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Schweizerisches Bundesblatt.

44. Jahrgang. III.

Nr. 22.

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1. Juni 1892.

Bericht der

Kommission des Nationalrathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichts während des Jahres 1891 (Vom 13 Mai 1892.

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen folgende Bemerkungen über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichts pro 1891 vorzulegen, zu welchen wir nach reiflicher Prüfung derselben gelangt sind.

A, Geschäftsführung des Bundesrathes,

Geschäftskreis des Departements des Innern.

I. Centralverwaltung 3. Bundeskanzlei.

IV. Drucksachen.

Das am 4. Juni 1891 zum ersten Male erschienene stenographische Bulletin hat in der Presse bereits einige Anfechtung erlitten. Nichtsdestoweniger empfiehlt die Kommission den Fortbestand dieser EinBundesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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180 richtung, namentlich in dem Falle, wenn dasselbe möglichst rasch in die Hände der Mitglieder der Behörden und des Volkes geliefert wird. Bei dem gegenwärtigen Zweikammersystem ist es jedenfalls von besonderer Wichtigkeit, wenn jeder Rath genau vernimmt, was im andern gesprochen worden ist. Wenn man auch sieht, wie in verschiedenen Kantonen, deren Großrathsverhandlungen jedenfalls nicht mehr Bedeutung zukommt als denjenigen der eidgenössischen Käthe, man unentwegt an dem einmal eingeführten stenographischen Bulletin, als höchst werthvoller unmittelbarer Quelle für jede spätere Arbeit, festhält, so kann man sich nur wundern, daß dasselbe nicht schon früher eingeführt worden ist. Es dürfte sich des Weiteren sogar noch fragen, ob nicht auch eine Veröffentlichung des bisherigen vollständigen Protokolls von Nutzen wäre, da bekanntlich das stenographische Bulletin nach seiner bisherigen Einrichtung nur einzelne Verhandlungen zur ausführlichen Kenntniß bringt, und das Volk, welches ja doch immer mehr an der Staatsverwaltung direkt Theil nimmt, trotz unserer verbreiteten politischen Parteipresse, noch immer nicht vollkommene und unparteiische Kenntniß der Verhandlungen der Räthe bekommt.

4. Archive unti Münzsammlung.

Die hier erwähnte Benützung ausländischer Archive als Quellen unserer vaterländischen Geschichtschreibung kann nicht genug begrüßt werden. Es ist gewiß für die Erziehung der Nation von großem Werthe, ja unbedingt nothwendig, wenn Ursprung und Ausbildung unseres gegenwärtigen Staatswesens im innigen Zusammenhange mit der politischen und kulturellen Entwicklung der uns umgebenden Völker aufgefaßt wird. Es bewahrt uns dieses vor einem gefährlichen Chauvinismus und lehrt uns gleichwohl unser Vaterland hochschätzen.

II. Vollziehung der Bundesverfassung und eidgenössischer Gesetze.

2. Medizinalprüfnngen.

Es fällt hier auf, wie verschieden die Resultate der medizinischen Fachpriifungen je nach dem Prüfungsorte ausgefallen sind.

So sind in Basel 10 Prüfungen mit Erfolg, 2 ohne Erfolg, in Zürich 39 und 2, in Bern 27 und 12, in Lausanne 5 und 2 abgelegt worden. Nimmt man, um die Zufälligkeiten eines einzelnen Jahres in der Statistik zu vermeiden, die 6 letzten Jahre zusammen^

181 so ergibt es sich, daß in Basel 19%, in Bern 18%, in Zürich 10 % und in Genf nur 9 % der Examinirten durchgefallen sind.

Diese Zahlenunterschiede sind gewiß weit weniger den Leistungen als eher der Verschiedenheit des Verfahrens zuzuschreiben. Eine daherige größere Gleichmäßigkeit ist jedenfalls wünschenswerth und hat auch für den Werth des schweizerischen Diplomes Bedeutung.

Eine engere Verbindung der verschiedenen Prüfungskommissionen unter sich würde dieser Ungleichmäßigkeit gewiß steuern können.

