Gesetzgeber in der Frühzeit der industriellen Entwicklung nur so weit eingriff, als unbedingt nötig war, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, und damit der tatsächlichen Entwicklung den Weg öffnete. In der Folge nahm das soziale Gewicht der Arbeitnehmer zu, besonders als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Gewerkschaften erstarkten. Aber nicht nur in den Kreisen der Arbeitnehmer, sondern auch in der Öffentlichkeit änderte sich die Einstellung zur Frage der Arbeitszeit. Die Arbeitszeit wurde in steigendem Masse nicht nur unter dem Gesichtswinkel des Gesundheitsschutzes, sondern unter allgemeineren, sozial- und kulturpolitischen Aspekten betrachtet. Ferner lässt die Entwicklung aufschlussreiche Zusammenhänge zwischen der gesetzlichen Regelung und der tatsächlichen Arbeitszeit erkennen. Im Verlaufe der letzten Jahrzehnte sank die Arbeitszeit immer wieder unter die vom Gesetzgeber aufgestellten Grenzen. Sie wurde, wie der Lohn, immer häufiger Gegenstand kollektiver Vereinbarung.

Über die weitere Entwicklung der Arbeitszeit seit
dem Jahre 1957 geben vor allem die vierteljährlichen Erhebungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit über die Lage der Industrie und des Baugewerbes Aufschluss (vgl. «Die Volkswirtschaft», 1959, S.405 ff. und 1960, S.363 ff.).

Während die Zeit von 1950 bis 1956 durch eine verhältnismässige Stabilität gekennzeichnet war, haben sich seit dem Jahre 1957 in der Gestaltung der Arbeitszeit fühlbare Wandlungen vollzogen. Arbeiteten am Ende des ersten Quartals 1957 noch rund vier Fünftel der Industriearbeiter 48 und mehr Stunden in der Woche und nur ein Fünftel weniger als 48 Stunden, so entfielen am Ende des zweiten Quartals 1960 nur noch 14,3 Prozent der Arbeiter in Fabriken

966 auf die Stufe «48 und mehr Stunden», während für 85,7 Prozent die Arbeitsdauer weniger als 48 Stunden betrug. Stark verschoben haben sich vor allem die Prozentanteile der beiden Arbeitszeitstufen «44 bis unter148 Stunden» und «48 Stunden». Die Besetzung der letztern ging von Anfang 1957 bis Ende März 1960 von 68,6 auf 6,1 Prozent zurück, während jene der erstgenannten Stufe von 15,4 auf 78,0 Prozent anstieg. Auf Grund der Mittelwerte der einzelnen Arbeitszeitstufen und deren Besetzung ergab sich im gleichen Zeitraum für alle Industrien zusammen ein Eückgang der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 47,7 auf 46,0 Stunden. Dabei ist festzustellen, dass die Entwicklung sowohl der prozentualen Verteilung der Industriearbeiter nach Arbeitszeitstufen als auch der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit sich seit Ende 1958 deutlich verlangsamt hat1).

Es ist durchaus möglich, dass die Arbeitszeit in einzelnen Industriezweigen in den nächsten Jahren auf dem Vertragswege eine weitere Eeduktion erfahren wird. So wurde in der Maschinen- und Metallindustrie auf den I.Mai 1960 die Arbeitswoche auf 45 Stunden verkürzt, und dasselbe wird auf den l. November 1960 in der Uhrenindustrie eintreten. Doch ist kaum anzunehmen, dass der Eückgang der Arbeitszeit in der gesamten Industrie im gleichen Ehythmus fortschreiten wird wie in den Jahren 1957 bis 1960.

bb. Die Frage der A r b e i t s z e i t v e r k ü r z u n g Nach der von den eidgenössischen Eäten in der Sommersession 1958 gutgeheissenen Motion soll die Vorlage eine Eegelung der Arbeitszeit vorsehen, die «der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht». Die Expertenkommission gab deshalb den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit, sich insbesondere über die Höchstarbeitszeit zu verständigen und entsprechende Vorschläge einzureichen. Leider kam, worauf bereits hingewiesen wurde, trotz längerer Verhandlungen eine Einigung nicht zustande.

Die erwähnte Motion steht im Zusammenhang mit dem am 14. September 1955 eingereichten Volksbegehren für die 44-Stunden-Woche (Arbeitszeitverkürzung), das am 26. Oktober 1958 von Volk und Ständen verworfen wurde.

Wie wir in unserem bereits erwähnten Bericht vom 13.Dezember 1957 ausführten, liegt es nach heutiger Auffassung im wohlverstandenen Interesse des arbeitenden Menschen, dass er
nicht nur vor übermässiger Belastung durch zu lange Arbeitszeiten bewahrt, sondern dass ihm mit Eücksicht auf die modernen Lebensverhältnisse auch Freizeit im eigentlichen Sinn eingeräumt wird, damit er seine Persönlichkeit entfalten und am kulturellen Leben möglichst regen Anteil nehmen kann, um so ein Gegengewicht gegen die Berufsarbeit zu bilden. In diesem Sinne ist eine Verkürzung der Arbeitszeit, soweit dies die wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten, grundsätzlich positiv zu würdigen. Die Eücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten erfordert jedoch, dass die Arbeitszeitverkürzung nicht isoliert für einzelne Wirtschaftszweige und Betriebsgruppen *) Für Einzelheiten verweisen wir auf die Tabelle im Anhang.

967 betrachtet, sondern den Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft Eechnung getragen wird.

Während die Arbeitszeit für die Arbeitnehmer in industriellen Betrieben seit dem Jahre 1877 geregelt ist, haben bisher nur wenige Kantone Arbeitszeitvorschriften für nicht-industrielle Betriebe erlassen. Der Entwurf bringt nicht nur eine Verkürzung der bisherigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben, sondern darüber hinaus erstmals eine bundesrechtliche Eegelung der Arbeitszeit auch in den nicht-industriellen Betrieben. Wieweit damit eine Arbeitszeitverkürzung verbunden ist, könnte nur ein Vergleich mit den bestehenden Einzelarbeitsverträgen und Gesamtarbeitsverträgen zeigen. Die Aufgabe des Bundesgesetzgebers liegt darin, die im öffentlichen Interesse gebotenen Mindestvorschriften zum Schutze des Arbeitnehmers aufzustellen. Im übrigen werden jedoch nach wie vor die Gesamtarbeits- oder Einzeldienstverträge das anpassungsfähigste Mittel zur Eegelung der Arbeitszeit bilden und auch in Zukunft eine unter den gesetzlichen Höchstgrenzen hegende Arbeitszeit erlauben.

In vielen Wirtschaftszweigen hat die Eationalisierung bereits namhafte Arbeitszeitverkürzungen möglich gemacht. Die erzielten Produktivitätsfortschritte, die meist auch neue Investitionen erfordern, verteilen sich allerdings sehr ungleich auf die verschiedenen Wirtschaftszweige'. Eine schematische Verkürzung der Arbeitszeit ist deshalb nicht möglich und würde auch den besondern Bedürfnissen des Gewerbes nicht gerecht. Wie bereits im Bericht vom 18. September Ì957 dargelegt wurde, sind der Verkürzung der Arbeitszeit gewisse Grenzen gesetzt, die unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Verhältnisse nicht unterschritten werden können, ohne dass sich nachteilige Polgen für die Volkswirtschaft ergeben würden. Gerade im Hinblick auf die Integrationsbestrebungen, die in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und in der Europäischen Freihandelsassoziation ihren Niederschlag gefunden haben und die Schweiz als exportorientiertes Industrieland vor neue Situationen und Probleme stellen, sind Vorsicht und Zurückhaltung am Platz. Auf Grund einer Umfrage, die das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit bei unseren diplomatischen Vertretungen veranstaltet hat, hat sich folgendes ergeben : Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Freihandelsassoziation haben deren zwei, nämlich Dänemark und Grossbritannien, die Arbeitszeit für erwachsene männliche Arbeitnehmer gesetzlich überhaupt nicht begrenzt. Grossbritannien beschränkt durch die «Factories Acts» von 1937 und 1948 lediglich die wöchentliche Höchstarbeitszeit für Jugendliche unter 16 Jahren auf 44 Stunden und für weibliche Arbeitnehmer und Jugendliche über 16 Jahren auf 48 Stunden. Dänemark kennt lediglich eine tägliche Mindestruhezeit, die in der Eegel während eines 24stündigen Arbeitstages 11 Stunden betragen soll. Sieben Staaten (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Portugal) haben die wöchentliche Arbeitszeit von Gesetzes wegen auf 48 Stunden begrenzt, wobei in den meisten dieser Staaten in mehr oder weniger grossem

968 Umfang die Höchstarbeitszeit durch Gesamtarbeitsverträge herabgesetzt, in andern Fällen aber auch erhöht worden ist.

Eine kürzere gesetzliche Arbeitszeit kennen lediglich Frankreich, Norwegen und Schweden. Frankreich hat bekanntlich bereits im Jahre 1986 die 40-Stunden -Woche eingeführt, wobei aber für bestimmte Erwerbszweige dauernde oder vorübergehende Verlängerungen im Ausmass von l bis 2 Stunden möglich sind und überdies von den Arbeitsinspektoraten bis höchstens 20 Überzeitstunden in der Woche bewilligt werden können. Schweden hat mit Wirkung ab I.Januar 1958 die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden verkürzt, und in Norwegen darf seit dem I.März 1960 die Arbeitszeit 9 Stunden im Tag oder 45 Stunden in der Woche nicht übersteigen.

b. Wöchentliche Höchstarbeitszeit

( A r t . 8)

1. Das Arbeitsgesetz regelt, wie das Fabrikgesetz, lediglich die wöchentliche Höchstarbeitszeit. Entgegen dem Entwurf 1950 wird im Interesse der Elastizität der Regelung auf die Festsetzung einer täglichen Höchstarbeitszeit verzichtet, so dass die innerhalb der wöchentlichen Höchstarbeitszeit zur Verfügung stehende Arbeitszeit auf sechs oder fünf Werktage und auf die einzelnen Werktage gleich oder ungleich verteilt werden kann. Immerhin sind dio Einschränkungen der freien Verteilung der Arbeitszeit zu beachten, die sich aus den Vorschriften über die Grenzen der Tagesarbeit (Art.9), die Buhezeit (Art. 18 bis ·19), die Schichtarbeit in industriellen Betrieben (Art.21, Abs.2, 22, Abs.8) und den ununterbrochenen Betrieb (Art. 23) ergeben.

2. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit wird nach drei grossen Arbeitnehmerkategorien abgestuft (Abs.l). Die vorgesehene Lösung beruht auf ausgedehnten Beratungen, die entsprechend der Motion der eidgenössischen Räte vom 4./19. Juni 1958 von den unterschiedlichen Verhältnissen in den einzelnen Wirtschaftsgruppen ausgingen. Dabei wurde die Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben von Anfang an als die eigentliche Schlüsselposition betrachtet. Für sie allein bestehen heute schon bundesrechtliche Vorschriften, und zu ihr werden auch die Höchstarbeitszeiten für andere Wirtschaftszweige und Betriebsgruppen immer wieder in Beziehung gebracht.

Nach reiflicher Abwägung der in den allgemeinen Ausführungen zur Arbeitszeitfrage dargelegten Umstände sind wir zum Schluss gekommen, dass sich eine Verkürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben von 48 auf 46 Stunden rechtfertigen lässt (Abs.l, Buchstabe a). Es handelt sich dabei um eine Höchstnorm, welche die weitere Verkürzung der effektiven Arbeitszeit auf vertraglichem Wege ebensowenig ausschliesst wie das geltende Fabrikgesetz. Die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 46 Stunden dürfte weitgehend der tatsächlichen Entwicklung entsprechen, wie auch schon bisher die gesetzliche Fixierung der tatsächlichen Entwicklung nicht vorgreift, sondern ihr nachfolgt und gleichzeitig Raum lässt für weitere vertragliche Verkürzungen. Im übrigen ist nicht zu übersehen, dass sich die

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tatsächliche Bedeutung der Arbeitszeitvorschriften gegenüber früher gewandelt hat. Einstmals waren sie das einzige Mittel, um die Arbeitszeit auf ein tragbares Mass zu beschränken, während sie heute lediglich eine Höchstnorm aufstellen.

die durch vertragliche Vereinbarungen unterschritten wird. Die gesetzliche Fixierung der Höchstarbeitszeit würde ihren Zweck verfehlen, wenn sie nicht noch Eaum Hesse für weitere Verkürzungen auf dem Vertragswege.

Die Verkürzung der Höchstarbeitszeit in der Industrie trägt, wie bereits erwähnt, nicht nur dem Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer Rechnung, sondern auch ihrem Wunsche nach vermehrter Freizeit. Es dürfte nach der Auffassung der Arbeitsphysiologen unbestritten sein, dass vom Standpunkte des Gesundheitsschutzes aus eine gewisse Elastizität in der Ausgestaltung der übrigen Arbeitszeitvorschriften, namentlich in bezug auf die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Art. 9, Abs. 3), den Ausgleich ausfallender Arbeitszeit (Art. 10), die Überzeitarbeit (Art. 11) und die Hilfsarbeit (Art. 12), mit der 46-Stunden-Woche für die Industrie ohne weiteres vereinbar ist. Dieser Zusammenhang ist bei der Würdigung der entsprechenden Vorschriften gebührend zu berücksichtigen.

Was die Ansätze für die Höchstarbeitszeit der übrigen Arbeitnehmer betrifft, so hat sich die Arbeitswoche des Bureaupersonals sowie der technischen und andern Angestellten weitgehend jener der Arbeitnehmer in industriellen Betrieben angeglichen, so dass die Gleichstellung als gegeben erscheint (Abs. l, Buchstabe a). Für die Grosszahl der Arbeitnehmer im Gewerbe entspricht, soweit nicht auf Grund von Artikel 25 besondern Verhältnissen Eechnung getragen werden muss, eine gegenüber Buchstabe a um vier Stunden längere wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 Stunden den gegenwärtigen Verhältnissen (Abs.l, Buchstabe c) und einzig für Betriebe oder Arbeitnehmer mit witterungsbedingtem Arbeitsausfall, insbesondere im Baugewerbe, erscheint eine Verlängerung um sechs auf 52 Stunden als angebracht (Abs. l, Buchstabe b).

Zu den Arbeitnehmern mit witterungsbedingtem Arbeitsausfall gehören im einzelnen namentlich die Arbeitnehmer des Tiefbaues, mit Einschluss des Geleiseund Freileitungsbaues, und des Hochbaues (jedoch mit Ausnahme des von der Witterung unabhängigen Innenausbaues), ferner die
Landschaftsgärtner und die Torfarbeiter, soweit sie von einem solchen Arbeitsausfall betroffen werden.

8. Für bestimmte Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen, so insbesondere für das Baugewerbe, das in starkem Masse von den Licht- und Witterungsverhältnissen abhängig ist, besteht, wie die Praxis zeigt, ein Bedürfnis, die wöchentliche Höchstarbeitszeit während der günstigen Jahreszeit verlängern zu können.

Diesem Bedürfnis trägt die Vorschrift Eechnung, dass durch Verordnung die wöchentliche Höchstarbeitszeit höchstens um 4 Stunden verlängert werden kann, sofern sie im Jahresdurchschnitt nicht überschritten wird (Abs. 2). Soweit diese Lösung nicht ausreicht, um im Bedarfsfalle die wöchentliche Höchstarbeitszeit zu verlängern, können zusätzliche Arbeitsstunden auf dem Wege der Überzeitarbeit gewonnen werden.

970

4. Für bestimmte Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen oder für bestimmte Betriebe kann ferner beim Vorliegen zwingender Gründe eine Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit um 4 Stunden bewilligt werden (Abs. 8). Diese Vorschrift entspricht im wesentlichen Artikel 41 des Fabrikgesetzes, wonach der Bundesrat ermächtigt ist, für «einzelne Industrien» eine wöchentliche Arbeitszeit von höchstens 52 Stunden zu bewilligen, wenn und solange zwingende Gründe es rechtfertigen, insbesondere wenn durch die Anwendung der 48-Stunden-Woche die Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf die in andern Ländern bestehende Arbeitsdauer in Frage gestellt wäre. Von dieser Ermächtigung wurde allerdings seit Jahren vorwiegend nur noch Gebrauch gemacht, um den neu unterstellten Fabrikbetrieben während einer bestimmten Zeit Gelegenheit zu geben, den Übergang zur kürzeren Arbeitswoche vorzubereiten. Der vorliegende Entwurf nimmt denn auch keinen Bezug mehr auf das Konkurrenzmotiv, sondern ermöglicht allgemein die Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und führt so im Grunde die fabrikgesetzliche Praxis fort. Um die einheitliche Anwendung dieser Ausnahmevorschrift in der ganzen Schweiz sicherzustellen, wird vorgesehen, dass entsprechende Bewilligungen sowohl für industrielle als auch für nicht-industrielle Betriebe nur vom Bundesamt erteilt werden können.

Vorbehalten bleibt im übrigen die besondere Vorschrift von Artikel 28, Absatz 2 über die Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit beim ununterbrochenen Betrieb sowie die Vorschriften über die vorübergehende Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit beim Ausgleich ausfallender Arbeitszeit (Art. 10, die Überzeitarbeit (Art. 11) und die Hilfsarbeit (Art. 12).

5. Der einheitlichen Ordnung im Betrieb gilt die Vorschrift, dass auf Bureaupersonal, technische und andere Angestellte, die im gleichen Betrieb oder Betriebsteil zusammen mit Arbeitnehmern beschäftigt werden, für welche eine längere wöchentliche Höchstarbeitszeit gilt, diese ebenfalls anwendbar ist (Abs. 4).

c. Grenzen der Tagesarbeit (Art. 9) Wie nach Artikel 48 des Fabrikgesetzes ist die Tagesarbeit nur innerhalb bestimmter täglicher Grenzen, nämlich im Sommer zwischen 5 Uhr und 20 Uhr und im Winter zwischen 6 Uhr und 20 Uhr, zulässig, wobei Sommer und Winter in der Verordnung umschrieben
werden sollen. Zudem darf die Arbeitszeit für Arbeitnehmer von industriellen Betrieben an Tagen vor Sonn- und Feiertagen im Sinne von Artikel 16 wie nach Fabrikgesetz höchstens bis 17 Uhr dauern (Abs.l).

Eine Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit kann bei nachgewiesenem Bedürfnis für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der zuständigen kantonalen Behörde, bewilligt werden (Abs.2), doch darf die Arbeit nicht vor 4 Uhr beginnen und nicht länger als bis 24 Uhr dauern und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von 14 Stunden liegen. Vorbehalten bleibt die besondere Eegelung für die zweischichtige Tagesarbeit in

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industriellen Betrieben, mit der eine Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit verbunden ist (Art. 21, Abs.2). Diese Vorschriften entsprechen der geltenden Eegelung nach Artikel 145 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz. Im Hinblick auf die kürzere wöchentliche Höchstarbeitszeit wird jedoch vorgesehen, dass abends statt bis 23 Uhr nunmehr bis 24 Uhr gearbeitet werden darf. Dies lässt sich um so eher verantworten, als die tägliche Euhezeit mindestens 10 Stunden beträgt. Selbstverständlich ist mit einer Bewilligung für die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit keine Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Artikel 8 verbunden.

d. Ausgleich ausfallender Arbeitszeit (Art. 10) Entsprechend dem Grundgedanken von Artikel 135, Absatz 3 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz ermächtigt diese Vorschrift den Arbeitgeber, nach Anhörung der beteiligten Arbeitnehmer (Art. 44) in bestimmten Fällen den Ausgleich ausfallender Arbeitszeit in Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit anzuordnen (Abs.l). Ein solcher Ausgleich ist zulässig, wenn die Arbeit ausgesetzt wird wegen Betriebsstörungen, wegen Betriebsferien (soweit es sich um Arbeitnehmer handelt, die auf kürzere Ferien Anspruch haben als die Betriebsferien dauern), ferner zwischen arbeitsfreien Tagen oder unter ähnlichen Umständen, wie an Feiertagen, die nicht gemäss Artikel 16, Absatz 2 den Sonntagen gleichgestellt sind, oder an örtlichen Festtagen. Ebenso kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden, um die ausfallende Arbeitszeit vor- oder nachzuholen, wenn einem Arbeitnehmer auf seinen Wunsch arbeitsfreie Tage eingeräumt werden. Der Zeitraum, innert welchem ausfallende Arbeitszeit'auszugleichen ist, soll durch Verordnung festgesetzt werden (Abs. 2).

e. Überzeitarbeit (Art. 11) 1. Nach den Vorschriften über die Überzeitarbeit kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit ausnahmsweise überschritten werden bei Dringlichkeit der Arbeit oder ausserordentlichem Arbeitsandrang, für Inventaraufnahmen, Rechnungsabschlüsse und Liquidationsarbeiten sowie zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen, soweit dem Arbeitgeber nicht andere Vorkehren zugemutet werden können (Abs. 1). Im Unterschiede zu Artikel 48 des Fabrikgesetzes, der lediglich generell auf den Nachweis eines Bedürfnisses abstellt, soll somit Überzeitarbeit
nur in den abschliessend aufgezählten Fällen zulässig sein.

Zudem darf die Überzeitarbeit für den einzelnen Arbeitnehmer, abgesehen von arbeitsfreien Werktagen (z.B. am Samstag der 5-Tage-Woche) oder von Notfällen, höchstens zwei Stunden im Tag und im Kalenderjahr höchstens 220 Stunden betragen (Abs. 2). Die Grenze von 220 Stunden im Jahr ist absolut, während Artikel 49 des Fabrikgesetzes lediglich vorschreibt, dass in der Begel Überzeitbewilligungen an nicht mehr als an 80 Arbeitstagen erteilt werden sollen ; einzig für weibliche Arbeitnehmer über 16 Jahren wird die Überzeitarbeit auf 140 Stunden im Jahr begrenzt (Art.67 des Fabrikgesetzes).

972

Gegenüber dem Fabrikgesetz bedeutet die vorgeschlagene Regelung in administrativer Hinsicht eine wesentliche Erleichterung. Der Arbeitgeber darf nach Anhören der Arbeitnehmer (Art.44) bis zu 60 Überstunden ini Kalenderjahr von sich aus anordnen. Für weitere Überstunden (höchstens 160 Stunden im Jahr) bedarf er einer Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde, gleichgültig, ob es sich um einen industriellen oder nicht-industriellen Betrieb handelt (Abs. 3).

2. Wie nach Artikel 27 des Fabrikgesetzes hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für die Überzeitarbeit einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent auszurichten, dem Bureaupersonal sowie den technischen und andern Angestellten jedoch nur für Überzeit, die 60 Stunden im Kalenderjahr übersteigt (Abs.4). Diese Differenzierung steht im Zusammenhang mit den Vorteilen, die der Angestellte in verschiedener Richtung geniesst, so namentlich, dass er von seinem Monatsgehalt wegen kürzerer Abwesenheit zu persönlichen Zwecken keine Abzüge erleidet.

Der Entwurf beschränkt sich auf die Regelung des Lohnzuschlages, ohne die Frage der Lohnzahlung für Überzeitarbeit als solcher zu regem. Nach Artikel 336 des Obligationenrechts ist der Arbeitnehmer gehalten, notwendige Mehrarbeit zu übernehmen, wenn er sie zu leisten vermag und die Verweigerung der Übernahme einen Verstoss gegen Treu und Glauben bedeuten würde. Für die geleistete Mehrarbeit hat er Anspruch auf eine Entschädigung, die im Verhältnis zum vereinbarten Lohn und unter Würdigung der besondern Umstände zu bemessen ist. Der Arbeiter, der Überzeitarbeit leistet, hat somit grundsätzlich Anspruch sowohl auf den entsprechenden Grundlohn als auf einen Lohnzuschlag, der vom Entwurf, in Übereinstimmung mit dem Fabrikgesetz, auf mindestens 25 Prozent festgesetzt wird. Anders verhält es sich bei den kaufmännischen und technischen Angestellten im Monatslohn. Diese haben nach verbreiteter Übung einzelne Überstunden ohne Vergütung zu leisten, wie sie umgekehrt auch keine Lohnabzüge erleiden, wenn einzelne Arbeitsstunden ausfallen. Für ausgedehntere Mehrarbeit dagegen kann sich zweifellos auch der Angestellte auf Artikel 336 des Obligationenrechts berufen und seine Bereitschaft dazu von einer Vereinbarung über die Entschädigung der Überstünden abhängig machen.

Wird im Einverständnis mit dem einzelnen Arbeitnehmer
zum Ausgleich geleisteter Überzeitarbeit innerhalb eines den konkreten Verhältnissen angemessenen Zeitraumes in gleichem Umfange Freizeit gewährt, so ist kein Lohnzuschlag auszurichten (Abs.4). Durch die Gewährung von Freizeit werden für die betreffende Überzeitarbeit sowohl die Verpflichtung zur Ausrichtung eines Lohnzuschlages als auch die Lohnzahlungspflicht abgelöst.

/. Hilfsarbeit (Art. 12) ' l. Ebenso wie für die Überzeitarbeit darf für die Hilfsarbeit und deren Beaufsichtigung die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden (Abs.l).

978 In Artikel 64 des Fabrikgesetzes wird der Begriff der Hilfsarbeit lediglich dahin umschrieben, dass die Bestimmungen über die Arbeitszeit keine Anwendung finden auf Verrichtungen, die der eigentlichen Fabrikation vor- oder nachgehen müssen. Die Bezeichnung der Verrichtungen, welche unter diese Vorschrift fallen, wurde der Verordnung überlassen. Artikel 178 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz umschreibt im einzelnen die Verrichtung, die entweder für alle Fabriken oder in bestimmten Industriezweigen als Hilfsarbeit gelten.

Demgegenüber werden nach dem Entwurf die Hilfsarbeiten abschliessend im Gesetz selbst umschrieben (Abs. 2). Danach gelten als Hilfsarbeiten folgende Verrichtungen, sofern sie die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit, die sich aus der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage ergibt, überschreiten oder an Sonntagen ausgeführt werden müssen : a. die täglichen Verrichtungen, welche die eigentliche Arbeit vorbereiten oder beendigen; 6. das tägliche Beinigen der Arbeitsräume und das Wegschaffen der Abfälle; c. die periodischen Hauptreinigungs- und Hauptinstandhaltungsarbeiten in den Arbeitsräumen und andere periodisch wiederkehrende Verrichtungen; d. die unaufschiebbare Instandstellung von Arbeitsmaschinen, Apparaten, Transporteinrichtungen und Fahrzeugen ; e. die Bedienung und Instandhaltung von Anlagen, die dem Betrieb Luft, Wasser, Licht, Wärme, Kälte, Dampf und Kraft vermitteln.

Bei den Hilfsarbeiten im Sinne von Buchstaben a, b, c und d handelt es sich um zusätzliche Arbeit, die von einem Arbeitnehmer vor Beginn oder nach Beendigung seiner eigentlichen Arbeit geleistet werden muss. Es ist also derselbe Arbeitnehmer, der die normale Arbeit und darüber hinaus die Hilfsarbeit verrichtet. Unter diese Hilfsarbeiten fallen einerseits Verrichtungen, die sich ständig wiederholen und voraussehbar sind (Buchstaben a, b und c), und anderseits unaufschiebbare Instandstellungsarbeiten an Arbeitsmaschinen, Apparaten, innerbetrieblichen Transporteinrichtungen, wie Aufzügen, Kranen und Förderbändern, und an Fahrzeugen, welche die Betriebsbereitschaft für den folgenden Tag sichern sollen und nicht voraussehbar sind (Buchstabe d). Solche unaufschiebbare Arbeiten werden von den gleichen Arbeitnehmern ausgeführt, die während der täglichen Arbeitszeit an den
betreffenden Arbeitsmaschinen usw.

beschäftigt sind. Davon sind zu unterscheiden eigentliche Eeparaturarbeiten zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen, die als Überzeitarbeit gelten (Art. 11, Abs. l, Buchstabe c).

Im Gegensatz zu den Hilfsarbeiten im Sinne von Buchstaben a, b, c und d bedeuten die Bedienung und Instandhaltung von Anlagen, die dem Betrieb Luft, Wasser, Licht, Wärme, Kälte, Dampf und Kraft vermitteln (Buchstabe c), notwendige Hilfsfunktionen für die Inganghaltung des Betriebes, die vielfach die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit überschreiten und in der Eegel von Arbeitnehmern verrichtet werden, die ausschliesslich mit, dieser Aufgabe beschäftigt werden (Wartung von Dampfmaschinen, Kraftzentralen usw.).

Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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2. Die Inanspruchnahme von Arbeitnehmern zu Hilfsarbeit ist möglichst zu beschränken, und zwar sowohl in bezug auf die zeitliche Dauer als auch in bezug auf die Zahl der Arbeitnehmer. Grundsätzlich müssen Verrichtungen, die eine normale Erscheinung sind und täglich wiederkehren, im Kahmen der ordentlichen Arbeitszeit ausgeführt werden. Soweit die Hilfsarbeit nicht zu umgehen ist, darf sie für den einzelnen Arbeitnehmer im Tag nur ausnahmsweise mehr als zwei Stunden dauern. Wenn sie diese Grenze übersteigt, so ist am vorhergehenden oder folgenden Tag die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit um die zwei Stunden überschreitende Zeit zu verkürzen (Abs. 3). Die zeitliche Begrenzung der Hilfsarbeit ist vor allem für die Verrichtungen im Sinne von Absatz 2, Buchstaben c und d von Bedeutung, während insbesondere die in Buchstaben a und b genannten Arbeiten die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit gewöhnlich nur in verhältnismässig geringem Masse überschreiten. Es ist Sache der Vollzugsbehörden, gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Hilfsarbeit einzuschreiten. Dagegen wird mit Eücksicht auf die abschliessende Umschreibung der als Hilfsarbeit anerkannten Verrichtungen von der Pflicht zur Einholung einer Bewilligung, wie sie nach geltendem Becht für nicht in der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz aufgezählte Verrichtungen besteht, Umgang genommen.

Im Gegensatz zur Überzeitarbeit wird, wie im Fabrikgesetz, für die Hilfsarbeit kein Lohnzuschlag vorgeschrieben.

3. Buhezeit (Art. 13-20) Die gesetzliche Fixierung der Höchstarbeitszeit sowie die Begrenzung der Tagesarbeit genügen nicht, um eine ausreichende Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Nahrungsaufnahme, nach Schlaf und Erholung zu gewährleisten. Deshalb enthält der Entwurf, wie zum Teil schon das geltende Eecht, neben den Vorschriften über die Arbeitszeit auch solche über die Ruhezeit, und zwar einerseits über die Pausen während der Arbeit und andererseits über die tägliche und wöchentliche Euhezeit. Im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Euhezeit sind ferner auch die Ferien zu erwähnen, die jedoch im Gegensatz zu den frühern Entwürfen nicht im vorliegenden Unterabschnitt, sondern in Ergänzung des Obligationenrechts geregelt werden sollen.

a. Tägliche Euhezeit (Art. 13-15) 1. Pausen ( A r t . 13). Die Eegelung der Pausen,
das heisst der aus physiologischen Gründen notwendigen Unterbrechungen der Arbeit, ist gegenüber Artikel 42 des Fabrikgesetzes in stärkerem Masse nach der Dauer der Arbeit abgestuft worden. Sie gilt als einheitliche Ordnung für jode Arbeitsweise und berücksichtigt namentlich auch die vielgestaltigen Verhältnisse, wie sie durch die Einführung der Fünftagewoche bei Schichtbetrieb und der «englischen» Arbeitszeit entstehen. Die in Absatz l vorgesehenen Pausen stellen ein absolutes Minimum dar, das durch eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht unterschritten werden darf. Unter der Herrschaft des Fabrikgesetzes wurde vielfach

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von selten der Arbeitnehmer der Wunsch geäussert, und zwar oft mit Erfolg, im Interesse eines frühern Arbeitsschlusses die Pausen mehr oder weniger stark zu verkürzen oder sogar auf sie zu verzichten; diesem Wunsch kann aus Erwägungen des Gesundheitsschutzes nicht mehr entsprochen werden. Die Pausen gelten wie nach Artikel 42, Absatz 2 des Fabrikgesetzes als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen (Abs. 2); darüber wird die Verordnung nähere Bestimmungen aufstellen. Als Arbeitszeit ist die Pause dann zu betrachten, wenn der Arbeitnehmer an der von ihm bedienten Maschine verbleiben oder sonst irgendwelche Funktionen ausüben muss, nicht aber wenn er sich frei bewegen und zum Beispiel die Kantine aufsuchen darf.

Unbestritten ist, dass die Pausen nach Gruppen von Arbeitnehmern zeitlich gestaffelt werden können.

