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Bundesblatt 89. Jahrgang.

Bern, den 81. März 1987.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: so Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli A de. in Bern.

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Bericht dea

Bundesrates an die Bundesversammlung über die zwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Vom 24. März 1987.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesrat erstattet Ihnen hierdurch Bericht über die zwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, die vom 4. bis 24. Juni 1936 in Genf stattfand.

I. Zusammensetzung der Konferenz.

An der Konferenz, die von Dr. C. V. Bramsnaes, Begierungsvertreter von Dänemark, präsidiert wurde, waren 51 Staaten mit 417 bevollmächtigten Teilnehmern vertreten; hievon waren 161 Delegierte und 256 technische Batgeber.

Am Tage der Eröffnung der Konferenz teilte die Regierung Italiens mit, dass die italienische Delegation, die bereits ernannt worden war, nicht in der Lage sei, an den Arbeiten der Konferenz teilzunehmen. Ägypten, das zunächst wie in frühern Jahren einen Beobachter entsandt hatte, wurde im Laufe der Tagung als Mitglied in die Internationale Arbeitsorganisation aufgenommen und bezeichnete hierauf einen Regierungsvertreter. Damit steigt die Kahl der Mitgliedstaaten auf 62. Hievon sind 58 Mitglieder des Völkerbundes; dazu kommen die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Brasilien, Japan und Ägypten, die der Internationalen Arbeitsorganisation angehören, ohne Völkerbundsmitglieder zu sein. Über die Frage der unvollständigen Delegationen hat der Bundesrat sich in seinem Bericht über die neunzehnte Internationale Arbeitskonferenz des nähern geäussert1). An der zwanzigsten Tagung betrug die Zahl der unvollständigen Vertretungen 19 gegenüber 20 im Jahre 1985 und 22 im Jahre 1934.

1) Bundesbl. 1936. Bd. I, S. 756.

Bundesblatt, 89. Jahrg. Bd. I.

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650 Die schweizerische Delegation setzte sich me folgt zusammen: Begierungsvertreter: Herr alt Bundesrat Dr. E. Schulthess und Herr Fürsprecher P. Renggli, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter : Herr Ch. Tzaut, Ingenieur, Genf ; Arbeitnehmervertreter : Herr Ch. Schürch, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Herr Dr. H. Giorgio, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung, war Ersatzdelegierter der Regierung und zugleich technischer Eatgeber. Ausserdem war die Delegation von einer Anzahl weiterer Berater begleitet.

II. Traktanden und Beschlüsse der Konferenz.

1. Tagesordnung der Konferenz.

Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: -- Regelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern ; -- Bezahlter Urlaub; -- Verkürzung der Arbeitszeit bei den von den Regierungen unternommenen oder unterstützten öffentlichen Arbeiten; -- Verkürzung der Arbeitszeit im Hoch- und Tiefbau; -- Verkürzung der Arbeitszeit in der Eisen- und Stahlindustrie; -- Verkürzung der Arbeitszeit im Kohlenbergbau; -- Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie; -- Unfallverhütungsvorschriften über Gerüste und Hebezeuge bei Hochbauten.

Daneben halte die Konferenz wie immer eine Reihe weiterer Geschäfte zu bebändern.

2. Anwerbung von Arbeitnehmern in den Kolonien und in andern Gebieten mit ähnlichen Arbeitsbedingungen.

Nachdom dieser Gegenstand an der Konferenz von 1935 erstmals zur Beratung gestanden hatte 1), nahm die Konferenz von 1986 einstimmig ein «Übereinkommen über die Regelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern» an, Zweck des Übereinkommens ist insbesondere die Sicherung humaner Bedingungen bei der Anwerbung eingeborener Arbeiter und die Verhütung sozialer Schäden, die sich für Familie und Bevölkerung aus der Anwerbung ergeben können. Die Konferenz ergänzte dieses Übereinkommen durch eine ebenfalls einstimmig angenommene «Empfehlung über die allmähliche Abschaffung dsr Anwerbung», worin der Grundsatz vertreten wird, die Mitgliedstaaten sollten allmählich das System der Anwerbung überhaupt aufgeben und das freie Angebot von Arbeitskräften fördern. Für alle Einzelheiten sei auf den m der Beilage abgedruckten Wortlaut der beiden Beschlüsse verwiesen.

!) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 759.

651 3. Bezahlter Urlaub.

Die Konferenz behandelte diesen Punkt der Tagesordnung in zweiter Diskussion, nachdem an der Tagung des Vorjahres, wie wir in unserem Jetztjährigen Bericht ausgeführt habon1), die erste Beratung stattgefunden und das Internationale Arbeitsamt nach den damals festgelegten Richtlinien einen Fragebogen an die Mitgliedstaaten versandt hatte. Den auf Grund der Antworten auf diesen Fragebogen ausgearbeiteten Bericht des Amtes wies die Konferenz an eine Kommission, in der auch die schweizerische Regierung vertreten war.

Auf Antrag dieser Kommission nahm die Konferenz ein Übereinkommen und eine Empfehlung über den bezahlten Jahresurlaub an, deren Wortlaut sich in der Beilage findet. Im folgenden sei das Wesentliche ihres Inhaltes kurz wiedergegeben.

Das Übereinkommen gilt für Industrie und Gewerbe, wobei es das Baugewerbe einschliesslich des Tiefbaus und das Verkehrsgewerbe mitumfasst, für die Urproduktion mit Ausnahme der Land- und Porstwirtschaft, ferner für den Handel, die Bürobetriebe im allgemeinen, die Verwaltung, die Presse, Anstalten für Kranke, Gebrechliche, Bedürftige und Geisteskranke, das Gastwirtschaftsgewerbe, Theater- und Vergnügungsstätten sowie für gemischte Betriebe des Handels und des Gewerbes, die nicht unter die vorstehend genannten Gruppen fallen. Es werden somit nahezu lückenlos die Betriebe aller Erwerbszweige erfasst. Durch die Landesgesetzgebung können vom Geltungsbereich Familienbetriebe sowie Betriebe der öffentlichen Verwaltung, sofern bei letzteren der im Übereinkommen vorgesehene Mindesturlaub gewährt wird, ausgenommen werden. Aus dieser Umschreibung des Geltungsbereiches geht hervor, dass die Heimarbeiter, die Hausdienstangestellten, die Hausabwarte, wie auch die Arbeitnehmer der Landwirtschaft und der Handelsmarine nicht unter das Übereinkommen fallen.

Die das Übereinkommen ratifizierenden Staaten verpflichten sich, allen Arbeitnehmern, für die das Übereinkommen gilt, nach einjähriger ununterbrochener Dienstleistung einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens 6 Werktagen zu gewähren. Jugendliche unter 16 Jahren habon nach einjähriger ununterbrochener Dienstleistung Anspruch auf einen Jahresurlaub von.mindestens 12 Werktagen. In den Jahresurlaub dürfen Feiertage sowie allfallige Krankheitstage des Arbeitnehmers nicht eingerechnet werden. Die
Dauer des bezahlten Jahresurlaubes ist mit steigender Dauer der Dienstzeit au erhöhen, und zwar untor Bedingungen, die von der Landesgesetzgebung bestimmt werden. Eine Teilung des Jahresurlaubes ist mir für diejenigen Tage gestattet, die über den Mindesturlaub von 6 oder (bei Jugendlichen) 12 Tagen hinaus gewährt werden.

·Wird eine Person aus einem dem Arbeitgeber zur-Last fallenden Grunde entlassen, bevor sie den ihr zustehenden Urlaub nehmen konnte, so muss ihr für jeden Urlaubstag, der ihr nach dem Übereinkommen gebührt, das Entgelt gewährt werden, das ihr normalerweise während des Urlaubs bezahlt werden *) Bundesbl. 1936, Bd. l, S. 760.

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musate, d. h. entweder das gewöhnliche Entgelt, einschliesslich einer Entschädigung für anfällige Sachleistungen, oder das durch Gesamtarbeitsvertrag festgesetzte Entgelt. Das Übereinkommen stellt überdies Bestimmungen über Vollzug und Sanktionen auf.

Die Empfehlung enthält eine Beihe von Anregungen für die Auslegung des Übereinkommens, so beispielsweise darüber, welche Unterbrechungen einer Dienstzeit nicht zu einer Verkürzung des Ferienanspruchs führen sollten.

Ferner wird empfohlen, Unterteilungen des Urlaubs auch bei dem das Minimum von 6 oder 12 Tagen überschreitenden Ferienteil nur in beschränktem Masse zu gestatten und die Steigerung der Zahl der Ferientage so vorzunehmen, dass nach einer Dienstzeit von 7 Jahren mindestens 12 Werktage Urlaub gewährt werden. Eine weitere Anregung betrifft die Berechnung des Entgeltes bei Akkordlohn, und endlich wird den Mitgliedstaaten empfohlen, zu prüfen, ob nicht für Jugendliche und Lehrlinge unter 18 Jahren noch eine günstigere Eegelung vorgesehen werden sollte, als das Übereinkommen enthält.

Überdies genehmigte die Konferenz vier Resolutionen betreffend Urlaub der Hausangestellten, der Hauswarte, der Heimarbeiter und der Arbeiter in der Landwirtschaft. In diesen Eesolutionen wird der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes eingeladen, die Frage der Ferien der genannten vier Gruppen von Arbeitnehmern auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen zu setzen.

4. Verkürzung der Arbeitszeit.

Über die Behandlung dieser Frage durch die Internationale ArbeitsJconferenz haben wir uns zuletzt in unserem Bericht über die neunzehnte Konferenztagung geäussert1). Aus der Erkenntnis heraus, dass die Schaffung einheitlicher Übereinkommen über die Herabsetzung der Arbeitsdauer im Gesamtgebiete der industriell-gewerblichen Tätigkeit einerseits, der Handelsbetriebe anderseits, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stosse, hatte die Konferenz sich dafür entschieden, das Ziel der Arbeitszeitverkürzung schrittweise zu verwirklichen durch eine Eegelung des Problema auf gewissen Teilgebieten. So hatte die Konferenz von 1985 ein Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in Flaschenglashütten aufgestellt und auch bereits die Frage der Herabsetzung der Arbeitsdauer bei öffentlichen Arbeiten, im Hochund Tiefbau, in der Eisen- und Stahlindustrie, im Kohlenbergbau und in der Textilindustrie einer ersten Beratung unterzogen, der nun im Jahre 1936 die zweite und abschliessende Behandlung folgen sollte.

a. Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten und im Hoch- und Tiefbau, Nach dem ursprünglichen Plane der Konferenz hätte die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit bei Öffentlichen Arbeiten sowie im Hoch- und Tiefbau allerdings schon 1985 endgültig verabschiedet werden sollen. Die Vorentwürfe !) Bundesbl. 1986, Bd. I, S. 760.