B. Gesundheitswesen.

Unser Bundesgesetz betreffend Maßnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien vom 2. Juli 1886, welches bekanntlich durchaus nicht als zu weitgehend angesehen werden kann, 'indem es nur gegen Pocken, asiatische Cholera, Fleckfieber (Kriegs-, Hungertyphus etc.)> Pest zur Anwendung kommt, scheint leider, wie das bei so manchem Buiidesgesetz, wo die direkten Ausführungsorgane fehlen, der Fall ist, noch nicht überall gleichmäßig zur Anwendung zu kommen.

Die wirksamste Handhabe zur Ausführung desselben, und auf deren Benutzung vor Allem aufmerksam gemacht werden muß, besteht darin, daß die durch das Gesetz vorgesehenen Bundesentschädigungen nur dann ausgerichtet werden, wenn alle Gesetzesbestimmungen genau zur Anwendung gebracht worden sind.

5. Nationale Erinnerungsfeier der Gründung der schweizerischen Eidgenossenschaft (1. August 1891).

Mit Befriedigung hat die Kommission den Bericht über die das ganze Schweizervolk tief ergreifende Bundesfeier entgegengenommen.

Solche seltene Festtage haben bleibenden Werth und sind ein höchst bedeutungsvolles Mittel zur Einigkeit und Verträglichkeit, deren ja jeder Staat zu seinem Fortbestand bedarf, und wir haben dieselben nicht nur auf politischem, sondern auch auf konfessionellem und sozialem Gebiete nöthie.

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V. Werke der öffentlichen Gemeinnützigkeit und Wohlthätigkeit.

4. Hebung der Kunst.

Die Bestrebungen, welche der Bund in den letzten Jahren auch auf dem Gebiete der Kunst kundgegeben hat, sind in hohem

182 Maße zu begrüßen. Um so bemühender war es, auf diesem Gebiete des Idealen einen Streit ausbrechen zu sehen, welchem der Bundesrath nicht passiv zuschauen zu dürfen glaubte. Mit Befriedigung konnte man die daherigen Erörterungen und die Beilegung des Streites entgegennehmen.

VI. Polytechnische Schule.

Eine der schönsten Schöpfungen der im Jahr 1848 regenerirteu Schweiz ist das zu europäischem Rufe gelangte Polytechnikum in Zürich.

Mit Interesse und Befriedigung wirft man seinen Blick in dessen Entwicklung und Vervollkommnung, und es gehören jedenfalls die auf diese Anstalt verwendeten Ausgaben zum bestangewaudtcu Bundesgeld ; die dort verwendeten Summen (1889 Fr. 527,001), 1890 Fr. 573,648, 1891 Fr. 547,250 -f 45,000 = 592,250) dürfen uns daher nicht reuen.

Einen tieferen Einblick in den daherigen Haushalt hätte mau noch erhalten, wenn nach dem Passus des Berichtes der Finanzkontrolle, wo dieselbe nach geschehener Prüfung der Komptabilität die ,,weitere Verantwortlichkeit der kompetenten Behörde, heiße dieselbe Verwaltungsabtheilung, Departement oder Bundesrath a , überläßt, die Rechnung des Polytechnikums vorgelegen wäre.

Immerhin konnte man aus dem vorliegenden Material das Nöthigste ersehen.

Durchgeht man die Frequenz der verschiedenen Fachschulen, so muß jedenfalls die geringe Frequenz der vor 4 Jahren eröffneten Kulturingenieurschule auffallen. Dieselbe zählte nämlich im Jahr 1888 auf 89 4 Schüler (wovon 2 Ausländer), im Jahr 89 auf 90 ebenfalls 4 Schüler und im Jahr 90 auf 91 nur noch 3 Schüler (wovon l Ausländer). Diese Zahlen und eine dieser Fachschule zugewiesene Studienzeit von 7 Semestern deuten darauf hin, daß, wenn neben der bestehenden landwirtschaftlichen Schule mit ihren 35 Schülern überhaupt ein reelles Bedürfniß nach einer Kulturingenieurschule besteht, die gegenwärtige Einrichtung mit ihrem kostspieligen Studiengang doch einer den schweizerischen agrikolen Verhältnissen besser entsprechenden Organisation Platz machen sollte.

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IX. Abtheilung Bauwesen.

L Oberbauinspektorat.

A. Allgemeines.

Die Kommission theilt das Bedauern des Bundesrathes über den Hinscheid des Herrn Oberbauinspektors A. v. Salis. Sie hat die verschiedenen Posten, die von der Thätigkeit der Bundesverwaltung auf diesem Gebiete Zeugniß ablegen, geprüft.