2. Verbot der Nachtarbeit (Art. 14). Wie bereits Artikel 13 des Fabrikgesetzes vom 23.März 1877 bestimmt Artikel 51 des geltenden Fabrikgesetzes, dass Nachtarbeit bloss ausnahmsweise zulässig ist. In gleicher Weise verbietet Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 31. März 1922 grundsätzlich die Nachtarbeit von Jugendlichen und Frauen in gewerblichen und Verkehrsbetrieben, mit Ausnahme von Handel und Gastgewerbe.

In Übereinstimmung mit diesen Gesetzen wird zur Sicherung einer ausreichenden Nachtruhe die Nachtarbeit grundsätzlich untersagt, wobei der Begriff der Nacht auf die Definition der Tagesarbeit in Artikel 9, Absatz l abgestimmt ist(Abs.l).

' · · Der Entwurf sieht bei normaler Tagesarbeit eine Mindestnachtruhe von 9 Stunden im Sommer und 10 Stunden im Winter vor. Bei der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit ergibt sich aus Artikel 9, Absatz 3 eine Nachtruhe von mindestens 10 Stunden, und bei der zweischichtigen Tagesarbeit und der drei r und mehrschichtigen Arbeit in industriellen Betrieben aus Artikel 21, Absatz 2 und Artikel 22, Absatz 3 eine solche von mindestens 14 Stünden.

3. Die Ausnahmen vom Verbot der N a c h t a r b e i t (Art. 15).

Vorübergehende Nachtarbeit darf nur bei dringendem Bedürfnis (Abs. 1),.nicht, schon bei nachgewiesenem Bedürfnis wie nach Artikel 52 des Fabrikgesetzea, und dauernde Nachtarbeit nur dann bewilligt werden, wenn sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist (Abs. 2). Zuständig für die Er*
teilung von Bewilligungen für dauernde oder regelmässig "wiederkehrende Nachtarbeit in industriellen Betrieben ist das Bundesamt, für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit in nicht-industriellen Betrieben sowie für vorübergehende Nachtarbeit in industriellen oder nicht-ind,ustriellen Betrieben die zuständige kantonale Behörde. Für die Nachtarbeit der Arbeitnehmer unter 19 Jahren sowie der weiblichen Arbeitnehmer gelten die besondern Bestimmungen von Artikel 29, Absatz 4 und Artikel 32, Absatz>2.

Zur vorübergehenden Nachtarbeit darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nur mit ihrem Einverständnis heranziehen; er hat dafür einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent zu bezahlen (Abs.l). Dieser ist für die in Artikel 14,

976 Absatz 2 genannten Stunden auszurichten, nicht aber für die Tagesstunden, in welche die Nachtarbeit morgens oder abends herübergreift, das heisst für die Zeit vor 20 Uhr und nach 5 Uhr im Sommer und 6 Uhr im Winter (vgl. Art. 116 der Vollzugs Verordnung zum Fabrikgesetz).

Arbeitet dagegen der Arbeitnehmer in einem Betrieb, in dem die Leistung dauernder oder regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, so hat er mit dem Abschluss des Dienstvertrages das Einverständnis zur Nachtarbeit bereits bekundet, so dass sich eine besondere Zustimmung des Arbeitnehmers erübrigt. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass Artikel 172 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz die Unentbehrlichkeit der Nachtarbeit als nachgewiesen erklärt für Seidenfärberei, Getreidemüllerei, Brotfabrikation, Teigwarenfabrikation, Milchverarbeitung, Teigwaren-, Zucker-, Schokolade-, Malz- und Eisfabrikation, Bierbrauerei, verschiedene Zweige der chemischen Industrie sowie für Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerke und weitere Gruppen von Betrieben. Ein Lohnzuschlag wird in diesen Fällen wie in Artikel 27 des Fabrikgesetzes nicht vorgeschrieben, weil vorausgesetzt wird, dass die Entschädigung für die mit der Nachtarbeit zusammenhängenden Inkonvenienzen häufig in einem höhern Lohn zum Ausdruck komme (Abs. 2).

Für den Fall, dass Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit bewilligt werden, darf die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeitnehmer innert 24 Stunden nicht mehr als 10 Stunden betragen und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von 11 Stunden liegen (Abs. 3). Die tägliche Buhezeit kann einmal in der Woche, das heisst zu Beginn oder am Ende der Arbeitswoche, auf 8 Stunden herabgesetzt werden, wenn dem Arbeitnehmer eine zusammenhängende wöchentliche Buhezeit von mindestens 86 Stunden'gewährt wird (Abs.4).

b. Wöchentliche Buhezeit ( A r t . 16-19) Ähnlich wie bereits Artikel 14 des Fabrikgesetzes vom 28.März 1877, so bestimmt auch Artikel 51 des geltenden Fabrikgesetzes, dass Sonntagsarbeit nur ausnahmsweise zulässig ist. Ferner ist nach Artikel 5 des Bundesgosetzes vom 26. September 1931, das für Betriebe des Handels, des Gewerbes, des Verkehrs und verwandter Wirtschaftszweige gilt, den Arbeitnehmern jede Woche eine Buhezeit von mindestens 24
aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren; diese ist für alle Arbeitnehmer einheitlich auf den Sonntag zu legen, ausser wenn die Arbeit an Sonntagen gesetzlich zulässig ist, und im letztern Fall auf einen Werktag, muss aber im Zeitraum von drei Wochen wenigstens einmal auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fallen. Besondere Vorschriften sind im Buhezeitgesetz für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe vorgesehen.

Die Vorschriften des Entwurfes über die wöchentliche Buhezeit, die den Anforderungen des von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommens Nr. 14 über den wöchentlichen Buhetag in gewerblichen Betrieben (1921)

977 entsprechen, beziehen sich auf das Verbot der Sonntagsarbeit, die Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit, die Ersatzruhe bei Sonntagsarbeit und den wöchentlichen freien Halbtag. Im übrigen bleiben die Vorschriften der Kantone über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten von Betrieben, die dem Detailverkauf, der Bewirtung und der Unterhaltung dienen, ausdrücklich vorbehalten (Art. 66, Buchstabe b); solche Vorschriften bieten weitgehend einen zusätzlichen Euhezeitschutz.

1. Verbot der Sonntagsarbeit (Art. 16). Wie im geltenden Eecht wird zur Sicherung der Sonntagsruhe neben der Vorschrift über den Arbeitsschluss um 17 Uhr an Tagen vor Sonn.- und Feiertagen für Arbeitnehmer von industriellen Betrieben das grundsätzliche Verbot der Sonntagsarbeit aufgestellt (Abs.l). Die Kantone können entsprechend dem Fabrikgesetz bis zu 8 Feiertage im Jahr den Sonntagen gleichstellen, wobei für die einzelnen Teile des Kantonsgebietes unterschiedliche Ordnungen zulässig sind (Abs. 2) ; dabei gilt jedoch für alle Betriebe des betreffenden Kantonsteiles die gleiche Eegelung, ohne Eücksicht auf die Konfession der einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Auf diese Weise kann die sich aus Artikel 58, Absatz 3 des Fabrikgesetzes ergebende Unzukömmlichkeit, dass an gewissen Tagen je nach der konfessionellen Zugehörigkeit des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer gearbeitet oder nicht gearbeitet wird, vermieden werden. Falls im betreffenden Kanton oder Kantonsteil an weitern .Feiertagen die Arbeit ausgesetzt wird, kann der Arbeitgeber nach Artikel 10, Absatz l einen entsprechenden Ausgleich anordnen.

2. A u s n a h m e n vom Verbot der Sonntagsarbeit ( A r t . 17). Die Eegelung der Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit (Abs.l und 2) entspricht den Vorschriften über die Bewilligung von Nachtarbeit, jedoch mit dem Unterschied, dass der Lohnzuschlag für vorübergehende Sonntagsarbeit statt mindestens 25 mindestens 50 Prozent beträgt (Abs.l). Diese Differenzierung bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass die Sonntagsarbeit vor allem mit Eücksicht auf, die Sonntagsheiligung, aber auch mit Eücksicht auf das Familienleben noch stärker eingeschränkt werden soll als die Nachtarbeit. Dementsprechend sind auch bereits in Artikel 172 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz die Gruppen von Betrieben, in denen die Unentbehrlichkeit
der vollen oder teilweisen Sonntagsarbeit als nachgewiesen erklärt wird, enger umschrieben als bei der Nachtarbeit, namentlich für verschiedene Zweige der Nahrungsmittelfabrikation und der chemischen Industrie. Ähnlich wie im Euhezeitgesetz und der zugehörigen Vollzugsverordnung wird vorgesehen, dass den Arbeitnehmern die am Sonntag arbeiten, auf ihren Wunsch nach Möglichkeit für den Besuch des Gottesdienstes die nötige Zeit freizugeben ist (Abs. 8).

8. E r s a t z r u h e bei Sonntagsarbeit (Art. 18). Wird Sonntagsarbeit bewilligt und fällt diese auf den Vormittag und den Nachmittag oder dauert sie länger als 5 Stunden, so ist während der vorhergehenden oder folgenden Woche eine auf einen Arbeitstag fallende Ersatzruhe von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Innert drei Wochen muss jedoch wenigstens

978 einmal ein ganzer Sonntag als wöchentlicher Buhetag freigegeben werden, unter Vorbehalt der Bestimmungen über die ununterbrochene Arbeit (Abs.l).

Dagegen wird die Vorschrift von Artikel 7, Absatz 2 des Euhezeitgesetzes, nach der bei Sonntagsarbeit von kürzerer Dauer eine werktägliche Ersatzruhe von mindestens der Hälfte der täglichen Arbeitszeit vorgeschrieben ist, die der gewöhnlichen Euhezeit unmittelbar vorausgehen oder folgen muss, ersetzt durch die Vorschrift über den wöchentlichen freien Halbtag (Art. 19).

Entsprechend Artikel 8 des Ruhezeitgesetzes darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer während der Ersatzruhe vorübergehend zur Arbeit heranziehen, soweit dies nötig ist, um dem Verderb -von Gütern vorzubeugen oder um Betriebsstörungen zu vermeiden oder zu beseitigen (Abs. 2). Dabei wird von der Pflicht zur Einholung einer Bewilligung abgesehen, aber die Arbeitnehmer sind Vorher anzuhören (Art.44).

4. Wöchentlicher freier Halbtag (Art. 19). Neu ist die Bestimmung über den wöchentlichen freien Halbtag, welche den Zweck verfolgt, den Arbeitnehmern, die an 6 Tagen in der Woche arbeiten, während der Woche Zeit für persönliche Besorgungen einzuräumen. Dies liegt auch im Interesse des Arbeitgebers, indem so der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, alle seine Besorgungen auf den freien Halbtag zu legen, und vermieden werden kann, dass der Arbeitsablauf wegen solcher Kurzabsenzen gestört wird. Der freie Halbtag ist jede Woche zu gewähren, mit Ausnahme der Wochen, in die ein arbeitsfreier Tag fällt (Abs.l). Die wöchentlichen freien Halbtage können im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Durchschnitt für höchstens vier Wochen zusammenhängend gewährt werden (Abs.2), so zum Beispiel jede zweite Woche ein ganzer Tag. Besteht ausnahmsweise die Notwendigkeit, am freien Halbtag zu arbeiten, so ist gemäss Artikel 18, Absatz 2 entsprechende Ersatzruhe zu gewähren (Abs. 8). .

. . c. Verbot der Abgeltung von Euhezeit (Art. 20) :

In Übereinstimmung mit Artikel 14, Absatz l des Euhezeitgesetzes darf die tägliche und wöchentliche Euhezeit nicht durch Geldleistungen, ebensowenig aber auch durch andere Vergünstigungen, abgegolten werden. Kann jedoch die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Gewährung der Euhezeit wegen Beendigung 'des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllt werden, so muss deren Abgeltung 'zugelassen werden. Es wird Sache der Verordnung sein, Voraussetzungen und Umfang einer entsprechenden Abgeltung zu regeln, wobei auch die Frage der Anrechnung allfälligen Naturallohnes zu entscheiden ist. Ebenso wird die Verordnung zu bestimmen haben, ob ein Entschädigungsanspruch auch dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Verschulden oder auf Verlangen des Arbeitnehmers oder aus anderen Gründen, für die der Arbeitgeber nicht verantwortlich ist,,vorzeitig gelöst wird.

979 4. Schichtarbeit und ununterbrochener Betrieb (Art.21-23) Im Unterschied zum Fabrikgesetz werden im Entwurf die Vorschriften über die Schichtarbeit und den ununterbrochenen Betrieb der Übersichtlichkeit halber in einen besondern Unterabschnitt zusammengefasst, der für alle dem Gesetz unterstehenden Betriebe gilt, aber vor allem für die industriellen Betriebe von Bedeutung sein wird. Dieser regelt zunächst die zweischichtige Tagesarbeit, die mit der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Art. 9, Abs. 2 und 8) zusammenhängt. Im weitern wird die drei- und mehrschichtige Arbeit geregelt, bei der je nach dem Schichtenplan mindestens eine der Schichten in die nach Artikel 14, Absatz 2 als Nacht geltenden Tagesstunden fällt ; die drei- und mehrschichtige Tagesarbeit setzt sich somit aus Tagesarbeit und Nachtarbeit zusammen.

Beim ununterbrochenen Betrieb handelt es sich um mehrschichtige Arbeit ohne Unterbruch über das Wochenende. Daraus kann sich eine Kumulation von Tages-, Nacht- und Sonntagsarbeit ergeben, die mit besonderen Gefahren für die Gesundheit der beteiligten Arbeitnehmer verbunden ist und deshalb eine Sonderregelung erfordert.

a. Zweischichtige Tagesarbeit (Art. 21) Entsprechend Artikel 47, Absatz l des Fabrikgesetzes bezieht sich diese Vorschrift nur auf die zweischichtige Tagesarbeit, womit eine Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit im Sinne von Artikel 9, Absatz 2 und 3 verbunden ist.

Unter dieser Voraussetzung bedarf die zweischichtige Tagesarbeit einer Bewilligung, wofür die gleiche Regelung gilt wie für die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Abs.l). Bei der zweischichtigen Tagesarbeit, die vom normalen Ehythmus der Tagesarbeit in stärkerem Masse abweicht als die blosse Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit, wird jedoch für industrielle Betriebe die tägliche Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeitnehmer auf 9 Stunden und mit Einschluss der Pausen auf 10 Stunden beschränkt (Abs. 2); die Erhöhung der nach Artikel 146, Buchstaben a und b der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz geltenden Ansätze um je eine Stunde wird mit Rücksicht auf die zunehmende Verbreitung der Fünftagewoche vorgesehen, die bekanntlich die Vollzugsbehörde unter dem heutigen Eecht gezwungen hat, in ihren Bewilligungen von den Bestimmungen der genannten Verordnung abzuweichen. Dabei sind die Schichtenpläne
so zu gestalten, dass die wöchentliche Höchstarbeitszeit im Durchschnitt der Schichten nicht überschritten wird. Es versteht sich von selbst, dass die Schichten übereinandergreifen können. Die nötigen Bestimmungen über den zum Schutz der Gesundheit der Arbeiter angezeigten periodischen Schichtenwechsel werden in der Verordnung festzulegen sein.

b. Drei- und mehrschichtige A r b e i t (Art. 22) Während bei der zweischichtigen Tagesarbeit die Voraussetzungen und die Zuständigkeit für die Erteilung von Bewilligungen gleich geordnet werden wie bei der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit, gelten-in bezug auf die drei-

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und mehrschichtige Arbeit die entsprechenden Vorschriften über die Nachtarbeit (Art. 15, Abs. l und 2), weil die drei- und mehrschichtige Arbeit eine Verbindung von Tages- und Nachtarbeit darstellt. Wie bei der Nachtarbeit wird also zwischen der vorübergehenden (Abs.l) und der dauernden oder regelmässig wiederkehrenden (Art. 2) drei- oder mehrschichtigen Arbeit unterschieden.

Zur vorübergehenden drei- oder mehrschichtigen Arbeit, die in Nachtstunden im Sinne von Artikel 14, Absatz 2 geleistet wird, darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nur mit ihrem Einverständnis heranziehen und hat dafür einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent zu bezahlen. Für die Bewilligung vorübergehender drei- oder mehrschichtiger Arbeit ist auch bei industriellen Betrieben die kantonale Behörde zuständig; die gegenwärtige Begelung, wonach bei vorübergehender Nachtarbeit in Verbindung mit Tagesschichten in industriellen Betrieben für erstere eine Bewilligung der kantonalen Behörde und für letztere eine Bewilligung des Bundesamtes eingeholt werden musa, hat sich in der Praxis als unbefriedigend erwiesen.

In gleicher Weise wie für die zweischichtige Tagesarbeit wird für die dreiund mehrschichtige Arbeit in industriellen Betrieben eine Begrenzung der täglichen Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeitnehmer vorgeschrieben ; dabei darf wie bei der Nachtarbeit die tägliche Buhezeit einmal in der Woche auf 8 Stunden herabgesetzt werden, wenn dem Arbeitnehmer eine zusammenhängende wöchentliche Buhezeit von mindestens 36 Stunden gewährt wird (Abs.8).

c. U n u n t e r b r o c h e n e r Betrieb (Art. 28) Für den ununterbrochenen Betrieb gilt in bezug auf die Voraussetzungen und die Zuständigkeit für die Erteilung von Bewilligungen die gleiche Begelung wie für die dauernde Nachtarbeit (Abs.l). Es wäre an sich wünschbar, die Arbeitszeitgestaltung im ununterbrochenen Betrieb im Gesetz selbst zu ordnen.

Die Verhältnisse, die zum ununterbrochenen Betrieb führen, sind jedoch so vielgestaltig und unübersichtlich, dass die Begelung der Verordnung überlassen werden muss (Abs.2). Die Verordnung wird vor allem zu bestimmen haben, unter welchen Voraussetzungen und wie weit bei ununterbrochenem Betrieb die wöchentliche Höchstarbeitszeit verlängert und die Buhezeit verkürzt werden darf. Werden im ununterbrochenen Betrieb lediglich drei Schichten
eingesetzt, so ergibt sich eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden, bei vier Schichten eine solche von 42 Stunden. Aus betriebsorganisatorischen Gründen ist es nicht immer möglich, in den auf diese Arbeitszeitgestaltung angewiesenen Betrieben eine vierte Hauptschicht zu bilden. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass die 56stündige Arbeitswoche bei dieser Arbeitsweise nicht mehr in Frage kommen darf. Auf dem Verordnungswege wird eine Lösung festzulegen sein, welche zum mindesten unter Einsatz von Hilfsschichten aus Arbeitnehmern, die vorwiegend mit Tagesarbeit beschäftigt werden, den erforderlichen Schutz der Arbeitnehmer.

981 5. Weitere Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit (Art.2^-26) a. Weitere Schutzbestimmungen (Art. 24) 1. Das Fabrikgesetz sieht in Artikel 47, Absatz 4 und Artikel 64, Absatz 2 vor, dass der Bundesrat die zum Schutz der Arbeiter in den Fällen der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit, des zweischichtigen Tagesbetriebes und der Hilfsarbeit nötigen Bestimmungen erlässt. Darüber hinaus enthält aber die Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz auch eine Eeihe von Bestimmungen über den Schutz der Arbeitnehmer bei Überzeitarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, welche die Gestaltung der Arbeits- und Euhezeit im Rahmen der entsprechenden Vorschriften des Gesetzes nach verschiedenen Richtungen einschränken.

Der Entwurf ermächtigt den Bundesrat im Sinn der bisherigen Regelung, auf dem Verordnungsweg unter Wahrung der zulässigen Höchstarbeitszeit, die sich aus Artikel 8,11 und 12 sowie aus den Verordnungsbestimmungen über den ununterbrochenen Betrieb (Art. 23, Abs.2) ergibt, weitere Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer über die besondern Ordnungen der Arbeits- und Ruhezeit aufzustellen (Art.l).

2. Entsprechend dem Grundgedanken von Artikel 46 des Fabrikgesetzes gestattet Absatz 2 die wöchentliche Höchstarbeitszeit zu verkürzen, sofern und solange es zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist. Eine solche Verkürzung kann jedoch nur durch Verordnung, nicht wie nach Fabrikgesetz durch blosse Verfügung des Bundesrates, erfolgen, und zwar nur für ganze Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern, nicht aber für einzelne Betriebe.

b. Sonderregelungen für bestimmte G r u p p e n von Betrieben und Arbeitnehmern (Art.25) Die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit (Art. 8 bis 19 und 21 bis 28) sowie die entsprechenden Sondervorschriften für jugendliche und weibliche Arbeitnehmer (Art. 29, 32 und 34) sind weitgehend in Anlehnung an die geltende Fabrikgesetzgebung aufgestellt worden. Sie können jedoch nicht durchwegs auf nicht-industrielle Betriebe und in solchen beschäftigte Arbeitnehmer angewendet werden. Deshalb ist es unerlässlich, für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern Sonderbestimmungen aufzustellen. Für diese Gruppen bleibt zwar grundsätzlich die allgemeine Ordnung der Arbeits- und Ruhezeit anwendbar, wie sie in den Artikeln 8 bis 19,. 21 bis 23, 29, 32 und 34 enthalten
ist. Aber es sollen Ausnahmen von den genannten Vorschriften zugelassen werden, soweit dies trotz der Ausnützung aller nach den allgemeinen Vorschriften, zum Beispiel auch über die Überzeitarbeit, gebotenen Möglichkeiten mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse notwendig ist, so in bezug auf die Höchstarbeitszeit und auf die tägliche und wöchentliche Ruhezeit. Dabei müssen die Vorschriften des Gesetzes über die Arbeits- und Ruhezeit, die als nicht anwendbar erklärt werden, in der Verordnung durch entsprechende besondere Bestimmungen ersetzt werden (Abs.l). Bei der Aufstellung solcher Verordnungsbestimmungen wird jedoch zu beachten sein, dass die Normen der von der Schweiz

982 ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 6 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1919) und Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen (1948) unter allen Umständen eingehalten werden müssen.

Nach dem Entwurf von 1950 sollte die Befugnis zur Aufstellung derartiger Sonderregelungen zum Teil den Kantonen übertragen werden. Wie in den allgemeinen Bemerkungen zum vorliegenden Entwurf (vgl. Kapitel B, Abschnitt II) bereits ausgeführt wurde, ist jedoch von einer solchen Delegation abgesehen worden, weil die besondern Verhältnisse nicht so sehr regional schwanken als vielmehr von Branche zu Branche und die kantonalen Grenzen auch konkurrenzmässig mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Dagegen bleiben die kantonalen Vorschriften über die Öffnungszeiten von Betrieben, die dem Detailverkauf, der Bewirtung und der Unterhaltung dienen, weiterhin vorbehalten (Art.66, Buchstabe b).

Um den besondern Verhältnissen angemessen Rechnung zu tragen, sind die Sonderbestimmungen im Sinne von Artikel 25 in enger Zusammenarbeit mit den direkt interessierten Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vorzubereiten. Dabei wird auf die Eegelung in Gesamtarbeitsverträgen und gegebenenfalls in Normalarbeitsverträgen Eücksicht zu nehmen sein. Vor dem Erlass der Verordnungsbestimmungen sind gemäss Artikel 86, Absatz 2 die Kantone und die Arbeitskommission anzuhören, und ferner ist den zuständigen Organisationen der Wirtschaft Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben.

Dieses Verfahren bietet Gewähr für eine sorgfältige und alle Interessen berücksichtigende Prüfung der Voraussetzungen, des Umfanges und des Inhalts derartiger Sonderbestimmungen.

Im einzelnen fallen nach Artikel 25 insbesondere folgende Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern für Sonderregelungen in Betracht, wobei dieser Aufzählung jedoch keineswegs abschliessende Bedeutung zukommt (Abs. 2) : a. Betriebe der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Krankenpflege, der ärztlichen Behandlung sowie Apotheken (Buchstabe a): Für diese Gruppen von Betrieben ist bereits in Artikel 14, Buchstaben a und i der Vollzugsverordnung vom l I.Juni 1934 zum Euhezeitgesetz eine besondere Regelung der Ruhezeit vorgesehen, und für das Krankenpflegepersonal ist auf den bestehenden Normalarbeitsvertrag hinzuweisen. Den Betrieben der Krankenbehandlung
werden die Apotheken ausdrücklich gleichgestellt.

b. Betriebe der Beherbergung, der Bewirtung und der Unterhaltung sowie Betriebe, die der Versorgung des Gastgewerbes bei besonderen Anlässen dienen (Buchstabe b) : Den Ausgangspunkt für diese Betriebsgruppen bildet das Ruhezeitgesetz, das in den Artikeln 15 bis 22 besondere Vorschriften für das Gasthof und Wirtschaftsgewerbe aufstellt; in Betrieben der Beherbergung und Bewirtung kommt wegen der erforderlichen ständigen Betriebsbereitschaft vor allem auch der Präsenzzeit besondere Bedeutung zu. Zu den Betrieben der Unterhaltung gehören zum Beispiel Schausteller jeder Art, Lichtspielbetriebe, Kursäle, Dancings, mit Radio und Fernsehen zusammenhängende Betriebe und Sport-

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Institute. Weitere Ausnahmen sind vorgesehen für Betriebe, die der Versorgung des Gastgewerbes bei besonderen Anlässen dienen, wie zum Beispiel bei Festlichkeiten, Ausstellungen, Messen und dergleichen. Dagegen erscheint es nicht als gerechtfertigt, Betriebe für die laufende Versorgung des Gastgewerbes, soweit sie nicht unter Buchstabe d fallen, zu privilegieren.

c. Betriebe, die den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs oder der landwirtschaftlichen Bevölkerung dienen (Buchstabe c): Unter diese Gruppe von Betrieben fallen in erster Linie die Ladengeschäfte in ländlichen oder Fremdenverkehrsgebieten, die am Abend oder am Sonntag während gewisser Zeit offen halten müssen. Als Fremdenverkehrsgebiete sind Kegionen und Ortschaften zu betrachten, in denen das Hotelgewerbe einen wesentlichen Teil der Existenzgrundlage der Bevölkerung bildet und in denen der Fremdenverkehr zudem einen typischen Saisoncharakter aufweist (vgl. die Umschreibung in Artikel l der Vollziehungsverordnung vom 9. Dezember 1955 zum Bundesgesetz über rechtliche und finanzielle Massnahmen für das Hotelgewerbe).

d. Betriebe, die der Versorgung mit leicht verderblichen Gütern dienen (Buchstabe d) : Diese Vorschrift bezieht sich vor allem auf Metzgereien, Bäckereien und Konditoreien, auf die Butterzentralen sowie auf den Milch- und Milchprodukte-, Comestibles-, Früchte-, Gemüse- und Blumenhandel. Sie soll Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften über die Arbeits- und Kuhezeit ermöglichen, soweit solche notwendig sind, um den Verderb von Gütern zu verhindern. Von grosser Bedeutung wird vor allem die Lösung der seit vielen Jahren zur Diskussion stehenden Fragen sein, in welchem Umfang die Nachtarbeit in den Bäckereien notwendig ist und zugelassen werden rnuss.

e. Betriebe, die der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sowie Gärtnereien (Buchstabe e) : Zu dieser Gruppe gehören die Konserven- und Zuckerfabriken, Mostereien und andere Betriebe, die zu bestimmten Jahreszeiten einen grossen Anfall an landwirtschaftlichen Erzeugnissen aufweisen, der besondere Gestaltungen der Arbeits- und Buhezeit erfordert; ferner zählen dazu die Handels- und Landschaftsgärtnereien. Soweit es sich bei dieser Gruppe um industrielle Betriebe im Sinne von Artikel 4 handelt, werden für die Aufstellung von Sonderbestimmungen strengere Maßstäbe
gelten als bei nichtindustriellen Betrieben.

/. Forstbetriebe (Buchstabe /): Bei dieser Gruppe handelt es sich um die Forstbetriebe öffentlicher Waldungen im Sinne des Forstpolizeigesetzes (Art. l, Abs. 2). Vor allem in den Voralpen und im Jura, die wegen ihres rauheren Klimas für den Ackerbau ini allgemeinen weniger geeignet und daher stärker bewaldet sind, soweit sie überhaupt für die Urproduktion in Frage kommen, aber auch im Mittelland ist die Arbeit im Wald in hohem Masse von den Witterungsverhältnissen abhängig, denen bei der Eegelung der Arbeits- und Euhezeit angemessen Eechnung getragen werden muss. Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass im Wald in der Regel nur bei Tageslicht gearbeitet werden kann.

g. Betriebe, die der Versorgung von Fahrzeugen mit Betriebsstoffen oder ihrer Instandhaltung und Instandstellung dienen (Buchstabe g) : Die Möglich-

984 keit der Aufstellung von Sonderregelungen für Betriebe zur Versorgung von Fahrzeugen mit Betriebsstoffen und ihrer Instandhaltung und Instandstellung, das heisst für Tank- und Servicestellen, Garagen und Beparaturwerkstätten, entspricht beim heutigen Umfang des Strassenverkehrs einer dringenden Notwendigkeit.

h. Das Bodenpersonal der Luftfahrt (Buchstabe h) : Während das fliegende Personal der vorwiegend im internationalen Verkehr tätigen Luftverkehrsbetriebe mit Eücksicht auf die bestehenden internationalen Kegelungen vom Gesetz gänzlich ausgenommen wird (Art.2, Abs.2, Buchstabe V), werden die übrigen Personalkategorien der Luftfahrt vom Gesetz erfasst. Die besondern Verhältnisse des Luftverkehrs führen jedoch zu einer besondern Gestaltung der Arbeits- und Euhezeit für das Personal der Bodenorganisation der Luftfahrt, zu dem einerseits die Luftfahrzeugkontrolleure sowie die Eadiotelephonisten und das übrige Personal des Flugsicherungsdienstes gehören, und anderseits der Abfertigungsdienst auf den Flughäfen sowie das Personal, das den laufenden Einsatz und den Unterhalt der Luftfahrzeuge sicherzustellen hat. Es wird Sache der Verordnung sein, die Kategorien des Bodenpersonals, für die Sonderbestimmungen über die Arbeits- und Euhezeit in Aussicht genommen werden müssen, im einzelnen näher zu umschreiben.

i. Arbeitnehmer auf Bauplätzen und Steinbrüchen, für die wegen ihrer geographischen Lage oder wegen besonderer klimatischer oder technischer Verhältnisse eine besondere Ordnung der Arbeitszeit erforderlich ist (Buchstabe i): Unter diese Gruppe fallen diejenigen Betriebe des engern Baugewerbes, für welche die Vorschriften von Artikel 8, Absatz l, Buchstabe b und Absatz 2 nicht ausreichen, um besondern Verhältnissen und Bedürfnissen Eechnung zu tragen.

Es handelt sich dabei um Baustellen im Gebirge, auf denen aus klimatischen Gründen nur während eines Teiles des Jahres gearbeitet werden kann, ferner um Steinbrüche, in welchen die Gewinnung des Materials sich aus betriebstechnischen Gründen (z.B. Schotter für den Bahngeleisebau oder für Baustellen im Gebirge) auf bestimmte Jahreszeiten zusammendrängt, und schliesslich um Bauplätze, auf denen wegen ungünstiger Transportverhältnisse für die Arbeitnehmer in unmittelbarer Nähe Ess- und Schlafgelegenheiten bereitgestellt werden müssen oder wo die
Arbeit aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen in besonderer Weise zu fördern sind (z.B. Stollenbauten). Derartige Sonderregelungen sind nicht nur für Kraftwerkbauten und Lawinenverbauungen, sondern auch für den künftigen Nationalstrassenbau von Bedeutung.

k. Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit in erheblichem Mass bloss Präsenzzeit ist oder deren Tätigkeit in erheblichem Mass Reisen oder eine häufige Verlegung des Arbeitsplatzes erfordert (Buchstabe fc): Vorwiegend aus blosser Dienstbereitschaft besteht zum Beispiel die Arbeitszeit von Ausläufern, Wächtern, Portiers und dergleichen. Als Tätigkeit, die in erheblichem Mass Eeisen oder eine häufige Verlegung des Arbeitsplatzes erfordert, gilt unter anderem jene der Handelsreisenden oder von Arbeitnehmern, die Montage-, Installations- und Beparaturarbeiten an Ort und Stelle zu verrichten haben.