653 zu Übereinkommen über die Herabsetzung der Arbeitsdauer auf diesen beiden Gebieten hatten aber die zu ihrer Annahme notwendige Mehrheit damals nicht erreicht, so dass dieser Gegenstand erneut auf der Traktandenliste der Konferenz stand 1). Diese überwies die Frage einer Kommission, aus deren Beratungen zwei Vorentwürfe, der eine betreffend die öffentlichen Arbeiten, der andere betreffend den Hoch- und Tiefbau, hervorgingen. Die beiden Vorentwürfe wurden zunächst vom Plenum der Konferenz gutgeheissen, doch wurde in der Schlussabstimmung nur derjenige betreffend die öffentlichen Arbeiten mit dem erforderlichen Mehr angenommen. Die schweizerischen Regierungsvertreter stimmten in beiden Fallen dagegen. Nach dem negativen Entscheid über den Vorentwurf eines Übereinkommens betreffend Verkürzung der Arbeitszeit im Hoch- und Tiefbau genehmigte die Konferenz eine Eesolution, worin der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes aufgefordert wird, zu prüfen, ob es nicht zweckmassig wäre, eine technische Konferenz von Vertretern der Regierungen, sowie der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Hoch- und Tiefbaugewerbes einzuberufen mit dem Ziele, eine Verständigung über die Arbeitszeit in diesem Gewerbezweig herbeizuführen.

Das von der Konferenz angenommene «Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten», dessen Wortlaut in der Beilage enthalten ist, stellt den Grundsatz der Vierzigstundenwoche für Arbeitnehmer auf, welche bei den von einer Zentralregierung finanzierten oder sonst unterstützten Bauarbeiten beschäftigt sind. Für Arbeitnehmer, die in aufeinanderfolgenden Schichten bei Arbeiten tätig sind, die ihrer Natur nach keinen Unterbruch gestatten, erhöht sich die zulässige Arbeitsdauer auf durchschnittlich 42 Stunden wöchentlich. Eine Überschreitung der 40- bzw. 42-StundenGrenze ist unter gewissen Voraussetzungen statthaft für Personen, die mit Vorbereitungs- oder Ergänzungsarbeiten beschäftigt sind, und für solche, deren Beschäftigung naturgemäss längere Zeiten der Untätigkeit mit sich bringt. Ebenso sind Ausnahmen vorgesehen für besonders dringliche Fälle, um eine ernstliche Störung der Ausführung bestimmter Arbeiten oder des regelmässigen Betriebes zu verhüten, ferner dann, wenn die Arbeitszeitverlängerung für die Beendigung einer Arbeit notwendig ist, die aus
technischen Gründen nicht unterbrochen werden kann, sowie in aussergewöhnlichen Fällen der Arbeitshäufung. Die Verlängerung der Arbeitszeit ist dabei teilweise an die Bezahlung eines Überstundenzuschlages von mindestens 26 Prozent des Normallohnes gebunden. Weitere Bestimmungen verfolgen den Zweck, die Durchführung des Übereinkommens und deren Kontrolle zu erleichtern.

b. Verkürzung der Arbeitszeit in der Eisen-und Stahlindustrie und im Kohlenbergbau.

Die Frage der Arbeitszeitverkürzung auf diesen beiden Gebieten stand erstmals 1985 auf der Tagesordnung der Konferenz 2) und sollte nach dem *) Siehe Bericht über die neunzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, Bundesbl. 1986, Bd. I, S. 762.

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) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 762.

654 üblichen System der doppelten Beratung an der Tagung von 1986 abschliessend auf Grund der Berichte behandelt werden, die das Internationale Arbeitsamt gestützt auf die Ansichtsäusseruogen der Eegierungen der Konferenz unterbreitet hatte.

Beim Problem der Arbeitszeitverkürzung in der Eisen- und Stahlindustrie traten schon in den Kommissionsverhandlungen die Interessengegensätze schroff in Erscheinung. Als nämlich die Kommission sich mehrheitlich dafür aussprach, den in dem allgemeinen Übereinkommen von 1985 enthaltenen Grundsatz der Vierzigstundenwoche und der Aufrechterhaltung des Standes der Lebenshaltung der Arbeiter1) in den Ingress der nun vorzubereitenden Spezialkonvention aufzunehmen, erklärten die Arbeitgebervertreter, sich weder an der Beratung noch an der Aufstellung der einzelnen Artikel des Vorentwurfes dieser Konvention beteiligen zu wollen. Im Plenum der Konferenz ergab die Schlussabstimmung 67 Stimmen für und 40 Stimmen, darunter auch diejenigen der schweizerischen Begierungsvertreter, gegen den Ubereinkommenscntwurf. Damit war dieser, da die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreicht war, abgelehnt. Hierauf beschloss die Konferenz eine Eesolution, durch dio der Terwaltungsrat eingeladen wird, zu prüfen, ob es nicht zweckmässig wäre, eine technische Konferenz von Vertretern der Regierungen, sowie der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie einzuberufen, um zu einer Vereinbarung über angemessene Arbeitsbedingungen in diesem Industriezweig zu kommen. Dabei sollte sich diese Konferenz auf geeignete Unterlagen über Löhne, Arbeitszeit und sonstige Arbeitsbedingungen in der gesamten Eisen- und Stahlindustrie stützen.

Bei der Frage der Arbeitszeitverkürzung im Kohlenbergbau zeigte sich ebenfalls ein starkes Auseinandergehen der Auffassungen nicht nur zwischen den Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerschaft, sondern auch zwischen den Regierungen der hauptsächlich interessierten Staaten. So lehnte die britische Regierung eine Beteiligung in der vorbereitenden Kommission ab, wie denn auch ihre Vertreter im Plenum der Konferenz gegen den vorgelegten Entwurf eines Übereinkommens stimmten, im Gegensatz beispielsweise zu den Begierungsdelegierten Frankreichs und der Vereinigten Staaten, die sich mit den Arbeitnehmern für den Entwurf einsetzten. In der
Schlussabstimmung kam auch hier ·-- bei einem Stimmenverhältnis von 66 Ja und 87 Nein -- das für die Annahme des Übereinkommensentwurfes notwendige Mehr nicht zustande. Die schweizerischen Eegierungsvertreter enthielten sich der Stimme.

Hierauf genehmigte die Konferenz eine Eesolution, durch die der Verwaltungsrat eingeladen wird, zu prüfen, ob es nicht zweckmässig wäre, eine technische Konferenz von Vertretern der Eegierungen, sowie der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Kohlenbergbaues einzuberufen, um eine Verständigung über die Arbeitszeit in dieser Industrie herbeizuführen unter Berücksichtigung des Berichtes der von der Konferenz eingesetzten Kommission.

i) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 761, 785.

655 c. Verkürzung der Arbeitszeit in der TesAili/ndMstne.

Dieser Gegenstand befand sich zum erstenmal auf der Traktandenliste der Konferenz x), die zunächst im Plenum in eine ausführliche Debatte darüber eintrat. Die Redner unter den Vertretern der Arbeitgeber bestritten die Möglichkeit einer einheitlichen Regelung, da die Textilindustrie in eine grössere Zahl verschiedener Zweige mit durchaus ungleichen Verhältnissen zerfalle. Sie erklärten insbesondere, die Frage der Arbeitsdauer lasse sich von der Lobnfrage nicht trennen, eine Erhöhung der Löhne im Zusammenhang mit einer Verkürzung der Arbeitszeit werde aber zu einer Verteuerung der Produktion führen und dadurch -- wie auch infolge der sich daraus ergebenden Tendenz zu einer weiteren technischen Rationalisierung -- dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, statt sie zu vermindern. Auch wurde auf die sehr scharfe Konkurrenz namentlich von Seiten der Länder des Fernen Ostens hingewiesen und auf den Mangel an geschulten Arbeitskräften. Demgegenüber vertraten die Delegierten der Arbeitnehmer den Standpunkt, dass gerade der internationale Charakter der Textilindustrie diese besonders geeignet erscheinen lasse für eine internationale Regelung, und dass ohne eine solche Regelung die Krise in dieser Industrie nicht zu überwinden sei. Das starke Vorherrschen von weiblichen und jugendlichen Arbeitern spreche hier ebenfalls für eine Verkürzung der Arbeitszeit. Die Textilindustrie dürfe unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitproblems als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden. Die aus der Verkürzung der Arbeitsdauer sich ergebende Erhöhung der Lohnkosten würde nicht beträchtlich sein und werde in ihrer Auswirkung aufgewogen werden durch die Steigerung der Kaufkraft als Folge vermehrter Beschäftigung. Die Regierungsvertreter, die das Wort ergriffen, waren geteilter Meinung. Am Schlüsse dieser Einleitungsdebatte ernannte die Konferenz eine Kommission; diese beantragte auf Grund ihrer Verhandlungen der Konferenz, ein Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie aufzustellen und das Traktandum in einmaliger Beratung zu verabschieden. Die Konferenz entschied sich jedoch für das übliche System der doppelten Beratung und beschloss demgemäss, die Frage abschliessend an der Tagung von 1937 zu behandeln. Im Hinblick darauf setzte sie die Punkte fest, die der vom Internationalen Arbeitsamt
an die Mitgliedstaaten zu richtende Fragebogen enthalten sollte. Ferner beschloss sie, den Verwaltungsrat zu beauftragen, eine technische Konferenz der Textüerzeugungsländer einzuberufen. Diese Konferenz sollte prüfen, wie die Bestrebungen der Internationalen Arbeitsorganisation zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie am besten weiter zu verfolgen wären, unter Würdigung aller Gesichtspunkte, die unmittelbar oder mittelbar einen Einfluss auf die Verbesserung der sozialen Lage der Arbeitnehmer in dieser Industrie haben könnten. -- Wir werden Ihnen in unserem Bericht über die Internationale Arbeitskonferenz von 1987 über das weitere Schicksal dieser Frage berichten.

i) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 762.

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5, Unfallverhütung im Baugewerbe.

Die Frage der Unfallverhütungsvorschriften über Gerüste und Hebezeuge bei Hochbauten, welche vom Verwaltungsrat nach eingehenden Vorarbeiten der Konferenz von 1986 zur Behandlung unterbreitet wurde, beschäftigte diese zum erstenmal. Nach dem System der doppelten Beratung setzte die Konferenz, gestützt auf den Bericht der von ihr eingesetzten Kommission, in der auch die Schweiz vertreten war, die Punkte fest, welche der vom Internationalen Arbeitsamt den Mitgliedstaaten zu übermittelnde Fragebogen zu enthalten hat, und beschloss einstimmig, den Gegenstand zum Zwecke der zweiten, abschliessenden Beratung auf die Traktandenliste der Tagung von 1937 zu setzen. Wir werden somit in unserem Bericht über die im Frühling stattfindende Konferenz auf die Sache zurückkommen.