Im Allgemeinen hat die Kommission ihre Ansicht auf den Inhalt des Geschäftsberichtes des Departements gestützt, da sie über die ausgeführten Arbeiten selbst keine Kontrole ausüben konnte.

Sie hat jedoch den Eindruck erhalten, daß im Laufe der Jahre die Betheiligung des Bundes an allen größern gemeinnützigen Werken immer größere Ausdehnung genommen hat. Diese Einmischung ist übrigens für die meisten der betheiligten Gegenden eine Wohlthat; denn sie macht sich durch erhebliche Unterstützungsbeiträge und eine fortwährende und wohlgeordnete Ueberwachung der in Ausführung begriffenen Arbeiten geltend.

Monopolisirung der Wasserkräfte.

Der Bundesrath hat unterm 8. September 1891 eine Untersuchung über die Frage der Monopolisirung der Wasserkräfte angeorduet. Diese Maßregel erscheint uns als vollkommen angezeigt in einer Zeit, wo der Schatz an Naturkräften, den unser Land besitzt, zu vielerlei Streitigkeiten zwischen den Besitzern der Wasserläufe und denjenigen Personen Veranlassung geben kann, welche die Wasserkräfte zum allgemeinen Nutzen oder zu Privatzwecken ausbeuten möchten.

Die Frage kann ohne Zweifel in einer andern Weise gelöst werden, als durch Einführung eines einzigen absoluten Monopols; aber früher oder später wird der Bund jedenfalls in die Lage kommen, über die Fassung, die Uebertragung und die Nutzbarmachung der uns zu Gebote stehenden Naturkräfte gesetzliche Bestimmungen zu erlassen.

C. Allgemeines Wasserbauwesen.

2. Oberaufsicht Über die Wasserbaupolizei.

Juragewässerkorrektion.

Es sind Schritte gethan worden, um eine bessere Regelung des Wasserstandes im Neuenburger- und Bieler-See mittelst einer reuen Schleuse in der alten Zihl bei Nidau herbeizuführen.

184 Da es sich im Grunde darum handelt, die schon zum Theil erzielte Beständigkeit des Wasserstandes dieser See'n zu einer dauernden zu gestaltet) und die Dampfschifffahrt zu erleichtern, so können wir die angestrebten Maßregeln nur begrüßen.

3. Subventionirung von Korrektionen und Verbauungen durch den Bundesrath.

Der Geschäftsbericht gibt in ad hoc aufgestellten Tabellen die Beträge an, die als Subsiden für kantonale Korrektions und Verbauungsarbeiten ausgerichtet worden sind.

Für die dreißig letzten Jahre haben diese Beiträge eine Gesammtsumme von dreiundzwanzig Millionen achthundertvierzigtausend Franken erreicht, welche die Staatskasse ausbezahlt hat. Das durchschnittliche Beitragsverhältniss für ausgeführte Arbeiten stellt sich im Jahre 1891 auf 38,18 °/o ; dieser Umstand beweist deutlich, wie wohlbegründet die Bemerkung war, die wir am Anfang dieses Abschnittes über das Bauwesen gemacht haben. Diese beredten Zahlen sagen uns auch, daß ein Theil der Einnahmen aus den eidgenössischen Zöllen jetzt schon auf ganz natürliche Weise unter die Kantone im Verhältnis zu der Zahl und Bedeutung der gemeinnützigen Werke zur Vertheilung gelangt, und es kann dies als die beste und gerechteste Repartition betrachtet werden.

II. Direktion der eidgenössischen Bauten, A. Allgemeines.

Der Bundesrath gibt in seinem Berichte au, er habe zur Bewältigun der sehr zahlreichen laufenden Arbeiten eine gewisse Anzahl Bautechniker provisorisch beiziehen müssen.

Die Kommission findet an dieser Maßregel nichts auszusetzen, sofern es sich nur um provisorische Angestellte handelt und ein dringendes Bedürfniß vorhanden war.

B. Hochbauten.

Die Rechnung für Unterhalt und Vergrößerung der Gebäude enthält unter den Ziffern 3 bis 10 verschiedene Ausgaben, welche, genau genommen, eine Vermehrung der jährlichen Militärausgaben bedeuten ; ebenso verhält es sich mit den unter den Ziffern 4 bis 20 angeführten Neubauten; aber wir begreifen wohl, daß diese Auslagen, die sich auf einige Hunderttausende von Franken be-

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laufen, doch in den Abschnitt ,,Bauwesen"· gehören, weil sie ausschließlich Gebäulichkeiten betreffen.