985 c. G e r i n g f ü g i g e A b w e i c h u n g e n (Art. 26) Diese Vorschrift ermächtigt bei ausserordentlichen Schwierigkeiten das Bundesamt und die zuständige kantonale Behörde, in Arbeitszeitbewilligungen ausnahmsweise geringe Abweichungen von den Vorschriften des Gesetzes und der Verordnung vorzusehen, soweit die beteiligten Arbeitnehmer damit einverstanden sind. Sie ist dem Artikel 181, Absatz 2 der Verordnung zum Fabrikgesetz nachgebildet, der sich in der Praxis als unerlässlich erwiesen hat und derzeit die einzige Eechtsgrundlage für die Bewilligung der Fünftagewoche im zweischichtigen Tagesbetrieb bildet.

IV. Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer (Art. 27-34) 1. Allgemeines Die jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer bedürfen eines zusätzlichen Schutzes, der über die allgemeinen Normen des Arbeitsschutzes hinausgeht.

Dieser erhöhte Schutz bildet seit jeher eine wesentliche Domäne der Arbeitsschutzgesetzgebung. Im geltenden Eecht wird er geregelt in den Artikeln 65 bis 76 des Fabrikgesetzes, im Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben und im Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer, von denen aber keines den gesamten Geltungsbereich des vorliegenden Entwurfes erfasst.

Gesetzliche Mindestvorschriften für alle Frauen und Jugendliche, die dem Arbeitsgesetz unterstehen, sind um so notwendiger, als die Gesamtarbeitsverträge im allgemeinen auf die besondere Schutzbedürftigkeit der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer nicht eigens Bedacht nehmen.

Was die Jugendlichen betrifft, so handelt es sich darum, deren Beschäftigung als Arbeitnehmer entweder überhaupt zu verbieten oder den notwendigen Einschränkungen und vorbeugenden Maßnahmen zu unterwerfen. Diesem Zweck dienen vor allem die Vorschriften über das Mindestalter für die Beschäftigung in einem unter das Gesetz fallenden Betrieb, über die für jugendliche Arbeitnehmer erst von einer bestimmten Altersgrenze an oder überhaupt nicht zulässigen Arbeiten, über die angemessene Eegelung der Arbeits- und Kuhezeit, insbesondere nach der Eichtung des grundsätzlichen Verbots der Nacht- und Sonntagsarbeit, sowie über die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Ferner ist in diesem Zusammenhang die Sondervorschrift für
Jugendliche in Familienbetrieben (Art.3, Abs.3) zu erwähnen.

Beim Schutz der weiblichen Arbeitnehmer stehen die Eegelung der Arbeitsund Euhezeit, der Ausschluss von bestimmten Arbeiten und die Eücksichtnahme auf Schwangere und Wöchnerinnen im Vordergrund.

Der vorliegende Abschnitt stellt im wesentlichen eine Kodifikation des geltenden Eechts dar, wobei der Schutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer ausgebaut und der Geltungsbereich ausgedehnt wird. So unterstehen

986 dem Bundesgesetz vom 81.März 1922 nur die «industriellen und gewerblichen» Betriebe, auf die das Fabrikgesetz nicht anwendbar ist, nicht aber die Betriebe des Handels und des Gastgewerbes. Die einzelnen Normen entsprechen weitgehend den Vorschlägen des Entwurfes von 1950, die von den Kantonen und Verbänden im allgemeinen begrüsst und zum Teil ajs fortschrittlich bezeichnet wurden. Namentlich die Kreise, die sich mit dem Schutz dieser Arbeitnehmer befassen, sprachen sich positiv aus, und auch von Arbeitgeberseite wurde sowohl der grundsätzlichen Konzeption als auch der konkreten Gestaltung der verschiedenen Vorschriften im grossen und ganzen zugestimmt, wenn auch da und dort gewisse Lockerungen verlangt wurden.

2. Jugendliche Arbeitnehmer (Art.27-30) a. Begriff des Jugendlichen ( A r t . 27, Abs. 1) Als Jugendliche gelten die Arbeitnehmer beider Geschlechter bis zum vollendeten 18. Altersjahr, und zwar ohne Bücksicht darauf, ob der Jugendliche in einem Lehrverhältnis steht oder nicht. Der in den Vernehmlassungen verschiedener Verbände zum Entwurf 1950 vorgeschlagenen allgemeinen Erhöhung der Altersgrenze auf 20 Jahre, insbesondere für Lehrlinge und Lehrtöchter, konnte nicht entsprochen werden. Nachdem die Frage durch Arbeits- und Schulärzte sorgfältig geprüft wurde, sind wir zum Schluss gekommen, die Altersgrenze allgemein auf 18 Jahre zu belassen, dagegen das Verbot der Nachtarbeit grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer bis zum vollendeten 19. Altersjahr auszudehnen.

Immerhin kann die Verordnung gewisse Ausnahmen sowohl für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitsverhältnissen als auch insbesondere im Interesse der beruflichen Ausbildung vorsehen (Art.25 und 29, Abs.4). Es erschiene jedoch nicht als angezeigt, für Lehrlinge und Lehrtöchter ein höheres Schutzalter festzusetzen, weil die berufliche Beanspruchung anderer jugendlicher Arbeitnehmer mindestens ebenso gross sein kann.

6. Fürsorgepflichten des A r b e i t g e b e r s (Art. 27, Abs. 2, und 80) Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers gegenüber dem Jugendlichen wird im Entwurf bedeutend stärker betont als im geltenden Arbeitsschutzrecht. Der Entwurf übernimmt die allgemeinen und besondern Fürsorgepflichten, die Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung zugunsten des Lehrlings aufgestellt hat,
und dehnt sie auf alle Jugendlichen aus.

So hat der Arbeitgeber auf die Gesundheit und Sittlichkeit der Jugendlichen gebührend Rücksicht zu nehmen und namentlich darauf zu achten, dass die Jugendlichen nicht überanstrengt werden und vor schlechten Einflüssen im Betrieb verschont bleiben (Art. 27, Abs.2). Dazu kommen die besonderri Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bei Unfall, Krankheit oder sittlicher Gefälurdung von Jugendlichen sowie hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung bei Hausgemeinschaft (Art. 30).

987 c. Beschränkung der Verwendung von Jugendlichen (Art. 27, Abs. 3) Zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit kann die Verwendung Jugendlicher für bestimmte Arbeiten durch Verordnung untersagt oder an besondere Voraussetzungen gebunden werden. Die Verordnung wird im allgemeinen die geltende Regelung übernehmen. Dabei wird, wie bisher, auch festzulegen sein, inwieweit aus zwingenden Gründen, namentlich zur Förderung der beruflichen Ausbildung, allgemein oder in Einzelfällen Ausnahmen bewilligt werden können, und ferner, ob und in welchem Umfang Jugendliche bei Schichtarbeit beschäftigt werden dürfen. Für weibliche Jugendliche gelten überdies zusätzlich die entsprechenden Verordnungsbestimmungen, die auf Grund von Artikel 30, Absatz 2 für weibliche Arbeitnehmer erlassen werden.

Die geltende Regelung enthält Vorschriften über Verrichtungen, bei denen Jugendliche nicht verwendet werden dürfen, einerseits in Artikel 189 und 189bls der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz und andererseits in Artikel 3 und 5 der auf dem Bundesgesetz vom 31. März 1922 beruhenden Verordnung vom l I.Januar 1944 betreffend unzulässige Arbeit für jugendliche und weibliche Personen in den Gewerben. Letztere gilt für Betriebe zur Erzeugung und Verarbeitung von Gütern, auf die das Fabrikgesetz keine Anwendung findet, ferner für Betriebe, die der Beförderung von Personen oder Gütern dienen, mit Ausnahme der Handbeförderung und der vom Bund betriebenen oder konzessionierten Verkehrsanstalten, nicht aber für Handel und Gastgewerbe. In beiden Verordnungen wird zwischen Jugendlichen schlechthin und zwischen Jugendlichen unter 16 Jahren unterschieden.

Für Fabriken und gewerbliche Betriebe bestehen zum Teil die gleichen Verbote. Mit einer einzigen Ausnahme gelten die Verbote für Jugendliche in gewerblichen Betrieben auch für die Beschäftigung in Fabriken. Für diese besteht überdies eine Reihe weiterer Verbote, die zur Hauptsache die Jugendlichen unter IG Jahren betreffen.

Gänzlich untersagt ist die Verwendung von Jugendlichen sowohl in Fabriken als auch in gewerblichen Betrieben zu Arbeiten mit erheblicher Vergiftungsgefahr, die für industrielle Betriebe näher umschrieben werden, sowie mit Explosivstoffen, zur Bedienung von Anlagen zur Erzeugung und Verwendung explosions- oder feuergefährlicher Stoffe und zu Untertagsarbeiten
in Bergwerken. Für Jugendliche unter 16 Jahren gelten überdies sowohl in Fabriken als auch in gewerblichen Betrieben zusätzliche Beschäftigungsverbote, nämlich für die Betätigung an Maschinen mit hoher Unfallgefahr sowie das Arbeiten von Schweiss- und Schneidbrennern und die Bedienung der zugehörigen Apparate, für die Bedienung Von Motoren und grössern elektrischen Maschinen, Apparaten, Leitungen, Transmissionen, Aufzügen und andern Hebezeugen, für das Sortieren von Hadern, ungereinigter und nicht desinfizierter Wäsche, Haare und Borsten sowie für Arbeiten, die mit dauernder, anstrengender Fussbetätigung verbunden sind.

988 Mit Eücksicht auf die erhöhte Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer in Fabrikbetrieben gelten für die in solchen arbeitenden Jugendlichen zudem noch weitergehende Beschäftigungsverbote. So dürfen Jugendliche in Fabriken nicht zur Bedienung von Dampfkesseln, Dampfgefässen und andern Apparaten unter Druck herangezogen, und für Jugendliche unter 16 Jahren sind auch der Gebrauch pneumatischer Werkzeuge, das Bedienen von Kranen, das Arbeiten in Zündholzfabriken (ausgenommen die Herstellung von Schachteln und Holzdraht) sowie das Bedienen von Trockenräumen, das Auspacken des Tabaks und das Herstellen des Extrakts in Zigarrenfabriken verboten. Andererseits gilt für Jugendliche in gewerblichen Betrieben noch die allgemeine Vorschrift, dass sie nicht zu Arbeiten herangezogen werden dürfen, welche die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit übermässig beanspruchen.

d. Altersausweis und ärztliches Zeugnis (Art. 27, Abs. 4) Es dürfte unbestritten sein, dass dem Gesundheitsschutz der Jugendlichen vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken ist. Eine wichtige Aufgabe kommt in dieser Hinsicht der Feststellung des Entwicklungszustandes des Jugendlichen vor der Beschäftigung in einem unter das Gesetz fallenden Betrieb zu. Entsprechend Artikel 73, Absatz l des Fabrikgesetzes und im Unterschied zu den Bundesgesetzen vom 81.März 1922 und vom 24. Juni 1988, die lediglich den Bundesrat ermächtigten, die Vorlage eines Altersausweises vorzuschreiben, wird der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Einstellung eines schulentlassenen Jugendlichen einen Altersausweis zu verlangen ; gleichzeitig hat der Arbeitgeber entsprechend den von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Verzeichnisse zu führen oder andere Unterlagen zur Verfügung zu halten, aus denen das Geburtsdatum ersichtlich ist (Art. 42).

Im weitern wäre zweifellos eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses wünschbar, wie sie Artikel 4 ff. der Verordnung vom S.September 1948 über Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Quarzstaublunge (Silikose) und Artikel 68 des Bundesgesetzes vom 23. September 1953 über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge vorsehen.

Sowohl die Expertenkommission als auch die Fabrikkommission gaben sich indessen darüber Eechenschaft, dass eine ärztliche Bescheinigung
über den Gesundheitszustand nicht in allen Fällen verlangt werden kann, weshalb davon abgesehen wird, eine solche im Gesetz zwingend vorzuschreiben. Der Entwurf beschränkt sich daher auf die Ermächtigung, auf dem Verordnungswege zu bestimmen, dass ein ärztliches Zeugnis beizubringen ist. Dabei besteht die Meinung, dass die Pflicht zur Vorlage eines Arztzeugnisses nicht vorzusehen wäre, wenn die Beschäftigung des Jugendlichen nur für kürzere Zeit in Aussicht genommen wird. Ferner wird die Verordnung festzulegen haben, inwieweit sich das Zeugnis über die Eignung des Jugendlichen für bestimmte Arbeiten auszusprechen hat, da es nur in dieser Form seinen eigentlichen Zweck erfüllen kann. .Deshalb könnte es sich, jedenfalls in einer ersten Etappe, nur darum han-

989 dein, ein solches Zeugnis bloss für bestimmte Tätigkeiten vorzuschreiben, bei denen eine Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist. Die Verordnung wird an die Einrichtung des schulärztlichen Dienstes anknüpfen können, der bereits in einer Eeihe von Kantonen für alle Jugendlichen oder nur für Lehrlinge besteht. Dabei wird auch die Tragung der Kosten für die Untersuchung und die Ausstellung des Zeugnisses, die sich nach Schätzung der Fachleute auf mindestens etwa 30 Franken belaufen, zu ordnen sein. Es wird jedoch in absehbarer Zeit nicht möglich sein, das ärztliche Zeugnis allgemein vorzuschreiben.

e. Mindestalter (Art. 28) Artikel 70 des Fabrikgesetzes und Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 81. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben haben das Mindestalter für die Beschäftigung in Fabriken sowie in Betrieben der Gütererzeugung und -Verarbeitung und des Verkehrs auf 14 Jahre angesetzt. Dieser Zulassungsschutz wurde mit dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer nach zwei Eichtungen hin erweitert: einmal wurde das Mindestalter auf das vollendete 15.Altersjahr hinaufgesetz't, und sodann wurde diese Altersgrenze von Bundes wegen auf die Betriebe des Handels, des Gast- und Wirtschaftsgewerbes, des Schaustellungsund Lichtspielgewerbes und verwandter Wirtschaftszweige ausgedehnt.

Entsprechend dem Mindestaltergesetz wird das Mindestalter für den Eintritt jugendlicher Arbeitnehmer in einen unter das Gesetz fallenden Betrieb im Entwurf auf den Zeitpunkt der Vollendung des 15. Altersjahres festgesetzt. Die Verordnung wird zu bestimmen haben, für welche Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern sowie unter welchen Voraussetzungen Jugendliche wie bisher schon vom vollendeten 13. Altersjahr an zu Botengängen und leichten Arbeiten herangezogen werden dürfen (Abs.l). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass diese Möglichkeit nach geltendem Recht für Fabrikbetriebe nicht besteht und auch nach dem von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 5 über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1919) weitern Schranken unterliegt.

Leider hat sich die beim Erlass des Mindestaltergesetzes gehegte Erwartung, dass die Kantone im Laufe der Jahre die Schulpflicht bis und mit dem 15. Altersjahr
verlängern werden, bisher nur zum Teil erfüllt. In einer Eeihe von Kantonen endigt die obligatorische Schulpflicht vor Vollendung des 15. Altersjahres, und es ist kaum anzunehmen, dass dieser Zustand bald eine Änderung erfahren werde.

Das Arbeitsgesetz muss deshalb auf die kantonale Schulgesetzgebung Rücksicht nehmen, was auch von verschiedenen Kantonen in den Vernehmlassungen zum Entwurf 1.950 ausdrücklich gewünscht wurde. Dementsprechend können die Kantone, in denen die obligatorische Schulpflicht vor dem vollendeten 15.

Altersjahr abschliesst, durch Verordnung ermächtigt werden, für schulentlassene Jugendliche, die das 14. Altersjahr zurückgelegt haben, Abweichungen zuzulassen; die Verordnung wird jedoch festzulegen haben, unter welchen besondern Voraussetzungen derartige Abweichungen zugestanden werden können (Abs. 2).

Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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Nach Artikel 6 des Mindestaltergesetzes sind die Kantone befugt, höhere Mindestalter anzusetzen für die Zulassung von Arbeitnehmern in Betrieben des Gast- und Wirtschaftsgewerbes, des Schaustellungs- und Lichtspielgewerbes, ferner zum Wanderhandel und Wandergewerbe sowie zur Tätigkeit auf Märkten und bei Auslagen ausserhalb der Verkaufsläden ; ferner können sie den Aufenthalt von Kindern in den Bäumen der Betriebe sowie das Mitnehmen von Kindern bei der Ausübung eines Wandergewerbes oder Wanderhandels verbieten.

Es steht den Kantonen frei, von diesen Befugnissen allgemein oder im einzelnen Falle Gebrauch zu machen ; dabei gilt für den Aufenthalt von Kindern in Arbeitsräumen von Fabriken die Vorschrift von Artikel 70, Absatz 2 des Fabrikgesetzes, wonach dieser unter Vorbehalt behördlicher Ausnahmebewilligungen für Kinder, die das 15. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, nicht gestattet ist. Im übrigen bleiben die kantonalen Vorschriften, die aus gesundheitlichen und Sicherheitsgründen weitgehende Normen aufstellen, ausdrücklich vorbehalten. Diese Vorbehalte zugunsten des kantonalen Hechts waren unter dem geltenden Eecht durchaus am Platz. Mit Bücksicht auf die Verallgemeinerung der Möglichkeit, nach Artikel 27, Absatz 8 der Vorlage auf dem Verordnungswege zum Schutze von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit die Verwendung Jugendlicher für bestimmte Arbeiten zu untersagen oder von besondern Voraussetzungen, zu denen auch ein höheres Mindestalter gehört, abhängig zu machen, sind diese Vorbehalte jedoch nicht mehr gerechtfertigt.

/. Arbeits- und Buhezeit (Art. 29) Wie nach geltendem Becht wird für die Jugendlichen im Vergleich zu den erwachsenen Arbeitnehmern keine kürzere wöchentliche Höchstarbeitszeit vorgesehen. Dagegen wird die tägliche Höchstarbeitszeit in der Weise beschränkt, dass sie die Arbeitszeit der andern im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und, wo solche fehlen, die ortsübliche Arbeitszeit nicht überschreiten und nicht mehr als 9 Stunden betragen darf ; überdies wird der darin liegende Schutz durch die Vorschrift verstärkt, dass Überzeitarbeit, Hilfsarbeit und der Besuch des obligatorischen Berufs- oder Fortbildungsunterrichts an die Arbeitszeit anzurechnen sind (Abs.l). Ferner dürfen wie nach geltendem Fabrikgesetz Jugendliche bis zum vollendeten 16. Altersjahr zu Überzeit-
und Hilfsarbeit nicht verwendet werden (Abs. 8).

Abgesehen von der Begrenzung der täglichen Arbeitszeit wird die tägliche Buhezeit dadurch gesichert, dass die Nachtruhe für Jugendliche entsprechend dem von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 6 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1919) mindestens 12 aufeinanderfolgende Stunden (gegenüber 11 nach Fabrikgesetz und Bundesgesetz vom 81. März 1922) betragen und die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr im Sommer und bis 6 Uhr im Winter in sich schliessen muss (Abs. 2). Damit wird die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit im Sinn von Artikel 9, Absatz 8 auf höchstens 2 Stunden am Abend beschränkt und am Morgen ausgeschlossen.

991 Der Sicherung der täglichen und wöchentlichen Euhezeit der Jugendlichen dient im weitern das grundsätzliche Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit (Abs.4). Letzteres bedeutet für die nicht-industriellen Betriebe eine Neuerung gegenüber dem geltenden Eecht, die im Interesse eines vermehrten Jugendlichenschutzes liegt. Neu ist ferner, wie bereits erwähnt, die Ausdehnung des Nachtarbeitsverbots auf Arbeitnehmer bis zum vollendeten 19. Altersjahr (Abs.4). Diese Ausdehnung entspricht der Auffassung von Fachleuten der Medizin und der Erziehung, welche die Nachtarbeit der noch nicht 19jährigen Arbeitnehmer als schädlich bezeichnen, da der körperliche Eeifeprozess in diesem Alter noch nicht abgeschlossen sei. Ausnahmen vom Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit sind nur in ganz beschränktem Masse, insbesondere im Interesse der beruflichen Ausbildung, im Rahmen der von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 6 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (1919) und Nr. 14 über den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben (1921) zulässig. Nach dem Übereinkommen Nr. 6 kann das Verbot der Nachtarbeit für Jugendliche von 16 bis 18 Jahren von der Behörde ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das öffentliche Interesse infolge besonders schwerwiegender Gründe erfordert, und das Übereinkommen Nr. 14 schreibt vor, dass Ausnahmen von dem soweit möglich nach Herkommen oder Brauch des Landes bestimmten Euhetag berechtigten Erwägungen der Menschlichkeit einerseits und der Wirtschaftlichkeit anderseits Rechnung tragen sollen. Ferner können durch Verordnung für bestimmte Betriebs- und Arbeitnehmergruppen Ausnahmen von den Mindestvorschriften des Artikel 29 über die Arbeits- und Ruhezeit nach Massgabe von Artikel 25 zugestanden werden, wobei aber die Voraussetzungen für die Gewährung solcher Ausnahmen in der Verordnung näher zu umschreiben sind.

Im Zusammenhang mit der Arbeits- und Euhezeit ist ferner auf die besondere Ferienvorschrift in Artikel 60 hinzuweisen, wonach allen Jugendlichen bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr wenigstens drei Wochen Ferien zu gewähren sind, von denen mindestens 2 Wochen zusammenhängen müssen.

3. Weibliche Arbeitnehmer (Art.31-34) a. Allgemeines Die Vorschriften dieses Unterabschnittes gelten für weibliche Arbeitnehmer jeden Alters, Artikel 82 (Arbeits- und
Euhezeit) jedoch nur für weibliche Arbeitnehmer, die das 18. Altersjahr (in bezug auf das Verbot der Nachtarbeit das 19.) zurückgelegt haben. Vorbehalten bleiben selbstverständlich die Vorschriften des Artikels 29, der für jugendliche Arbeitnehmer strengere Anforderungen vorsieht.

fe. Fürsorgepflichten des Arbeitgebers (Art. 81, Abs. l, und 38) Wie gegenüber den Jugendlichen, so obliegen dem Arbeitgeber auch gegenüber den weiblichen Arbeitnehmern besondere Pflichten, die in der gebührenden

992

Rücksichtnahme auf Gesundheit und Sittlichkeit bestehen (Art.81, Abs.l). Die ausdrückliche Festlegung dieser generellen Verpflichtung bedeutet eine Neuerung gegenüber dem geltenden Eecht.

Die besondern Schutzvorschriften für Schwangere und Mütter ergänzen die entsprechenden Vorschriften des Fabrikgesetzes in der Richtung, dass Schwangere nur in ihrem Einverständnis und keinesfalls über die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden dürfen und dass neben den Wöchnerinnen auch die stillenden Mütter in den Sonderschutz einbezogen werden (Art. 88).

c. Beschränkung der V e r w e n d u n g weiblicher Arbeitnehmer (Art. 31, Abs. 2) Die weiblichen Arbeitnehmer unterstehen, ähnlich wie die Jugendlichen, einem besondern Zulassungsschutz in bezug auf gefährliche Arbeiten. Es wird auch hier Sache der Verordnung sein, die Vorrichtungen zu bezeichnen, bei denen weibliche Arbeitnehmer nicht oder nur unter besondern Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Dabei werden die Arbeiten im Vordergrund stehen, die bereits nach geltendem Recht als unzulässig oder nur beschränkt zulässig erklärt werden (vgl. 183 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz und Art.6 der Verordnung vom 11. Januar 1944 betreffend unzulässige Arbeit für jugendliche und weibliche Personen in den Gewerben).

Nach diesen beiden Verordnungen gelten für die weiblichen Arbeitnehmer zum Teil dieselben Verbote wie für die Jugendlichen, und zwar vorwiegend die gleichen wie für die Jugendlichen unter 16 Jahren. So ist sowohl in den Fabriken als auch in den gewerblichen Betrieben die Heranziehung von weiblichen Arbeitnehmern zu Arbeiten mit erheblicher Vergiffcungsgefahr sowie zu Untertagsarbeiten in Bergwerken verboten. Ferner gelten die weitgehenden Verbote für die Jugendlichen unter 16 Jahren, die sich auf die Betätigung an Maschinen mit grossen Unfallgefahren sowie auf das Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten beziehen, auch für die weiblichen Arbeitnehmer.

In den Fabriken gelten zusätzliche Verbote für weibliche Arbeitnehmer, nämlich für die Bedienung grösserer Motoren, grösserer elektrischer Maschinen, Apparate, Leitungen und Transmissionen. Anderseits sind Arbeiten, die mit dauernder anstrengender Fussbetätigung verbunden sind, ausser für alle Jugendlichen unter 16 Jahren nur für die weiblichen Arbeitnehmer im Gewerbe
verboten. ' Neben diesen für die jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer gemeinsamen Beschäftigungsverboten bestehen noch solche, die nur für die weiblichen Arbeitnehmer gelten. So sind sowohl in den Fabriken wie in den gewerblichen Betrieben die anstrengende Bedienung von Hebezeugen und die Arbeiten mit heftiger Erschütterung für weibliche Arbeitnehmer nicht zulässig. Ferner dürfen in den Fabriken die weiblichen Arbeitnehmer zur Bedienung von Trockenräumen in Zigarrenfabriken, zur Bedienung von Dampfkesseln, Dampfgefässen

993 und andern Apparaten mit mehr als einer Atmosphäre Druck sowie zum Abtragen und Zudienen an Glasöfen nicht herangezogen werden.

d. Arbeits- und Euhezeit (Art. 32 und 84) Wie nach geltendem Eecht ist für die weiblichen Arbeitnehmer ebenfalls ein besonderer Arbeits- und Euhezeitschutz vorgesehen. Es wird zwar wie bisher weder die tägliche noch die wöchentliche Höchstarbeitszeit verkürzt, aber weiterhin in Übereinstimmung mit dem von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (1948) für den Fall der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit eine tägliche Mindestruhezeit von 11 aufeinanderfolgenden Stunden vorgeschrieben, welche die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr in sich schliessen muss (Art. 32, Abs.l). Von dieser Eegelung werden in Zukunft auch Betriebe erfasst, die weder dem Fabrikgesetz noch dem Bundesgesetz vom 31.März 1922 unterstanden, das heisst namentlich Betriebe des Handels und des Gastgewerbes. Abweichende Sonderbestimmungen für bestimmte Betriebsgruppen oder Arbeitsverhältnisse im Sinne von Artikel 25 sind nur innerhalb der Schranken des Übereinkommens Nr. 89 zulässig.

Für die Zulassung von Ausnahmen vom Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit gelten strengere Voraussetzungen als für erwachsene männliche Arbeitnehmer (Art.32, Abs. 2). Immerhin sind diese Voraussetzungen weniger streng umschreiben als jene für Jugendliche beider Geschlechter mit Einschluss der Arbeitnehmer, die das 19. Altersjahr noch nicht vollendet haben. Dabei ist urbezug auf die Nachtarbeit insbesondere Artikel 4 des Übereinkommens Nr. 89 massgebend. Danach sind Ausnahmen möglich im Falle einer nicht voraussehbaren, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, sowie in Fällen, in denen Stoffe bearbeitet werden, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, sofern es zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Stoffen erforderlich ist.

Die besondere Vorschrift für weibliche Arbeitnehmer, die einen Haushalt mit Familienangehörigen besorgen (Art. 34), steht im Dienste des Faniilienschutzes. Ausser dem schon in Artikel 68 des Fabrikgesetzes enthaltenen Ausschluss von Hilfsarbeit in industriellen Betrieben wird allgemein vorgesehen, dass bei der Festsetzung der Arbeits- und Euhezeit auf solche
weibliche Arbeitnehmer soweit möglich Eücksicht zu nehmen ist. Was die Ansetzung der Mittagspause betrifft, so wird die Eegelung des Fabrikgesetzes (Verlassen der Arbeit eine halbe Stunde vor Beginn der Mittagspause, wenn diese nicht wehi'g^ stens anderthalb Stunden beträgt) ersetzt durch die Vorschrift, dass weiblichen Arbeitnehmern, die einen Haushalt mit Familienangehörigen besorgen, auf ihr Verlangen eine Mittagspause von mindestens anderthalb Stunden zu gewähren ist. Diese Lösung beruht auf der Überlegung, dass eine kürzere Mittagspause für solche Arbeitnehmer wenig Sinn hat; sie entspricht dem Grundsatz von Artikel 19, Absatz 2 der Vollziehungsverordnung I vom 12. August 1921 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten.

' ·'.'··' ·

994 V. Betriebsordnung (Art. 35) 1. Allgemeines In grösseren Betrieben bestand seit jeher das Bedürfnis, die für alle Arbeitnehmer oder für bestimmte Arbeitnehmergruppen einheitlich geltenden Vorschriften in einer schriftlich niedergelegten «Ordnung» zusammenzufassen und den Arbeitnehmern im Betrieb bekanntzugeben. Als Rechtsformen für diese Ordnung standen bisher die Arbeitsordnung nach Obligationenrecht und die Fabrikordnung zur Verfügung.

Nach Artikel 821 des Obligationenrechts ist «die im Gewerbebetrieb vom Arbeitgeber aufgestellte einheitliche Arbeits- oder Hausordnung» für den einzelnen Arbeitnehmer nur dann verbindlich, «wenn sie schriftlich aufgesetzt und ihm vor seiner Anstellung zur Kenntnis gebracht worden ist». Diese «Arbeitsordnung» kann somit eigentliche Dienstvorschriften enthalten, das heisst allgemeine, die Ordnung des Betriebes und das Verhalten des Arbeitnehmers betreffende Bestimmungen, welche die im Arbeitsvertrag übernommenen Pflichten näher umschreiben, wie etwa die Festsetzung von Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit und der Beihenfolge der Arbeiten, Kontrollvorschriften, Bestimmungen gegen Gefahren für Gesundheit und Leben sowie Weisungen zur Aufrechterhaltung von Ordnung, Sitte und Anstand an der Arbeitsstätte und in Unterkunfts- und Verpflegungsräumen sowie anderes mehr, was im französischen Text dieses Artikels als «règles uniformes de travail et d'ordre intérieur» umschrieben wird. In der Arbeitsordnung können auch einzelne Arbeitsbedingungen geregelt werden, wie Lohnzahlung, Lohnperioden, Zahltage, Art der Abrechnung zum Beispiel bei Akkordarbeiten, Bussen und ihre Verwendung, Probezeit, Fristen und Form der Kündigung, tägliche Arbeitsdauer, Überzeitarbeit (vgl. Oser/Schönenberger, Kommentar zum Obligationenrecht, N. 1-8 zu Art.321). Solche Bestimmungen vereinfachen und entlasten den Einzeldienstvertrag, schaffen Klarheit über das Arbeifcsverhältnis und verhüten Streitigkeiten. Gemäss Artikel 321 des Obligationenrechts ist die Aufstellung einer Arbeitsordnung in das Belieben des Arbeitgebers gestellt und bedarf keiner behördlichen Genehmigung. Die Arbeitsordnung ist jedoch, wie erwähnt, für den Arbeitnehmer nur dann verbindlich, wenn sie schriftlich aufgesetzt und ihm vor der Anstellung bekanntgegeben wird.

Im Gegensatz zur fakultativen und inhaltlich nicht
näher beschränkten Arbeitsordnung des Obligationenrechts steht die obligatorische Fabrikordnung im Sinne von Artikel 11 bis 19 des Fabrikgesetzes. Diese darf keine andern Bestimmungen enthalten als jene über die Dauer der täglichen Arbeit, die Fabrikpolizei (Vorschriften über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betriebe, allenfalls auch über Bussen für Widerhandlungen gegen Eeglemente zur Verhütung von Berufskrankheiten und Unfällen), die Auszahlung des Lohnes (Lohnperiode und Zahltag) und den Kündigungstermin (Samstag oder Zahltag), wobei die ersten drei Punkte zum obligatorischen Inhalt gehören, nicht aber die Festlegung des Kündigungstermins. Alle übrigen Punkte, die mit dem Arbeitsver-

995 hältnis zusammenhängen und nicht Gegenstand der Fabrikordnung bilden können, sind, soweit sie festgelegt werden sollen, durch Gesamtarbeitsvertrag oder, Einzelabrede zu ordnen. Wie die Arbeitsordnung so wird auch die Fabrikordnung einseitig vom Arbeitgeber aufgestellt; der Entwurf muss jedoch in den Arbeitsräumen angeschlagen oder den Arbeitnehmern ausgeteilt werden, mit Ansetzung einer Frist, innert welcher sie sich selbst oder durch eine von ihnen aus ihrer Mitte gewählte Vertretung schriftlich dazu äussern können. Die Fabrikordnung bedarf mit Eücksicht auf die einseitige Aufstellung durch den Arbeitgeber der behördlichen Genehmigung und ist im Betrieb anzuschlagen sowie jedem Arbeitnehmer beim Arbeitsantritt auszuhändigen.