6. Die übrigen wichtigeren Traktanden der Konferenz.

Wanderarbeiter. Zur Frage der Anwerbung, der Arbeitsvermittlung und der Arbeitsbedingungen der Wanderarbeiter lag der Konferenz auf Grund eines Beschlusses des Verwaltungsrates ein besonderer Bericht vor. Zu dessen Prüfung setzte die Konferenz eine Kommission ein und stimmte hernach, gestützt auf den Kommissionsrapport, einer Eesolution zu, die wie folgt lautet : 1. Die Konferenz hat mit grösstem Interesse festgestellt, dass die Frage der Niederlassung von Siedlern und sonstigen unabhängigen Arbeitern in einem andern als ihrem Heimatland und insbesondere in aussereuropäischen Staaten vom Ausschuss für Wanderungsfragen des Verwaltungsrates näherer Prüfung vorbehalten wurde. Sie begrüsst es, dass diese weitschiehtige und wichtige Frage zum Gegenstand einer planmässigen Untersuchung gemacht wird, und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die Arbeiten des Wanderungsausschusses möglichst bald zu Schlüssen führen werden, die der Konferenz unterbreitet werden können.

2. Was die Probleme betrifft, die sich aus den Wanderungen der Lohnarbeiter unter dem Gesichtspunkt der Anwerbung, der Vermittlung und der Arbeitsbedingungen ergeben, und hier namentlich hinsichtlich der Gleichbehandlung, hat die Konferenz von dem ihr durch den Verwaltungsrat vorgelegten Bericht Kenntnis genommen und spricht den Wunsch aus, dass der Verwaltungsrat diesen Gegenstand tunlichst bald, d. h. -wenn möglich im Jahre 1988, auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz setze.

Bericht des Direktors. Der Bericht des Direktors befasste sich wie in den vergangenen Jahren wiederum hauptsächlich mit den aus den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Krisenverhältnissen sich ergebenden sozialen Problemen, insonderheit mit der Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In einem Überblick werden die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern beleuchtet und wie üblich ist ein besonderes Kapitel der Entwicklung der internationalen Arbeitsorganisation im

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Berichtsjahre gewidmet. Auch die Konferenz von 1986 verwendete wieder eine Beihe von Sitzungen für die Behandlung des Direktorialberichtes, wobei eine grosse Zahl von Eednern das Wort ergriff. Die Diskussion war -- wie immer bei diesem Anlass -- außerordentlich vielseitig und ausgedehnt; vor allem kamen in ihr die mannigfaltigen Auffassungen über die wirtschaftliche Lage und ihre sozialen Folgeerscheinungen zum Ausdruck.

Resolutionen. Abgesehen von gewissen Eesolutionen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den eigentlichen Verhandlungsgegenständen der Konferenz standen und bereits erwähnt worden sind, wurde der Konferenz wie alle Jahre eine grössere Zahl sonstiger Eesolutionen unterbreitet und von dieser genehmigt. Sie betrafen folgende Fragen: Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den asiatischen Ländern, Massnahmen zur Bekämpfung der durch Staub verursachten Erkrankungen, Organisation der Gewerbeaufsicht mit Einladung an den Verwaltungsrat, zu prüfen, ob diese Frage nicht auf die Tagesordnung der Konferenz von 1938 zu setzen sei, Vereinigungsfreiheit, ebenfalls mit Einladung an den Verwaltungsrat, zu prüfen, ob diese Frage nicht Traktandum einer der nächsten Arbeitskonferenzen sein solle, Opiumrauchen der Arbeiter, Einberufung weiterer Wirtschaftskonferenzen, nachdem diejenige von 1988 nicht zum Ziele geführt hatte, Ernährung der Arbeitnehmer, Kalenderreform, öffentliche Arbeiten als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Problem der deutschen Emigranten, Notwendigkeit genauer Untersuchungen über das Wesen und die Ursachen der Arbeitslosigkeit, Erhebung "über die Arbeitslosigkeit in der Textilindustrie, soziale Auswirkungen von Dumpingexporten im Einfuhrland.

Art. 408. Zur Prüfung der von den Mitgliedstaaten auf Grund von Art. 408 des Versailler Vertrages alljährlich zu" erstattenden Berichte über die Durchführung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen setzte die Konferenz wie üblich eine besondere Kommission ein, in der auch die schweizerische Eegierung wiederum vertreten war. Was die rechtzeitige Einsendung der Berichte betrifft, konnte die Kommission eine wesentliche Besserung gegenüber den Vorjahren feststellen. Hinsichtlich der wirksamen Durchführung der ratifizierten Übereinkommen betonte die Kommission insbesondere die Bedeutung einer genügenden Arbeitsaufsicht in den
verschiedenen Ländern, sowie der auf die Tätigkeit der Arbeitsaufsieht bezüglichen Berichte und Statistiken. Sie begrüsst die Abhaltung besonderer Länderkonferenzen von Vertretern der Arbeitsaufsicht, wie eine solche erstmals 1985 im Haag stattfand. Im übrigen verwies sie auf die Wichtigkeit einer eingehenden Einzelberichtersta.ttung über die praktische Anwendung der ratifizierten Übereinkommen in den Jahresrapporten der Eegierungen. Die Tatsache, dass Staaten zuweilen ein Übereinkommen ratifizieren, ohne sich zuvor über die daraus für sie entstehenden Verpflichtungen Rechenschaft zu geben, veranlasste sodann die Kommission, wiederum mit allem Nachdruck festzustellen, dass die Eatifikation eines internationalen Arbeitsübereinkommens ebensosehr zur strengen Einhaltung seiner Bestimmungen

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verpflichtet wie die Eatifikation irgendeines andern internationalen Staatsvertrages. Der Bericht der Kommission wurde von der Konferenz einstimmig genehmigt.

III. Stellungnahme der Schweiz zu den Ton der Konferenz an-

genommenen Übereinkommen und Empfehlungen.

1. Übereinkommen und Empfehlung betreffend Anwerbung von Arbeitnehmern.

Übereinkommen und Empfehlung beziehen sich einzig und allein auf die Anwerbung von Arbeitern in den Kolonien und in andern Gebieten mit ähnlichen Arbeitsbedingungen. Für die Schweiz ist diese Frage deshalb, wie wir schon in unserem Bericht über die neunzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz bemerkten *), ohne praktische Bedeutung, und es kann somit auch eine Eatifikation des Übereinkommens nicht in Betracht gezogen werden, Z. Übereinkommen und Empfehlung betreffend den bezahlten Jahresurlaub.

Der Gedanke eines bezahlten Jahresurlaubs, der dem Arbeitnehmer während einer Eeihe aufeinanderfolgender Tage Buhe und Erholung gestattet, ist zweifellos sympathisch, und es kann im Interesse der Volksgesundheit und der Erhaltung der Arbeitskraft nur begrüsst werden, wenn er national und international an Boden gewinnt.

In der Schweiz besitzen vorab die Beamten, Angestellten und Arbeiter der öffentlichen Dienste in Bund, Kantonen und Gemeinden einen in der Beamtengesetzgebung geregelten Ferienanspruch, Für das Personal der Eisenbahnen und anderer vom Bunde konzessionierter Verkehrsanstalten sieht das Bundesgesetz vom 6. März 1920 ebenfalls Ferien vor, Für Lehrlinge bestimmt das Bundesgesetz vom 36. Juni 1980 über die berufliehe Ausbildung, dass die Ferien im Jahr wenigstens 6 Arbeitstage umfassen müssen. Die Kantone, die zum Erlass von Feriengesetzen kompetent sind, soweit der Bund nicht legiferierte, haben von dieser Befugnis bisher nicht in grossem Umfange Gebrauch gemacht. Der Kanton Bern besitzt Vorschriften für die Arbeiterinnen in den nicht dem Fabrikgesetz unterstellten Gewerbebetrieben (Gesetz vom 28. Februar 1908) und für die Angestellten und Arbeiter des Warenhandels, des Wandergewerbes und des Marktverkehrs (Gesetz vom 9. Mai 1926). Im Kanton Basel-Sta dt besteht ein Gesetz vom 18. Juni 1981 betreffend die Gewährung jährlicher Ferien, das bis jetzt das einzige Spezialgesetz dieser Art ist und das auf alle Arbeitnehmer Anwendung findet, die im Gebiet des Kanton» BaselStadt beschäftigt werden. Immerhin bleibt die Bundesgesetzgebung vorbehalten, so dass Fabrikarbeiter nicht unter das Gesetz fallen. Der Kanton Tessin bestimmt in einem allgemeinen Arbeiterschutzgesetz vom
15. September 1986, dass Ferien gemäss einer nach der Zahl der Dienstjahre steigenden Skala zu gewähren sind. --· Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die i) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 760.

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Industriearbeiterschaft im ganzen Lande und für die Angestellten und Arbeiter der privaten Handels- und Gewerbebetriebe in den meisten Kantonen zurzeit kein gesetzlicher Ferienanspruch besteht. In Zürich und Winterthur sowie im Kanton Tessin enthalten die Normalarbeitsverträge für das Hausdienstpersonal Ferienbestimmungen.

In der Praxis sind allerdings Ferien auch weitgehend in Betrieben üblich, die durch Gesetz nicht dazu verpflichtet sind. Immerhin haben sich für die Industriearbeiterschaft die Ferien keineswegs in dem Umfange durchgesetzt, wie das Übereinkommen sie fordert. Insbesondere haben jugendliche Arbeitnehmer unter 16 Jahren nur selten einen Anspruch auf 2 Wochen bezahlter Ferien. Das Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung sieht, wie erwähnt, «inen Mindestanspruch auf Serien von 6 Arbeitstagen im Jahr vor. In der Industrie, wo häufig verbandsweise eine Ordnung der Ferienfrage vorgenommen wurde, beträgi die Zahl der Urlaubstage anfänglich oft weniger als 6 und steigt mit dem Dienstalter, ohne dass indessen den jüngsten Arbeitnehmern, sofern sie nicht als Lehrlinge unter das Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung fallen, Ferien von längerer Dauer garantiert werden. In einzelnen Industrien schliessen die Betriebe eine Anzahl Tage ganz, wobei aber keineswegs überall eine Vermehrung der Ferientage über 6 hinaus mit steigendem Dienstalter vorgenommen wird. Auch hier erreichen die tatsächlichen Verhältnisse selbst in sozial fortschrittlichen Betrieben nicht immer die Normen des Übereinkommens, Zur Abklärung der gegenwärtigen Lage hat das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zu Beginn des Jahres 1937 eine Konferenz mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer veranstaltet. Aus dieser Aussprache ging hervor, dass seit dem Ausbruch der Krise in der Feriengewährung ein gewisser Eückgang zu verzeichnen ist. Auch bestätigte sich, dass für die Arbeiterschaft von Industrie und Gewerbe die Ansätze des Übereinkommens in der Eegel nicht erreicht werden, während für die Angestelltenschaft die Verhältnisse allgemein besser liegen. Von Seiten der Arbeitnehmerverbände wurde ein Spezialgesetz, welches die Ratifikation gestatten würde, in Vorschlag gebracht. Der Vertreter des Schweizerischen Gewerbeverbandes lehnte dagegen eine staatliche Begelung ab und teilte mit, dass in
den Kreisen des Gewerbeverbandes der Wunsch bestehe, die Feriengewährung ganz der privaten Initiative bzw. privaten Vereinbarungen zu überlassen. Er wies darauf hin, dass Ferien in den Geworbebetrieben besonders auf dem Lande noch wenig Verbreitung gefunden haben. Auch der Vertreter des Zentralverbandes Schweizerischer Arbeitgeberorganisationen und des Schweizerischen Handels-und Industrievereins brachte zum Ausdruck,, dass die von ihm vertretenen Verbände die private Regelung der Ferien demErlass eines Bundesgesetzes bei weitem vorzögen.