Bei den Neubauten erwähnt der Bundesrath die Vollendung des für das Militärdepartement und das Industrie- und Landwirthschaftsdepartement bestimmten Bundesrathhauses. Unsere Kommission hut diesen großen Bau mit Vergnügen besichtigt und seine praktische Einrichtung sowohl als seine architektonischen Schönheiten bewundert. Wir unterlassen'es jedoch, hier eine eingehende und kritische Beschreibung dieses schönen Bauwerkes zu machen, da wir wissen, daß eine hiezu besser berufene Kommission sich nächstens, bei der Behandlung des Bauprojektes zu einem Parlamentsgebäude, damit zu befassen haben wird.

Der Bau der Postgebäude in Genf, Thun und Liestal ist weit vorgerückt, so daß sie nächstens von der Postverwaltung bezogen werden können. Man kann nur seine Befriedigung darüber ausdrucken, daß die Eidgenossenschaft mit gutem Beispiel vorangeht, indem sie ihr zahlreiches Personal in Räumlichkeiten unterbringt, bei deren Einrichtung den hygienischen und sanitarischen Forderungen in weitgehendstem Maße Rechnung getragen wird.

Ihre Kommission hat schließlich verschiedene Pläne und Entwürfe geprüft, über die sie keine Bemerkungen zu machen hat.

Geschäftskreis des Industrie- und Landwirthschaftsdépartement.

L Abtheilung.

Industrie.

1. Industrie- und Gewerbewesen im Allgemeinen.

Die Motion Cornaz über Bildung von obligatorischen Berufsgenossenschaften ist im Berichtsjahre auf Grund eines einläßlichen Berichtes des Buudesrathes vom 3. Juni 1891 vom Nationalrath am 18. Dezember abhin dahin entschieden worden, daß die Angelegenheit mit dem erwähnten Berichte dahingestellt sein solle. Dagegen pendirt die Motion Favon und Konsorten, welche Bericht und Antrag darüber verlangt, ob es nicht angezeigt wäre, Art. 31 der Bundesverfassung im Sinne der Erinöglichung der Bildung von Berufsgenossenschaften zu modifiziren.

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IL Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

Ihre Kommission begrüßt das sichtliche Bestreben des Bundesrathes und des Departements, die bestehenden Ungleichheiten hinsichtlich der Stellung industrieller Betriebe zum Fabrikgesetz, immer mehr auszugleichen. Zwar ist auch sie der Ansicht, daß sich solche Ungleichheiten nie ganz entfernen lassen, man kann sich aber zufrieden geben, wenn dießfalls das Thunliche und Mögliche geschieht. So ist durch den Bundesrathsbeschluß vorn 3. Juni 1891, wonach die Minimalzahl von 24 Arbeitern in Geschäften ohne Motorenbetrieb, ohne jugendliche Arbeiter und ohne besondere Gefahren für Gesundheit und Leben auf 10 reduzirt wurde und durch welchen Betriebe mit mehr als 5 Arbeitern, sofern sie mechanische Motoren verwenden oder Personen unter 18 Jahren beschäftigen, sowie solche Geschäfte, die weniger als 6 resp. weniger als 11 Arbeiter verwenden, jedoch außergewöhnliche Gefahren für Gesundheit und Leben bieten, unter das Fabrikgesetz gestellt wurden, wieder ein billiger Ausgleich einer bisher in krasser Form bestandenen Ungleichheit geschaffen, worden. Daher rührt aber auch der ausnahmsweise große Zuwachs von 330 im letzten Jahre dem Fabrikgesetze neu unterstellten Etablissementen mit 4884 Arbeitern, womit der Gesammtbestand der Fabriken auf 4898 mit 178,031 Arbeitern und 90,100 Pferdekräften gestiegen ist.