2. Aufstellung

(Abs.l)

Der Entwurf sieht grundsätzlich eine Eegelung entsprechend Artikel 11, Absatz l des Fabrikgesetzes vor, wobei aber das Obligatorium nur für industrielle Betriebe vorgesehen wird ; den übrigen Betrieben steht es frei, eine Betriebsordnung (Abs. 5) oder auch eine Arbeitsordnung aufzustellen. Neu ist jedoch die Vorschrift, nach der in Betrieben, in denen eine von den Arbeitnehmern frei gewählte Vertretung besteht, die Betriebsordnung zwischen dieser und dem Arbeitgeber vereinbart werden kann, im Unterschied zur Fabrikordnung, die nicht durch eine Vereinbarung ersetzt werden darf. Fehlt aber eine Arbeitnehmervertretung im Betrieb oder kommt eine vereinbarte Betriebsordnung nicht zustande, so ist die Betriebsordnung nach Anhörung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zu erlassen.

3. Inhalt (Abs.2) Die vorgesehene Eegelung enthält Elemente sowohl der Arbeitsordnung des Obligationenrechts als auch der Fabrikordnung. Zum obligatorischen Inhalt gehören Bestimmungen über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betriebe, die Lohnperiode, Zeit und Ort der Lohnzahlung, Kündigungsfristen und Kündigungstermine sowie über die Gesundheitsvorsorge und die Unfallverhütung.

.Wird die Betriebsordnung einseitig vom Arbeitgeber aufgestellt, so muss sie sich auf die angeführten Bestimmungen beschränken. In der vereinbarten Betriebsordnung können dagegen als fakultativer Inhalt auch andere Bestimmungen aufgestellt werden, die das Arbeitsverhältnis betreffen. So sind zum Beispiel in der vereinbarten Betriebsordnung, die ja auf einer Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern beruht, Bestimmungen über die Eegelung von Arbeitsbedingungen möglich, soweit diese nicht durch Gesamtarbeitsvertrag geordnet sind oder letzterer einen Vorbehalt zugunsten der Betriebsordnung aufstellt. Dagegen bildet der Stundenplan, der häufig Abänderungen erleidet, nicht mehr Gegenstand der Betriebsordnung; das Gesetz beschränkt sich auf die Vorschrift über die Bekanntgabe des Stundenplanes (Art. 43). Dies hindert natürlich nicht, dass auch der Stundenplan Gegenstand einer Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bilden kann.

996 Sowohl für die vom Arbeitgeber erlassene als auch für die vereinbarte Betriebsordnung gilt die gemeinsame Vorschrift, dass die Betriebsordnung nicht nur dem zwingenden Recht des Bundes und der Kantone, sondern auch den für den Arbeitgeber verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen nicht widersprechen darf. Dabei ist es unerheblich, ob die Verbindlichkeit des Gesamtarbeitsvertrages für den Arbeitgeber auf der Mitgliedschaft bei einem vertragschliessenden Verband, einer Beitritts- oder Anschlusserklärung oder einer behördlichen Allgemeinverbindlicherklärung beruht. Der Gesamtarbeitsvertrag geht somit wie das zwingende Eecht der Betriebsordnung vor, so dass die Gefahr der Kollision mit einem Gesamtarbeitsvertrag ausgeschlossen ist.

4. Kenntnisgabe an die Behörde oder Genehmigung (Abs.3) Im Interesse der Förderung der vereinbarten Betriebsordnung, die als Ausdruck der Betriebsgemeinschaft zu betrachten ist, wird vorgesehen, dass sie der zuständigen kantonalen Behörde lediglich bekanntzugeben ist, während die vom Arbeitgeber erlassene Betriebsordnung der behördlichen Genehmigung bedarf.

Diese Genehmigung ist nach Einholung eines Gutachtens der zuständigen Eidgenössischen Arbeitsinspektorate zu erteilen, wenn die Betriebsordnung dem zwingenden Eecht nicht widerspricht. Die Vorschriften des Absatz 3 gelten nicht nur für die erstmalige Aufstellung, sondern auch für die Abänderung der Betriebsordnung. Dagegen würde es zu weit gehen, wenn man die zuständige kantonale Behörde verpflichten wollte, auch zu prüfen, ob die eingereichte Betriebsordnung einem für den Arbeitgeber verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag widerspreche, und ihr aus diesem Grunde die Genehmigung zu verweigern. Für die Gesamtarbeitsverträge, die nicht zur Allgemeinverbindlicherklärung angemeldet worden, gilt bekanntlich keine Einsendepflicht. Es besteht deshalb keine Gewähr dafür, dass die Genehmigungsbehörde darüber orientiert ist, ob für den betreffenden Arbeitgeber ein Gesamtarbeitsvertrag gilt oder nicht, und auch nicht, welche Abänderungen dieser allenfalls erfahren hat.

5. Wirkungen (Abs.4) Die Betriebsordnung ist nach der Bekanntmachung im Betriebe für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer verbindlich. Es wird Sache der Verordnung sein, zu bestimmen, in welcher Form die Bekanntgabe zu erfolgen hat, ob die Betriebsordnung wie die
Fabrikordnung nach Artikel 16 des Fabrikgesetzes sowohl anzuschlagen als auch jedem Arbeitnehmer auszuhändigen ist oder ob eine der beiden Formen genügt.

Die Wirkungen der Betriebsordnung sind lediglich zivilrechtlicher Natur.

Ihre Bestimmungen sind relativ zwingend, das heisst sie können wie beim Gosamtarbeitsvertrag durch Einzelabrede nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers wegbedungen oder geändert werden (Günstigkeitsprinzip), es sei denn, ein derartiger Vorbehalt sei in der Betriebsordnung selbst ausdrücklich vorgesehen.

997 Für die nicht-industriellen Betriebe besteht, wie erwähnt, keine Verpflichtung, eine Betriebsordnung aufzustellen; wird aber freiwillig eine solche nach Massgabe von Artikel 35 aufgestellt und bekanntgemacht, so ist sie in gleicher Weise verbindlich und äussert dieselben Wirkungen (Abs. 5).

VI. Durchführung des Gesetzes (Art. 36-58) Dieser Abschnitt fasst die Vorschriften zusammen, die der Verwirklichung des Gesetzes dienen. Er gliedert sich in sechs Unterabschnitte, welche die Durchführungsbestimmungen, Organisation und Aufgaben der Behörden, Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Verwaltungsverfügungen und Verwaltungsmassnahmen, die Verwaltungsrechtspflege und die Strafbestimmungen betreffen.

1. Durchführungsbestimmungen (Art. 36) Die Zuständigkeit des Bundesrates zum Erlass von Verordnüngsbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Verwaltungsbestimmungen (Abs.l) ist bereits bei der Darlegung der grundsätzlichen Fragen des Entwurfes erläutert worden (vgl. Kapitel B, Abschnitt IV).

Im Gegensatz zum Erlass von Verwaltungsbestimmungen, welche sich lediglich an die Vollzugs- und Aufsichtsbehörden richten, sollen vor dem Erlass von Verordnungsbestimmungen in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen oder von Ausführungsbestimmungeu zur nähern Umschreibung einzelner Gesetzesvorschriften die Kantone und die Eidgenössische Arbeitskommission angehört werden und ist den zuständigen Organisationen der Wirtschaft Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben (Abs. 2).

2. Organisation und Aufgaben der Behörden (Art.37-40) a. A u f g a b e n der K a n t o n e (Art. 37) Entsprechend dem Grundsatz von Artikel 32, Absatz 2 der Bundesverfassung obliegt der Vollzug des Gesetzes den Kantonen, wie nach den geltenden Arbeitsschutzgesetzen des Bundes, soweit nicht das Gesetz ausdrücklich den Bund zuständig erklärt (Abs.l). Die Kantone haben die zuständigen Vollzugsund Aufsichtsbehörden sowie eine kantonale Rekursbehörde zu bezeichnen und dem Bundesrat nach Ablauf jedes zweiten Jahres über den Vollzug Bericht zu erstatten (Abs. 2). Dabei steht es den Kantonen frei, bestimmte Aufgaben des Vollzuges den Bezirken, Kreisen oder Gemeinden zu übertragen. Ebenso entscheiden die Kantone in Zweifelsfällen über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitsverhältnisse
in industriellen oder nicht-industriellen Betrieben (Abs.3). Ferner ist es Sache der Kantone, die Feiertage zu bezeichnen, die den Sonntagen gleichgestellt werden (Art. 16, Abs.2).

Im einzelnen haben die Kantone insbesondere folgende Bewilligungen und Genehmigungen zu erteilen:

998 1. Für industrielle und nicht-industrielle Betriebe: die Bewilligung der Überzeitarbeit (Art. 11, Abs. 3), der vorübergehenden Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 15, Abs.l; 17, Abs.l) sowie der vorübergehenden drei- oder mehrschichtigen Arbeit (Art.22, Abs.l) und die Genehmigung der vom Arbeitgeber erlassenen Betriebsordnung (Art.34, Abs.3); 2. für industrielle Betriebe: die Plangenehmigung (Art.7, Abs.l) und Betriebsbewilligung (Art.7, Abs. 3); 3. für nicht-industrielle Betriebe: die Bewilligung der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Art. 9, Abs.2), der dauernden oder regelmässig wiederkehrenden Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 15, Abs.2; 17, Abs.2), der zweischichtigen Tagesarbeit (Art.21, Abs.l) sowie der dauernden oder regelmässig wiederkehrenden drei- oder mehrschichtigen Arbeit (Art. 22, Abs. 2) und des ununterbrochenen Betriebes (Art.23, Abs.l).

Ausserdem obliegt den Kantonen die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften. Diesem Zwecke dienen die Mahnungen und die Verfügungen mit Strafandrohung gegenüber Fehlbaren (Art.47, Abs.l und 2), die Massnahmen des Verwaltungszwanges (Art.48, Abs.l und 2), der Entzug und die Sperrung von Arbeitszeitbewilligungen (Art.49, Abs.l), der Entzug der Befugnis, Uberzeit ohne Bewilligung anzuordnen (Art.49, Abs. 2) sowie die Behandlung von Anzeigen (Art.50, Abs.l).

Der schon in den Vernehmlassungen zum Entwurf von 1950 und auch seither öfters geäusserte Wunsch, für industrielle Betriebe sei der Vollzug des Gesetzes ausschliesslich dem Bund vorbehalten, liess sich nicht verwirklichen.

Abgesehen von besondern Fällen, wie zum Beispiel von Artikel 16, Absatz 2 des Bundesratsbeschlusses vom 28.März 1949 über das Kriegsmaterial, stehen die für den Vollzug unentbehrlichen Gemeindeaufsichtsorgane und die Ortspolizei wohl dem Kanton, nicht aber dem Bund zur Verfügung, so dass die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften durch den Bund nicht gewährleistet wäre.

Auch die föderativen Grundsätze, die in Artikel 32, Absatz 2 der Bundesverfassung zum Ausdruck kommen, sprechen gegen eine weitergehende Zentralisierung des Gesetzesvollzugs.

Da zahlreiche, namentlich kleinere und ländliche Kantone befürchteten, der Vollzug des Gesetzes werde eine grosse Mehrarbeit und zusätzliche Kosten mit sich bringen, verzichtet die Vorlage, im Gegensatz zum Entwurf 1950,
auf eine Vorschrift, wonach die Kantone ein Verzeichnis aller vom Gesetz erfassten Betriebe zu führen haben. Die Kantone können jedoch von sich aus solche Verzeichnisse aufstellen. Für die industriellen Betriebe wird ein Verzeichnis entsprechend dem heutigen Fabrikverzeichnis vorgesehen werden.

b. A u f g a b e n des Bundes ( A r t . 38) Wie nach der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung übt der Bund die Oberaufsicht über den Vollzug des Gesetzes durch die Kantone aus. Zudem obliegen

999 dem Bund entsprechend dem Fabrikgesetz in bezug auf die industriellen Betriebe folgende Vollzugsaufgaben (Abs.l): 1. die Unterstellung unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe (Art.4, Abs.l); 2. die Bewilligung der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Art. 9, Abs.2), der dauernden oder regelmässig wiederkehrenden Nacht- und Sonntagsarbeit (Art.15, Abs.2; 17, Abs.2), der zweischichtigen Tagesarbeit (Art.21, Abs. 1) sowie der dauernden oder regelmässig wiederkehrenden drei- oder mehrschichtigen Arbeit (Art. 22, Abs. 2) und des ununterbrochenen Betriebes (Art.23, Abs.l).

In der Zuständigkeit des Bundes liegt auch die Bewilligung einer Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für bestimmte Betriebs- oder Arbeitnehmergruppen (Art. 8, Abs. 8).

Zudem obliegen dem Bund in bezug auf die industriellen Betriebe die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften durch Mahnungen (Art.47, Abs.l), die Veranlassung kantonaler Massnahmen des Verwaltungszwanges (Art.47, Abs.2), Entzug und Sperrung von Arbeitszeitbewilligungen (Art.49, Abs.l) und die Behandlung von Anzeigen (Art.50, Abs.l).

Soweit die Aufgaben des Bundes nicht dem Bundesrat oder dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vorbehalten bleiben, obliegen sie dem Bundesamt (Abs. 2). Dieses bedient sich für die Oberaufsicht und den Vollzug der Eidgenössischen Arbeitsinspektorate (bisher Fabrikinspektorate) und des Arbeitsärztlichen Dienstes. Gegebenenfalls können auch besondere Fachinspektorate oder Sachverständige herangezogen werden (Abs.3), wie dies schon heute für den Vollzug des Fabrikgesetzes der Fall ist (z.B. die Inspektorate des Schweizerischen Vereins von Dampfkesselbesitzern und des Schweizerischen Vereins für Schweisstechnik, das Starkstrominspektorat des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins und das Technische Inspektorat schweizerischer Gaswerke).

Die Eidgenössischen Arbeitsinspektorate wirken mit im Verfahren betreffend die Plangenehmigung .und die Betriebsbewilligung für industrielle Betriebe (Art. 7). Ferner unterstützen sie die zuständigen kantonalen Behörden beim Vollzug, wobei sie diesen bei Nichtbefolgung der gesetzlichen Vorschriften die Einleitung des Verfahrens gemäss Artikel 47, Absatz 2 und Artikel 48 beantragen können. Dieses Antragsrecht der Arbeitsinspektorate trägt jedoch der Stellung
des Bundes als Oberaufsichtsinstanz nicht genügend Eechnung, da es den einheitlichen und gesetzmässigen Vollzug nicht ohne weiteres zu gewährleisten vermag. Aus diesem Grunde muss dem Bund das Weisungsrecht gegenüber den kantonalen Vollzugsbehörden (Abs.l), wie es bereits in Artikel 16 der Vollzugsverordnung vom 24. Februar 1940 zum Mindestaltergesetz vorgesehen ist.

c. Eidgenössische Arbeitskommission ( A r t . 39) Diese Kommission tritt an die Stelle der bisherigen Eidgenössischen Fabrikkommission und soll vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement aus

1000 Vertretern der Kantone, wissenschaftlichen Sachverständigen sowie aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in gleicher Zahl bestellt werden (Abs. 1), wobei selbstverständlich auch Frauen wählbar sind. Im Gegensatz zum Fabrikgesetz ist nun auch die Vertretung der Kantone ausdrücklich vorgesehen. Die Arbeitskommission hat zuhanden der Bundesbehörden Fragen der Gesetzgebung und des Vollzugs zu begutachten (Abs. 2) und somit ähnliche Aufgaben zu erfüllen wie die heutige Fabrikkommission (vgl. Art. 85 des Fabrikgesetzes), jedoch im Eahmen des weitern Geltungsbereiches des Arbeitsgesetzes. Insbesondere hat sie beim Erlass von Verordnungs- und Ausführungsbestimmungen durch den Bundesrat mitzuwirken (Art. 36, Abs. 2). Soweit in der Arbeitskommission Fragen der Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten behandelt werden, ist im Interesse der Koordination vorgesehen, dass jeweils Vertreter des Bundesamtes für Sozialversicherung und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt zu den Beratungen beigezogen werden.

d. Schweigepflicht (Art. 40) Personen, die mit dem Vollzug oder, der Aufsicht betraut sind oder dabei mitwirken, wozu auch die besondern Fachinspektorate und die Sachverständigen gehören (Art.38, Abs. 3), sowie die Mitglieder der Eidgenössischen Arbeitskommission sind verpflichtet, über die ihnen bei ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Tatsachen Verschwiegenheit zu bewahren. Es handelt sich dabei um die Pflicht zur Geheimhaltung gewisser Vorgänge oder Verhältnisse, deren Kenntnis über einen bestimmten, amtlich oder dienstlich damit befassten Personenkreis nicht hinausdringen soll. Die Verletzung der Schweigepflicht wird in erster Linie nach den Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden über die Amtspflichten im öffentlichen Dienstverhältnis behandelt.

3. Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Art. 41-45) Für den Gesetzesvollzug ist die Mitwirkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unerlässlich, weshalb ihnen bestimmte Pflichten auferlegt werden. Die Arbeitnehmer werden einzig von der Auskunftspflicht (Art.41) erfasst, während der Pflichtenkreis der Arbeitgeber weiter gezogen wird. Bei der Umschreibung der einzelnen Pflichten wurde sorgfältig darauf geachtet, jede unnötige Formalität zu vermeiden, was vor allem in der Vorschrift über die Bewilligungsgesuche
(Art.45) zum Ausdruck kommt.

a. A u s k u n f t s p f l i c h t (Art. 41) Sowohl der Arbeitgeber als die Arbeitnehmer unterstehen der bisher lediglich im Heimarbeitsgesetz und in der Vollzugsverordnung zum Mindestaltergesetz vorgeschriebenen Pflicht, den Vollzugs- und Aufsichtsorganen die für den Vollzug des Gesetzes und der gestützt darauf erlassenen Verordnungen erforderlichen Auskünfte wahrheitsgetreu zu erteilen (Abs.l). Im weitern hat der Arbeitgeber den Vollzugs- und Aufsichtsorganen den Zutritt zum Betrieb und

1001 überdies entsprechend dem von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen Nr. 81 über die Arbeitsaufsicht (1947) die Vornahme von Feststellungen, auch Befragungen, und die Entnahme von Proben der verwendeten oder gehandhabten Stoffe und Substanzen zum Zwecke von Analysen zu gestatten.

Wie nach Artikel 87, Absatz l des Fabrikgesetzes soll der Zutritt jederzeit gestattet sein, solange im Betrieb gearbeitet wird.

b. Verzeichnisse und andere Unterlagen (Art. 42) Der Vollzug des Gesetzes und der gestützt darauf erlassenen Verordnungen erfordert, dass der Arbeitgeber bestimmte Verzeichnisse oder Unterlagen führt, aus denen die für den Vollzug notwendigen Angaben ersichtlich sind. Es ist dabei vor allem zu denken an das Arbeitsverzeichnis und das Wöchnerinnenverzeichnis im Sinn von Artikel 99 und 186 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz, ferner an Verzeichnisse der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer (vgl. Art.7, Abs.l des Bundesgesetzes vom 81.März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben) und der Schwangeren sowie an den Altersausweis für Schulentlassene. Ferner fallen in Betracht Aufzeichnungen über die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Jahresdurchschnitt (Art.8, Abs.2), über den Ausgleich ausfallender Arbeitszeit (Art. 10) und über die von den einzelnen Arbeitnehmern geleisteten Überstunden und den dafür bezahlten Lohnzuschlag (Art. 11). Diese Unterlagen sind den Vollzugs- und Aufsichtsorganen zur Verfügung zu halten.

c. Bekanntgabe des Stundenplanes (Art. 43) Die Bekanntgabe des Stundenplanes ist vielfach eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit.

In industriellen Betrieben hat der Arbeitgeber wie nach Artikel 44, Absatz l und Artikel 59, Absatz 3 des Fabrikgesetzes den Stundenplan, das heisst neben dessen erstmaliger Festsetzung auch die vorübergehenden oder dauernden Änderungen und die Abweichungen, die sich aus behördlichen Bewilligungen ergeben, durch Anschlag im Betrieb den Arbeitnehmern bekanntzugeben und überdies den Stundenplan der zuständigen kantonalen Behörde mitzuteilen (Abs.l).

In bezug auf die Abweichungen von der ordentlichen Arbeitszeit, die der Arbeitgeber von sich aus anordnen darf (vgl. Art.44), genügt die Bekanntgabe an die beteiligten Arbeitnehmer auf
andere Weise; zur Erleichterung der Kontrolle kann es jedoch gleichwohl im Interesse des Arbeitgebers liegen, solche Abweichungen ebenfalls durch Anschlag festzuhalten.

Für nicht-industrielle Betriebe bleibt es der Verordnung überlassen, die Bekanntgabe des Stundenplans und der bewilligten Abweichungen für die Fälle vorzuschreiben, in denen die Art des Betriebes oder die Zahl der Arbeitnehmer dies rechtfertigt (Abs. 2). In der Verordnung wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass in gewissen Fällen die Bekanntgabe und Mitteilung des Stundenplans

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die Voraussetzung für eine ausreichende Kontrolle der Arbeits- und Buhezeit bildet.

d. Anhören der Arbeitnehmer ( A r t . 44) Die geltende Fabrikgesetzgebung ordnet die Berücksichtigung der Stellungnahme der beteiligten Arbeitnehmer zu bestimmten Anordnungen der Arbeitszeit auf doppelte Art. Entweder ist die Zustimmung der Arbeitnehmer zwingend vorgeschrieben (so bei vorübergehender oder dauernder Nacht- und Sonntagsarbeit gemäss Art.51, Abs.2 des Fabrikgesetzes), oder der Arbeitgeber hat in den Gesuchen anzugeben, ob die Arbeitnehmer über die beabsichtigte Ansetzung der Arbeitszeit befragt worden sind und welche Stellung sie dazu eingenommen haben (so bei der veränderten Anordnung der Tagesarbeit gemäss Art. 143, Abs. 2 der Vollzugs Verordnung).

Auch im Entwurf wird in gewissen Fällen das Einverständnis des einzelnen Arbeitnehmers vorausgesetzt, so bei Gewährung von Freizeit zum Ausgleich von Überzeitarbeit (Art.11, Abs.4), vorübergehender Nachtarbeit (Art.15, Abs.l), vorübergehender Sonntagsarbeit (Art. 17, Abs.l), der Zusammenlegung von freien Halbtagen (Art. 19, Abs.2) und der Bewilligung geringfügiger Ausnahmen von den Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung in Arbeitszeitbewilligungen (Art.26). Daneben hat in bestimmten Fällen der Arbeitgeber vor der Anordnung von Abweichungen von der ordentlichen Arbeitszeit, die er von sich aus, das heisst ohne behördliche Bewilligung, treffen kann, den beteiligten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls deren Vertretung im Betriebe, also der Arbeiterkommission, Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben und diese nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Es handelt sich hier im einzelnen um den Ausgleich ausfallender Arbeitszeit (Art. 10), die Anordnung bewilligungsfreier Überstunden (Art. 11, Abs. 3) und die vorübergehende Heranziehung von Arbeitnehmern zur Arbeit während der Sonntagsruhe (Art.18, Abs. 2). Auch in diesen Fällen soll das Einverständnis der beteiligten Arbeitnehmer die Begel und deren Heranziehung gegen ihren Willen die Ausnahme bilden.

e. Bewilligungsgesuche ( A r t . 45) Der Arbeitgeber hat Gesuche für die im Gesetz vorgesehenen Bewilligungen, zu denen neben den Arbeits- und Buhezeitbewilligungen auch die Plangenehmigung und Betriebsbewilligung für industrielle Betriebe (Art.7), die Genehmigung der Betriebsordnung (Art. 35, Abs. 3) und
die Herabsetzung des Mindestalters für Jugendliche (Art. 28, Abs. 2) gehören, rechtzeitig, mit ausreichender Begründung und den erforderlichen Unterlagen versehen, einzureichen (Abs. 1).

Telephonische Gesuche lassen sich nicht vermeiden, doch wird vorausgesetzt, dass sie nachher schriftlich bestätigt werden. Die Verordnung wird die nähern Bestimmungen über das Gesuchverfahren aufstellen. Die Erteilung der Bewilligung selbst wird in Artikel 46 geordnet.

Entsprechend Artikel 63 des Fabrikgesetzes wird vorgesehen, dass dringliche Gesuche für eine in den Vorschriften über die Arbeits- und Buhezeit vorgesehene Bewilligung, die nicht rechtzeitig gestellt werden können, vom Arbeit-

1003 geber so rasch als möglich unter der Begründung der Verspätung nachzuholen sind. Ausgenommen sind lediglich nicht voraussehbare Fälle von geringfügiger Tragweite (Abs. 2).

In Anlehnung an Artikel 59, Absatz 2 des Fabrikgesetzes dürfen für Arbeitsund Kuhezeitbewilligungen und für die Genehmigung von Betriebsordnungen lediglich massige Kanzleigebühren erhoben werden (Abs.8). Diese Vorschrift, die sowohl für die zuständigen kantonalen Behörden wie für das Bundesamt gilt, schliesst die unentgeltliche Erteilung von Bewilligungen nicht aus. Aber sie verbietet die Erhebung von Gebühren, die mehr den Charakter einer Steuer annehmen. Es bleibt der Verordnung überlassen, einen Eahmen für die Gebührenordnung aufzustellen.

Dagegen ist die Festsetzung von Gebühren für Plangenehmigungen und Betriebsbewilligungen, die vielfach in Verbindung mit bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Verfügungen erteilt werden, sowie für die Herabsetzung des Mindestalters für Jugendliche, wie nach geltendem Recht ausschliesslich Sache der Kantone.

4. Verwaltungsverfügungen und Verwalturigsmassnahmen (Art. 46-50) In der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung werden der eigentliche Vollzug und die. Durchsetzung der erforderlichen Massnahmen nur im Fabrikgesetz und auch hier nur teilweise und ohne systematischen Zusammenhang geregelt (Art.9 und 62 des Fabrikgesetzes; Art.98, 206-208 der Vollzugsverordnung).

Es entspricht daher einem dringenden Bedürfnis und liegt namentlich auch im Interesse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eine vollständige und übersichtliche Ordnung der verwaltungsmässigen Durchführung des Gesetzes aufzustellen.

a. Verwaltungsverfügungen (Art. 46) Als Verwaltungsverfügung, die von den zuständigen Behörden auf Grund des Gesetzes oder einer Verordnung getroffen wird, gilt vor allem jede Erteilung oder Verweigerung einer Bewilligung oder Genehmigung ; letztere ist vorgesehen bei Planvorlagen für industrielle Betriebe (Art. 7, Abs.l) und bei der Betriebsordnung (Art. 85). Unter diesen Begriff fällt auch die besondere Verfügung im Sinne von Artikel 47, Absatz 2.

Im Hinblick auf die Verwaltungsrechtspflege (Art. 51 und 52) wird vorgeschrieben, dass die Verfügungen schriftlich zu eröffnen und zu begründen sind, gegebenenfalls unter Hinweis auf Beschwerderecht und Beschwerdefrist (Abs. 1).

Damit wird
selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass eine Verfügung unter Anwesenden oder auf telephonischem Wege zunächst mündlich eröffnet und hierauf schriftlich bestätigt werden kann.

Ähnlich wie nach Artikel 62 des Fabrikgesetzes und entsprechend einem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechtes können die Verfügungen jederzeit geändert oder aufgehoben werden, wenn sich die zugrunde liegenden Tatsachen ändern (Abs. 2).

1004 b. Vorkehren bei Nichtbefolgung von Vorschriften oder Verfügungen (Art. 47) Wird eine Vorschrift des Gesetzes oder einer Verordnung oder eine Verfügung nicht befolgt, so hat je nach den Umständen die zuständige kantonale Behörde, das Eidgenössische Arbeitsinspektorat oder der arbeitsärztliche Dienst den Fehlbaren darauf aufmerksam zu machen und die Einhaltung der nicht befolgten Vorschrift oder Verfügung zu verlangen (Abs. 1). Als Fehlbare kommen neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei Errichtung oder Umgestaltung von industriellen Betrieben auch der für die Einholung der Plangenehmigung verantwortliche Bauherr in Betracht.

Leistet der Fehlbare dem an ihn gerichteten Verlangen der Amtsstelle keine Folge, so hat die zuständige kantonale Behörde eine entsprechende Verfügung mit der ausdrücklichen Androhung der Strafe des Artikel 292 des Strafgesetzbuches zu erlassen, wonach Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Haft oder mit Busse bestraft wird (Abs. 2) ; der blosse Hinweis auf diese Bestimmung oder auf die Strafbarkeit oder auch auf beides zusammen genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht (BGE 68, IV, 46; 86, IV, 28). Derartige Verfügungen können mit Eücksicht auf den Vorrang der Kantone im Vollzug nur von der zuständigen kantonalen Behörde getroffen werden; diese hat jedoch allfällige Weisungen des Bundesamtes zu beachten (Art.38, Abs.l und 2).

Eine grundsätzliche Neuerung enthält die Vorschrift, welche die zuständige kantonale Behörde ermächtigt, bei Verstössen im Sinne von Absatz t, durch die auch Bestimmungen eines für den Fehlbaren verbindlichen Gesamtarbeitsvertrages verletzt werden, in geeigneter Weise auf die Massnahrnen der Vertragsparteien zur Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages Kücksicht zu nehmen (Abs. 8). Diese Neuerung entspricht einem Bedürfnis, da die Gesamtarbeitsverträge in zunehmendem Masse Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit aufstellen und Sanktionen für deren Verletzung vorsehen, an denen der Gesetzgeber nicht einfach vorbeigehen darf. Eine Durchführung des Gesetzes ohne jegliche Rücksichtnahme auf die Ordnung in den Gesamtarbeitsverträgen würde in der Praxis nicht befriedigen und auch dem Gedanken der möglichsten Förderung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht Rechnung tragen. Zudem könnte die allfällige Kumulation
der gesetzlichen und gesamtarbeitsvertraglichen Sanktionen zu Härtefällen führen, die weder vom Gesetzgeber noch von den Vertragspartnern beabsichtigt waren.

Doch wird die Behörde nur jene Gesamtarbeitsverträge berücksichtigen, die entsprechende Sanktionen gegen Widerhandlungen der vertraglichen Bestimmungen enthalten und die erforderlichen Kontroll- und Vollzugsorgane vorsehen; praktisch wird es sich um die zweiseitig-korporativen Gesamtarbeitsverträge handeln, seien diese allgemeinverbindlich erklärt oder nicht. Wie die Rücksichtnahme im Einzelfall erfolgt, ist eine Frage, die von der kantonalen Behörde je nach den konkreten Umständen zu beantworten ist. In den meisten Fällen dürfte es genügen, dass sie mit den gesetzlichen Massnahmen zuwartet, wenn an-

1005 zunehmen ist, dass die Vertragsparteien innert nützlicher Frist die vertraglichen Massnahmen ergreifen werden. Unter Umständen kann die Behörde auch mit den Vertragsparteien oder den gemeinsam bestellten Kontroll- und Vollzugsorganen Fühlung nehmen, um abzuklären, welche Sanktionen sie allenfalls bereits ergriffen haben oder zu ergreifen gedenken.

c. Massnahmen des Verwaltungszwanges (Art. 48) Wird eine Verfügung im Sinne von Artikel 47, Absatz 2 missachtet, so hat die zuständige kantonale Behörde die zur Herbeiführung des rechtmässigen Verhaltens oder Zustandes erforderlichen Zwangsmassnahmen zu ergreifen (Abs.l).

Nur wenige Kantone verfügen über eigene Rechtsgrundlagen für solche Massnahmen, für die nach der kantonalen Behördenorganisation durchwegs die Polizeiorgane des Kantons oder der Gemeinde in Anspruch genommen werden müssen.

Es wird sich somit für die kantonale Behörde in der Eegel darum handeln, die im vorliegenden Entwurf, insbesondere in Absatz 2, vorgesehenen Massnahmen 'zu treffen.

Werden Leben oder Gesundheit von Arbeitnehmern oder die Umgebung des Betriebes durch die Missachtung einer mit Strafdrohung verbundenen Verfügung erheblich gefährdet, so kann die zuständige kantonale Behörde selbst oder durch Vermittlung von Polizeiorganen nach vorheriger schriftlicher Androhung die Benützung von Räumen oder Einrichtungen verhindern und in besonders schweren Fällen den Betrieb für eine bestimmte Zeit schliessen (Art. 2).