Er schlug vor, mindestens die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Zeit abzuwarten, bevor man den Vorbereitungsarbeiten für ein Feriengesetz näher trete. An dieser Konferenz nahm das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Vorschläge zur Prüfung entgegen, die dahingingen, eine einlässlichere Erhebung über die tatsächliche Feriongewährung durchzufuhren und durch

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ein Kundschreiben an die Arbeitgeberschaft die Gewährung von Ferien im Eahmen des wirtschaftlich Möglichen zu empfehlen.

Die Gewährung des bezahlten Urlaubs ist in allen Fällen mit einer finanziellen Belastung der Betriebe verbunden. Es scheint uns, dass bei der heutigen, meist noch wenig günstigen Lage weiter Kreise der Industrie und des Gewerbes eine allgemeine Feriengesetzgebung des Bundes nach den Normen des Übereinkommens nicht tragbar wäre. Während einer langen Beine von Jahren haben nun Krisis und Arbeitslosigkeit unsere Wirtschaft heimgesucht. Die Erträge der einzelnen Betriebe gingen zurück und machten häufig dauernden Betriebsverlusten Platz. Es muss zurzeit erst einmal alles daran gesetzt werden, um eine bessere Beschäftigung und bessere Rentabilität der Betriebe herbeizuführen.

Dies ist für den Staat, aber auch für die Arbeitgeberschaft wie das Arbeitnehmertum die erste Sorge, neben welcher selbst wünschenswerte sozialpolitische Neuerungen wie der allgemeine gesetzliche Ferienanspruch zurzeit zurücktreten müssen.

Wir halten es daher im Augenblick nicht für möglich, eine Gesetzesvorlage einzubringen, deren Annahme den Beitritt zum Übereinkommen gestatten würde.

Die Frage einer Erhebung über den gegenwärtigen Stand der Feriengewährung befindet sich zurzeit in Prüfung. Da im Spätsommer 1937 eine eidgenössische Fabrikstatistik durchgeführt werden soll, besteht die Möglichkeit, für die Industrie im Zusammenhang mit dieser Erhebung die Angelegenheit zu untersuchen. Für die Arbeiter des Gewerbes und die vom Fabrikgesetz nicht erfasste Angestelltenschaft müssen besondere Umfragen veranstaltet werden. Ob die Ausgaben für eine grossere, umfassende Erhebung gerechtfertigt sind, können wir im heutigen Zeitpunkte noch nicht sagen. Auf alle Fälle soll versucht werden, über diese Frage weitere Unterlagen zu beschaffen.

Im übrigen sind wir bereit, der Anregung der oben genannten Konferenz in der Weise Folge zu geben, dass wir das Volkswirtschaftsdepartement beauftragen werden, in einem Schreiben an die Arbeitgeberverbände zu empfehlen, dass die Arbeitgeberschalt ihren Angestellten und Arbeitern Ferien gewähren möge, soweit die jetzige wirtschaftliche Tragfähigkeit ihrer Betriebe dies zulässt.

Eine solche Empfehlung soll, sobald der vorliegende Bericht von den eidgenössischen Bäten genehmigt ist,
an die genannten Verbände gerichtet werden.

3. Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten.

Zur Frage der Verkürzung der Arbeitszeit im allgemeinen haben wir uns in unserem Bericht über die neunzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonforenz eingehend geäussert 1 ). Wir schrieben damals zusammenfassend in unserer Stellungnahme zum Bahmenübereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit auf vierzig Stunden wöchentlich : « Einer in ihren Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben des Landes so unübersehbaren Massnahme, wie es die grundsätzliche Festlegung auf die Vierzigstundenwoche im gegenwärtigen *) Bundeebl. 1986, Bd. I, S. 768,

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Zeitpunkt wäre, kann der Buiidesrat nicht beipflichten; er ist daher nicht in der Lage, den eidgenössischen Räten den Beitritt zum Übereinkommen zu empfehlen1).» Dieselbe Stellung nahmen wir gegenüber dem Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in Flaschenglashütten ein. Ausser gewissen materiellen Schwierigkeiten ergab sich hier ein wesentliches Hindernis für die Eatifikation dadurch, dass der Ingress ausdrücklich den im allgemeinen Übereinkommen aufgestellten Grundsatz der Vierzigstundenwoche enthält, der auch die Aufrechterhaltung des Standes der Lebenshaltung der Arbeitnehmer umfasst. «Muss die Schweiz», hiess es in unserm Bericht, «diesen Grundsatz ... zurzeit ablehnen, so kann sie iVmn auch nicht -- gleichsam indirekt -- seine Zustimmung geben, indem sie dem Spezialübereinkommen über die Flaschenglashütten beitritt». Wir erinnern hieran, weil auch das Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten im Ingress den genannten Grundsatz in wörtlich gleicher Form wiederum bestätigt, die Bedenkon, die sich aus diesem Umstände gegen eine Ratifikation der Flaschenglaskonvention für uns ergaben, somit gleichermassen hinsichtlich dea Beitrittes zum Übereinkommen über die Arbeitszeitverkürzung bei öffentlichen Arbeiten bestehen. Im übrigen stellen wir uns zu diesem Übereinkommen wie folgt: Es ist richtig, dass die Verkürzung der Arbeitszeit im Gebiete des Baugewerbes dort, wo es eich um Arbeiten handelt, die von Staats wegen durchgeführt oder unterstützt werden, unter dem Gesichtspunkt der Produktionskostensteigerung etwas anders zu beurteilen ist als die Reduktion der Arbeitsdauer in Industriezweigen, die mit ihren Erzeugnissen auf dem Weltmarkte zu konkurrieren haben. Dies heisst aber nicht, dass die Bedeutung der Lohnfrage bei öffentlichen Bauarbeiten gering eingeschätzt werden darf. Im Gegenteil verlangt gerade die heutige gespannte Finanzlage von Bund, Kantonen und Gemeinden, dass auch auf diesem Gebiete gespart wird, und es kann deshalb auch hier eine Verkürzung der Arbeitszeit nur schrittweise durchgeführt werden, wenn nicht wichtige wirtschaftliche Interessen vernachlässigt werden sollen. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein gewisser Ausgleich der Arbeitsdauer sich ohnehin schon von selbst durch die Saisonschwankungen ergibt, was bei der Beurteilung der
Frage der Arbeitsdauer im Baugewerbe nicht zu übersehen ist.

Heute gilt bei uns für Notstandsarbeiten des Hoch- und Tiefbaues die Vorschrift, dass wöchentlich höchstens 48 Stunden gearbeitet werden darf, ohne dass eine Überschreitung der ortsüblichen Stundenlöhne zugelassen wird.

Die Durchführung dieses Grundsatzes bot anfänglich Schwierigkeiten, hat sich nun aber durchgesetzt. Ausnahmen werden noch etwa bewilligt für höher gelegene Orte, wo die für das Bauen günstige Jahreszeit sehr kurz ist, oder für ländliche Gegenden mit besonders tiefem Lohnniveau. Wir halten den Zeitpunkt für gekommen, die genannte Begelung auf alle öffentlichen Bauarbeiten auszudehnen. Da es finanziell nicht möglich ist, für alle Bauarbeiter Arbeiten *) Bundeebl. 1936, Bd. I, S. 771/772.

662 bereitzustellen, -wird es als stossefld empfunden, dass zwischen Notstandsarbeiten und normalen öffentlichen Arbeiten ein Unterschied gemacht wird, werden doch bei Notstandsarbeiten auch die nicht als Arbeitslose zugewiesenen Stammarbeiter der Unternehmer ebenfalls höchstens 48 Stunden beschäftigt.

Zunächst sollte diese Beschränkung der Arbeitsdauer auf die vom Bund ausgeführten oder ordentlicherweise subventionierten Bauarbeiten ausgedehnt werden, was durch entsprechende Submissions- bzw. Subventionsbedingungen geschehen kann. Eine- solche allmähliche Herabsetzung der Arbeitszeit, die unter Umständen später je nach den Erfahrungen über das Gebiet der Notstandsarbeiten ausgedehnt werden könnte, liesse sich wohl ohne die Gefahr einer wesentlichen Baukostensteigerung durchführen und wäre ohne besondere Störung der Gesamtwirtschaft möglich, da das Baugewerbe und dessen Nebenberufe gewissermassen einen abgeschlossenen Kreis der Inlandswirtschaft bilden, der die übrige Wirtschaft, insbesondere die Exportindustrie, Verhältnismassig wenig beeinflusst. Auf diese Weise könnte eine allmähliche Verbesserung der Gosamtlage des baugewerblichen Arbeitsmarktes erzielt werden, bei der auch der einzelne Arbeiter mit einer achtstündigen täglichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung der heutigen Tariflöhne sich immer noch besser stellen würde als unter der Herrschaft der Vorkriegslöhne und einer Arbeitsdauer von zehn Stunden. Dabei müsste in den gelernten Bauberufen rechtzeitig vermehrter Nachwuchs ausgebildet werden. Unvermeidliche Lücken, wie sie in Zeiten einer besondern Konjunktur entstehen, Hessen sich dann wohl leicht im Wege von Überzeitbewilligungen ausgleichen.

Wir sind somit der Auffassung, dass im Interesse vermehrter Arbeitsbeschaffung eine gewisse Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten im Sinne unserer vorstehenden Ausführungen vorzunehmen sei, dass aber eine Herabsetzung der Arbeitsdauer in der im Übereinkommen vorgesehenen Art und Weise zurzeit nicht tragbar wäre. Die Schweiz ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht in der Lage, einer Konvention beizupflichten, die nicht nur für öffentliche Bauarbeiten eine Arbeitswoche von durchschnittlich 40 Stunden einführt, sondern gleichzeitig allgemein den Grundsatz der Vierzigstundenwoche bei Aufrechterhaltung des bisherigen Standes der
Lebenshaltung der Arbeitnehmer proklamiert. Ausser der Tatsache, dass wir eine Verkürzung der Arbeitsdauer bei öffentlichen Arbeiten in diesem Ausmass aus finanziellen Erwägungen ablehnen müssen, würden offenbar auch daraus Schwierigkeiten entstehen, dass boi Vergebung öffentlicher Bauarbeiten an Privatunternehmer zwischen dem Arboitszeitregiine der Arbeiter, die für Eechnung des Staates tätig sind, und demjenigen der übrigen von denselben Unternehmern beschäftigten Arbeitern ein wesentlicher Unterschied bestünde. Wir können somit die Eatifikation des Übereinkommens nicht empfehlen, werden aber bei künftigen Massnahmen auf dem Gebiete der Arbeitszeit im Baugewerbe den Absichten, von denen das internationale Übereinkommen geleitet ist, imBahmen des Möglichen Bechnung zu tragen suchen.