Zu der vorn Nationalrathe dahin erledigten Frage der Veröffentlichung der Gerichtsurtheile, daß alle Urtheile betreffend Uebertrtitungea des Fabrikgesetzes den Fabrikinspektoren zu Händen des Buudesrathes sollen mitgetheilt werden, möchten wir noch den Wunsch aussprechen, daß es praktisch erscheinen müßte, wenn der Bundesrath auch dafür sorgen würde, daß der Bericht der Fabrikinspektoreu mit diesen Mittheilungen der gerichtlichen Strafurtheile den Gerichten und Amtsstellen, welche sich mit Fabrikstraffällen zu befassen haben, ebenfalls von Amtswegen zugestellt und unter deren Mitgliedern in Zirkulation gesetzt würde. Man macht vielfach die Erfahrung, daß eine sehr ungleiche Behandlung und Bußenausf'ällung in dieser Strafmaterie vorkommt. Die einen Gerichte nehmen die Sache ernst und würdig und suchen dadurch dem Sinn und Geiste des Gesetzes zum Schutze des Arbeiters gerecht zu werden, während die andern sog. Aufmunterungsbußen aussprechen und nur mit
Widerstreben ein ,,Schuldig* herausbringen. Bessere Belehrung und die Vergleichung mit der Praxis anderer Gerichte vermöchten solche Uebelstände wohl einigermaßen zu heben.

Der Art. 19 des Fabrikgesetzes schreibt allerdings vor, daß Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Gesetzes durch die ordentlichen G e r i c h t e zu bestrafen seien. In Wirklichkeit

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finden wir aber, daß auch dießbezüglich eine ungleiche Behandlung Platz gegriffen hat. Während viele Kantone starr nach dem Buchstaben des Gesetzes alle, auch die kleinsten, Uebertretungen an das Bezirks- oder Kreisgericht weisen, lassen andere dieselben durch die Gemeinderäthe, Bezirksämter und Gerichtskommissionen abwandeln, worin hinsichtlich Vollzug der Strafbestimmungen wieder eine Ungleichheit und implicite eine Ungerechtigkeit zu erblicken ist. Wir neigen uns auch der Ansicht zu, daß leichtere Fälle wohl durch die Administrativjustiz, wie sie vielerorts in die Hände der Gemeinderäthe und Bezirksämter gelegt ist, dürften erledigt werden, da auch diese Organe bis auf eine bestimmte Grenze als Glieder der richterlichen Justiz zu betrachten sind. Wir möchten daher das Tit. Ressortdepartement einladen, auf ihm zweckmäßig erscheinende Weise ein gleichmäßiges Verfahren in allen Kantonen zu bewirken.

III. Zündhölzchen.

Wenn wir heute ohne Weiteres über dieses wichtige und zu einer gewissen Berühmtheit gelangte Kapitel hinweggehen, geschieht es nicht aus Mangel an Interesse, sondern weil dasselbe zur Zeit bei den Käthen hängig ist.

IV. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb und betreifend deren Ausdehnung, Ihre Kommission hat nirgends Anlaß gefunden, d:e Entscheide und Verfügungen des Departementes und des Bundesrathes besonderer Kritik und abweichender Beurtheilung zu unterstellen.

T. Unfall- und Krankenversicherung.

Das über diese Gegenstände zu erwartende neue Gesetz, au welchem von den berufensten Organen mit aller Sachkenntniß und Gewissenhaftigkeit gearbeitet wird, wird wohl auch dem Uebelstande, daß gewisse Berufsgenossen, wie z. B. die Maler, von den Versicherungsgesellschaften ausgeschlossen werden, Abhülfe verschaffen.

Es ist bereits erwähnt worden, daß, gestützt auf den Buudesbeschluß über Ergänzung der Bundesverfassung bezüglich des Gesetz gebungsrechtes des Bundes, welcher Beschluß vom Schweizervolke sympathisch sanktionirt worden ist, die Vorarbeiten zu einem obligatorischen eidgenössischen Unfall- und Krankenversicherungsgesetze im vollen Gange sind. Das letztere ist dem Abschlüsse nahe. Die

188 belichterstattende Kommission hat allen Grund, mit den Käthen dem Werke mit vollem Vertrauen entgegenzusehen. Und wenn das Tempo, mit welchem dasselbe gefördert wird, Manchem zu wenig allegro zu sein scheint, so ist hier daran zu erinnern, daß es eben weit mehr Schwierigkeiten zu besiegen gilt, als man sich wohl vorstellen mochte, und wir unterschreiben daher die Worte des Geschäftsberichtes, wo er sagt, ,,daß ein erster Schritt wohl geprüft und erwogen sein will, namentlich wenn er über das in unsern Nachbarstaaten Bestehende theilweise hinausgehen wird a .