Die Voraussetzung der genannten Massnahmen, die in Übereinstimmung mit Art.5 den Umgebungsschutz einschliesst, wird zur Verhütung von Missbräuchen strenger umschrieben als im entsprechenden Artikel 9 des Fabrikgesetzes, indem nicht jede Gefährdung von Gesundheit und Leben genügt, sondern eine erhebliche Gefährdung vorliegen muss. Ebenso wird die Schliessung des Betriebes für eine bestimmte Zeit, das heisst bis zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes, auf besonders schwere Fälle beschränkt, im übrigen aber nur das Verbot der Benützung von Räumen oder Einrichtungen vorgesehen. Mit der vorherigen Androhung solcher Massnahmen wird in der Regel die Ansetzung einer Frist zur Herbeiführung des rechtmässigen Zustandes zu verhindern sein.

d. E n t z u g und Sperre von Arbeitszeitbewilligungen ( A r t . 49) Nach einem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts sollen
die Massnahmen des Verwaltungszwanges der vorausgegangenen Nichtbefolgung von Vorschriften oder Verfügungen angemessen sein. Der Verwaltungszwang nach Artikel 47 und 48, wonach der Verhinderung der Benützung von Räumen oder Einrichtungen oder der Schliessung eines Betriebes eine Mahnung, eine Verfügung mit Strafdrohung und eine weitere schriftliche Androhung vorauszugehen haben, ist vor allem auf schwerwiegende Verstösse zugeschnitten. Es entspricht einem Bedürfnis, ausserdem ein einfacheres Verfahren vorzusehen für die Fälle der Nichteinhaltung von Arbeitszeitbewilligungen oder des Missbrauches der Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

72

1006 Befugnis, ohne Bewilligung Überzeit anzuordnen. Wird eine Arbeitszeitbewilligung nicht eingehalten, so kann die Bewilligungsbehörde, unabhängig vom Ver fahren nach Artikel 47 und 48, nach vorheriger schriftlicher Androhung, das heisst, ohne dass eine Mahnung und eine Verfügung mit Strafandrohung (Art. 47, Abs. l und 2) vorausgehen müssen, diese Bewilligung aufheben und, wenn es die Verhältnisse rechtfertigen, die Erteilung neuer Bewilligungen für eine bestimmte Zeit sperren (Abs.l). In gleicher Weise kann die kantonale Behörde die Befugnis, Überzeitarbeit ohne Bewilligung anzuordnen, für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn der Arbeitgeber diese Befugnis missbraucht (Abs.2). Der Entzug der Befugnis zur Anordnung von bewilligungsfreier Überzeitarbeit kann also in Übereinstimmung mit Artikel 11, Absatz 3 nur von der kantonalen Behörde ausgehen, während die Massnahme des Entzuges und der Sperre von Arbeitszeitbewilligungen auch vom Bundesamt ergriffen werden kann, sofern die nicht eingehaltene Bewilligung von ihm erteilt worden ist. Anderseits steht es der kantonalen Behörde frei, wenn die Voraussetzungen von Artikel 49 erfüllt sind, trotzdem von Anfang an nach Artikel 47 und 48 vorzugehen oder aber diese Massnahmen erst dann anzuwenden, wenn die Sanktionen von Artikel 49 nicht genügen; das Bundesamt dagegen kann nur entweder nach Artikel 49 vorgehen oder aber der kantonalen Behörde Weisung erteilen, nach Artikel 47, Absatz 2, und 48 zu verfahren, was jedoch nur selten vorkommen dürfte.

e. Anzeigen (Art. 50) Im Zusammenhang mit den Verwaltungsmassnahrnen wird auch die Behandlung von Anzeigen wegen Nichtbefolgung des Gesetzes oder einer Verordnung oder einer Verfügung geregelt. Das Recht zur Anzeige bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung, da es jedermann freisteht, sich an die Behörde zu wenden. Dagegen muss festgelegt werden, welche Folge einer erhobenen Anzeige zu geben ist. Die zuständige Behörde hat die Anzeige zu prüfen und, falls sie begründet ist, die entsprechenden Verwaltungsmassnahmen gemäss den Artikeln 47 bis 49 zu ergreifen (Abs.l), wobei es dem Ermessen der Behörde überlassen bleibt, ob und in welcher Form der Anzeiger über die getroffenen Vorkehren unterrichtet werden soll. Damit wird klar zum Ausdruck gebracht, dass mit dieser Vorschrift nicht blossen Verdächtigungen und haltlosen
Denunziationen Vorschub geleistet werden soll. Trifft die zuständige Behörde auf begründete Anzeige hin keine oder als ungenügend erscheinende Vorkehren, so kann die übergeordnete Behörde angerufen werden (Abs.2).

5. Verwaltungsrechtspflege (Art. 51-54) Die Verwaltungsrechtspflege, die in der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung nur ganz summarisch geordnet ist, wird im vorliegenden Entwurf im Interesse eines vermehrten Rechtsschutzes wesentlich ausgebaut. Gleichzeitig dient die Verwaltungsrechtspflege auch der Kontrolle der richtigen und einheit-

1007 liehen Handhabung der Bundesvorschriften; indem sie den Eekursbehörden Gelegenheit gibt, zu umstrittenen Rechtsfragen Stellung zu nehmen und eine bestimmte Praxis zu entwickeln, trägt sie auch zur Klärung und Fortbildung des materiellen Rechts bei.

Der Entwurf unterscheidet einerseits zwischen dem Weiterzug von Verfügungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit und solchen der zuständigen kantonalen Behörde und andererseits zwischen Beschwerden betreffend die Anwendbarkeit des Gesetzes und andern Beschwerden. Den Ausgangspunkt der Verwaltungsrechtspflege bilden der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung einer Verfügung im Sinne von Artikel 46.

a. B e s c h w e r d e gegen V e r f ü g u n g e n des Bundesamtes (Art. 51) Gegen Verfügungen des Bundesamtes über die Unterstellung industrieller Betriebe im Sinne von Artikel 4 ist wie bisher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (Abs.l), gegen andere Verfügungen des Bundesamtes die Verwaltungsbeschwerde an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (Abs. 2). Das Bundesgericht entscheidet endgültig, während der Beschwerdeentscheid des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements gemäss Artikel 124, Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege an den Bundesrat weitergezogen werden kann.

6. Beschwerde gegen Verfügungen der zuständigen kantonalen Behörde (Art. 52) und W e i t e r z u g l e t z t i n s t a n z l i c h e r kantonaler Entscheide (Art. 53) Gegen Verfügungen der zuständigen kantonalen Behörde kann, gleichgültig ob es sich um die Anwendbarkeit des Gesetzes oder um andere Fälle handelt, Beschwerde bei der kantonalen Rekursbehörde erhoben werden (Art.52, Abs.l).

Der Entwurf beschränkt sich auf Vorschriften über die Beschwerdefrist und die Eröffnung des Beschwerdeentscheides, während im übrigen die Ordnung des Verfahrens dem kantonalen Recht überlassen bleibt (Art. 52. Abs.2). Insbesondere steht es den Kantonen frei, darüber zu bestimmen, ob die «Rekursbehörde» bereits als «letzte kantonale Instanz» zu gelten hat oder ob innerhalb des Kantons zwei verschiedene Rekursinstanzen eingesetzt werden sollen; im letztern Fall hat der Kanton selbst den Weiterzug der Beschwerde von der ersten an die zweite Rekursinstanz zu ordnen.

Gegen Entscheide der letzten
kantonalen Instanz über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitnehmer in industriellen oder nicht-industriellen Betrieben ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig, gegen Entscheide in andern Fällen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an den Bundesrat (Art. 53). Die Entscheide des Bundesgerichtes und des Bundesrätes sind endgültig.

1008 c. Beschwerdeberechtigung und aufschiebende Wirkung (Art. 54) Die Beschwerdedelegation wird gegenüber dec geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung, insbesondere dem Fabrikgesetz, erweitert. Während nach Artikel 86, Absatz l des Fabrikgesetzes das Eecht zur Beschwerde nur dem unmittelbar von einer Verfügung Betroffenen zusteht, sollen nunmehr auch die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Personen, die ein unmittelbares Interesse nachweisen, zum Beispiel der Bauherr im Plangenehmigungsverfahren für industrielle Betriebe, bescbwerdeberechtigt sein (Abs.l).

Entsprechend Artikel 106 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege wird ausdrücklich bestimmt, dass der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügung über die Unterstellung industrieller Betriebe und über die Anwendbarkeit des Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (Abs. 2). Dagegen hat die Verwaltungsbeschwerde an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement oder an den Bundesrat keine aufschiebende Wirkung, soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung der Beschwerdeinstanz verliehen wird (Art.23bla, Abs.l, Buchstabe c des Buudesgesetzes vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung und Art. 128 des Bundesgesetzes vom 16.Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspf lege).

6. Strafbestimmungen (Art.65-58) a. Allgemeines Gegenüber der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung und den frühern Entwürfen stellt die heutige Vorlage für die Durchsetzung der materiellen Vorschriften den Vollzug durch die Verwaltungsorgane in den Vordergrund, so dass die Bedeutung der Strafbestimmungen zurücktritt. Im Sinne verschiedener Vernehmlassungen zum Entwurf 1950 und der Auffassung der vorberatenden Kommissionen beschränkt sich der Entwurf auf ein Miridestmass von Strafbestimmungen, die zur Wahrung des öffentlichen Interesses unerlässlich sind, wobei vor allem die Strafbarkeit der fahrlässigen Widerhandlung eingeschränkt wird.

Werden die Vorschriften des Gesetzes und der Verordnung missachtet, so soll in der Eegel zunächst, wie bereits dargelegt, die Verwaltungsbehörde eingreifen und der Missachtung mit den erforderlichen Verwaltungsmassnahmen entgegentreten. Solche Verwaltungsmassnahmen - es sei auf Artikel 48, Absatz 2 und Artikel 49 hingewiesen - sind unter Umständen bedeutend
wirksamer als Strafen.

b. Strafrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 55 und 56) Abgesehen vom Heimarbeitsgesetz werden die Straftatbestände in der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung, was den Arbeitgeber betrifft, weitgehend in der Form von Blankettvorschriften umschrieben. So bedroht Artikel 88 des Fabrikgesetzes allgemein mit Strafe «Zuwiderhandlungen gegen die Bestim-

.1009 mungen des Gesetzes oder gegen die zu seinem Vollzuge vom Bundesrat er-0 lassenen Verordnungen oder gegen andere von der zuständigen Amtsstelle erlassene Verfügungen oder gegen die Fabrikordnung». Demgegenüber werden im vorliegenden Entwurf nur einzelne genau umschriebene Straftatbestände vorgesehen. Im übrigen beschränkt sich das Eingreifen des Staates auf die Anordnung von Verwaltungsmassnahmen und gegebenenfalls auf die Anwendung von Artikel 292 des Strafgesetzbuches.

aa. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers (Art.55) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers wird nach Schuldformen abgestuft (Abs.l). Das Verschulden wird aber oft zweifelhaft sein. Um so wichtiger ist Artikel 47 des Entwurfs für den wirksamen Vollzug des Gesetzes.

Er sieht bei Widerhandlungen gegen Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung eine Strafsanktion im Zusammenhang mit einer unmittelbar an den Fehlbaren gerichteten Verfügung vor, welche diesem zum Bewusstsein bringen muss, dass er Haft oder Busse zu gewärtigen hat, wenn er ihr nicht Folge leistet.

Gegen solche Verfügungen mit Strafandrohung gibt es regelmässig keinen Einwand wegen mangelnden Verschuldens, und anderseits wird zugunsten des Arbeitgebers die Härte vermieden, dass schon bei blosser Nichtbeachtung der zahlreichen unpersönlichen Gesetzesvorschriften über Arbeits- und Euhezeit und der darauf beruhenden Verordnungsbestimmungen bereits ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Besondere Vorschriften enthält der Entwurf für den Fall, dass im Betrieb einer Einzelfirma eine vom Arbeitgeber mit der Leitung des Betriebes betraute Person sich der Übertretung des Gesetzes oder einer Verordnung schuldig macht (Abs. 2), sowie für Widerhandlungen im Betrieb einer juristischen Person oder · einer Handelsgesellschaft (Abs. 3).

Vorbehalten bleiben die besondern Bestimmungen des Strafgesetzbuches (Art.58, Abs.l) und allfällige persönlich an den Arbeitgeber gerichtete Verfügungen mit Strafandrohung gemäss Artikel 47, Absatz 2.

bb. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des A r b e i t n e h m e r s (Art.56) Der Arbeitnehmer ist wegen Übertretung des Gesetzes oder einer Verordnung nur strafbar im Fall vorsätzlicher Widerhandlung gegen Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge und die Unfallverhütung. Auf die Strafbarkeit des Arbeitnehmers
für die vorsätzliche Mitwirkung bei Widerhandlungen gegen die Vorschriften über die Arbeits- und Euhezeit muss verzichtet werden, wenn nicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitnehmers zur Einhaltung dieser Vorschriften besteht.

Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (Art.58, Abs.l) und allfällige persönlich an den Arbeitnehmer gerichtete Verfügungen mit Strafandrohung gemäss Artikel 47, Absatz 2.

1010 c . S t r a f e n (Art.57) Der Täter wird mit Busse bestraft (Abs.l). In schweren Fällen vorsätzlicher Widerhandlung, deren Umschreibung auf die Differenzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Artikel 55, Absatz l und Artikel 56 abgestimmt wird, kann auf Haft erkannt werden (Abs.2). Die Widerhandlungen nach Artikel 54 und 55 gelten somit stets nur als Übertretungen (Art. 101 des Strafgesetzbuches) ; Versuch und Gehilfenschaft sind nicht strafbar (Art. 104 des Strafgesetzbuches).

Ähnlich wie bei den Verwaltungsmassnahmen nach Artikel 47, Absatz 3 kann auf die Sanktionen der Verbände wegen gleichzeitiger Verletzung eines Gesamtarbeitsvertrages Kücksicht genommen werden. Der Eichter kann deshalb von einer Busse absehen oder diese errnässigen, wenn auf Grund des Gesamtarbeitsvertrages eine angemessene Konventionalstrafe ausgesprochen wurde (Abs. 3).

d. Vorbehalt des S t r a f g e s e t z b u c h e s und S t r a f v e r f o l g u n g (Art.58) Aus Artikel 333, Absätze l und 2 des Strafgesetzbuches ergibt sich, dass dessen allgemeine Bestimmungen über die Übertretungen auf die Widerhandlungen im Sinne von Artikeln 55 und 56 des vorliegenden Entwurfes subsidiär anwendbar sind.

Im übrigen bleiben die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorbehalten (Abs.l), z.B.'über fahrlässige Tötung (Art. 117), fahrlässige Körperverletzung (Art. 125), Überanstrengung von Kindern und Untergebenen (Art. 135), gemeingefährliche Vergehen (Art. 222, 223, 225, 227 bis 230) und Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art.320). Damit wird gesagt, dass die Strafbestimmungen des vorliegenden Entwurfes die Anwendung des Strafgesetzbuches nicht ausschliessen sollen. Anderseits bleibt der Entscheid darüber, ob die Strafbestimmungen beider Gesetze nebeneinander oder ausschliesslich das Strafgesetzbuch angewandt werden soll, dem Eichter überlassen.

Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone, die auch die zuständigen Behörden bezeichnen (Abs. 2).

Nach der geltenden Arbeitsschutzgesetzgebung sind die Kantone verpflichtet, Gerichtsurteile, Straferkenntnisse von Verwaltungsbehörden und Einstellungsbeschlüsse unverzüglich vollständig ausgefertigt und unentgeltlich dem Bundesamt mitzuteilen. Auf Grund dieser Einsendungspflicht kann die Bundesanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts
erheben, soweit es sich um letztinstanzliche Entscheide handelt, während in andern Fällen die Eechtsmittel nach kantonalem Eecht ergriffen werden können (Art.266 bis 268 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege). Es erscheint jedoch als zweckmässiger, die Regelung der Einsendungspflicht dem periodisch erneuerten Bundesratsbeschluss über dio Mitteilung kantonaler Strafentscheide zu überlassen als sie ein für allemal im Gesetz festzulegen.

1011

VII. Änderung von Bundesgesetzen (Art. 59-65) Im Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetz muss eine Eeihe von geltenden Bundesgesetzen geändert werden. Zum Teil handelt es sich lediglich um formelle Anpassungen an den neuen Gesetzestext, teils aber um materielle Änderungen und Ergänzungen, die mit dem Arbeitsgesetz eng'1 zusammenhängen. Dazu kommen einige Gesetzesänderungen von untergeordneter Bedeutung, die bei dieser Gelegenheit vorgenommen werden, um mehrere besondere Gesetzesrevisionen zu vermeiden.

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen die nachfolgenden Bundesgesetze, die in chronologischer Reihenfolge angeführt werden: das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (Art.59), das Obligationenrecht (Art.60), das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (Art. 61), das Arbeitszeitgesetz (Art.62), das Heimarbeitsgesetz (Art.63), das Handelsreisendengesetz (Art. 64) und das Organisationsgesetz (Art. 65).

1. Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (Art. 59) Nach Artikel 219, Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs gemessen folgende drei Kategorien von Arbeitnehmern ein Konkursprivileg erster Klasse für Lohnforderungen : l. die Dienstboten; 2. die Kommis und Bureauangestellten; 3. die auf Tag- oder Stücklohn gedungenen Arbeiter, die Fabrikarbeiter und andere auf Tag- oder Wochenlohn gedungene Arbeiter. Das Privileg ist nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Lohnanspruchs, und zwar in Anlehnung an die gesetzlichen Lohnzahlungstermine und die Kündigungsfristen (OE Art.333, 347 und 348), abgestuft. Der Lohnanspruch ist bei der ersten Kategorie für ein Jahr, bei der zweiten für ein Halbjahr und bei der dritten für ein Vierteljahr vor der Konkurseröffnung privilegiert.

Diese Einteilung ist überholt und steht, insbesondere was die zeitlichen Unterschiede in der Privilegierung anbetrifft, mit den heutigen Verhältnissen nicht mehr im Einklang. Auch die Arbeitnehmer im Hausdienst und in der Landwirtschaft werden heute in aller Regel monatlich entlöhnt und nicht, wie Artikel 333, Absatz l, Ziffer 3 des Obligationenrechtes es vorsieht, alle drei bzw.

alle sechs Monate. Ebenso erweist sich die Beschränkung des Privilegs auf den blossen Lohnanspruch unter Ausschluss der Nebenforderungen als zu eng.

Bereits für eine Kategorie von Arbeitnehmern, nämlich für die Handelsreisenden,
ist das Privileg ausdrücklich auch auf die Provisionsforderungen ausgedehnt worden (vgl. Art. 9, Abs.4 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1941 über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden).

Artikel 219, Absatz 4, erste Klasse, Buchstaben a bis c des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes sollen deshalb in folgendem Sinne abgeändert werden : Die zeitliche Abstufung wird beseitigt und durch eine einheitliche Frist

1012 von sechs Monaten vor der Konkurseröffnung ersetzt, die für alle Arbeitnehmer gilt. Gleichzeitig wird das Konkursprivileg auf alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis (also auch auf Spesenersatz- und Schadenersatzforderungen) sowie auf Forderungen wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnissos infolge Konkurs des Arbeitgebers erweitert, weil nicht einzusehen ist, weshalb nur die Lohnforderungen, nicht aber die übrigen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis privilegiert sein sollten. Das ist um so eher gerechtfertigt, als das Bundesgesetz vom 4. Februar 1949 über den Agenturvertrag in Ziffer II, Artikel 2 das Privileg des Agenten auf alle Forderungen erstreckt, die in den letzten 12 Monaten vor der Konkurseröffnung aus dem Agenturvertrag entstanden sind, also auch auf Spesenersatz-, Schadenersatz- und andere Forderungen.

Gleich wie die Forderungen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis werden nunmehr auch die entsprechenden Forderungen der Heimarbeiter behandelt.

Ferner wird die Eückforderung von Kautionen den Lohnforderungen gleichgestellt. Was diesen letzten Punkt betrifft, so hat sich die Expertenkommission des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes für die Kevision des Dienstvertragsrechtes bereits für eine Privilegierung der Kautionsrückforderungen im Konkurs des Arbeitgebers ausgesprochen, jedoch nur im Sinne eines subsidiären Behelfs für den Fall, dass der Arbeitgeber der ebenfalls vorgeschlagenen Verpflichtung, die Kaution aus dem Geschäftsvermögen auszuscheiden, nicht nachgekommen ist. Im Obligationenrecht wird-nunmehr lediglich noch das primäre Aussonderungsrecht festzulegen sein.

Mit der Zusammenfassung und Erweiterung der bisherigen Buchstaben a bis c zu einer einzigen Gruppe wird der bisherige Buchstabe d (Konkursprivileg für Beerdigungskosten) neu zu Buchstabe è. Ausserdem kann Artikel 9, Absatz 4 des Bundesgesetzes über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden aufgehoben werden.

2. OUigationenrecht (Art.60) Die Frage der Ferienregelung gab Anlass zu eingehenden Beratungen sowohl in der Expertenkommission als auch in der Fabrikkommission, die schliesslich zum Ergebnis führten, dass gleichzeitig mit dem Erlass des Arbeitsgesetzes in das schweizerische Obligationenrecht vom 30.März 1911 ein neuer Artikel 841bis mit dem Eandtitel «Ferien» eingefügt
werden soll.

a. Darstellung der Entwicklung des Ferienrechts In den letzten Jahrzehnten hat sich in zunehmendem Masse die Überzeugung verbreitet, dass es im öffentlichen Interesse liegt, allen Arbeitnehmern in ausreichendem Masse bezahlte Ferien zu gewähren. Dieser Forderung kommt 'mit Rücksicht auf die besondern Gegebenheiten der modernen Arbeitswelt, insbesondere auf den beschleunigten Arbeitsrhythmus, die Spezialisierung der Funktionen und die Umwelteinflüsse der heutigen Zivilisation, zweifellos erhöhte Bedeutung zu.

1013 aa. Eidgenössische

Ferienvorschriften

Der Bund hat bis jetzt Ferienvorschriften nur in Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 6.März 1920/17. Juni 1948 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten (Arbeitszeitgesetz), in Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1927 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten (Beamtengesetz) und in Artikel 14, Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung (Berufsbildungsgesetz) aufgestellt.

Nach dem Arbeitszeitgesetz sind im Kalenderjahr 14 Tage Ferien zu gewähren bis zum Ende des Jahres, in dem das 14. Dienstjahr zurückgelegt wird, 21 Tage von dem Jahre an, in dem das 15.Dienstjahr oder das 35.Altersjahr zurückgelegt wird, und 28 Tage von dem Jahre an, in dem das 50.Altersjahr zurückgelegt wird.

Auf Grund des Beamtengesetzes bestimmen Artikel 60 der Beamtenordnung I und Artikel 55 der Beamtenordnung II, beide vom 10. November 1959, dass der Beamte für jedes Kalenderjahr Anspruch hat auf 2 Wochen Ferien bis zum Ende des Jahres, in dem er das 9. Dienstjahr zurückgelegt, 3 Wochen vom Jahre an, in dem er das 10. Dienstjahr oder das 35. Altersjahr zurückgelegt oder wenn er höher als in der 16. Besoldungsklasse eingereiht ist, und 4 Wochen vom Jahre an, in dem er das 50. Altersjahr zurücklegt oder wenn er höher als in der 5.Besoldungsklasse eingereiht ist. Eine entsprechende Eegelung enthalten Artikel 70 der Angestelltenordnung vom 10. November 1959 und Artikel 74 der Arbeiterordnufig vom gleichen Tag; letztere stellt jedoch nur auf das Dienstjahr oder Altersjahr, dagegen nicht auf die Lohnklasse ab.

Das Berufsbildungsgesetz schreibt vor, dass Lehrlingen Ferien zu gewähren sind, die im Jahr wenigstens 6 Arbeitstage umfassen müssen.

Für die damaligen Verhältnisse war es durchaus angemessen, dass sich die Feriengesetzgebung des Bundes auf seine Beamten, Angestellten und Arbeiter, auf das Personal der Verkehrsanstalten sowie auf die Lehrlinge beschränkte.

Erst als der Gedanke bezahlter Ferien nach dem zweiten Weltkrieg allgemein Verbreitung fand, sind in die Vorentwürfe zum Arbeitsgesetz von 1945 und 1950 Ferienvorschriften aufgenommen worden.

bb. Kantonale Ferienerlasse 1 ) Da eine allgemeine Ferienregelung auf eidgenössischem Boden einstweilen fehlte, begannen die Kantone, sich mit dieser Frage zu befassen. Infolge der Vereinheitlichung
des Zivilrechts war dem kantonalen Gesetzgeber die Aufstellung zivilrechtlicher Ferienvorschriften verwehrt, so dass ihm ausschliesslich die öffentlich-rechtliche Ferienregelung offen stand. Bereits in den dreissiger Jahren ging der Kanton Basel-Stadt mit einem Feriengesetz voraus (1931), und die Kantone Wallis (1933), Tessin (1936/1953) und Waadt (1944) nahmen in ihre 1 ) Für Einzelheiten verweisen wir auf die Darstellung in «Die Volkswirtschaft», Juli 1960, S. 302.

1014 Arbeitsgesetze auch Bestimmungen über die Ferien auf. Als sich in der Nachkriegszeit die Ferien immer mehr einbürgerten, erliessen neun weitere Kantone besondere Feriengesetze, nämlich Solothurn (1946), Glarus (1947), Genf (1947/ 1959), Zug (1948), Basel-Land (1949), Neuenburg (1949/1959), Schwyz (1950), Zürich (1952/1960) und Luzern (1955), letzterer nur für jugendliche Arbeitnehmer und Lehrlinge. In den übrigen 12 Kantonen (Bern, Uri, Obwalden, Nidwaiden, Freiburg, Schaffhausen, Appenzell A.-Eh., Appenzell I.-Eh., St. Gallen, Graubünden, Aargau und° Thurgau) bestehen dagegen zur Zeit keine kantonalen Ferienregelungen, doch sind in den Kantonen Schaffhausen und Aargau Feriengesetze in Vorbereitung.

Im einzelnen sind die Ferienregelungen von Kanton zu Kanton recht verschiedenartig. Zwei Kantone sehen einheitliche Mindestansprüche ohne jegliche Abstufung vor: Wallis 6 Tage und Genf 18 Tage; das zürcherische Feriengesetz gewährt einen einheitlichen Mindestanspruch von 12 Ferientagen bis zum 20. Dienstjahr. Das neuenburgische Feriengesetz stellt für die Bemessung der Ferien allein auf das Alter der Arbeitnehmer ab: 12 Tage im 20. bis 84. Altersjahr, 15 Tage im 35. bis 44. Altersjahr und 18 Tage vom 45. Altersjahr an. In den übrigen Kantonen sind die Ferien nach Dienstjahren beim gleichen Arbeitgeber abgestuft. Die Kantone Glarus, Zug, Solothurn, Basel-Land und Tessin sehen 6 Ferientage in den ersten 5 Dienstjahren, 9 Ferientage im 6. bis 10. Dienstjahr und 12 Ferientage vorn 11. Dienstjahr an vor. In den Kantonen Schwyz und Basel-Stadt dagegen gelangt der Arbeitnehmer bereits im 4.Dienstjahr in den Genuss von 9 Ferientagen, doch beginnt der Anspruch auf 12 Ferientage ebenfalls mit dem 11. Dienstjahr. Weitergehende Ferien von 15 Tagen nach langjähriger Dienstdauer sehen die Kantone Schwyz, Glarus, Zug, Basel-Stadt und BaselLand, solche von 18 Tagen die Kantone Zürich, Glarus und Basel-Stadt vor.

Dabei entsteht der Anspruch auf 15 Tage, mit einer Ausnahme, nach dem 15.Dienstjahr, derjenige auf 18 Tage nach dem 20.Dienstjahr. In etwas mehr als der Hälfte der Kantone spielt zudem das Alter in dem Sinne eine Eolie, als älteren Arbeitnehmern ohne Eücksicht auf die geleisteten Dienstjahre oder bereits nach einer kürzeren Dienstdauer weitergehende Ferien zu gewähren sind. So sehen verschiedene Kantone
vor, dass dem Arbeitnehmer nach Vollendung des 40. bzw. 50. Altersjahres mindestens 12 Ferientage zu gewähren sind. In anderen Kantonen steht dieser Anspruch z.B. Arbeitnehmern zu, die das 40. Altersjahr und zugleich das 5.Dienstjahr vollendet haben. Im Kanton Zürich entsteht nach Vollendung des 45. Altersjahres, im Kanton Glarus nach Vollendung des 45. Altersjahres und zugleich des 10.Dienstjahres ein Anspruch auf mindestens 18 Ferientage.

Sonderbestimmungen besteben hauptsächlich für Jugendliche bis 18 Jahren, zum Teil jedoch auch für Arbeitnehmer bis zu 19 oder 20 Jahren sowie für Lehrlinge während der ganzen Dauer der Berufslehre. Während die Feriendauer bei erwachsenen Arbeitnehmern in der Eegel mit zunehmenden Dienst- oder Altersjahren länger wird, bleibt sie bei Jugendlichen, Arbeitnehmern unter 20 Jahren und Lehrlingen konstant oder erfährt eine Kürzung bei Erreichung des 19. oder

1015 20. Altersjahres. Die Hälfte der insgesamt 11 Kantone mit Sonderbestimmungen für Jugendliche oder Arbeitnehmer unter 20 Jahren schreiben bis zum 18. Altersjahr 18 Ferientage vor, die meisten übrigen 12 oder 15 Tage. In sieben Kantonen (Zürich, Luzern, Glarus, Zug, Solothurn, Basel-Land und Neuenburg) werden alle Arbeitnehmer unter 19 bzw. 20 Jahren von der Sonderregelung erfasst, während in den übrigen vier Kantonen (Schwyz, Basel-Stadt, Tessin und Waadt) die Arbeitnehmer nach dem 18. Altersjahr den Erwachsenen gleichgestellt sind.

Was insbesondere die Lehrlinge betrifft, so haben vier Fünftel der Kantone in ihren Ausführungserlassen zum Bundesgesetz vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung oder in den Feriengesetzen Ferien für Lehrlinge festgelegt, die über das Bundesgesetz hinausgehen, und zwar in der Regel etwas weiter als für die übrigen.jugendlichen Arbeitnehmer.

cc. Ferienbestimmungen in G e s a m t a r b e i t s v e r t r ä g e n *) Mit der kantonalen Gesetzgebung lief auch eine starke Entwicklung der Ferienbestimmungen in den Gesamtarbeitsverträgen einher. Im Unterschied zu den kantonalen Ferienerlassen, die öffentlich-rechtlicher Natur sind, handelt es sich bei den Ferienbestimmungen der Gesarntarbeitsvertrage um Privatrecht.

Daraus ergibt sich, dass · gesamtarbeitsvertragliche Ferienregelungen, die im Widerspruch zu kantonalen Ferienerlassen stehen, diesen zu weichen haben, sofern die kantonalen Erlasse selbst nichts anderes bestimmen. Allgemein gilt aber auch hier das sogenannte Giinstigkeitsprinzip, wonach für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarungen getroffen werden können.

Die kantonalen Ferienerlasse enthalten in der Eegel ausdrückliche Vorschriften über das Verhältnis zwischen Gesetz und Gesamtarbeitsvertrag. Einzelne gehen so weit, dass sie, unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung, sogar den Gesamtarbeitsverträgen schlechthin den Vorrang einräumen, was mit dem Charakter des öffentlichen Eechts nicht vereinbar ist (Glarus und Tessin).

In den übrigen Kantonen mit Ferienerlassen genügt das blosse Bestehen einer gesamtarbeitsvertraglichen Eegelung nicht, um die gesetzliche Ordnung zu verdrängen. Um diese Wirkung zu erreichen, müssen die Gesamtarbeitsverträge vielmehr bestimmten Anforderungen genügen. So verlangen die Kantone Solothurn und Zug, dass der
Gesamtarbeitsvertrag dem Arbeitnehmer einen minimalen Ferienanspruch einräumt, auch wenn dieser hinter dem gesetzlichen zurückbleibt. In den Kantonen Zürich, Schwyz, Basel-Stadt, Basel-Land, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf sind die Anforderungen, die das Gesetz an die Gesamtarbeitsverträge stellt, bedeutend strenger; die Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages tritt nur dann an Stelle des Gesetzes, wenn dieser einen mindestens gleichwertigen oder günstigeren Ferienanspruch vorsieht.

Nach den Gesamtarbeitsverträgen, deren Geltungsbereich sich auf das ganze Land erstreckt (Landesverträge) und dienahezu drei Fünftel der schätzungsl ) Für Einzelheiten verweisen wir auf die Darstellung in «Die Volkswirtschaft», Juli 1960, S. 302.