663

Nach Art. 405, Abs. S, des Vertrages von Versailles sind die Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet, nicht später als ein Jahr oder ausnahmsweise spätestens 18 Monate nach Schluss der Konferenz die Entwürfe von Übereinkommen und die Empfehlungen der zur Entscheidung darüber berufenen Behörde zu unterbreiten zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnabmen. Der Bundesrat legt Ihnen demgemäss die Übereinkommen und Empfehlungen der zwanzigsten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz vor und bittet Sie, von den vorstehenden Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 24. März 1987.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Baumann.

Der Bundeskanzler:

G. Boret.

Beilaffe,

664 Beilage.

Zwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Genf, 4. bis 24. Juni 1936.)

Entwürfe von Übereinkommen und Empfehlungen der Konferenz.

Seite 1. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 50) über die Regelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern 2. Empfehlung (Nr. 46) betreffend die allmähliche Abschaffung der Anwerbung 8. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 51) über die Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten 4. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 52) über den bezahlten Jahresurlaub 5. Empfehlung (Nr. 47) betreffend den bezahlten J a h r e s u r l a u b . . . .

665 675 676 680 685

Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte der Entwürfe und Übereinkommen und der Empfehlungen bilden die auf Wunsch der Regierungen Österreichs und der Schweiz in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

6G5

1.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 50) über die Regelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des "internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen ·wurde und am 4. Juni 1986 zu ihrer zwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Begelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 20. Juni 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über die Anwerbung eingeborener Arbeitnehmer von 1936 bezeichnet wird.

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Anwerbung eingeborener Arbeitnehmer in allen seiner Hoheit unterstehenden Gebieten, in denen eine solche Anwerbung besteht oder in Zukunft bestehen könnte, nach den folgenden Bestimmungen zu regeln.

Artikel 2.

l)ii Sinne dieses Übereinkommens gelten als a. «Anwerbung» alle Handlungen, die unternommen werden zu dem Zwecke, sich oder Dritten die Arbeit von Personen zu beschaffen, die ihre Dienste an der Arbeitsstätte, bei einer öffentlichen Auswanderungs- oder Arbeitsvermittlungsstello oder in einer von einem Arbeitgeberverbande geleiteten und der Aufsicht der zuständigen Behörde unterstehenden Stelle nicht freiwillig anbieten; b. «eingeborene Arbeitnehmer» die zur eingeborenen Bevölkerung gehörigen oder ihr gleichgestellten Arbeitnehmer der von Mitgliedern der Organisation abhängigen Gebiete, sowie die zur abhängigen eingeborenen Bevölkerung gehörigen oder ihr gleichgestellten Arbeitnehmer des Mutterlandes von Mitgliedern der Organisation.

Artikel 3.

Die zuständige Behörde kann, wenn ein solches Vorgehen nach den Umständen erwünscht ist, die Anwerbung folgender Art vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausnehmen, sofern sie nicht von Personen oder Vereinigungen ausgeübt wird, die die Anwerbung gewerbsmässig betreiben : Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. I.

47

666

a. die Anwerbung durch Arbeitgeber oder im Namen von Arbeitgebern, die nicht mehr als eine bestimmte, begrenzte Zahl von Arbeitnehmern beschäftigten ; 1), die Anwerbung innerhalb eines vorgeschriebenen, begrenzten Umkreises um die Arbeitsstätte; c. die Anwerbung von Arbeitnehmern "für den Haushalt oder die porsönliche Bedienung und für andere als körperliche Arbeiten.

Artikel 4.

Bevor ein Plan für den wirtschaftlichen Ausbau eines Gebietes genehmigt wird, der voraussichtlich die Anwerbung von Arbeitskräften erfordert, hat dio zuständige Behörde alle Massnahmen zu treffen, die durchführbar und notwendig erscheinen, uni a. zu verhüten, dass durch die Arbeitgeber oder in deren Namen auf die botreffende Bevölkerung ein Zwang ausgeübt wird, um die erforderlichen Arbeitskräfte zu erlangen; 1). soweit als möglich sicherzustellen, dass durch die Nachfrage nach Arbeitskräften die politische und soziale Ordnung der betreffenden Bevölkerung nicht gefährdet und ihre Anpassungsfähigkeit an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beeinträchtigt wird; c. allen anderen nachteiligen Folgen entgegenzuwirken, die ein solcher wirtschaftlicher Ausbau für die betreffende Bevölkerung mit sich bringen könnte.

Artikel 5.

1. Bevor die zuständige Behörde dio Erlaubnis zur Anwerbung von Arbeitskräften in einem Gebiete erteilt, hat sie die möglichen Folgen dos Entzuges erwachsener Männer für das Gemeinschaftsleben der betreffenden Bevölkerung in Betracht ?M ziehen und dabei insbesondere zu berücksichtigen a. die Bevölkerungsdichte, deren Neigung zur Zu- oder Abnahme und die voraussichtliche Auswirkung des Entzuges erwachsener Männer auf die Zahl der Geburten; b. die möglichen Auswirkungen des Entzuges erwachsener Männer auf die Gesundheit, die Wohlfahrt und die Entwicklung der betreffenden Bevölkerung, besonders hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmitteln; c. die durch den Entzug erwachsener Männer für Familie und Sittlichkeit entstehenden Gefahren; d. die möglichen Auswirkungen des Entzuges erwachsener Männer auf die gesellschaftliche Ordnung der betreffenden Bevölkerung.

2. Die zuständige Behörde hat, wenn ein solches Vorgehen nach den Umstanden sich verwirklichen lässt und notwendig ist, zum Schutze der betreffenden Bevölkerung gegen alle mit dein Entzug erwachsener Männer verbim-

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denen nachteiligen Folgen die Höchstzahl der erwachsenen Männer, die in einer als Einheit bestehenden Gemeinschaft angeworben werden dürfen, festzusetzen. Dabei darf die Zahl der verbleibenden erwachsenen Männer nicht unter einen bestimmten Hundertsatz sinken, wie er sich aus dem gewöhnlichen Verhältnis der Zahl der erwachsenen Männer zu jener der Frauen und Kinder ergibt.

Artikel 6.

Nicht erwachsene Personen dürfen nicht angeworben werden. Doch kann die zuständige Behörde mit Zustimmung der Eltern die Anwerbung nicht erwachsener Persone]i von einem bestimmten Alter ab für leichte Arbeiten zulassen, wenn sie Sicherungen für deren Wohlfahrt vorschreibt, Artikel 7.

1. Die Anwerbung eines Fainilienhauptes darf nicht so ausgelegt werden, als ob sie die Anwerbung irgendeines Mitgliedes seiner Familie mitumfasse.

2. Die zuständige Behörde hat, wenn ein solches Vorgehen nach den Umständen sich verwirklichen lässt und erwünscht ist, dahin zu wirken, dass sich die angeworbenen Arbeitnehmer von ihren Familien begleiten lassen, insbesondere wenn die Arbeitnehmer für landwirtschaftliche oder ähnliche Arbeiten nach einem von ihrem Wohnsitze weit entfernten Ort und über eine bestimmte Dauer hinaus angeworben werden, 3. Die angeworbenen Arbeitnehmer dürfen von ihren Frauen und minderjährigen Kindern, denen die Erlaubnis erteilt wurde, sie zur Arbeitsstätte zu bogleiten und dort bei ihnen zu bleiben, nicht getrennt werden, es sei denn, dass die Beteiligten es ausdrücklich verlangen.

4. Falls vor der Abreise des Arbeitnehmers vom Anwerbungsorte nichts anderes vereinbart ist, gilt die Erlaubnis, den Arbeitnehmer zu begleiten, auch als Erlaubnis, bei ihm während der ganzen Dauer seines Arbeitsverhältnisses zu bleiben.

Artikel 8.

Die zuständige Behörde kann, wenn ein solches Vorgehen nach den Umständen sich verwirklichen lässt und erwünscht ist, die Erteilung der Erlaubnis zur Anwerbung davon abhängig machen, dass die angeworbenen Arbeitnehmer an der Arbeitsstätte unter angemessener Berücksichtigung ihrer ethnischen Verwandtschaft gruppiert werden.

Artikel 9.

öffentliche Beamte dürfen -weder unmittelbar noch mittelbar für private Betriebe anwerben, es sei denn, dass die angeworbenen Arbeitnehmer bei gemeinnützigen Arbeiten beschäftigt werden sollen, deren Ausführung an private Betriebe für Eechnung einer Behörde vergeben wurde.

668

Artikel 10.

Häuptlinge und andere Amtspersonen sowie Behörden der Eingeborenen dürfen a. sich nicht als Anwerber betätigen; b. auf Personen, die für die Anwerbung in Betracht kommen, keinen Druck ausüben; c. keine besondere Vergütung aus irgendeiner Quelle entgegennehmen oder keinen sonstigen besonderen Vorteil daraus ziehen, weil sie bei der Anwerbung mitgewirkt haben.

Artikel 11.

Keine Person oder Vereinigung darf gewerbsmässig anwerben, es sei denn, dass diese Person oder Vereinigung von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur Anwerbung erhalten hat und Arbeitnehmer für eine öffentliche Verwaltung oder für einen oder mehrere bestimmte Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände anwirbt.

Artikel 12.

Arbeitgeber und deren Beauftragte, Arbeitgeberverbânde, von Arbeitgebern unterstützte Verbände, Beauftragte der Arbeitgeberverbände und der von Arbeitgebern unterstützten Verbände dürfen nur anwerben, wenn sie von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur Anwerbung erhalten haben, Artikel 13.

1. Bevor die zuständige Behörde die Erlaubnis zur Anwerbung erteilt, hat sie: a. sich zu vergewissern, dass der Bewerber, wenn es sich um eine Einzelperson handelt, die erforderliche Eignung besitzt und unbescholten ist ; b. den Bewerber, wenn es sich nicht um einen Arbeitgeberverband oder um einen von Arbeitgebern unterstützten Verband handelt, zu verpflichten, in Geld oder auf andere Weise für die gewissenhafte Erfüllung der ihm als Inhaber der Erlaubnis erwachsenden Obliegenheiten Sicherheit zu leisten; c. den Bewerber, wenn es sich um einen Arbeitgeber handelt, zu verpflichten, in Geld oder auf andere Weise für die Zahlung der falligen Lohne Sicherheit zu leisten; d. sich zu vergewissern, dass angemessene Massnahmen für Gesundheit und Wohlfahrt der anzuwerbenden Arbeitnehmer getroffen sind.

