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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Franz Gut, Geschäftsagent in Willisau, betreffend Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.

(Tom 2. Juni 1892.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Rekurses des Franz G u t , Geschäftsagenten in Willisau, Kantons Luzern, gegen das Betreibungsamt Willisau-Land, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs; auf das Gutachten des eidgenössischen Räthes für Schuldbetreibung und Konkurs und den gleichlautenden Antrag des Justiz- und Polizeidepartementes ; nach Feststellung folgender aktenmäßiger Thatsachen:

I. Rekurrent betrieb den Gültenhändler Franz Jos. Schärli in Wyden, Willisau-Land, für den Betrag von Fr. 45. In Folge eines am 2. Januar d. J. eingereichten Pfändungsbegehrens wurde dem Schuldner am 5. Januar eine Gült von Fr. 2000, im Schätzungswerte von Fr. 1500 gepfändet. Auf der Pfändungsurkunde war bemerkt, daß die Gült, eventuell das Geld hiefür, beim Vormunde des Schuldners, dem Stadtrathe G. Waltert in Willisau, liege, und daß dieser am 7. Januar nach Art. 96 B.-G. zur Aufbewahrung der gepfändeten Sache aufgefordert worden sei.

Diese Pfändung wurde von keiner Seite bestritten, und Gläubiger stellte am 8. Februar ein Verwerthungsbegehren ; in diesem Stadium wurde die Betreibung seitens des Betreibungsamtes WillisauLand belassen, trotz gestelltem Verwerthungsbegehren wurde die Versteigerung der gepfändeten Gült nicht vollzogen, auch wurde kein Verlustschein im Sinne des Art. 115, AI. l, B.-G. ausgestellt; auf Reklamation des Gläubigers ward geantwortet, die Betreibung sei ungültig, da der Betriebene bevormundet, sie sei gegen den Vogt an dessen Wohnsitz zu führen.

675 II. Der Gerichtspräsident von Willisau wies erstinstanzlich den Rekurs des Gläubigers ab unter Ueberbindung der Kosten im Betrage von Fr. 2. 75 (75 Cts. für den Gerichtspräsidenten, Fr. 2 für das Betreibungsatnt Willisau-Land). Die Justizkommission des luzernischen Obergerichts als kantonale Aufsichtsbehörde wies den Rekurrenten ebenfalls ab, indem sie unterm 7. April ausführt: Laut Kantonsblatt Nr. 36 vom 4. September 1890 ist Schuldner Schärli bevogtet. Nach Art. 47, AI. l, ist, wenn Schuldner einen gesetzlichen Vertreter hat, die Betreibung am Wohnsitze des letztern zu führen, dem auch die Betreibungsurkunden zuzustellen sind.

Die Außerachtlassung dieser gesetzlichen Vorschrift hat im vorliegenden Falle die Ungültigkeit der vom Rekurrenten gegen Schärli geführten Betreibung zur Folge. Und wenn das Betreibungsamt Willisau-Land, sobald es einsah, daß die Betreibung wegen der Bevogtung des Betriebenen ungültig sei, die Versteigerung des Pfandobjektes verweigerte, so handelte es korrekt, zumal da es nicht seine Sache war, sich zu vergewissern, ob Schuldner eigenen Rechtes sei oder nicht.

IH. Hiegegen macht Rekurrent unterm 14. April in seiner Beschwerdeschrift an den Bundesrath geltend, daß die Pfandnahme (Pfändungsurkunde vom 5. Januar) weder vom Schuldner, noch von dem in Willisau-Stadt wohnenden und von der Pfändung in Kenntniß gesetzten Vogte, G. Waltert, innerhalb nützlicher Frist bestritten, daher die Betreibung auch vom Vogte selbst anerkannt worden sei. Ferner habe Schuldner bei Beginn der nach altem Recht geführten Betreibung in Willisau-Stadt gewohnt. Von einer.

Bevogtung desselben sei dem Beschwerdeführer nichts bekannt gewesen, wohl aber dem Betreibungsamte WilJisau-Land, wie ja schon aus dem Entscheide der Justizkommission hervorgehe. Es sei in der Pflicht des Betreibungsamtes gelegen gewesen, den Vogt von dem Begehren in Kenntniß zu setzen, und nicht, dem Rekurrenten die Verwerthung der gepfändeten Sache zu verweigern.

Es sei daher das Betreibungsamt Willisau-Land gehalten, die gepfändete Gült zu verwerthen und auf die von der I. Instanz zugesprochenen Kosten von Fr. 2 zu verziehten ; ferner habe I. Instanz die bezogenen 75 Cts. Kosten rückzuvergüten ; in Er w ägu ng:

1. Die Betreibung gegen einen bevormundeten Schuldner ist laut Art. 47, AI. l, B.-GK am Wohnsitze des Vormundes zu führen, und es sind diesem die Betreibungsurkunden zuzustellen.

2. Im vorliegenden Falle wurden die Betreibungsurkunden (Zahlungsbefehl, Pfändungaankündigung u. s. w.) unbestrittenermaßen

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nicht dem Vormunde, sondern dem Bevormundeten zugestellt. Die Betreibung war also eine ungesetzliche. Der Umstand, daß der Vormund, als Drittinhaber der gepfändeten Sache, von der Pfändung in Kenntniß gesetzt wurde, kann hieran nichts ändern ; denn das Gesetz begnügt sich nicht damit, eine Benachrichtigung des Vormundes vorzuschreiben ; es will, daß ihm, als der einzigen Person, die den Schuldner verpflichten kann, alle Betreibungsurkunden z u g e s t e l l t werden.

3. Ob der Vormund sieh gegen die Betreibung in der gesetzlichen Frist oder überhaupt beschwert, oder ob das Betreibungsamt die Betreibung von sich aus eingestellt habe, ist gleichgültig.

Sobald das Betreibungsamt, sei es auf erhobene Beschwerde, sei es .von sich aus, erkannte, daß ein Bevormundeter in gesetzwidriger Weise betrieben werde, hatte es die Betreibung einzustellen. Es geht dies namentlich aus Art. 173, Abs. 2, B.-G. hervor, der dem Gerichte, das von der gesetzwidrigen Betreibung eines handlungsunfähigen Schuldners Kenntniß hat, zur Pflicht macht, dem Konkursbegehren keine Folge zu geben, sondern den Fall der Aufsichtsbehörde zu überweisen -- offenbar damit diese die Betreibung aufhebe. Was dort den Gerichten vorgeschrieben wird, gilt in analoger Anwendung auch für die Betreibungsämter, beschlossen: 1. sei der Rekurs als unbegründet abzuweisen, 2. sei dem Rekurrenten Franz Gut, Geschäftsagenten in Willisau, unter Rückschluß von l Akt, sowie der obergerichtlichen Justizkommission des Kantons Luzern hievon Mittheilung zu machen.

B e r n , den 2. Juni

1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Franz Gut, Geschäftsagent in Willisau, betreffend Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs. (Vom 2.

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