1016 weise etwa 900000 gesamtarbeitsvertraglich erfassten Arbeitnehmer in rund 70 Wirtschaftszweigen betreffen, beträgt der Mindestferienanspruch für erwachsene Arbeitnehmer in der Regel 6 Tage, der Höchstanspruch 18 Tage, nur ganz vereinzelt 21 oder 24 Tage. Unter den abweichenden Eegelungen finden sich deren zwölf, die dem Arbeitnehmer bereits vom 1. Dienstjahr an einen Ferienanspruch von 12 Tagen einräumen, und acht, die über einen Höchstanspruch von 15 Ferientagen nicht hinausgehen. Innerhalb der Grenzen von 6 und 18 Tagen sind die getroffenen Eegelungen mannigfaltig und weisen nur insofern einen weitgehend einheitlichen Grundzug auf, als die Feriendauer durchwegs abgestuft wird nach Dienst- und Altersjahren und vielfach 6,9,12,15 und 18 Tage beträgt.

Am meisten verbreitet ist die Regelung, wonach dem Arbeitnehmer im 1. bis 5-Dienstjahr 6 Ferientage, im 6. bis 10.Dienstjahr 9, im 11. bis 15.Dienstjahr 12, im 16. bis 20. Dienstjahr 15 und vom 21. Dienstjahr an 18 Ferientage gewährt, werden oder eine ähnliche, bei welcher lediglich der Übergang von einer Stufe zur andern bereits ein Jahr früher erfolgt. Daneben finden sich zahlreiche, insbesondere auch für den Arbeitnehmer günstigere Varianten, wie beispielsweise die folgende: im 1. und 2.Dienstjahr 6 Tage, im 8. und 4.Dienstjahr 9, im 5. bis 9.Dienstjahr 12, im 10. bis 15.Dienstjahr 15 und vom 16.Dienstjahr an 18 Tage. Ähnlich wie bei den kantonalen Feriengesetzen räumt nahezu ein Drittel der Landesverträge älteren Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf die geleisteten Dienstjahre oder bereits nach einer kürzeren Dienstdauer als bei den übrigen erwachsenen Arbeitnehmern einen weitergehenden Ferienanspruch ein.

Etwas weniger als die Hälfte der Landesverträge enthält Sonderregelungen für jugendliche Arbeitnehmer. Mehrheitlich werden davon nur die Jugendlichen bis zu 18 Jahren betroffen, denen 12, zuweilen auch 18 Ferientage zustehen.

Nur etwa ein Drittel der Sonderregelungen erfasst auch Jugendliche bis zu 20 Jahren und gewährt diesen zumeist gleichviel Ferientage wie den Jugendlichen unter 18 Jahren.

b. Die Vorschläge der Expertenkommission und der Eidgenössischen Fabrikkommission 1. Der Entwurf 1950 enthielt, wie schon der Vorentwurf von 1945 (Art. 85 bis 90), im Abschnitt «Arbeits- und Ruhezeit» eine öffentlich-rechtliche Ferienordnung. Danach
sollte der Arbeitgeber jugendlichen Arbeitnehmern vom ersten Dienstjahr an Ferien von 18 Arbeitstagen gewähren, wovon 12 zusammenhängend. Für Arbeitnehmer, die dauernd Sonntagsarbeit leisten, sowie für Angestellte sollten die Ferien 9 Arbeitstage nach dem ersten Dienstjahr und 12 Arbeitstage nach drei Jahren betragen. Für alle übrigen Arbeitnehmer waren 6 Tage nach dem ersten Dienstjahr, 9 Tage nach fünf Jahren und 12 Tage nach zehn Jahren vorgesehen. Die Befugnis der Kantone, für den Arbeitnehmer günstigere Ferienvorschriften zu erlassen, blieb vorbehalten.

In den Vernehmlassungen zum Entwurf 1950 wurde der Grundsatz einer bundesgesetzlichen Ordnung der Ferien allgemein anerkannt. Bei der Regelung im einzelnen, namentlich hinsichtlich der Dauer der Ferien, bestanden einige

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Differenzen, auch wenn die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehrheitlich die im Entwurf vorgesehene Zahl von Ferientagen guthiessen.

2. Die Expertenkommission knüpfte an die Vorschläge des Entwurfs 1950 an. Der Anspruch der Jugendlichen auf mindestens 18 Ferientage war unbestritten. Die Sondervorschriften, für Angestellte wurden im Interesse der'Vereinfachung fallen gelassen. Was die Eegelung der Ferien für erwachsene Arbeitnehmer betrifft, so wurden zunächst in Anlehnung an die kantonalen Ferienerlasse und die Gesamtarbeitsvertrage nach Dienstjahren beim gleichen Arbeitgeber abgestufte Ferien vorgeschlagen, die in den ersten fünf Dienstjahren wenigstens je 6, nach fünf Dienstjahren wenigstens je 9 und nach zehn Dienstjahren wenigstens je 12 Werktage betragen sollten. Diesem Vorschlag wurde in der Expertenkommission entgegengehalten, dass eine nach der Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber abgestufte Feriendauer dem öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes, nämlich dem Bedürfnis nach Ausspannung, weniger entspreche als eine einheitliche Mindestnorm von 12 Ferientagen für alle erwachsenen Arbeitnehmer. Nach eingehender Aussprache hat die Expertenkommission hi einer konsultativen Abstimmung mit knapper Mehrheit der einheitlichen Mindestnorm den Vorzug gegeben.

Als wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer bundesgesetzlichen Eegelung wurde von der nahezu einstimmigen Expertenkommission die Aufhebung der kantonalen Ferienerlasse betrachtet. Massgebend war dabei vor allem die Überlegung, dass der Weiterbestand der kantonalen Ferienregelung zu einer Rechtsungleichheit führen müsste, die einen der obersten Grundsätze unserer Verfassung in schwerwiegender Weise verletzen würde. Wenn der Bund den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz für die ganze Schweiz abschliessend regle, müsse auch für die Ferien eine abschliessende Ordnung geschaffen werden, um dem Wettlauf der Kantone auf diesem Gebiete, der immer mehr zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen werde, Einhalt zu gebieten.

Im Zusammenhang mit der Revision des Dienstvertragsrechts wurde die Auffassung vertreten, dass es sachgerechter wäre, die Ferien privatrechtlich, und zwar im Obligationenrecht, statt öffentlich-rechtlich zu regeln. Diese Auffassung ging davon aus, dass der Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes nur
Industrie, Gewerbe und Handel, nicht aber die Landwirtschaft und die privaten Haushaltungen umfasst. Mit Rücksicht auf die Arbeitnehmer dieser vom Arbeitsgesetz ausgenommenen Wirtschaftszweige, denen ein Ferienanspruch nicht ver-.

sagt werden kann, müsste daher das revidierte Obligationenrecht auch dann Ferienvorschriften aufstellen, wenn im Arbeitsgesetz eine öffentlich-rechtliche Ferienregelung getroffen werden sollte. Das Nebeneinander von privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Ferienregelung auf eidgenössischer Ebene würde aber zu unerwünschten Misshelligkeiten führen. Die privatrechtliche Ordnung der Ferien ermöglicht ferner die Berücksichtigung der Gesamt- und Normalarbeitsverträge sowie den Verzicht auf die öffentlich-rechtliche Kontrolle über den Vollzug. Aus diesen Erwägungen kamen sowohl die Expertenkommission für das Dienstvertragsrecht wie die Expertenkommission für das Arbeitsgesetz zum

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Schluss, dass die Ferien nicht öffentlich-rechtlich, sondern privat-rechtlich geordnet werden sollten. Weil aber die Vorlage für die Revision des Dienstvertragsrechts den eidgenössischen Bäten erst in einem spätem Zeitpunkt unterbreitet werden kann als der Entwurf zum Arbeitsgesetz, eine bundesrechtliche Ferienregelung jedoch als dringend erwünscht erscheint, sollte nach Auffassung der Expertenkommission die entsprechende Ergänzung des Obligationenrechts im Zusammenhang mit dem Erlass des Arbeitsgesetzes vorweggenommen werden.

3. Ebenso wie die Expertenkommission befürwortete auch die Eidgenössische Fabrikkommission den Einbau der Ferienregelung in das Obligationenrecht. Was die Dauer der Ferien betrifft, so war der Anspruch der jugendlichen Arbeitnehmer bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr auf mindestens 18 Ferientage gleichfalls unbestritten. Zur Ferienregelung für die Arbeitnehmer über 18 Jahren vertrat die Fabrikkommission die Auffassung, in Frage komme entweder eine einheitlicher Mindestanspruch von 12 Ferientagen oder aber ein gestaffelter Mindestanspruch nach Dienstjahren beim gleichen Arbeitgeber, bei dem die entsprechenden Ansätze der Expertenkommission um je drei Werktage auf 9, 12 und 15 Werktage erhöht werden sollten. Nach längern Beratungen wurde einstimmig die erste der beiden Lösungen vorgezogen. Dabei hielt die Fabrikkommission ausdrücklich fest, dags ihr Vorschlag von der Aufhebung der kantonalen Ferienerlasse abhängig sei und dass er gegenstandslos werde, wenn die kantonalen Ferien Vorschriften nicht aufgehoben werden. Im besondern wiesen die Arbeitgebervertreter darauf hin, dass sie der vorgesehenen Forienregelung nur dann zustimmen könnten, wenn G-ewähr dafür geboten sei, dass sie eine abschliessende Ordnung darstellt, die nicht vom kantonalen Becht überboten werden kann. Anderseits betonten die Arbeitnehmervertreter, dass die Aufhebung des kantonalen Ferienrechts nur dann in Betracht falle, wenn die eidgenössische Begelung vom gesamtschweizerischen Standpunkt aus als angemessen zu betrachten sei.

c. Die Ferienregelung des E n t w u r f e s (Art.60 = Art.841 bls OB) aa. Ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e oder zivilrechtliche Ferienordnung Mit den Expertenkommissionen für die Bevision des Dienstvertragsrechts . und für das Arbeitsgesetz und mit der Eidgenössischen
Fabrikkommission sind wir der Ansicht, dass eine zivilrechtliche Ordnung der Ferien einer öffentlichrechtlichen Begelung aus verschiedenen Gründen vorzuziehen ist. Einmal beschränkt sich die zivilrechtliche Ordnung nicht auf den Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes, sondern erfasst sämtliche Arbeitnehmer, gleichgültig oh sie unter das Arbeitsgesetz fallen oder nicht. Auch wenn aus den dargelegten Gründen die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und die Hausangestellten vom Gesetz nicht erfasst werden, sollte ihnen doch grundsätzlich ein Mindestanspruch auf Ferien wie den übrigen Arbeitnehmern zuerkannt werden. Sodann fallen mit der zivilrechtlichen Begelung die schwierigen Fragen der Kontrolle, die sich in

1019 diesem Zusammenhang stellen, dahin. Ferner musste schon bisher der Anspruch auf den Ferienlohn vom einzelnen Arbeitnehmer auf dem Weg des Zivilprozesses durchgesetzt werden, weshalb die Bestimmungen zur Durchsetzung ohnehin zivilrechtlich auszugestalten wären. Mit Eücksicht auf den engen Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Gewährung der Ferien selbst und dem Anspruch auf Ferienlohn erscheint es daher als gegeben, statt der öffentlich-rechtlichen Ferienregelung im Arbeitsgesetz Vorschriften über die Ferien in das Obligationenrecht aufzunehmen.

Der Mindestferienanspruch ist in dem Sinne als unabdingbar auszugestalten, dass er vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann. Damit wird praktisch der Ferienanspruch des Arbeitnehmers in gleicher Weise wie durch eine öffentlichrechtliche Eegelung gesichert.

60. Ausgestaltung der Ferienregelung Feriendauer (Abs.l). Die vorgeschlagene Lösung sieht einen lediglich nach dem Alter des Arbeitnehmers abgestuften Mindestanspruch vor. Die Anstellungsdauer beim gleichen Arbeitgeber wird dabei nicht berücksichtigt. Dies entspricht wohl am besten dem Gedanken eines im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers vorgeschriebenen Mindestanspruches. Für jugendliche Arbeitnehmer ist er auf drei Wochen festgesetzt, womit der besondern Schutzbedürftigkeit der Jugendlichen Eechnung getragen wird. Für alle übrigen Arbeitnehmer beträgt er von Anfang an zwei Wochen, was als angemessen betrachtet werden kann. Diese Eegelung bedeutet eine grundsätzliche Neuerung für die 13 Kantone, in denen überhaupt kein gesetzlicher Ferienanspruch für erwachsene Arbeitnehmer besteht ; abgesehen von Zürich, Neuenburg und Genf geht sie aber auch weiter als die geltenden kantonalen Ferienregelungen, nach denen der Mindestanspruch auf zwei Ferienwochen nicht bereits im ersten Dienstjahr, sondern erst im siebenten (Waadt) oder im elften Dienstjahr (Schwyz, Glarus, Zug, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Land und Tessin) zuerkannt wird oder nur ein Mindestanspruch auf eine Ferienwoche besteht (Wallis).

Die Bemessung des Ferienanspruchs nach Wochen statt nach Arbeits- oder Werktagen nimmt auf die besonderen Verhältnisse der, Fünftagewoche und des ununterbrochenen Betriebes Eücksicht.,Der Mindestanspruch auf zw.ei bzw. drei Wochen Ferien im Jahr bezieht sich auf das beim gleichen Arbeitgeber
geleistete Dienstjahr, das mit dem Kalenderjahr nicht übereinstimmen muss. Dauert das Arbeitsverhältnis weniger als ein volles Dienstjahr, so hat der Arbeitnehmer gegenüber dem betreffenden Arbeitgeber Anspruch auf Ferien im Verhältnis der Anstellungsdauer zum vollen Dienstjahr, z.B. auf eine bzw. anderthalb Wochen bei einer Beschäftigung während sechs Monaten.

Der Ferienanspruch gilt für sämtliche Arbeitnehmer, die auf Grund eines Dienstvertrages angestellt sind, während die öffentlichen Beamten und Angestellten unter dem öffentlichen Eecht des Bundes und der Kantone stehen (Art.362, Abs.l OE). Dasselbe gilt auch für Heimarbeiter, soweit deren Eechts-

1020 Verhältnis zum Arbeitgeber als Dienstvertragsverhältnis zu betrachten ist. Die Heimarbeiter waren bis anhin fast durchwegs den bestehenden kantonalen Feriengesetzen unterstellt, sofern sie regelmässig beschäftigt werden oder eine gewisse Lohnsumme erreichen. Des weitem bestehen in verschiedenen Heimarbeitszweigen Gesamtarbeitsverträge, die Ferienbestimmungen enthalten, wie in der Kartonage und der Konfektions- und Wäscheindustrie, und ferner können sich Mindestlohnfestsetzungen gemäss Artikel 12, Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 auch auf den Ferienlohn als «soziale Nebenleistung» beziehen.

Bei der in Aussicht genommenen Gesamtrevision des Heimarbeitsgesetzes, für welche die Vorarbeiten bereits aufgenommen wurden, soll auch die Ferienfrage für die Heimarbeiter allgemein von Bundes wegen geordnet werden. Die Ferienbestimmungen für Heimarbeiter in Gesamtarbeitsverträgen bleiben selbstverständlich unberührt.

A n s e t z u n g der Ferien (Abs. 2). Die Ferien sind in der Eegel zusammenhängend und im Verlaufe des betreffenden Dienstjahres, spätestens aber im folgenden Dienstjahr zu gewähren. Mit Rücksicht darauf, dass zusammenhängende Ferien der Erholung dienlicher sind, wird vorgeschrieben, dass bei jugendlichen Arbeitnehmern zwei Ferienwochen zusammenhängen müssen; für die übrigen Arbeitnehmer wird die Gewährung zusammenhängender Ferien wenigstens als Eegel aufgestellt. Der Zeitpunkt und gegebenenfalls die Aufteilung der Ferien werden vom Arbeitgeber bestimmt, der auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Bücksicht zu nehmen hat, als dies mit den Interessen des Betriebes vereinbar ist.

Ferienlohn (Abs.8). Der Grundsatz, dass es sich um bezahlte Ferien handeln muss, wird dahin umschrieben, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn, unter Einschluss der Zulagen von dauerndem Charakter samt einer angemessenen Entschädigung für ausfallenden Naturallohn, zu entrichten hat. Dieser Grundsatz kann in den Gesamt- und Normalarbeitsverträgen sowie in Einzelarbeitsverträgen näher ausgeführt werden. Im übrigen bleibt seine Anwendung dem Richter überlassen.

Der Ferienlohn ist für alle in die Ferien fallenden Tage zu entrichten, auch für Feiertage, und es ist Sache der Verträge, den Ersatz von Feiertagen durch andere Ruhetage zu regem.

Verbot der
A b g e l t u n g (Abs.4). Entsprechend der Regelung für die Ruhezeit .(Art.20) dürfen die Ferien während der Dauer des Dienstverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden.

Dagegen muss eine solche Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Beteiligten freistehen, weil es in diesem Falle meistens gar nicht mehr möglich ist, Ferien zu gewähren.

Verbot der Schwarzarbeit (Abs.5). Das Verbot der Schwarzarbeit während der Ferien, das bei den Beratungen der frühern Entwürfe stark umstritten war, wird auf entgeltliche Arbeit für Dritte beschränkt, sofern dadurch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt werden. Es gilt somit nicht

1021 für andere Arbeit, auch nicht für solche, durch die der Arbeitnehmer in Wettbewerb zu Betrieben tritt, auf welche das Gesetz Anwendung findet. Wird das Verbot verletzt, so kann der Arbeitgeber den Ferienlohn verweigern und bereits bezahlten Ferienlohn zurückfordern.

co. Verhältnis zu den gesetzlichen Vorschriften über den Gesamtarbeitsvertrag und N o r m a l a r b e i t s v e r t r a g (Abs. 6) Soll die bundesrechtliche Eegelung ihren Zweck erreichen, so muss der Ferienanspruch als gesetzlicher Mindestanspruch ausgestaltet werden. Durch Gesamtarbeitsverträge oder Einzeldienstverträge können weitergehende Ferienansprüche festgesetzt werden. Dagegen erhebt sich die Frage, ob der Gesamtarbeitsvertrag auch eine vom gesetzlichen Mindestanspruch abweichende Eegelung treffen kann. Entsprechend der Mehrzahl der kantonalen Ferienerlasse wird vorgesehen, dass dies hinsichtlich der Bestimmungen der Absätze l bis 8 (Feriendauer, Ansetzung der Ferien und Ferienlohn) möglich ist, sofern die Eegelung der Gesamtarbeitsverträge im ganzen den gesetzlichen Vorschriften mindestens gleichwertig ist. Die Vorschriften über die Abgeltung der Ferien sowie über die Schwarzarbeit während der Ferien (Abs. 4 und 5) können dagegen durch Gesamtarbeitsvertrag nicht geändert und nicht wegbedungen werden.

Die Voraussetzung der Gleichwertigkeit der gesamtarbeitsvertraglichen Eegelung ist insbesondere für die Festsetzung der Feriendauer von Bedeutung.

Der Gesamtarbeitsvertrag bietet die Möglichkeit, an Stelle der gesetzlichen Mindestansätze für die beiden Altersklassen «Jugendliche Arbeitnehmer» und «Übrige Arbeitnehmer» entweder eine grössere Zahl von einheitlichen Ansätzen nach Altersklassen oder aber für die erwachsenen Arbeitnehmer eine Abstufung des Ferienanspruchs nach Dienstjahren vorzusehen, wenn die erwähnte Voraussetzung erfüllt ist. Denkbar wäre z.B., für erwachsene Arbeitnehmer statt des einheitlichen Mindestanspruchs von zwei Ferienwochen im Gesamtarbeitsvertrag eine Abstufung von l Y2, 2 und 2% Wochen festzusetzen für die Altersklassen «19-28 Jahre», «29-40 Jahre» und «über 40 Jahre» oder aber für die ersten und zweiten fünf Dienstjahre und nach dem 10. Dienstjahr. Bei der Abstufung sowohl nach Altersjahren als auch nach Dienstjahren ist aber jeweils auf die Verhältnisse im persönlichen Geltungsbereich des
betreffenden Gesamtarbeitsvertrages, d.h. auf die Schichtung der Arbeitnehmer nach Altersstufen und Anstellungsdauer abzustellen, um die Frage der Gleichwertigkeit einer abgestuften gesamtarbeitsvertraglichen Eegelung einwandfrei beantworten zu können. Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit, die im Streitfall dem Eichter obliegt, ist somit vor allem jene Altersstufe oder Anstellungsdauer massgebend, die unter den vom Gesamtarbeitsvertrag zu erfassenden Arbeitnehmern am stärksten vertreten ist. Im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung ist die Gleichwertigkeit von der zuständigen Behörde zu prüfen.

Im Unterschied zum Gesamtarbeitsvertrag kann der Normalarbeitsvertrag eine von den Vorschriften der Absätze l bis 3 abweichende Eegelung auch dann Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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1022 treffen, wenn sie für den Arbeitnehmer weniger günstig ist ; er kann deshalb auch Ferien von geringerer Dauer vorsehen. Diese Lösung ist deshalb zu verantworten, weil der Normalarbeitsvertrag von den Behörden des Bundes oder der Kantone erlassen wird und diese eine Ausnahme nur dann vorsehen werden, wenn sie mit Eücksicht auf die besondern Verhältnisse als geboten erscheint.

Auf diese Weise kann namentlich auf die Verhältnisse in der Landwirtschaft und im Hausdienst Eücksicht genommen werden, für die heute die kantonalen Normalarbeitsverträge zum Teil weniger weitgehende Ferienansprüche vorsehen.

Dagegen ist auch der Normalarbeitsvertrag an die Vorschriften der Absätze 4 und 5 gebunden.

dd. A u f h e b u n g der kantonalen Ferienerlasse (Art.68, Abs. 1) Was das Verhältnis der vorgeschlagenen bundesrechtlichen Regelung zum kantonalen Eecht betrifft, so sind, abgesehen von den staatspolitischen Überlegungen, welche die Aufhebung der kantonalen Gesetzgebungsbefugnis und die abschliessende Regelung durch den Bund nahelegen, auch rechtliche Gründe massgebend. In Betracht fällt zunächst das Verhältnis des Bundeszivilrechts zum kantonalen Zivilrecht. Es ist nicht möglich, den Kantonen eine Befugnis zum Erlass zivilrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiete der Ferien einzuräumen.

Der Bund hat grundsätzlich im Bereich des Zivilrechts von seiner Gesetzgebungskompetenz umfassenden Gebrauch gemacht. Nur dort, wo regionale Verhältnisse zu berücksichtigen waren, hat das Zivilgesetzbuch vereinzelt für Fragen von untergeordneter Bedeutung den Kantonen die Befugnis zum Erlass entsprechender Vorschriften eingeräumt (vgl. Art. 59, Abs.8, 119, 849, 472, 552, 609, Abs.2, 616, 621o»»'«, 686, Abs.l, 688, 695, 697, Abs.2, 709, 740, 795, Abs.2, 830, 843, 853, 907, Abs.2, 915, 949, Abs.2 ZGB und Schlusstitel Art. 20, Abs.2, 88; Art.824 OE). Für die Ordnung der Ferien besteht nicht nur kein Bedürfnis nach einer regional verschiedenen Eegelung, sondern diese wäre angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Ferien völlig untragbar.

Auch wenn eine Befugnis der Kantone zum Erlass zivilrechtlicher Vorschriften nicht in Frage kommen kann, so bleibt weiter zu prüfen, ob die Kantone gestützt auf Artikel 6 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches weiterhin öffentlich-rechtliche Ferienbestimmungen erlassen können. Nach der
genannten Vorschrift werden die Kantone in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht-nicht beschränkt. Die Frage, ob eine Vorschrift des kantonalen öffentlichen Rechts, die sich auf ein vom Bundeszivilrecht geordnetes Sachgebiet bezieht, mit diesem vereinbar sei, wurde vom Bundesgericht in zahlreichen Fällen entschieden. Nach seiner ständigen Eechtsprechung dürfen die Kantone nur Vorschriften erlassen, die ihrem Sinn und Zweck nach dem öffentlichen Eecht angehören, die das Anwendungsgebiet des Bundeszivilrechts nur aus haltbaren Gründen des öffentlichen Eechts beschränken und weder dem Sinn und Geist des Zivilrechts widersprechen noch dieses vereiteln (BGE 58, I, 26; 61, II, 853; 73, I, 228; 76,1, 305, 821; 85,11, 378). Wenn nun der Bundes-

1028 zivilgesetzgeber eine Ferienregelung aufstellt, so würden öffentlich-rechtliche Ferienvorschriften der Kantone zweifellos in das Bundeszivilrecht eingreifen.

Mit der Eegelung der Ferien durch den Bund fällt daher die Kompetenz der Kantone zum Erlass öffentlich-rechtlicher Vorschriften auf diesem Sachgebiet dahin. Würde das Verhältnis zwischen der zivilrechtlichen Bestimmung des Bundes und den öffentlich-rechtlichen Ferienvorschriften der Kantone im Gesetz nicht ausdrücklich im Sinne der ausschliesslichen Geltung des Bundesrechts geordnet, so müsste im Streitfalle das Bundesgericht darüber entscheiden, ob das kantonale öffentliche Eecht mit der zivilrechtlichen Ordnung des Bundes vereinbar sei. Nach der bisherigen Kechtsprechung ist nicht daran zu zweifehl, dass das Bundesgericht gegen diese Vereinbarkeit entscheiden wird. Im Interèsse der Kechtssicherheit empfiehlt es sich jedoch, mit den kantonalen öffentlichrechtlichen Vorschriften, welche vom Gesetz geregelte Sachgebiete betreffen, auch die kantonalen Ferienvorschriften durch das Gesetz ausdrücklich aufzuheben (Art. 68, Abs. 1).

3. Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (Art. 61) Die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) stehen mit dem Einbau des geltenden Fabrikgesetzes in das Arbeitsgesetz im Zusammenhang. Zu deren Begründung verweisen wir auch auf die Bemerkungen zu Abschnitt II (Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung).

a. In Artikel 60, Absatz l, Ziffer 2 und Artikel 60blB, Ziffer 3 KUVG betreffend die Unterstellung unter die obligatorische Unfallversicherung sind die «dem Bundesgesetz vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken unterstellen Betriebe» und die «Fabrikbetriebe» durch die «industriellen Betriebe im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel» zu ersetzen (Ziff. l und 2).

b. Der Wortlaut von Artikel 65, Absätze l und 8 KUVG wird mit Artikel 5, Absatz l und Artikel 88, Absatz 3 des vorliegenden Entwurfs in Einklang gebracht (Ziff. 3).

c. Dem Kranken- und Unfallversicherungsgesetz wird ein neuer Artikel 65teT mit dem Bandtitel «c. Pflichten der Versicherten» eingefügt, dessen ersten beide Absätze dem Artikel 6 des vorliegenden Entwurfs entsprechen, während Absatz 8 auf die Nichtbefolgung der
Absätze l und 2 die Strafbestimmung von Artikel 66 KUVG als sinngemäss anwendbar erklärt (Ziff.4).

d. Im Zusammenhang mit der Änderung von Artikel 60, Absatz l, Ziffer 2 KUVG stellt sich die Frage, welche bisherigen «Fabriken» nach dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes nicht mehr als «industrielle Betriebe» zu betrachten sein werden, und umgekehrt, welche Gewerbebetriebe, die dem Fabrikgesetz nicht unterstellt waren, künftig als «industrielle Betriebe» zu gelten haben. Die Beantwortung dieser Frage ist von Bedeutung nicht nur wegen der Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes, die lediglich auf «industrielle Betriebe» anwend-

1024 bar sind (insbesondere die Vorschriften über die Plangenehmigung und die Arbeitszeitregelung), sondern auch wegen der damit verbundenen automatischen Unterstellung der «industriellen Betriebe» unter die obligatorische Unfallversicherung.

Wie bereits im Abschnitt I (Geltungsbereich), Ziffer 5 erwähnt, werden im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fabriken (annähernd 12 750 Fabriken mit 624500 Fabrikarbeitern) nur wenige Betriebe nicht als «industrielle Betriebe» im Sinne dés Arbeitsgesetzes zu betrachten sein ; es handelt sich somit um unbedeutende Veränderungen. Ein beträchtlicher Teil dieser Fabriken wird, auch wenn ihnen die Eigenschaft des «industriellen Betriebes» abgeht, gleichwohl auf Grund der Vorschriften des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes und der zugehörigen Verordnung I vom 25.März 1916 (vgl. insbesondere Art.16 und 17) weiterhin der obligatorischen Unfallversicherung unterstellt bleiben. Die Zahl der bisherigen Fabriken, die des Schutzes der obligatorischen Unfallversicherung verlustig gehen werden, wird daher noch wesentlich kleiner.

Um diesen verbleibenden Fällen Eechnung zu tragen, ist eine Übergangsvorschrift (Art. 182 KUVG) vorgesehen, wonach während einer Frist von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes die Angestellten und Arbeiter der Betriebe, die bisher als Fabriken der obligatorischen Unfallversicherung unterstellt waren, aber ihr künftig als nicht-industrielle Betriebe nicht mehr unterstellt sein werden, weiterhin bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt versichert bleiben (Ziff. 5). Sollte sich die Weiterführung der obligatorischen Unfallversicherung auch für diese geringe Zahl von Betrieben wegen ihrer Unfallgefahren nach Ablauf der Fünf Jahresfrist nach wie vor als gerechtfertigt erweisen, so kann der Bundesrat gestützt auf Artikel 60bls, Ziffer l, Buchstaben a bis c KUVG, insbesondere auf Grund von Buchstabe c (Unternehmungen, «die mit betriebsfährlichen Maschinen oder Einrichtungen arbeiten»), auf dem Verordnungswege die Unterstellung dieser Betriebe unter die obligatorische Unfallversicherung beschliessen.

4. Arbeitszeitgesetz (Art.62) Im Bundesgesetz vom 6.März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten (AZG), sind folgende Änderungen vorzunehmen: a. Nach Artikel l, Absatz 6 AZG bleiben
die fabrikgesetzlichen Vorschriften vorbehalten. Mit der Aufhebung des Fabrikgesetzes (Art.67, Abs.l, Buchstabe b) und der Nichtanwendbarkeit des vorliegenden Gesetzes auf Betriebe, die dem Arbeitszeitgesetz unterstehen (Art.2, Abs.l, Buchstabe b), wird dieser Vorbehalt gegenstandslos, so dass er gestrichen werden kann (Ziff.l).

b. Gemäss Artikel 8, Absatz 2 AZG dürfen Wöchnerinnen von ihrer Niederkunft hinweg während sechs Wochen nicht im Dienst einer diesem Gesetz unterstellten Verkehrsanstalt beschäftigt werden. Dieser Wöchnerinnenschutz geht weniger weit als die Vorschrift von Artikel 69, Absatz l des Fabrikgesetzes,

1025 wonach auf Wunsch der Wöchnerinnen die erwähnte Frist bis auf acht Wochen verlängert werden soll, und noch weniger weit als Artikel 33, Absatz 2 des vorliegenden Entwurfes, gemäss welchem das Beschäftigungsverbot für Wöchnerinnen während acht Wochen nach der Niederkunft besteht, mit der Möglichkeit der Verkürzung bis auf sechs Wochen auf Verlangen der Wöchnerin. Es ist nun aber nicht einzusehen, weshalb das Arbeitszeitgesetz den Wöchnerinnenschutz ungünstiger regeln sollte als der vorliegende Entwurf, ganz abgesehen davon, dass im Arbeitszeitgesetz der Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter überhaupt nicht geregelt wird. Artikel 8, Absatz 2 AZG ist daher zu streichen (Ziff. 2), in der Meinung, dass .gestützt auf Artikel 2, Absatz 3 bis zur Gesamtrevision des Arbeitszeitgesetzes Artikel 33 des vorliegenden Entwurfes auf Betriebe, die dem Arbeitszeitgesetz unterstehen, anwendbar erklärt werden soll.