2. Die Inhaber einer Erlaubnis haben in der von der zustandigen Behörde genehmigten Weise eine Liste zu führen, aus der sich ersehen lässt, ob jede Anwerbungshandlung vorschriftsmässig vorgenommen wurde, und aus der die Person jedes angeworbenen Arbeitnehmers festgestellt werden kann.

669 8. Jeder Inhaber einer Erlaubnis, der als Beauftragter des Inhabers einer anderen Erlaubnis handelt, soll, soweit als möglich, ein festes Gehalt erhalten; bezieht er eine nach der Zahl der angeworbenen Arbeitnehmer bemessene Vergütung, so darf diese einen von der zuständigen Behörde festzusetzenden Höchstbetrag nicht überschreiten.

4. Die Geltungsdauer der Erlaubnis ist auf eine von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu beschränken, die ein Jahr nicht überschreiten darf.

5. Die Erneuerung der Erlaubnis ist davon abhängig zu machen, wie ihr Inhaber die Bedingungen, unter denen die Erlaubnis erteilt worden ist, erfüllt hat.

6. Die zuständige Behörde ist berechtigt, a, die Erlaubnis zurückzuziehen, wenn sich der Inhaber einer solchen Übertretung oder eines solchen Vergehens schuldig gemacht hat, dass er als Anwerber ungeeignet erscheint; b. die Erlaubnis für solange ausser Kraft zu setzen, bis das Ergebnis einer etwa eingeleiteten Untersuchung über die Handlungsweise des Inhabers der Erlaubnis vorliegt.

Artikel 14.

1. Keine Person darf den Inhaber einer Erlaubnis bei der eigentlichen Anwerbung als Hilfskraft unterstützen, wenn sie dazu nicht von einem öffentlichen Beamten die Genehmigung erhalten hat und einen vom Inhaber der Erlaubnis ausgestellten Ausweis besitzt.

2. Der Inhaber einer Erlaubnis ist für das einwandfreie Verhalten dieser Hilfskraft verantwortlich.

Artikel 15.

1. Die zuständige Behörde kann, wenn ein solches Vorgehen nach den Umständen notwendig oder erwünscht ist, Arbeitnehmer, die sich als Anwerber betätigen, von der Verpflichtung zur Einholung einer Erlaubnis befreien, wenn sie: a. Arbeitnehmer des Unternehmens sind, für das sie anwerben; b. vom Arbeitgeber den ausdrücklichen schriftlichen Auftrag zur Anwerbung von Arbeitnehmern erhalten haben; c. keinerlei Vergütung oder sonstige Vorteile für die Anwerbung beziehen.

2. Arbeitnehmer, die sich als Anwerber betätigen, dürfen den Angeworbenen keine Lohnvorschüsse gewähren.

8. Arbeitnehmer, die sich als Anwerber betätigen, dürfen die Anwerbung nur innerhalb eines von der zuständigen Behörde abzugrenzenden Gebietes ausüben.

4. Die Handlungen der Arbeitnehmer, die sich als Anwerber betätigen, smd in einor von der zuständigen Behörde festzusetzenden Weise zu überwachen.

670 Artikel 16.

1. Dio angeworbenen Arbeitnehmer sind einem öffentlichen Beamten vorzuführen, der sich zu vergewissern hat, ob die gesetzlichen Vorschriften über die Anwerbung eingehalten, insbesondere, ob die Arbeitnehmer keinem unerlaubten Druck ausgesetzt oder in betrügerischer oder irrtümlicher Weise angeworben worden sind, 2. Die angeworbenen Arbeitnehmer sind diesem Beamten möglichst nahe bei dem Anwerbungsorte vorzuführen oder spätestens am Orto der Abreise aus dem Anwerbungsgebioto, sofern es sich um Arbeitnehmer handelt, die in einem Gebiete für eine Beschäftigung in einem anderen, nicht derselben Verwaltung unterstellten Gebiete angeworben wurden.

Artikel 17.

Wenn sich dies nach den Umständen -verwirklichen lässt und notwendig ist, hat die zuständige Behörde vorzuschreiben, dass jeder angeworbene Arbeitnehmer, der nicht am Orte der Anwerbung oder in dessen Nähe eingestellt wird, ein Schriftstück -- z.B. einen Ausweis, ein Arbeitsbuch oder einen vorlaufigen Vertrag -- erhalt, worin die von der zuständigen Behörde gegebenenfalls festgesetzten Einzelheiten enthalten sind, z. B. Angaben über die Person des Arbeitnehmers, die Bedingungen für die in Aussicht genommene Beschäftigung und etwaige Lohnvorschüsse, die der Arbeitnehmer erhalten hat.

Artikel 18.

1. Jeder angeworbene Arbeitnehmer ist ärztlich zu untersuchen.

2. Wird der Arbeitnehmer angeworben für eine vom Orte der Anwerbung entfernte Beschäftigung oder für eine Beschäftigung in einem Gebiete, das einer anderen Verwaltung untersteht, so hat die ärztliche Untersuchung möglichst nahe beim Orte der Anwerbung zu erfolgen oder spätestens am Orte der Abreise aus dem Anwerbungsgebiete, sofern es sich um Arbeitnehmer handelt, die in einem Gebiete für eine Beschäftigung in einem andern, nicht derselben Verwaltung unterstellten Gebiete angeworben wurden.

3. Die zuständige Behörde kann öffentliche Beamte, denen die Arbeitnehmer nach Artikel 16 vorzuführen sind, ermächtigen, die Abreise dieser Arbeitnehmer vor der ärztlichen Untersuchung zuzulassen, wenn sie sich vergewissert haben, dass a. die ärztliche Untersuchung nahe beim Orte der Anwerbung oder am Orte der Abreise unmöglich war und ist; b. der Arbeitnehmer für die Eeise und die künftige Beschäftigung körperlich geeignet ist; c. der Arbeitnehmer bei der Ankunft an der Arbeitsstätte oder möglichst bald danach ärztlich untersucht wird.

671 4. Die zuständige Behörde kann anordnen, dass die angeworbenen Arbeitnehmer sowohl vor der Abreise als auch nach der Ankunft an der Arbeitsstätte ärztlich untersucht werden, insbesondere, wenn die Reise solange dauert und unter solchen Verhältnissen gemacht wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer darunter leiden könnte.

5, Die zuständige Behörde hat sich zu vergewissern, dass alle notwendigen Massnahmen getroffen worden, damit die angeworbenen Arbeitnehmer sich an das Klima gewöhnen, sich anpassen und ihre Schutzimpfung gegen Krankheiten vorgenommen werde.

Artikel 19.

1. Der Anwerber oder der Arbeitgeber hat, in jedem Falle wo dies möglich ist, die angeworbenen Arbeitnehmer bis zur Arbeitsstätte befördern zu lassen.

2. Die zuständige Behörde hat alle notwendigen Massnahmeu zu treffen, um sicherzustellen, dass: a. die für die Beförderung der Arbeitnehmer verwendeten Fahrzeuge oder Schiffe hierzu geeignet, hygienisch einwandfrei und nicht überfüllt sind; b. für geeignete Unterbringung der Arbeitnehmer gesorgt ist, wenn unterwegs übernachtet werden ums; c. im Falle lang andauernder Beisen alle notwendigen Vorkehrungen tur arztliche Hilfe und für die "Wohlfahrt der Arbeitnehmer getroffen worden.

8. "Wenn die angeworbenen Arbeitnehmer auf dem Wege zur Arbeitsstätte lange Fussmärsche zurücklegen müssen, hat die zuständige Behörde alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass a. die Länge der Tagesmärsche der Gesundheit der Arbeitnehmer- nicht abträglich ist und ihren Kräften entspricht; b. sofern der Umfang des Transportes der Arbeitnehmer es erfordert, an geeigneten Stellen der Hauptverkehrsstrassen Ruhelager oder Unterkunftsstätten errichtet werden, die sauber instand gehalten und für die nötige ärztliche Pflege eingerichtet sind.

4. Wenn angeworbene Arbeitnehmer grosse Strecken bis zur Arbeitsstätte zurückzulegen haben und in Gruppen reisen, sind sie von einer verantwortlichen Person zu begleiten.

Artikel 20.

1. Die Kosten der Reise der angeworbenen Arbeitnehmer bis zur Arbeitsstätte, einschliesslich aller Aufwendungen für ihren Schutz während der Reise, sind vom Anwerber oder Arbeitgeber zu tragen.

2. Der Anwerber oder der Arbeitgeber hat den angeworbenen Arbeitnehmern während der Reise zur Arbeitsstätte alles für ihren Unterhalt Notwendige zu liefern, insbesondere je nach den örtlichen Verhältnissen ent-

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sprechende Lebensrnittel in genügender Menge, Trinkwasser, Kochgerat und Brennstoff, Kleidungsstücke und .Decken.

3. Dieser Artikel gilt für die von Arbeitnehmern angeworbenen Arbeitnehmer nur soweit, als seine Durchführung von der zuständigen Behörde als möglich erachtet wird.

Artikel 21.

Jeder angeworbene Arbeitnehmer ist auf Kosten des Anwerbers oder des Arbeitgebers heimzuschaffen, wenn er a. während der Eeise zur Arbeitsstätte durch Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig wird; &. bei der ärztlichen Untersuchung für arbeitsuntauglich befunden wird; c. nach der Anwerbung aus einem von ihm nicht verschuldeten Grunde nicht eingestellt wird; d, nach Feststellung der zuständigen Behörde in betrügerischer oder irrtümlicher Weise angeworben worden ist.

Artikel 22.

Die zuständige Behörde hat den Betrag, der den angeworbenen Arbeitnehmern als Lohnvorschuss gewährt werden darf, zu begrenzen und die Bedingungen zu regeln, unter denen solche Vorschüsse gewährt werden dürfen.

Artikel 28.

Wenn die Familien der angeworbenen Arbeitnehmer die Erlaubnis erhalten haben, diese zur Arbeitsstätte zu begleiten, so hat die zustandige Behörde alle notwendigen Massnahmen für den Schutz ihrer Gesundheit und ihre Wohlfahrt während der Beise zu treffen. Insbesondere ist a. Artikel 19 und 20 dieses Übereinkommens auf solche Familien anzuwenden ; I). im Falle der Heimschaffung des Arbeitnehmers nach Artikel 21 auch seine Familie heimzuschaffen; c. die Familie heimzuschaffen, wenn der Arbeitnehmer während der Eeise zur Arbeitsstätte stirbt, Artikel 24.

1. Vor der Zulassung der Anwerbung von Arbeitnehmern zur Beschäftigung in einem Gebiete, das einer anderen Vorwaltung untersteht, hat sich die zuständige Behörde des Anwerbungsgebietes zu vergewissem, dass alle notwendigen Massnahmen zum Schutze der angeworbenen Arbeitnehmer nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens von dem Zeitpunkte an getroffen sind, in dem sie den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde verlassen.

2. Werden Arbeitnehmer in einem Gebiete für eine Beschäftigung in einem anderen, nicht derselben Verwaltung unterstellten Gebiete angeworben, und

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erachten es die unständigen Behörden unter Berücksichtigung der Umstände und des Umfanges der Anwerbung für notwendig, so sollen sie Vereinbarungen über den zulässigen Umfang der Anwerbung und über ihr Zusammenwirken zur Überwachung der Durchführung der Amverbungs- und Arbeitsbedingungen treffen.

3, Die Anwerbung von Arbeitnehmern in einem Gebiete für eine Beschäftigung in einem anderen, nicht derselben Verwaltung unterstellten Gebiete darf nur aul Grund einer von der zuständigen Behörde des Anwerbungsgebietes erteilten Erlaubnis erfolgen. Doch kann diese Behörde eine Erlaubnis als gleichwertig anerkennen, die von der zuständigen Behörde des Gebietes ausgestellt ist, in dem die Arbeitnehmer beschäftigt werden sollen, 4. Wenn die Umstände sowie der Umfang der Anwerbung für die Beschäftigung in einem anderen, nicht derselben Verwaltung unterstellten Gebiete es geboten erscheinen lassen, hat die zuständige Behörde festzusetzen, dass die Anwerbung nur durch Vereinigungen vorgenommen werden darf, die von ihr zugelassen sind.

Artikel 25.

1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Ratifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt, · a. m denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet; b. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen ; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann und in diesem Falle die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l n und 6 dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Batifikation und haben dio Wirkung einer solchen.

8. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner frühereu Erklärung nach Absatz l b, c oder d dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 26.

Die formlichen Batifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

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Artikel 27.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 28.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies samtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit: Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 29, 1. Jedes Mitglied, das, dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes, kundigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

'2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem. in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 30.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konterenz gesetzt werden soll.

Artikel 31.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: - a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden -Über-

675 einkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 29. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dièses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 82.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind 111 gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 46) betreffend die allmähliche Abschaffung der Anwerbung.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1986 zu ihrer zwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die allmähliche Abschaffung der Anwerbung, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 20. Juni 1986, folgende Empfehlung an, die ah Empfehlung betreffend die Abschaffung der Anwerbung von 1936 bezeichnet wird.

Die Konferenz hat den Entwurf eines Übereinkommens über die Regelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von Arbeitnehmern angenommen.

Sie halt es für angezeigt, dass für die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, unbeschadet der Regelung der Anwerbung von Arbeitskräften, der Grundsatz richtunggebend sein sollte, allmählich die Anwerbung abzuschaffen und das freie Angebot von Arbeitskräften zu fördern, soweit diesem Bestreben notwendig und erwünscht ist.

In dieser Überzeugung empfiehlt die Konferenz allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation, Massnahmen vorzusehen, um diese Abschaffung zu beschleunigen durch a. Verbesserung der Arbeitsbedingungen; b. Ausbau der Verkehrsmittel; c. Forderung der Ansiedlung der Arbeitnehmer und ihrer Familien in dem Gebiete, in dem sie beschäftigt sind, wenn eine solche Ansiedlung im Sinne der Bestrebungen der zuständigen Behörde liegt;

076

d. Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Überwachung und Aufsicht durch die Verwaltung; e. Erziehung der eingeborenen Bevölkerung und Verbesserung de~, Standes ihrer Lebenshaltung.

3.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 51) über die Verkürzung der Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten.

- Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die in Genf ani 4, Juni 1986 zu ihrer zwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, geht von der Erwägung aus, dass die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit bei den von den Eegierungen unternommenen oder unterstützten öffentlichen Arbeiten den dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Sie bestätigt den durch das Übereinkommen übor die Vierzigstundenwoche von 1935 festgelegten Grundsatz, der auch dio Aufrechterhaltung des Standes der Lebenshaltung der Arbeitnehmer umfasst, und hält für erwünscht, durch eine internationale Vereinbarung diesen Grundsatz bei den öffentlichen Arbeiten durchzufuhren.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1986, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über dio Verkürzung der Arbeitszeit (öffentliche Arbeiten) von 1936 bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt für Personen, die bei den von einer Zentralregierung finanzierten oder unterstützten Hoch- und Tiefbauarbeiten unmittelbar beschäftigt sind.

2. Im Sinne dieses Übereinkommens wird die genaue Bedeutung der Ausdrücke «Hoch- und Tiefbau», «finanziert» und «unterstützt» durch die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen.

S. Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Berufsverbande der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausnehmen a. Personen in Betrieben, in denen nur Angehörige der Familie des Arbeitgebers beschäftigt sind; &. Personen in leitender Stelle, die gewöhnlich keine körperliche Arbeit verrichten.

Artikel 2.

1. Die Arbeitszeit der Personen, für die dieses Übereinkommen gilt, darf durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

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2. Für Personen, die in aufeinanderfolgenden Schichten mit Arbeiten beschäftigt sind, die ihrer Natur nach zu keinem Zeitpunkte des Tages, der Nacht oder der Woche unterbrochen werden können, darf die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich zweiundvierzig Stunden erreichen.

3. Die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die unter Absatz 2 dieses Artikels fallenden Arbeiten.

4. Wenn die Arbeitszeit nach einer Durchschnittsdauer berechnet wird, bestimmt die zuständige Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die Zahl der Wochen, die der Berechnung dieser Durchschnittsdauer zugrunde gelegt werden darf, sowie die wöchentliche Höchstzahl der Arbeitsstunden.

5. Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als «Arbeitszeit» die Zeit, während der das, Personal zur Verfügung des Arbeitgebers steht; sie umfasst nicht die Ruhepausen, während deren das Personal nicht zur Verfügung des Arbeitgebers steht.

Artikel 3.

1. Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, durch Verordnungen eine Überschreitung der im vorstehenden Artikel festgesetzten Arbeitszeitgrenzen zulassen für a. Personen, die mit Vorbereitungs- oder Ergänzungsarbeiten beschäftigt sind, die notwendigerweise ausserhalb der allgemeinen Arbeitszeit des Betriebes, des Betriebsteiles oder der Schicht ausgeführt werden müssen; i. Personen bei Beschäftigungen, die ihrer Natur nach längere Zeiten der Untätigkeit mit sich bringen, während deren diese Personen weder körperliche Arbeit leisten noch eine dauernde Aufmerksamkeit aufwenden, oder während deren sie nur auf ihrem Posten bleiben, um im Bedarfsfalle zur Verfügung zu stehen.

2. Die Verordnungen nach Absatz l haben die Höchstzahl der Arbeitsstunden zu bestimmen, die auf Grund dieses Artikels geleistet werden dürfen.

3. Die zuständige Behörde kann die Überschreitung der im vorigen Artikel festgesetzten Arbeitszeitgrenzen unter Bestimmung des Ausmasses der Verlängerung zulassen, soweit es bei Vorliegen aussergewöhnlicher Verhältnisse, wie schwieriger Zugang zur Arbeitsstätte oder Unmöglichkeit der Einstellung einer ausreichenden Zahl gelernter
Arbeitskräfte, erforderlich ist, um eine ernstliche Störung der Ausführung einer bestimmten Arbeit zu verhüten.

Artikel 4.

Die in den vorigen Artikeln festgesetzten Arbeitszeitgrenzen können überschritten werden, jedoch nur soweit es erforderlich ist, um eine ernstliche Störung des regelmässigen Betriebes zu verhüten,

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a. wenn eine Betriebsstörung eingetreten ist oder droht, wenn dringlich o Arbeiten an den Maschinen oder an den Betriebseinrichtungen vorzunehmen sind, oder wenn höhere Gewalt vorliegt; b. um das unvorhergesehene Ausbleiben eines oder mehrerer Mitglieder einer Schicht auszugleichen.

Artikel 5.

1. Die in den Artikeln 2 und 3 festgesetzten Arbeitszeitgrenzen dürfen, überschritten werden, falls dio Verlängerung der Arbeitszeit bestimmter Personen für die Beendigung einer Arbeit notwendig ist, die aus technischen Gründen nicht unterbrochen werden kann.

2. Die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbändc der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die unter diesen Artikel fallenden Arbeiten und die Höchstzahl der über die festgesetzten Grenzen hinausgehenden Stunden, während deren die betreffenden Personen arbeiten dürfen.

3. Die auf Grund dieses Artikels geleisteten Überstunden sind mit einem Zuschlage von mindestens 25 vom Hundert des Normallohnes zu vergüten.

Artikel 6.

1. Die zuständige Behörde kann eine bestimmte Zahl von Überstunden für ausscrgowöhnhche Fälle der Arbeitshäufung bewilligen. Diese Überstundenzahl darf nur durch Vorordnungen bewilligt werden. Vorher sind die beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, über die Notwendigkeit solcher Überstunden und ihre Zahl anzuhören. Die Höchstzahl der so bewilligten Überstunden darf in keinem Falle jährlich mehr als hundert für den einzelnen Arbeitnehmer betragen.

2. Die auf Grund dieses Artikels geleisteten Überstunden sind mit einem Zuschlage von mindestens 25 vom Hundert des Normallohnes zu verguten.

Artikel 7.

Um die Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu erleichtern, wird jeder Arbeitgeber verpflichtet, a.- durch Anschläge an gut sichtbarer Stelle im Betrieb oder an einem andern geeigneten Ort oder auf sonst eine von der zuständigen Behörde genehmigte Weise bekanntzugeben I. die Stunden des Beginnes und der Beendigung der Arbeit; II. bei Schichtarbeit die Stunden des Beginnes und der Beendigung jeder Schicht; III. bei turnusweiser Beschäftigung eine Beschreibung der Eegelung einschliesslich eines Arbeitszeitplanes für jede Person oder Personengruppe; IV. die Anordnungen in den Fällen, in denen der Berechnung der wöchentlichen Durchschnittsdauer der Arbeitszeit mehrere Wochen zugrunde gelegt werden;

679

V. die Ruhepausen, soweit sie nicht in die Arbeitszeit eingerechnet werden; b. alle auf Grund der Artikel 3 (Absatz 8), 5 und 6 geleistete Überstunden sowie die für solche Überstunden gewährte Vergütung in ein Verzeichnis einzutragen, dessen Form die zuständige Behörde genehmigt hat.

Artikel 8.

Die Jahresberichte der Mitgliedstaaten über die Durchführung dieses Übereinkommens haben insbesondere über folgende Punkte vollständige Angaben zu enthalten: a. die Begriffsbestimmungen im Sinne des Artikels l, Absatz 2; b. die Arbeiten, die die zuständige Behörde als solche im Sinne des Artikel* 2, Absatz 2 bezeichnet hat, die ihrer Natur nach nicht unterbrochen werden dürfen ; c. die Bestimmungen nach Artikel 2, Absatz 4; d. die Verfügungen nach Artikel 3 ; e. die auf Grund des Artikels 6 bewilligten Überstunden.