5. Heimarbeitsgesetz (Art.63) Wie bereits im Kapitel B, Abschnitt V, b ausgeführt wurde, wird das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit (Heimarbeitsgesetz, HAG) nicht in den Entwurf einbezogen. Dagegen soll die Gelegenheit benützt werden, um einige Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend den bisherigen Erfahrungen abzuändern oder den betreffenden Vorschriften des Entwurfs anzupassen.

a. Gemäss Artikel 3, Absatz l HAG können die Entscheide der Kantonsregierungen über die Anwendbarkeit des Gesetzes in Zweifelsfällen an den Bundesrat weitergezogen werden. Der Entwurf sieht demgegenüber für den Weiterzug von Entscheiden der letzten kantonalen Instanz über die Anwendbarkeit des Gesetzes die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vor (Ziff.l).

b. Im Wortlaut von Artikel 8, Absatz 5 HAG braucht das Konkursprivileg für Guthaben aus Heimarbeit mit Rücksicht auf Artikel 59 des vorliegenden Entwurfes nicht mehr erwähnt zu werden. Dieser Absatz beschränkt sich daher auf die authentische Interpretation von Artikel 93 des Bundesgesetzes vom l I.April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs betreffend das Pfändungsprivileg (Ziff. 2).

c. Artikel 10, Absatz 2 HAG, der den Bundesrat ermächtigt, «weitere Einschränkungen der nicht fabrikmässigen Uhrenindustrie zu beschliessen», bedeutet insofern einen Fremdkörper im Heimarbeitsgesetz, als er sich nicht nur auf die Heimarbeit,
sondern auch auf die Klein- und Familienbetriebe der Uhrenindustrie bezieht. Diese Vorschrift fand deshalb in das Heimarbeitsgesetz Ein-.

gang, weil die Bundesratsbeschlüsse vom 9. Oktober 1936 und vom 29. Dezember 1937 über die Ordnung in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie sich auf den befristeten Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland stützten. Um für die Regelung der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie eine von diesem Bundesbeschluss unabhängige Rechtsgrundlage zu schaffen, wurde eine entsprechende Ermächtigung in das

1026 Heimarbeitsgesetz aufgenommen. Seither wurde der Bundesrat durch Artikel 5 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie (Uhrenstatut) verpflichtet, «Massnahmen zur Ordnung der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie zu ergreifen». Sofern besondere Bestimmungen über die nichtfabrikmässige Uhrenindustrie, zu der auch die Heimarbeit gehört, notwendig sind, sollten diese ausschliesslich im Uhrenstatut verankert werden. Artikel 10, Absatz 2 HAG ist daher aufzuheben (Ziff .3).

d. Gestützt auf Artikel 11 HAG wurden für verschiedene Erwerbszweige sechs Fachkommissionen eingesetzt, die sich mit, den Arbeits- und Lohnverhältnissen in den betreffenden Heimarbeitszweigen zu befassen haben, nämlich die Fachkommissionen für die Bandweberei, die Bekleidungsbranche, die Holzwarenbranche, die Papierwarenbranche, die Stickerei und die Uhrenindustrie.

Bei der Inkraftsetzung des Heimarbeitsgesetzes war es angezeigt, Fachkommissionen für die einzelnen Erwerbszweige einzusetzen, um die Verhältnisse abzuklären und Erfahrungen zu sammeln. Seither haben sich jedoch die Verhältnisse grundlegend geändert, und der vor bald zwanzig Jahren eingesetzte administrative Apparat erscheint heute als zu umfangreich und schwerfällig.

Die meisten der bestehenden Fachkommissionen haben seit mehreren Jahren überhaupt keine Sitzungen mehr abgehalten. Der Entwurf sieht daher vor, dass der Bundesrat nur noch eine einzige Eidgenössische Heimarbeitskommission bestellt, worin der Bund, die Kantone, die Wissenschaft, die Arbeitgeber und die Heimarbeiter angemessen vertreten sind. Für Erwerbszweige, in denen in erheblichem Umfange Heimarbeit ausgegeben wird, kann die Kommission Ausschüsse bilden und Sachverständige beiziehen (Ziff. 4).

e. Nach Artikel 12, Absatz l HAG kann der Bundesrat Mindestlöhne durch Verordnung festsetzen oder « Gesamtarbeitsverträge und Lohntarife nach Begutachtung durch unabhängige Sachverständige für alle Angehörigen der botreffenden Erwerbsgruppe zur allgemeinverbindlichen Regelung erklären», «wenn Löhne und Entgelt in der Heimarbeit eines Erwerbszweiges aussergewöhnlich niedrig sind und ihre wirksame Regelung durch die beteiligten Arbeitgeber und Heimarbeiter selbst nicht möglich ist».

Es handelt sich dabei um eine Allgemeinverbindlicherklärung mit
öffentlich-rechtlicher Wirkung, indem für den Fall von Widerhandlungen gegen die Lohnfestsetzung Strafsanktionen angedroht sind (Art.20, Abs. l, Buchstaben a und 6 HAG). Mit der im Entwurf vorgeschlagenen Neufassung von Artikel 12, Absatz l HAG soll die bisherige Doppelspurigkeit beseitigt werden und nur noch von Lohnfestsetzungen auf dem Wege der Verordnung die Rede sein. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen wird zwar in der Heimarbeit nach wie vor möglich sein. Sie soll jedoch nach den allgemeinen Vorschriften des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen erfolgen. Angeordnet werden soll sie nur, wenn die Verbände selbst Gewähr für die Durchsetzung der Mindestlohnvereinbarungen bieten und nicht auf das Eingreifen der Vollzugs-

1027 behörden sowie auf Strafsanktionen angewiesen sind. Fehlen diese Voraussetzungen, so sind die Mindestlöhne gegebenenfalls nach Anhörung der beteiligten Kantone, der Eidgenössischen Heimarbeitskommission und der beteiligten Berufsverbände vom Bundesrat durch Verordnung festzusetzen (Ziff. 5).

/. Artikel 16, Absatz 2 HAG über die Schweigepflicht erhält die Fassung von Artikel 40 des vorliegenden Entwurfs (Ziff. 6).

g. Gemäss Artikel 20, Absatz l, Buchstabe c HAG werden Amtspersonen, Mitglieder der Fachkommissionen und Sachverständige, die der Bestimmung des Artikels 16, Absatz 2 betreffend die Schwierigkeiten zu widerhandeln, mit Busse bis zu 1000 Franken bestraft. Ebenso wie bei Artikel 40 des Entwurfs kann auf den besondern Straftatbestand der Widerhandlung gegen die Schweigepflicht verzichtet werden, so dass Artikel 20, Absatz l, Buchstabe c HAG aufzuheben ist (Ziff. 7).

6. Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden (Art. 64) Artikel 9, Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1941 über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden, der bestimmt, dass Provisionsforderungen von Eeisenden als Lohnguthaben zu betrachten sind, kann aufgehoben werden, weil nach der Neufassung von Artikel 219, erste Klasse, Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (vgl. Ziff. l hievor) für sämtliche Forderungen aus dem Dienstverhältnis ein Konkursprivileg erster Klasse besteht.

7. Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 65) Artikel 99 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über Organisation der Bundesrechtspflege (Organisationsgesetz) zählt eine Eeihe von Fällen auf, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. Ziffer IX dieses Artikels erwähnt unter dem Eandtitel «Fabrik- und Gewerbewesen» die Entscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit über die Unterstellung unter das Fabrikgesetz sowie über die Unterstellung unter das Bundesgesetz vom 81.März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, ferner die kantonalen Entscheide nach Artikel 80 des Fabrikgesetzes über Gesuche und Genehmigung von Kassenstatuten (Personalfürsorge).

Mit der Aufhebung des Fabrikgesetzes und des Bundesgesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben wird eine Anpassung dieser Vorschrift
notwendig, die dem Artikel 51, Absatz l, und 53, Absatz l des Entwurfs entspricht und mit dem Eandtitel «Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel» versehen wird. Die Beschwerde soll nunmehr zulässig sein gegen Entscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit betreffend die Unterstellung einzelner industrieller Betriebe unter die Sondervorschriften des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Buchstabe a) sowie gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz über die An-

1028 wendbarkeit des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitnehmer in industriellen und nicht-industriellen Betrieben (Buchstabe V).

Die bisherige Beschwerde gegen kantonale Entscheide nach Artikel 80 des Fabrikgesetzes fällt dahin, weil der Entwurf die Bestimmungen über die den Fabrikbetrieben angegliederten Kassen (Art. 79 und 80 des Fabrikgesetzes) nicht übernimmt (vgl. Kapitel B, Abschnitt I, Buchstabe a). Dieses Sachgebiet wurde im Bundesgesetz vom 21. März 1958 betreffend Ergänzung des Dienstvertragsund des Stiftungsrechts (Wohlfahrtseinrichtungen für das Personal) geregelt.

Vin. Schluss- und Übergangsbestimmungen (Art. 66-69) Dieser Abschnitt ordnet den Vorbehalt des geltenden Eechts (Art. 66) und die Aufhebung eidgenössischer und kantonaler Vorschriften (Art. 67 und 68) sowie das Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 69).

1. Vorbehalt geltenden Rechts (Art. 66) In diesem Artikel werden die verschiedenen Gruppen von Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden umschrieben, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes insbesondere vorbehalten bleiben.

a. Im Zusammenhang mit der Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung sowie mit der Arbeits- und Euhezeit steht der Vorbehalt der Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung, über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten und über die Arbeits- und Euhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer (Buchstabe o). In Betracht fallen die Bundesgesetze vom 26. Juni 1980 über die berufliche Ausbildung und vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung; unerheblich ist dabei, dass einzelne der auf dem letztgenannten Gesetz beruhenden Verordnungen über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sich gleichzeitig auf das nunmehr dahinfallende Fabrikgesetz stützen. Auf dem Gebiete der Arbeits- und Euhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer soll die geltende Verordnung vom 4. Dezember 1988 durch eine neue Verordnung ersetzt werden, die sich auf Artikel 56 des Bundesgesetzes vom 19.Dezember 1958 über den Strassenverkehr stützen wird.

b. Vorbehalten bleiben ferner Polizeivorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (Buchstabe b). Solche Vorschriften über die Bau-, Feuer-, Gesundheits- und Wasserpolizei sind vor allem von Bedeutung
im Zusammenhang mit den Vorschriften des Entwurfs über die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung. Zu den vorbehaltenen Vorschriften des Bundes gehört unter anderem auch das Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz). Die ebenfalls erwähnten Vorschriften der Kantone und der Gemeinden über die Sonntagsruhe und die Öffnungszeiten von Betrieben des Detailverkaufs, der Bewirtung und der Unterhaltung, die vielfach in Verbindung mit der Eegelung der Arbeits- und Euhe-

1029 zeit von Arbeitnehmern erlassen werden, fallen insbesondere auch bei der Unterscheidung zwischen weiterhin geltendem und aufzuhebendem kantonalem Eecht ins Gewicht (vgl. Art. 68).

2. Aufhebung geltenden Hechts (Art. 67 und 68) a. Bundesrecht ( A r t . 67) Mit dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes werden fünf Arbeitsschutzgesetze des Bundes nebst den zugehörigen Ausführungsbestimmungen aufgehoben (Abs.l). Wie bereits im Abschnitt III, Ziffer 3 ausgeführt wurde, sollen die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 2. November 1898 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen, soweit sie sich auf den Vertrieb von Zündhölzchen beziehen, in die Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen aufgenommen werden.

Gewisse Artikel des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken können trotz des Inkrafttretens des Arbeitsgesetzes noch nicht aufgehoben werden (Abs. 2). So sind die zivilrechtlichen Vorschriften des Fabrikgesetzes über das Bechtsverhältnis zwischen Fabrikinhaber und Arbeitern (Art. 20-26, 28, 29 und 69, Abs. 2 und 5) für industrielle Betriebe bis zum Inkrafttreten des revidierten Dienstvertragsrechts weiterhin in Kraft zu belassen (Buchstabe a; vgl. Kapitel B, Abschnitt I, a). Ebenso müssen auch die Vorschriften des Fabrikgesetzes über das Einigungswesen (Art. 30, 31 und 33 bis 35) für industrielle Betriebe bis zum Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die Eidgenössische Einigungsstelle in Kraft bleiben (Buchstabe b ; vgl. Kapitel B, Abschnitt I, V).

Nicht aufgehoben werden kann ferner das Bundesgesetz vom 28.März 1934 über die Gewichtsbezeichnung an schweren, zur Verschiffung bestimmten Frachtstücken. Der Erlass dieses Bundesgesetzes war die Voraussetzung für die Batifikation des internationalen Übereinkommens Nr. 27 über die Gewichtsbezeichnung an schweren, zur Verschiffung bestimmten Frachtstücken (1929) durch die Schweiz. Übereinkommen und Bundesgesetz tragen dem Umstände Bechnung, «dass bei Frachtstücken, die für den Transport auf Schiffen bestimmt sind, oft nicht ohne weiteres zu erkennen ist, ob sie schwer oder leicht sind. Besteht die Sendung aus mehreren Teilen, so geht aus den Begleitpapieren meist nur das Gesamtgewicht, nicht aber das Gewicht des einzelnen Stückes hervor. Die Folge hievon
ist, dass die Krananlagen überlastet und beschädigt werden und dass daraus Unfälle der beim Beladen und Entladen beschäftigten Arbeiter entstehen können. Diese Gefahr soll durch die Gewichtsangabe, die das Übereinkommen vorsieht, verhütet werden» (BEI 1933, II, 746). Es handelt sich somit um die Ordnung einer Sonderfrage des Arbeitsschutzes, die gleichzeitig das Transportrecht berührt. Mit Bücksicht darauf, dass im Übereinkommen Nr. 27 keinerlei Einschränkungen des betrieblichen oder persönlichen Geltungsbereichs vorgesehen sind, können die entsprechenden Vorschriften nicht dem Arbeitsgesetz einverleibt werden, weshalb das Spezialgesetz als solches beizubehalten ist.

1030 b. Kantonales und G e m e i n d e r e c h t (Art. 68) Wie bereits im Kapitel B, Abschnitt II dargelegt wurde, soll das Arbeitsgesetz auf den von ihm geregelten Sachgebieten eine abschliessende Ordnung herbeiführen. Mit dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes werden daher die entsprechenden Vorschriften der Kantone und der Gemeinden aufgehoben. Ebenso fallen, wie in Abschnitt VII, Ziffer 2 ausgeführt wurde, auch die kantonalen Ferienvorschriften dahin (Abs.l).

Die Kantone haben bis zum Inkrafttreten des Gesetzes verbindlich festzustellen, welche kantonalen und Gemeindevorschriften aufgehoben werden und welche weiterhin gelten (Abs. 2). Diese Ausscheidung, die der Genehmigung durch den Bundesrat bedarf, kommt insofern besondere Bedeutung zu, als vielfach die kantonalen Polizeigesetze und ebenso entsprechende Erlasse der Gemeinden auch Arbeitsschutzbestimmungen enthalten (vgl. Art. 66, Buchstabe fe).

3. Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 69) * Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Arbeitsgesetzes soll vom Bundesrat bestimmt werden. Um die Einführung des Gesetzes möglichst reibungslos zu gestalten, wird ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass einzelne Teile oder Vorschriften des Gesetzes auf einen verschiedenen Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden können (Abs.l). Für diesen Fall ist gleichzeitig zu bestimmen, ob und inwieweit die in Artikel 67, Absatz l genannten Bundesgesetze aufgehoben sind (Abs. 2).

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen die Annahme des beiliegenden Bundesgesetzes zu empfehlen. Ferner beantragen wir Ihnen die Abschreibung der Postulate des Nationalrates Nrn. 7192, 7241 und 7711 (Vincent, Widmer und Berger-Zürich) vom 18. September 1957, 18. September 1957 und 10. Juni 1959 sowie Ihrer Motion vom 4./19. Juni 1958 betreffend das Arbeitsgesetz (zu 7539), welchen mit dieser Botschaft Folge gegeben wurde.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 80. September 1960.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Anhang

Wöchentliche Arbeitsdauer am Ende des 2. Quartals 1960

nach den vierteljährlichen Erhebungen über die Lage der Industrie und des Baugewerbes Prozentverteilung der beschäftigten Arbeiter nach Arbeitszeitstufen (Stunden).

Industrlegnippen

Nahrungs- und Genussmittel, Getränke Textilindustrie Baumwollindustrie Seiden, Kunstfasernindustrie. .

Wollindustrie Leinenindustrie Stickereiindustrie Veredlungsindustrie Übrige Textilindustrie . . . .

Bekleidung, Wäsche . . . . . .

Bekleidung aus gewobenen Stoffen Wirkerei und Stickerei . . . .

Schuhindustrie Übrige Bekleidungsindustrie . .

Ausrüstungsgegenstände . . . .

Holzindustrie Papierindustrie Graphische Industrie, Buchbinderei Leder-, Kautschukindustrie . . .

Chemische Industrie Erden und Steine Metall- und Maschinenindustrie .

Uhrenindustrie, Bijouterie. . . .

Industrie zusammen :

1960 1960 1959 1960 1960 1959

über 48 bis 52

36 bis unter 40

40 bis unter 44

44 bis unter 46

2,2 1,1 1,2 0,4 0,8 1,7 1,4 0,6 3,8 2,3

0,6 1,0 0,7 0,2 0,7 0,8 0,9 0,6 5,1 1,8

2,4 2,9 2,3 3,4 0,7 2,4 2,4 1,8 10,3 6,6

28,2 18,4 32,8 17,1 3,7 28,8 6,5 6,0 13,4 20,8

44,3 56,1 45,6 68,6 64,1 58,2 49,8 64,9 43,2 59,8

12,1 12,6 13,8 8,2 24,2 2,3 25,9 . 3,6 9,7 4,8

5,9 6,1 3,6 2,1 5,4 5,8 9,2 14,0 11,2 3,7

1,4 3,8 2,3 3,0 2,3 0,7 1,2

1,7 2,1 1,9 1,9 0,7 0,3 0,8

4,8 6,5 10,4 7,6 6,4 1,4 2,2

25,4 15,1 12,7 25,6 33,4 15,3 18,5

60,5 65,5 63,3 42,1 38,5 55,4 63,3

4,8 1,9 2,7 13,0 8,8 10,8 10,7

1,4 5,1 6,1 6,4 8,9 11,0 2,2

0,6 0,4 1,0 5,1 1,1

1,0 1,0 0,3 0,4 0,1 1,2

3,1 0,5 0,4 0,1 0,0 1,8

12,1 2,1 5,1 0,4 1,9 5,4

77,7 36,7 16,5 8,5 74,6

3,7 51,9 17,2 62,2 9,0 81,0

0,7 5,2 6,3 16,8 3,5 0,5

1,1 1,9 2,7 7,3 8,2 0,9

0,6 0,7 1,5 4,3 2,7 0,4

0,8 0,9 1,2

0,7 0,6 0,8 0,1 0,1 0,1

5,9 .5,4 4,9 0,6 1,2 0,3

43,6 14,4 11,9 0,7 4,7 1,3

34,7 63,6 63,6 43,3 39,6 9,5

6,1 6,7 10,3 3,5 3,3 5,4

6,0 6,1 5,5 32,8 34,1 52,0

2,2 2,3 1,8 18,7 16,6 31,0

0,3 0,4 0,4

48

über 52

4,3 1,8 0,4

3,9 8,5 3,a 0,2

1031

Baugewerbe :

2. Quartal 1. Quartal 2. Quartal 2. Quartal 1. Quartal 2. Quartal

46 bis unter 48

unter 36

1032 (Entwurf)

Bundesgesetz über

die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 26, 81blB, AI. 2, 34»'», 34'er, 36, 64, 64bla, 103 und bls 114 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 30. September I960, beschliesst : I. Geltungsbereich

Anwendbarkeit

Art, l Das Gesetz ist, unter Vorbehalt von Artikel 2 und 3, anwendbar auf alle öffentlichen und privaten Betriebe, wie namentlich solche der Industrie, des Handwerks, des Handels, des Bank-, Versicherungs-, Transportund Gastgewerbes, der Krankenpflege und anderer Dienstleistungen.

2 Das Gesetz ist ferner anwendbar auf Forstbetriebe öffentlicher Waldungen im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Forstpolizei.

3 Ein Betrieb im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn ein Arbeitgeber dauernd oder vorübergehend einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, unabhängig davon, ob bestimmte Einrichtungen oder Anlagen vorhanden sind.

4 Sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Gesetzes nur für einzelne Teile eines Betriebes gegeben, so ist das Gesetz nur auf diese anwendbar.

5 Auf Arbeitnehmer, die von einem im Ausland gelegenen Betrieb in der Schweiz beschäftigt werden, ist das Gesetz anwendbar, soweit die?

nach den Umständen möglich ist.

1

1033 Art. 2 1

Das Gesetz ist nicht anwendbar auf a. Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, die vorwiegend Beamte und andere in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehende Arbeitnehmer beschäftigen, sowie die Schweizerische Nationalbank und die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt ; fe. Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten unterstehen, unter Vorbehalt von Absatz 3 ; c. Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge unterstehen; d. Betriebe der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Urproduktion, mit Einschluss von Nebenbetrieben, in denen überwiegend die Erzeugnisse des Hauptbetriebes verarbeitet oder verwertet werden, sowie der örtlichen Milchsammelstellen und der damit verbundenen Milchverarbeitungsbetriebe ; e. Fischereibetriebe; /. private Haushaltungen.

Nichtanwendbarkeit

2

Ferner ist das Gesetz nicht anwendbar auf a. Personen geistlichen Standes und andere Personen, die im Dienst von Kirchen stehen, sowie Angehörige von Ordens- und Mutterhäusern oder anderer religiöser Gemeinschaften; 6. das in der Schweiz wohnhafte Personal öffentlicher Verwaltungen ausländischer Staaten sowie internationaler Organisationen; o. das fliegende Personal der vorwiegend im internationalen Luftverkehr tätigen Betriebe sowie Arbeitnehmer, die dem internationalen Abkommen vom 21. Mai 1954 über die Arbeitsbedingungen der Eheinschif f er unterstehen ; d. Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben; e. Heimarbeiter im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Heimarbeit.

3 Durch Verordnung können einzelne Vorschriften des Gesetzes auf die in Absatz l, Buchstabe b genannten Betriebe anwendbar erklärt werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erforderlich ist.

Art. 3 1 Das Gesetz ist nicht anwendbar auf Betriebe, in denen lediglich der Ehegatte des Arbeitgebers, seine Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie und deren Ehegatten sowie seine Stief- und Adoptivkinder tätig sind.

Familienbetriebe

1034 2

Sind im Betrieb auch andere Personen tätig, so ist das Gesetz auf den Ehegatten und diejenigen Familienmitglieder des Arbeitgebers im Sinne von Absatz l, die auf Grund einer familienrechtlichen Pflicht im Betrieb mitarbeiten, nicht anwendbar. Stehen solche Familienmitglieder in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber, so sind auf sie die Artikel 5, 6,16 bis 18, 20, 27 bis 34 und 41 bis 58 anwendbar.

3 Durch Verordnung können einzelne Vorschriften des Gesetzes auf jugendliche Familienmitglieder im Sinne von Absatz l anwendbar erklärt werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erforderlich ist.

Sondervorschriften für industrielle Betriebe

Pflichten des Arbeitgebers

Art. 4 Soweit das Gesetz besondere Vorschriften für industrielle Betriebe vorsieht, sind diese auf den einzelnen Betrieb oder auf einzelne Betriebsteile nur anwendbar auf Grund einer Unterstellungsverfügung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (nachstehend Bundesamt genannt).

2 Als industrielle Betriebe im Sinne des Gesetzes gelten Betriebe mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie, sofern a. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation durch Maschinen oder andere technische Einrichtungen oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt werden und für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt werden, oder b. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden, oder c. Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer besonderen Gefahren ausgesetzt werden.

1

II. Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung Art. 5 1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer sowie zum Schutz der Umgebung des Betriebes vor schädlichen Auswirkungen die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar sowie den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind.

2 Der Arbeitgeber hat insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Unfälle, Krankheiten und Überbeanspruchung der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden.

1035 3 Bei der Gesundheitsvorsorge und beim Sicherheitsdienst gegen Unfallgefahren hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur Mitwirkung heranzuziehen.

Art. 6 1

Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, den Arbeitgeber in der Durchführung der Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung zu unterstützen.

2 Die Arbeitnehmer haben insbesondere die Gesundheits- und Sicherheitsvorkehren richtig anzuwenden und dürfen sie ohne besondere Erlaubnis des Arbeitgebers weder entfernen noch abändern.

Pflichten der Arbeitnehmer

Art. 7 1

Wer einen industriellen Betrieb errichten oder umgestalten'will, hat die Genehmigung der geplanten Anlage bei der kantonalen Behörde nachzusuchen. Diese holt das Gutachten des Eidgenössischen Arbeitsinspektorats und durch dessen Vermittlung die Weisungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ein.

2 Entspricht die geplante Anlage den Vorschriften des Bundes und der Kantone, so erteilt die kantonale Behörde die Plangenehmigung; nötigenfalls macht sie diese von der Vornahme besonderer Schutzvorkehren abhängig.

3 Bevor ein industrieller Betrieb seine Tätigkeit aufnimmt, hat er die Betriebsbewilligung der kantonalen Behörde nachzusuchen. Diese holt das Gutachten des Eidgenössischen Arbeitsinspektorats ein und erteilt die Betriebsbewilligung, wenn Bau und Einrichtung des Betriebes der Plangenehmigung entsprechen.

Plangenehmigung und Betriebabewilligung für industrielle, Betriebe

III. Arbeite- und Buhezeit 1. Arbeitszeit Art. 8 1

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt: a. 46 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Bureaupersonal, technische und andere Angestellte; fe. 52 Stunden für Arbeitnehmer des Baugewerbes und andere Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern mit witterungsbedingtem Arbeitsausfall ; c. 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer.

2 Für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch Verordnung zeitweise um höchstens vier Stunden verlängert werden, sofern sie im Jahresdurchschnitt nicht überschritten wird.

Wöchentlich» Höchstarbeitszeit

1036 3

Grenzen der Tagesarbeit

Ausgleich ausfallender Arbeitszeit

Uberzeitarbeit

Eine Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit um höchstens vier Stunden kann vom Bundesamt für bestimmte Gruppen von Betrieten oder Arbeitnehmern oder für bestimmte Betriebe bewilligt werden, sofern und solange zwingende Gründe dies rechtfertigen.

4 Auf Bureaupersonal, technische und andere Angestellte, die im gleichen Betrieb oder Betriebsteil zusammen mit Arbeitnehmern beschäftigt sind, für die eine längere wöchentliche Höchstarbeitszeit gilt, ist diese ebenfalls anwendbar.

Art. 9 1 Die Tagesarbeit darf im Sommer nicht vor 5 Uhr und im Winter nicht vor 6 Uhr beginnen und nicht länger als bis 20 Uhr dauern. Für Arbeitnehmer von industriellen Betrieben ist sie an Tagen vor Sonn- und Feiertagen spätestens um 17 Uhr zu beendigen.

2 Eine Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit kann bei nachgewiesenem Bedürfnis für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der kantonalen Behörde bewilligt werden.

3 Bei der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit darf die Arbeit nicht vor 4 Uhr beginnen und nicht länger als bis 24 Uhr dauern. Die Tagesarbeit muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von 14 Stunden liegen. Artikel 15, Absatz 4 ist sinngemäss anwendbar.

Art. 10 Wird die Arbeit wegen Betriebsstörungen, wegen Betriebsferien, zwischen arbeitsfreien Tagen oder unter ähnlichen Umständen ausgesetzt .oder werden einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch arbeitsfreie Tage eingeräumt, so darf der Arbeitgeber einen entsprechenden Ausgleich in Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit anordnen.

2 Der Zeitraum, innert welchem der Arbeitgeber den Ausgleich vornehmen darf, wird durch Verordnung bestimmt.

1

Art. 11 Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf ausnahmsweise überschritten werden a. bei Dringlichkeit der Arbeit oder ausserordentlichem Arbeitsandrang ; b. für Inventaraufnahmen, Rechnungsabschlüsse und Liquidationsarbeiten ; c. zur Vermeidung pder Beseitigung von Betriebsstörungen, soweit dem Arbeitgeber nicht andere Vorkehren zugemutet werden können.

2 Die Uberzeitarbeit darf für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr insgesamt nicht mehr als 220 Stunden betragen.

1

1037 3

Der Arbeitgeber darf bis 60 Überstunden im Kalenderjahr ohne behördliche Bewilligung anordnen. Für weitere Überstunden bedarf er einer Bewilligung der kantonalen Behörde.

4

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern für die Überzeitarbeit einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent auszurichten, dem Bureaupersonal sowie den technischen und andern Angestellten jedoch nur für Überzeitarbeit, die 60 Stunden im Jahr übersteigt. Wird im Einverständnis mit dem einzelnen Arbeitnehmer zum Ausgleich geleisteter Überzeitarbeit die ihr entsprechende Freizeit innerhalb eines angemessenen Zeitraumes gewährt, so ist kein Lohnzuschlag auszurichten.

.Art. 12 1

Für Hilfsarbeit darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden.

Hilfsarbeit

2 Als Hilfsarbeit gelten folgende Verrichtungen, sofern sie die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit überschreiten oder an Sonntagen oder an andern arbeitsfreien Tagen ausgeführt werden müssen: a. die täglichen Verrichtungen, welche die eigentliche Arbeit vorbereiten oder beendigen; b. das tägliche Eeinigen der Arbeitsräume und das Wegschaffen der Abfälle; c. die periodischen Hauptreinigungs- und Hauptinstandhaltungsarbeiten in den Arbeitsräumen und andere periodisch wiederkehrende Verrichtungen ; d. die unaufschiebbare Instandstellung von Arbeitsmaschinen, Apparaten, Transporteinrichtungen und Fahrzeugen; e. die Bedienung und Instandhaltung von Anlagen, die dem Betrieb Luft, Wasser, Licht, Wärme, Kälte, Dampf und Kraft vermitteln.

3 Die Hilfsarbeit ist möglichst zu beschränken und darf für den einzelnen Arbeitnehmer im Tag nur ausnahmsweise mehr als zwei Stunden betragen. Dauert sie länger als zwei Stunden, so ist am vorhergehenden oder folgenden Arbeitstag die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit um die zwei Stunden überschreitende Zeit zu verkürzen.

2. Ruhezeit

Art. 13 Die Arbeit ist durch Pausen von folgender Mindestdauer zu unterbrechen: o. eine Viertelstunde bei einer Arbeitszeit von mehr als fünfeinhalb Stunden : Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

74 1

Pausen

1038 l. eine halbe Stunde bei einer Arbeitszeit von mehr als sieben Stunden; c. eine Stunde bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden.

2 Die Pausen gelten als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen.

Verbot der Nachtarbeit

Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit

Art. 14 Während der Nacht ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern untersagt. Vorbehalten bleibt Artikel 15.

2 Als Nacht gilt im Sommer die Zeit zwischen 20 Uhr und 5 Uhr und im Winter die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr. Vorbehalten bleibt Artikel 9, Absatz 8.

Art. 15 1 Vorübergehende Nachtarbeit kann von der kantonalen Behörde bowilligt werden, wenn hiefür ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird.

Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmer zu vorübergehender Nachtarbeit nur mit ihrem Einverständnis heranziehen und hat dafür einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent zu bezahlen.

2 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit kann, wenn sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von dor kantonalen Behörde bewilligt werden.

3 Wird Nachtarbeit bewilligt, so darf die Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer zehn Stunden innert 24 Stunden nicht überschreiten und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von elf Stunden liegen.

4 Wird dem Arbeitnehmer eine zusammenhängende wöchentliche Buhezeit von mindestens 86 Stunden gewährt, so darf die tägliche Buhezeit einmal in der Woche auf acht Stunden herabgesetzt werden.

1

Art. 16 Verbot der Sonntagsarbeit

Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit

1

An Sonntagen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern untersagt.

Vorbehalten bleibt Artikel 17.

2 Die Kantone können höchstens acht Feiertage im Jahr den Sonntagen gleichstellen und sie nach Kantonstcilen verschieden ansetzen.

Art. 17 Vorübergehende Sonntagsarbeit kann von der kantonalen Behörde' bewilligt werden, wenn hiefür ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmer zu vorübergehender Sonntagsarbeit nur mit ihrem Einverständnis heranziehen und hat dafür einen, Lohnzuschlag von wenigstens 50 Prozent zu bezahlen.

1

-v

1089

-

2

Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonntagsarbeit kann, wenn sie aus technischen Joder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der kantonalen Behörde bewilb'gt werden.

3 Für den Besuch des Gottesdienstes ist den Arbeitnehmern auf ihren Wunsch die nötige Zeit nach Möglichkeit freizugeben.

Art. 18 1

Wird Sonntagsarbeit bewilligt und fällt diese auf den Vormittag und den Nachmittag oder dauert sie länger als fünf Stunden, so ist während der vorhergehenden oder folgenden Woche eine auf einen Arbeitstag fallende Ersatzruhe von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Innert drei Wochen muss wenigstens einmal ein ganzer Sonntag als wöchentlicher Euhetag freigegeben werden. Vorbehalten bleibt Artikel 23.

2 Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmer während der Ersatzruhe vorübergehend zur Arbeit heranziehen, soweit dies nötig ist, um dem Verderb von Gütern vorzubeugen oder um Betriebsstörungen zu vermeiden oder zu beseitigen; doch ist die Ersatzruhe spätestens in der folgenden Woche zu gewähren.