Artikel 9.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Arbeitsbedingungen gelten als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch dio Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 10.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 11.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Genoralsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 12.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

680

Artikel 18.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kundigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gehrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner ganzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 13. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

fc. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 16.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

4.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 52) über den bezahlten Jahresurlaub.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1986 zu ihrer zwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

681 hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den bezahlten Jahresurlaub, eine Frage, die den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1986, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über den bezahlten Urlaub von 1986 bezeichnet wird, Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt für die Arbeitnehmer in den nachstehenden Betrieben und Unternehmungen, gleichviel ob es sich um öffentliche oder private handelt: a. Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, ver kauf s bereit gemacht, zerstört oder abgebrochen werden oder in denen Stoffe umgearbeitet worden, einschliess- lieh des Schiffbaus sowie der Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität und sonstiger motorischer Kraft irgendwelcher Art; b. Betriebe, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit dem Bau, dem Wiederaufbau, der Instandhaltung, der Ausbesserung, dem Umbau oder dem Abbruche der folgenden Bauwerke befassen: Bauwerke, Eisenbahnen, Strassenbahnen, Flugplätze, Häfen, Docks, Hafendämme, Uferschutzbauten an Binnengewässern und Meeren, Kanäle, Anlagen für die Binnen- und Seeschiffahrt oder das Flugwesen, Strassen, Tunnels, Brücken, Strassenüberf ührungen, Abwässerkanäle, Brunnenschächte, Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen, Fernvermittlungsanlagen, Anlagen für die Erzeugung oder Verteilung von elektrischem Strom oder Gas, Erdölleitungen, Wasserwerke.

sowie Betriebe, die sich mit anderen ähnlichen Arbeiten oder mit den dazu nötigen Vor- odor Fundierungsarbeiten befassen; Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. I.

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682 c. Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen Eisenbahnen, Binnengewässern oder in der Luft, einschliesslich dos Verkehrs mit Gutern in Docks, auf Ausladeplätzen, "Werften, in Lagerhäusern und auf Flugplätzen; d. Bergwerke, Steinbruche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen ; e. Handelsbetriebe einschliesslich der Post und der Fernvermittlungsbetriebe ; /. Betriebe und Verwaltungen, in denen Bureauarbeit überwiegt; g. Pressebetriebe; h. Betriebe, die der Behandlung oder Unterbringung von Kranken, Gebrechlichen, Bedürftigen und Geisteskranken dienen; i. Hotels, Gasthöfe, Gastwirtschaften, Pensionen, Klubs, Kaffeehäuser und andere Betriebe, in denen Speisen oder Getränke an Gäste verabreicht werden; j. Theater- und andere Vergnügungsbetriebe; k. Betriebe, die sowohl Handels- als auch gewerbliche Betriebe sind und nicht völlig unter eine der vorstehend genannten Gruppen fallen.

2. In jedem Lande bestimmt die zuständige Behörde nach Anhörung der wichtigsten beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die Grenze zwischen den im vorigen Absätze genannten und den durch dieses Übereinkommen nicht erfassten Betrieben und Unternehmungen.

3. In jedem Lande kann die zuständige Behörde vom Geltungsbereiche dieses Übereinkommens aufnehmen: a. Personen in Betrieben oder Unternehmungen, in denen nur Familienangehörige des Arbeitgebers beschäftigt sind; b. Personen, die bei einer öffentlichen Verwaltung beschäftigt sind und auf Grund ihrer Anstellungsbedingungen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens der gleichen Dauer haben, wie in diesem Übereinkommen vorgesehen ist, Artikel 2.

1. Jede Person, für die dieses Übereinkommen gilt, hat nach einjähriger ununterbrochener Dienstleistung Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens sechs Werktagen.

2. Personen unter sechzehn Jähren einschliesslich der Lehrlinge haben nach einjähriger ununterbrochener Dienstleistung Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens zwölf Werktagen.

8. In den bezahlten Jahresurlaub werden nicht eingerechnet a. öffentliche und ortsübliche Feiertage; /;. durch Krankheit verursachte Arbeitsunterbrechungen.

683

4. Die Gesetzgebung kami ausnahmsweise die Teilung des bezahlten Jahresurlaubs zulassen, jedoch nur für jenen Teil des Urlaubs, um den die in diesem Artikel vorgeschriebene Mindestdauer überschritten wird, 5. Die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs ist im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit nach den Bedingungen, die die Gesetzgebung bestimmt, zu erhöhen.

Artikel 8.

Jede Person, die Urlaub nach Artikel 2 dieses Übereinkommens nimmt, erhält während der ganzen Urlaubsdauer a. entweder ihr gewöhnliches Entgelt, das so zu berechnen ist, wie es die Gesetzgebung bestimmt, einschliesslich ihres etwaigen Entgeltes in Sachleistungen; oder b. das durch Gesamtarbeitsvertrag festgesetzte Entgelt.

Artikel 4.

Jede Vereinbarung über die Abdingung des Anspruches auf den bezahlten Jahresurlaub oder über den Verzicht auf solchen Urlaub ist als nichtig anzusehen.

Artikel 5.

Die Gesetzgebung kann bestimmen, dass jeder Person, die während ihres bezahlten Jahresurlaubs eine bezahlte Beschäftigung annimmt, ihr Anspruch auf Entgelt für die ganze Urlaubsdauer entzogen werden kann, Artikel 6.

Jede Person, die aus einem dem Arbeitgeber zur Last fallenden Grunde entlassen wird, bevor sie den ihr zustehenden Urlaub nehmen konnte, erhält für jeden Urlaubstag, der ihr nach diesem Übereinkommen gebührt, das in Artikel S vorgesehene Entgelt.

Artikel 7.

Um die Durchführung dieses Übereinkommens zu erleichtern, hat jeder Arbeitgebor in der von der zuständigen Behörde genehmigten Weise in ein Verzeichnis einzutragen a. den Zeitpunkt des Dienstantritts jeder von ihm beschäftigten Person sowie die Dauer des ihr zustehenden bezahlten Jahresurlaubs; b. die Zeit, in der jede Person ihren bezahlten Jahresurlaub nimmt; G. das Entgelt, das jede Person für die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs erhalten hat.

Artikel 8.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat Strafvorschriften zu erlassen, um dessen Durchführung sicherzustellen.

Artikel 9.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen gelten als

684 in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden dieso durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 10.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 11.

1. Dieses. Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren .Ratifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist, 2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 12.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationale n Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von- anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 13.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dein Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein- Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziort hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigung&rechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen joweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabo dieses Artikels kundigen.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens joweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

685

Artikel 15.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz oin neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation dos neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bückeicht auf Artikel 18. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 16.

Der französische und der englische AVortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

5.

Empfehlung (Nr. 47) betreffend den bezahlten Jahresurlaub.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1936 zu ihrer zwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Antrage anzunehmen betreffend den bezahlten Jahresurlaub, eine Frage, die den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1936, folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend den bezahlten Urlaub von 1936 bezeichnet wird.

Die Konferenz hat den Entwurf eines Übereinkommens über den bezahlten Jahresurlaub der Arbeitnehmer angenommen.

Sie ist sich bewusst, dass der Zweck des Urlaubs darin besteht, den Arbeitnehmern Gelegenheit zur Buhe, zur Erholung und zu ihrer Fortbildung zu geben.

Sie geht davon aus, dass in dem angenommenen Entwurf eines Übereinkommens die Mindestbedingungon vorgesehen sind, denen jede Eegelung über den bezahlten Urlaub entsprechen sollte.

Sie hält eine nähere Umschreibung der Art der Durchführung für erwünscht.

Die Konferenz empfiehlt deshalb allen Mitgliedern, folgende Anregungen zu erwägen:

68tì 1. (1) Die ununterbrochene Dienstleistung, die als Voraussetzung für den Anspruch auf Urlaub erforderlich ist, sollte nicht berührt werden durch Unterbrechungen infolge von Krankheit oder Unfall, Familienereignissen, Militärdienst, Ausübung der Staatsbürgerrechte, Wechsel in der Leitung des Betriebes, dem der betreffende Arbeitnehmer angehört, oder zeitweiliger unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, sofern diese eine bestimmte festzusetzende Dauer nicht überichreitet und der Arbeitnehmer in den Dienst wieder zurückkehrt.

(2) In Berufen, in denen sich die Arbeit nicht regelmässig über das ganze Jahr erstreckt, sollte die Voraussetzung der ununterbrochenen Dienstleistung als erfüllt gelten, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines festgesetzten Zeitraumes eine bestimmte Zahl von Tagen gearbeitet hat.

(3) Der Ansprach auf Urlaub sollte nach einjähriger Arbeit erworben werden, gleichviel ob die Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber oder bei mehreren Arbeitgebern erfolgte. Jede Eegierung sollte durch wirksame Massnahmen sicherstellen, dass die aus der Gewährung des Urlaubs erwachsenden Lasten nicht den letzten Arbeitgeber allein treffen.

2. Obwohl es in besonderen Fällen erwünscht sein mag, die Möglichkeit der Teilung des Urlaubs vorzusehen, sollte vermieden werden, dass solche Ausnahmen gegen den Urlaubszweck verstossen, der dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, die im Laufe des Jahres verbrauchten körperlichen und geistigen Kräfte zu erneuern. In anderen Fällen sollte der Urlaub, von ganz besonderen Umständen abgesehen, höchstens in zwei Abschnitte geteilt werden, von denen der eine nicht kürzer als die vorgesehene Mindestdauer sein sollte.

3. Es wäre wünschenswert, dass die mit der Dauer der Dienstzeit fortschreitende Zunahme des Urlaubs sobald als möglich einsetze und in regelmässigen Stufen erfolge, so dass nach einer festgesetzten Zahl von Jahren eine bestimmte Mindestdauer erreicht wird, z. B. zwölf Werktage nach sieben Dienstjahren.

4. Das gerechteste Verfahren, um das Entgelt eines Arbeitnehmers zu berechnen, der ganz oder teilweise nach Leistung oder Stück entlohnt wird, bestünde in der Ermittlung des Durchschnitts Verdienstes während einer genügend langen Zeit, um die Schwankungen in der Höhe der Arbeitsverdienste soweit als möglich auszugleichen.

5. Die Mitglieder sollten prüfen, ob
nicht für Jugendliche und Lehrlinge unter achtzehn Jahren eine günstigere Eegelung vorgesehen werden sollte, um den Übergang von der Schule zum Berufsleben in der Zeit der körperlichen Entwicklung zu erleichtern.

311 --^K>*ä-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die zwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. (Vom 24. März 1937.)

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1937

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31.03.1937

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