Art. 19 Wird die wöchentliche Arbeitszeit auf mehr als fünf Tage verteilt, so ist den Arbeitnehmern jede Woche ein freier Halbtag zu gewähren, mit Ausnahme der Wochen, in die ein arbeitsfreier Tag fällt.

2 Der Arbeitgeber darf im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer die wöchentlichen freien Halbtage für höchstens vier Wochen zusammenhängend gewähren; die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist im Durchschnitt einzuhalten.

3 Artikel 18, Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.

1

Ersatzrahe bei Sonntagsarbeit

Wöchentlicher freier Halbtag

Art. 20

Die Buhezeit darf nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden, ausser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Verbot der Abgeltung der Ruhezeit

3. Schichtarbeit und ununterbrochener Betrieb

Art. 21 Zweischichtige Tagesarbeit, mit der eine Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit verbunden ist, kann bei nachgewiesenem Bedürfnis für 1

Zweischichtige Tagesarbeit

1040 industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der kantonalen Behörde bewilligt werden.

2 In industriellen Betrieben darf die tägliche Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer neun Stunden nicht überschreiten und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von zehn Stunden liegen.

Artikel 15, Absatz 4 ist sinngemäss anwendbar.

Drei- und siiehrschlchtige Arbeit

Ununterbrochener Betrieb

Art. 22 Vorübergehende drei- oder mehrschichtige Arbeit kann von der kantonalen Behörde bewilligt werden, wenn hiefür ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmer zu vorübergehender Nachtarbeit nur mit ihrem Einverständnis heranziehen und hat dafür einen Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent zu bezahlen.

2 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende drei- oder mehrschichtige Arbeit kann, wenn sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der kantonalen Behörde bewilligt werden.

3 In industriellen Betrieben darf die Arbeitszeit innert 24 Stunden für den einzelnen Arbeitnehmer neun Stunden nicht überschreiten und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von zehn Stunden liegen. Artikel 15, Absatz 4 ist sinngemäss anwendbar.

1

Art. 23 Ununterbrochener Betrieb kann, wenn er aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, für industrielle Betriebe vom Bundesamt und für andere Betriebe von der kantonalen Behörde bewilligt werden.

2 Durch Verordnung wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und wie weit bei ununterbrochenem Betrieb die wöchentliche Höchstarbeitszeit verlängert und die Euhezeit verkürzt werden darf.

1

4. Weitere Vorschriften Weitere Schutzbestiinmungen

Art. 24 Zum Schutz der Arbeitnehmer können durch Verordnung weitere Bestimmungen aufgestellt werden über die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit, die Überzeit-, Hufs-, Nacht- und Sonntagsarbeit sowie die Schichtarbeit und den ununterbrochenen Betrieb.

2 Für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch Verordnung verkürzt werden, soweit dies zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendig ist.

1

1041 Art. 25 Durch Verordnung können bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern ganz oder teilweise von den Vorschriften der Artikel 8 bis 19, 21 bis 23, 29, 32 und 34 ausgenommen und entsprechenden Sonderbestimmungen unterstellt werden, soweit dies mit Eücksicht auf ihre besonderen Verhältnisse notwendig ist.

2 Solche Sonderbestimmungen können insbesondere erlassen werden für a. Betriebe der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Krankenpflege, der ärztlichen Behandlung sowie Apotheken ; b. Betriebe der Beherbergung, der Bewirtung und der Unterhaltung sowie Betriebe, die der Versorgung des Gastgewerbes bei besonderen Anlässen dienen; c. Betriebe, die den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs oder der landwirtschaftlichen Bevölkerung dienen; d. Betriebe für die Versorgung mit leicht verderblichen Gütern; e. Betriebe zur Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie Gärtnereien ; /. Forstbetriebe; g. Betriebe, die der Versorgung von Fahrzeugen mit Betriebsstoffen oder ihrer Instandhaltung und Instandstellung dienen; h. das Bodenpersonal der Luftfahrt ; i. Arbeitnehmer auf Bauplätzen und in Steinbrüchen, für die wegen ihrer geographischen Lage oder wegen besonderer klimatischer oder technischer Verhältnisse eine besondere Ordnung der Arbeitszeit erforderlich ist ; k. Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit in erheblichem Mass blosse Präsenzzeit ist oder deren Tätigkeit in erheblichem Mass Eeisen oder eine häufige Verlegung des Arbeitsplatzes erfordert.

1

Art. 26 Die zuständige Behörde ist ermächtigt, in ihren Arbeitszeitbewilligungen ausnahmsweise geringfügige Abweichungen von den Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung vorzusehen, soweit der Befolgung dieser Vorschriften ausserordentliche Schwierigkeiten entgegenstehen und das Einverständnis der beteiligten Arbeitnehmer vorliegt.

Sonderbestimmungen für bestimmte Gruppen von Betrieben .

oder Arbeitnehmern

Geringfügige Abweichungen

IV. Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer 1. Jugendliche Arbeitnehmer

Art. 27 Als Jugendliche gelten Arbeitnehmer beider Geschlechter bis zum vollendeten 18. Altersjahr.

1

Allgemeine Vorschriften

1042 2

Der Arbeitgeber hat auf die Gesundheit und Sittlichkeit der Jugendlichen gebührend Bücksicht zu nehmen. Er hat namentlich darauf zu achten, dass die Jugendlichen nicht überanstrengt werden und vor schlechten Einflüssen im Betrieb bewahrt bleiben.

3

Zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit kann die Verwendung Jugendlicher für bestimmte Arbeiten durch Verordnung untersagt oder von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

4

Bei der Einstellung eines Jugendlichen hat der Arbeitgeber einen Altersausweis zu verlangen. Durch Verordnung kann bestimmt werden, dass ausserdem ein ärztliches Zeugnis beizubringen ist.

Art. 28 Mindestalter

1

Vor dem vollendeten 15.Altersjahr dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden. Durch Verordnung wird bestimmt, für welche Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern sowie unter welchen Voraussetzungen Jugendliche von mehr als 18 Jahren zu Botengängen und leichten Arbeiten herangezogen werden dürfen.

2

Die Kantone, in denen die Schulpflicht vor dem vollendeten 15.

Altersjahr endigt, können durch Verordnung ermächtigt werden, für schulentlassene Jugendliche von mehr als 14 Jahren unter besonderen Voraussetzungen Ausnahmen zu bewilligen.

Art. 29 Arbeitsund Ruhezeit

1

Die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen darf die der andern im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und, beim Fehlen anderer Arbeitnehmer, die ortsübliche Arbeitszeit nicht überschreiten und nicht mehr als neun Stunden betragen. Auf die Arbeitszeit sind allfällige Überzeitund Hilfsarbeit sowie obligatorischer Unterricht, soweit er in die Arbeitszeit fällt, anzurechnen.

2 Die Grenzen der Tagesarbeit dürfen nur für Jugendliche von mehr als 16 Jahren und nur für die Zeit von 20 Uhr bis 22 Uhr verschoben werden. Die Tagesarbeit muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von zwölf Stunden liegen.

3 Jugendliche bis zum vollendeten 16. Altersjahr dürfen zu Überzeitund Hilfsarbeit nicht verwendet werden.

4 Der Arbeitgeber darf Jugendliche während der Nacht und an Sonntagen nicht beschäftigen ; das Verbot der Nachtarbeit gilt auch für Arbeitnehmer im 19. Altersjahr. Ausnahmen können, insbesondere im Interesse der beruflichen Ausbildung, durch Verordnung vorgesehen werden.

1043 Art. 30 Erkrankt der Jugendliche, erleidet er einen Unfall oder erweist er sich als gesundheitlich oder sittlich gefährdet, so ist der Inhaber der elterlichen Gewalt oder der Vormund zu benachrichtigen. Bis zum Eintreffen ihrer Weisungen hat der Arbeitgeber die gebotenen Massnahmen zu treffen.

2 Lebt der Jugendliche in der Hausgemeinschaft des Arbeitgebers, ·so hat dieser für eine ausreichende und dem Alter entsprechende Verpflegung sowie für gesundheitlich und sittlich einwandfreie Unterkunft zu sorgen.

· 1

Besondere Fürsorge- ' pflichten des Arbeitgebers

2..Weibliche Arbeitnehmer

Art. 31 1

Der Arbeitgeber hat auf die Gesundheit und Sittlichkeit der weiblichen Arbeitnehmer gebührend Eücksicht zu nehmen.

2 Zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit kann die Verwendung weiblicher Arbeitnehmer für bestimmte Arbeiten durch Verordnung untersagt oder von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

Allgemeine Vorschriften

Art. 32 1

Die Grenzen der Tagesarbeit dürfen für weibliche Arbeitnehmer :nur für die Zeit von 5 bis 6 Uhr und von 20 bis 22 Uhr verschoben werden.

Die Tagesarbeit muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von 13 Stunden liegen.

2 Nacht- oder Sonntagsarbeit von weiblichen Arbeitnehmern darf nur unter besonderen, durch Verordnung zu bestimmenden Voraussetzungen bewilligt werden.

Arbèits- und Buhezeit

Art. 33 1

Schwangere dürfen nur mit ihrem Einverständnis und keinesfalls über die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden. Sie dürfen auf blosse Anzeige hin von der Arbeit wegbleiben oder diese verlassen.

2 Wöchnerinnen dürfen während acht Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden; doch darf der Arbeitgeber auf ihr Verlangen diesen Zeitraum bis auf sechs Wochen verkürzen.

3 Stillende Mütter dürfen auch nach Ablauf von acht Wochen seit ihrer Niederkunft nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden. Zum Stillen ist ihnen die notwendige Zeit freizugeben.

Schutz der Schwangeren und Mütter

1044 Weibliche Arbeitnehmer, die einen Haushalt besorgen

Art. 34 Bei der Festsetzung der Arbeits- und Buhezeit ist auf weiblicheArbeitnehmer, die einen Haushalt mit Familienangehörigen besorgen, soweit möglich Bücksicht zu nehmen. Auf ihr Verlangen ist ihnen eine Mittagspause von wenigstens anderthalb Stunden zu gewähren.

2 In industriellen Betrieben dürfen weibliche Arbeitnehmer, die einen Haushalt mit Familienangehörigen besorgen, zu Hilfsarbeit nicht verwendet werden.

1

V. Betriebsordnung Art. 35 Für industrielle Betriebe ist eine Betriebsordnung aufzustellen. Sie wird zwischen dem Arbeitgeber und einer von den Arbeitnehmern frei gewählten Vertretung schriftlich vereinbart oder vom Arbeitgeber nach Anhören der Arbeitnehmer erlassen.

2 Die Betriebsordnung muss Bestimmungen über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, die Gesundheitsvorsorge, die Unfallverhütung, die Lohnperiode, die Zeit und den Ort der Lohnzahlung, die Kündigungsfristen sowie die Kündigungstermine enthalten. In der vereinbarten Betriebsordnung können auch andere Bestimmungen aufgestellt werden, die das Arbeitsverhältnis betreffen. Die Betriebsordnung darf dem zwingenden Eecht und den für den Arbeitgeber verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen nicht widersprechen.

8 Die vereinbarte Betriebsordnung ist der kantonalen Behörde bekanntzugeben. Die vom Arbeitgeber erlassene Betriebsordnung bedarf der Genehmigung der kantonalen Behörde ; diese holt das Gutachten des Eidgenössischen Arbeitsinspektorats ein und erteilt die Genehmigung, wenn die Betriebsordnung dem zwingenden Eecht nicht widerspricht.

4 Nach der Bekanntmachung im Betrieb ist die Betriebsordnung für den Arbeitgeber und für die Arbeitnehmer verbindlich.

5 Wird für nicht-industrielle Betriebe eine Betriebsordnung nach Massgabe dieses Artikels freiwillig aufgestellt und bekanntgemacht, so ist sie in gleicher Weise verbindlich.

1

VI. Durchführung des Gesetzes 1. Durchführungsestimmungen Art. 36 1 Der Bundesrat ist zuständig zum Erlass von a. Verordnungsbestimmungen in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen;

1045 b. Ausführungsbestimmungen zur nähern Umschreibung einzelner Vorschriften des Gesetzes ; c. Verwaltungsbestimmungen für die Vollzugs- und Aufsichtsbehörden.

2 Vor dem Erlass von Bestimmungen gemäss Absatz l, Buchstaben a und b sind die Kantone und die Eidgenössische Arbeitskommission anzuhören. Ferner ist den zuständigen Organisationen der Wirtschaft Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben.

2. Organisation und Aufgaben der Behörden

Art. 87 1

Der Vollzug des Gesetzes und der Verordnungen obliegt, unter Vorbehalt von Artikel 38, Absatz l den Kantonen. Diese bezeichnen die zuständigen Vollzugsbehörden und eine kantonale Eekursbehörde.

2 Die Kantone erstatten dem Bundesrat nach Ablauf jedes zweiten Jahres Bericht über den Vollzug.

3 Bestehen Zweifel über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitnehmer in industriellen oder nicht-industriellen Betrieben, so entscheidet die kantonale Behörde.

Art. 38 Der Bund übt die Oberaufsicht über den Vollzug des Gesetzes und der Verordnungen durch die Kantone aus ; er kann den kantonalen Vollzugsbehörden Weisungen erteilen. Ferner obliegen ihm die Vollzugsmassnahmen, für die das Gesetz ausdrücklich den Bund als zuständig erklärt.

2 Die Aufgaben des Bundes im Sinne von Absatz l obliegen dem Bundesamt, soweit sie nicht dem Bundesrat oder dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vorbehalten bleiben.

3 Für die Durchführung seiner Aufgaben stehen dem Bundesamt die Eidgenössischen Arbeitsinspektorate und der Arbeitsärztliche Dienst zur Verfügung. Gegebenenfalls können besondere Fachinspektorate oder Sachverständige herangezogen werden.

1

Art. 39 Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bestellt eine Eidgenössische Arbeitskommission aus Vertretern der Kantone, wissenschaftlichen Sachverständigen sowie aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in gleicher Zahl.

2 Die Arbeitskommission begutachtet zuhanden der Bundesbehörden Fragen der Gesetzgebung und des Vollzugs.

1

Aufgaben der Kantone'

Aufgaben des Bundes

Arbeitskoimnisaion

1046 Art. 40 Schweigepflicht

Personen, die mit dem Vollzug oder der Aufsicht betraut sind oder dabei mitwirken, und die Mitglieder der Eidgenössischen Arbeitskommission sind verpflichtet, über die ihnen bei ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Tatsachen Verschwiegenheit zu bewahren.

3. Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Auskunftspflicht

Art. 41 Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer sind verpflichtet, den Vollzugs- und Aufsichtsorganen die erforderlichen Auskünfte für den Vollzug des Gesetzes und der Verordnungen zu erteilen.

2 Der Arbeitgeber hat den Vollzugs- und Aufsichtsorganen den Zutritt zum Betrieb, die Vornahme von Feststellungen und die Entnahme von Proben zu gestatten.

1

Art. 42 Verzeichnisse und andere Unterlagen

Der Arbeitgeber hat Verzeichnisse oder andere Unterlagen, aus denen die für den Vollzug des Gesetzes und der Verordnungen erforderlichen Angaben ersichtlich sind, den Vollzugs- und Aufsichtsorganen zur Verfügung zu halten.

Art. 43 Bekanntgabe des Stundenplanes

Anhörung der Arbeitnehmer

Bewilligungsgesuche

1

In industriellen Betrieben hat der Arbeitgeber den Stundenplan und die erteilten Arbeitszeitbewilligungen durch Anschlag bekanntzugeben.

Der Stundenplan ist der kantonalen Behörde mitzuteilen.

2 Für nicht-industrielle Betriebe kann die Bekanntgabe des Stundenplans und der erteilten Arbeitszeitbewilligungen durch Verordnung vorgeschrieben werden, soweit die Art des Betriebes oder die Zahl der Arbeitnehmer dies rechtfertigt.

Art. 44 Der Arbeitgeber hat in den Fällen der Artikel 10, 11, Absatz 8 und 18, Absatz 2 vor der Anordnung von Abweichungen von der ordentlichen Arbeitszeit, die er von sich aus treffen darf, den beteiligten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls deren Vertretung im Betrieb Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben und diese nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

Art. 45 Der Arbeitgeber hat Gesuche für die im Gesetz vorgesehenen Bewilligungen rechtzeitig einzureichen und zu begründen sowie die erforderlichen Unterlagen beizufügen.

1

1047 2

Kann in dringlichen Fällen das Gesuch für eine Arbeitszeitbewilligung nicht rechtzeitig gestellt werden, so hat der Arbeitgeber dies so rasch als möglich nachzuholen und die Verspätung zu begründen; ausgenommen sind nicht voraussehbare Fälle von geringfügiger Tragweite.

3 Für Arbeitsbewilligungen und für die Genehmigung von Betriebsordnungen dürfen lediglich massige Kanzleigebühren erhoben werden.

4. Verwaltungsverfügungen und Verwaltungsmassnahmen

Art. 46 1 Verfügungen, die auf Grund des Gesetzes oder einer Verordnung getroffen werden, sind schriftlich zu eröffnen und zu begründen, gegebenenfalls unter Hinweis auf Beschwerderecht und Beschwerdefrist.

2 Die Verfügungen können jederzeit abgeändert oder aufgehoben werden, wenn sich die zugrunde liegenden Tatsachen ändern.

Verwaltungsverfügungen

Art. 47 1

Werden Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung oder wird eine Verfügung nicht befolgt, so macht die kantonale Behörde, das Eidgenössische Arbeitsinspektorat oder der Arbeitsärztliche Dienst den Fehlbaren darauf aufmerksam und verlangt die Einhaltung der nicht befolgten Vorschrift oder Verfügung.

2 Leistet der Fehlbare dem Verlangen keine Folge, so erlässt die kantonale Behörde eine entsprechende Verfügung, verbunden mit der Strafandrohung des Artikels 292 des Strafgesetzbuches.

3 Wird durch einen Verstoss im Sinne von Absatz l zugleich ein Gesamtarbeitsvertrag verletzt, so kann die kantonale Behörde in geeigneter Weise auf die Massnahmen der Vertragsparteien zur Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages Rücksicht nehmen.

Art. 48 Wird eine Verfügung im Sinne von Artikel 47, Absatz 2 missachtet, so ergreift die kantonale Behörde die zur Herbeiführung des rechtmässigen Zustandes erforderlichen Massnahmen.

2 Werden Leben oder Gesundheit von Arbeitnehmern oder die Umgebung des Betriebes durch die Missachtung einer Verfügung im Sinne von Artikel 47, Absatz 2 erheblich gefährdet, so kann die kantonale Behörde nach vorheriger schriftlicher Androhung die Benützung von Bäumen oder Einrichtungen verhindern und in besonders schweren Fällen den Betrieb für eine bestimmte Zeit schliessen.

1

Vorkehren bei Nichtbefolgung von Vorschriften oder Verfügungen

Massnahmen des Verwaltungszwangs

1048

Entzug und Sperre von Arbeitszeitbewilligungen

Anzeigen

Art. 49 Wird eine Arbeitszeitbewilligung nicht eingehalten, so kann die ßewilligungsbehörde, unabhängig vom Verfahren gemäss Artikel 47 und 48, die Bewilligung nach vorheriger schriftlicher Androhung aufheben und, wenn es die Verhältnisse rechtfertigen, die Erteilung neuer Bewilligungen für eine bestimmte Zeit sperren.

2 Missbraucht ein Arbeitgeber die Befugnis zur Anordnung von Überzeitarbeit ohne Bewilligung, so kann ihm die kantonale Behörde diese Befugnis für eine bestimmte Zeit entziehen.

1

Art. 50 Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, Anzeigen wegen Nichtbefolgung des Gesetzes, einer Verordnung oder einer Verfügung zu prüfen und, falls sie begründet sind, gemäss Artikel 47 bis 49 zu verfahren.

2 Trifft die Behörde auf Anzeige hin keine oder als ungenügend erscheinende Vorkehren, so kann die übergeordnete Behörde angerufen werden.

1

5. Verwaltungsrechtspflege Beschwerde gegen Verfügungen des Bundesamtes

Beschwerde gegen Verfügungen der kantonalen Behörde

Weiterzug von Entscheiden der letzten kantonalen Instanz

Art. 51 Gegen Verfügungen des Bundesamtes über die Unterstellung industrieller Betriebe ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege zulässig.

2 Gegen andere Verfügungen des Bundesamtes ist die Verwaltungsbeschwerde an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesverwaltung zulässig.

1

Art. 52 Gegen Verfügungen der kantonalen Behörde kann innert 80 Tagen, von der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, Beschwerde bei der kantonalen Eekursbehörde erhoben werden.

2 Der Entscheid ist dem Beschwerdeführer und der Behörde, deren Verfügung angefochten wurde, schriftlich mit Angabe der Gründe und mit Eechtsmittelbelehrung zu eröffnen. Im übrigen richtet sich das Verfahren nach kantonalem Eecht.

1

Art. 58 Gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitnehmer in industriellen oder nicht-industriellen Betrieben ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Massgabe 1

1049

/

·der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege zulässig.

/ 2 Gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz in andern als den in Absatz l genannten Fällen ist die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege zulässig.

Art. 54 1

Beschwerdeberechtigt sind ausser den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern deren Verbände sowie Personen, die ein unmittelbares Interesse nachweisen.

Beschwerdeberechtigung und aufschiebende Wirkung

2

Beschwerden gemäss Artikel 51, Absatz l und Artikel 53, Absatz l haben aufschiebende Wirkung.

6. Strafbestimmungen

Art. 55 Der Arbeitgeber ist strafbar, wenn er Vorschriften des Gesetzes oder ·einer Verordnung a. über die Gesundheitsvorsorge und die Unfallverhütung vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt ; b. über die Arbeits- und Ruhezeit vorsätzlich zuwiderhandelt; c. über den Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt.

2 Macht sich im Betrieb einer Einzelfirma eine vom Arbeitgeber mit der Leitung des Betriebes betraute Person einer Widerhandlung schuldig, so ist diese Person strafbar. Der Arbeitgeber ist nur strafbar, wenn er von der Widerhandlung Kenntnis hat und es unterlässt, sie zu verhinder oder für Abhilfe zu sorgen.

1

Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers

3

Wird eine Widerhandlung im Betrieb einer juristischen Person oder ·einer Handelsgesellschaft begangen, so sind diejenigen Personen strafbar, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen. Die juristische Person oder die Gesellschaft haftet solidarisch für Bussen und Kosten, sofern sie nicht nachweist, dass sie alle erforderliche Sorgfalt angewendet hat, um die Einhaltung der Vorschriften durch die genannten Personen zu bewirken.

Art. 56 Der Arbeitnehmer ist strafbar, wenn er Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung über die Gesundheitsvorsorge und die Unfallverhütung vorsätzlich zuwiderhandelt.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers

1050 Art. 57 Strafen

1

Der Täter wird mit Busse bestraft.

Auf Haft kann erkannt werden, wenn der Täter vorsätzlich Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung a. über die Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung zuwiderhandelt und dadurch Leben oder Gesundheit von Arbeitnehmern oder von anderen Personen gefährdet ; b. über den Sonderschutz der jugendlichen oder weiblichen Arbeitnehmer zuwiderhandelt.

· 3 Wurde auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages eine angemessene Konventionalstrafe ausgesprochen, so kann von einer Busse abgesehen oder diese ermässigt werden.

2

Art. 58 Vorbehalt des Strafgesetzbuches und Straf- ci Verfolgung

1

Die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches bleiben vorbehalten.

, 2 Die Strafverfolgung ist Sache df r Kantone.

VII. Änderung von Bandesgesetzen

Art. 59 Uvindesgcsetz über Scliuldbetreibiing und Konkurs

Das Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs wird wie folgt geändert: Art.219, Abs.4, Erste Klasse a. Die Forderungen von Arbeitnehmern und Heimarbeitern aus dem Arbeitsverhältnis, die in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung entstanden sind, die Forderungen wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge Konkurses des Arbeitgebers und die Bückforderungen von Kautionen.

b. Die Beerdigungskosten.

Art. 60

Obligationenrecht

6""1. Ferien

Das schweizerische Obligationenrecht vom 80. März 1911 wird wie folgt geändert : Art.341bls (neu) 1 Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern wenigstens zwei Wochen Ferien im Jahr zu gewähren, jugendlichen Arbeitnehmern bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr wenigstens drei Wochen.

2 Die Ferien sind in der Begel zusammenhängend und im Verlaufe des betreffenden Dienstjahres, spätenstens aber im folgenden Dienstjahr zu gewähren ; bei jugendlichen Arbeitnehmern müssen zwei Ferienwochen

1051

o

zusammenhängen. Der Arbeitgeber bestimmt den Zeitpunkt der Ferien und nimmt dabei auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Eücksicht, als dies mit den Interessen des Betriebes vereinbar ist.

3 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn, samt einer angemessenen Entschädigung für ausfallenden Naturallohn, zu entrichten.

* Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden.

5 Leistet der Arbeitnehmer während der Ferien entgeltliche Arbeit für einen Dritten und werden dadurch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt, so kann dieser den Ferienlohn verweigern und bereits bezahlten Ferienlohn zurückverlangen.

6 Durch Gesamtarbeitsvertrag oder Norm'alarbeitsvertrag kann eine von den Bestimmungen der Absätze l bis 3 abweichende Eegelung getroffen werden, durch Gesamtarbeitsvertrag aber nur, wenn sie lfür die Arbeitnehmer im ganzen mindestens gleichwertig ist.

Art. 61 Das Bundesgesetz vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung wird wie folgt geändert : I.Art. 60, Abs. l, Ziff. 2 2. der industriellen Betriebe im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes vom über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel; 2. Art.60bls, Ziff. 3 3. zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange eine Eückwirkung von Entscheiden über die Zugehörigkeit zur Versicherung eintritt. Die Eückwirkung der Versicherung kann auch für industrielle Betriebe im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes vom über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel ausgesprochen werden.

3. Art.65, Abs. l und 3 In jedem der in Artikel 60 und folgenden bezeichneten Betrieben hat der Betriebsinhaber oder sein Stellvertreter zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar sowie den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind.

1

Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung

1052 3

Der Bundesrat ordnet die Mitwirkung der Eidgenössischen Arbeitsinspektorate bei der Unfallverhütung sowie die Anwendung dieses Artikels auf solche Betriebe, die für die Unfallverhütung besonderen bundesrechtlichen Bestimmungen unterstehen.

4. Art.65ter (neu) «. Pflichten der Versicherten

1

Die Versicherten sind verpflichtet, den Betriebsinhaber oder seinen Stellvertreter in der Durchführung der Vorschriften über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten zu unterstützen.

2 Die Versicherten haben insbesondere die Sicherheits- und Gesundheitsvorkehren richtig anzuwenden und dürfen sie ohne besondere Erlaubnis des Betriebsinhabers weder entfernen noch abändern.

3 Bei Nichtbefolgung dieser Bestimmungen findet Artikel 66 des Gesetzes sinngemäss Anwendung.

5. Art. 182 (neu)

H. Übergangsbestimmung

Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten

Die Angestellten und Arbeiter der Betriebe, die bisher als Fabriken der Versicherung unterstellt waren, aber künftig, gemäss der Neufassung von Artikel 60, Absatz l, Ziffer 2 des Gesetzes als nicht-industrielle Betriebe nicht mehr unterstellt sind, bleiben nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel während fünf Jahren weiterhin bei der Anstalt versichert.

Art.°62 Das Bundesgesetz vom 6.März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten wird wie folgt geändert : 1. Art.l, Abs.6 aufgehoben 2. Art.8, Abs.2 aufgehoben

Bundcsgesetz über die Heimarbeit

Art. 63 Das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit wird wie folgt geändert : I.Art. 3, Abs. l 1 Bestehen im Einzelfall Zweifel über die Anwendbarkeit des Gesetzes, so entscheidet hierüber die Kantonsregierung. Gegen Entscheide

1053 der letzten kantonalen Instanz ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege zulässig.

2. Art.8, Abs.5 5

Forderungen der Heimarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber aus Heimarbeit gelten als Lohnguthaben im Sinne von Artikel 98 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs.

3. Art. 10, Abs. 2

aufgehoben 4. Art. 11 Der Bundesrat bestellt eine Eidgenössische Heimarbeitskommission, in welcher der Bund, die Kantone, die Wissenschaft, die Arbeitgeber und die Heimarbeiter angemessen vertreten sind. Die Kommission kann für Brwerbszweige, in denen in erheblichem Umfang Heimarbeit ausgegeben wird, Ausschüsse bilden und Sachverständige beiziehen.

2 Die Heimarbeitskommission begutachtet zuhanden des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Fragen der Arbeits- und Lohnverhältnisse in der Heimarbeit. Sie kann von sich aus dem Departement Anträge unterbreiten, insbesondere solche über Lohnfestsetzungen im Sinne von Artikel 12.

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5. Art. 12, Abs. l Sind die Löhne in der Heimarbeit eines Erwerbszweiges ausserordentlich niedrig und können sie nicht durch Gesamtarbeitsvertrag in angemessener Weise geregelt werden, so setzt sie der Bundesrat durch Verordnung fest. Er hört vorher die beteiligten Kantone, die Eidgenössische Heimarbeitskommission und die beteiligten Beruf s verbände an.

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6. Art. 16, Abs. 2 Personen, die mit dem Vollzug oder der Aufsicht betraut sind oder dabei mitwirken, und die Mitglieder der Eidgenössischen Heimarbeitskommission sind verpflichtet, über die ihnen bei ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Tatsachen Verschwiegenheit zu bewahren.

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7. Art.20; Abs.l, Buchstabe c aufgehoben Bundesblatt. 112. Jahrg. Bd. II.

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Heiunarbeitskommission

1054 Art. 64 Bundesgesetz über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden

Das Bundesgesetz vom 13. Juni 1941 über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden wird wie folgt geändert : · Art.9, Abs.4 aufgehoben

Art. 65 Bundesgesetz über dio Organisation der Bundesrechtspflege

Das Bundesgesetz vom 16.Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege wird wie folgt geändert :

Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel

a. Entscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit betreffend die Unterstellung einzelner industrieller Betriebe unter die Sondervorschriften des Bundesgesetzes vom über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel; b. Entscheide der letzten kantonalen Instanz über die Anwendbarkeit des Bundesgesetzes vom über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel auf einzelne nicht-industrielle Betriebe oder einzelne Arbeitnehmer in industriellen oder nicht-industriellen Betrieben.

Art. 99, Ziff. IX

Vili. Schluss- und Übergangsbestimmungen Vorbehalt von Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeindon

Art. 66 Vorbehalten bleiben insbesondere a. die Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung, über dio Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer ; b. Polizeivorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, wie namentlich solche über die Bau-, Feuer-, Gesundheits- und Wasserpolizei sowie über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten von Betrieben, die dem Detailverkauf, der Bewirtung oder der Unterhaltung dienen.

Art. 67

Aufhebung eidgenössischer Vorschriften

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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind folgende Bundesgesetze aufgehoben : a. das Bundesgesetz vom 2. November 1988 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen;

1055 b. das Bundesgesetz vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den.

Fabriken, unter Vorbehalt von Absatz 2; c. das Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben ; d. das Bundesgesetz vom 26. September 1931 über die wöchentliche Buhezeit ; e. das Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer.

2 Für industrielle Betriebe bleiben die folgenden Vorschriften des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreff end-die Arbeit in den Fabriken weiter anwendbar: a. die zivilrechtlichen Vorschriften der Artikel 20 bis 26, 28, 29 und 69, Absätze 2 und 5 ; b. die Vorschriften über das Einigungswesen der Artikel 30, 31 und 33 bis 35.

Art. 68 1

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind die kantonalen Vorschriften, die vom Gesetz geregelte Sachgebiete betreffen sowie die kantonalen Vorschriften über die Ferien aufgehoben.

2 Die Kantone stellen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes verbindlich fest, welche Vorschriften aufgehoben werden und welche weiterhin gelten.

Diese Ausscheidung bedarf der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 69 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Er kann einzelne Teile oder Vorschriften des Gesetzes in einem späteren Zeitpunkt in Kraft setzen.

2 Setzt der Bundesrat nicht alle Vorschriften des Gesetzes auf den gleichen Zeitpunkt in Kraft, so bestimmt er mit der Inkraftsetzung der einzelnen Vorschriften, ob und inwieweit die in Artikel 67, Absatz l genannten Bundesgesetze Aufgehoben sind.

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Aufhebung kantonaler Vorschriften

Inkrafttreten

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) (Vom 30. September 1960)

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1960

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41

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8113

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.10.1960

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909-1055

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