VI. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

Im Berichtsjahre ist abermals eine Steigerung der Buudesbeiträge an Berufsbildungsanstalten von Fr. 341,542. 25 auf Fr. 363,757 zu verzeichnen. Es ist das Interesse und die Fürsorge unserer obersten Landesbehörde für dieses friedliche und außerordentlich wichtige Gebiet nationaler Existenz und Entwicklung sehr zu begrüßen. Die Pflege dieses Zweiges nationaler Obsorge ist gewiß ebenso nothwendig und nützlich, als diejenige manch anderer Zweige unserer Landesverwaltung. Das Handwerk, das goldenen Boden hat, und das Gewerbe, welches Handel und Verkehr befördert und den Reiuhthum des Landes mehrt, sie verdienen die volle Aufmerksamkeit und Sympathie einer auf der Höhe der kulturellen Aufeabe des Landes stehenden Behörde.

Vili. Maß und Gewicht.

Die letztes Jahr in Aussieht gestellte neue Verordnung ist noeh nicht geschaffen worden, weil einige Kantone mit ihren Gutachten noch im Rückstande geblieben sind.

Was das B r e n n h o l z anbetrifft, so durfte bei Schaffung dieser Verordnung die Frage geprüft werden, ob nicht einein oft geäußerten Wunsche der Hochgebirgsgegenden, wo man das Holz nur im Winter und oft nur mit großer Mühe aus den schmalen und unwegsamen Klüften und Thälern herausschaffen kann, in der Weise entsprochen werden könnte, daß man neben der vollen Scheitlänge von l Meter auch Holz von nur einem halben Meter in den Verkehr bringen dürfe. Es hätte dies den weiteren Vortheil, daß damit der Klage begesniet würde,' daß Meterholz beim Aufschichten in O srünem ZuO O Stande oft ersticke und so an Werth verliere.

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II. Abtheilung.

Landwirthschaft.

I. Landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Yersuchsanstalten.

Infolge der namhaften Unterstützungen von Seite des Bundes ist das landwirtschaftliche Bildungswesen in einer befriedigenden Entwicklung begriffen. Fast in jedem Jahresberichte rinden wir eine neugegründete Bildungsstätte verzeichnet. Neu im diesjährigen Berichte findet sich die von 13 Kantonen der Ost- und Centralschweiz geschaffene deutsch-schweizerische Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädensvveil, an welche der Bund einen einmaligen Beitrag von Fr. 39,500 an die Einrichtungskosten und Fr. 15,000 an die Betriebskosten des ersten Jahres geleistet hat. Die Gesamrntausgabeu des Bundes an landwirthschaftliche Bildungs- und Versuchsanstalten betragen im Berichtsjahre Fr. 204,122. 47. Es ist das wohl die höchste bis jetzt verwendete Summe, dagegen sind von dem Kredite von Fr. 5000 für Stipendien (Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884) nur Fr. 3785 verwendet worden. Um diesen Kredit vollständig zur Verwendung zu bringen, ist eben erforderlich, daß die einzelnen Kantone i h r e r s e i t s mittelst Ausrichtung von Stipendien für die Ausbildung von Landwirthschaftslehrern, Kulturtechnikern etc. mehr leisten.

II. Förderung der Thierzucht.

B. Kindviehzucht.

4. Beiträge für Gründung von Zuchtgenossenschaften.

Die Bildung der eigentlichen Viehzuchtgenossenschaften mit Zuchtbuchführung ist im letzten Jahre durch die Ausrichtung von je Fr. 300 Bundesbeitrag an die Gründungskosten der einzelnen Genossenschaft wesentlich gefördert worden. Nachdem im Jahre 1890 die ersten 24 Genossenschaften mit diesem Beitrage subventionirt worden sind, so sind im Jahre 1891 deren 49 neu hinzugekommen. Infolge der von diesen Genossenschaften durchzuführenden Paarung der besten vorhandenen Zuchtthiere, bei Ausschluß aller geringwertigen, läßt sich ein wesentlicher Fortschritt in der Rassenthierzucht erwarten ; voraussichtlich wird auch in denjenigen Kantonen, welche zur Zeit noch keine Leistungen in der Bildung von Viehzuchtgenossenschaften aufzuweisen haben, dieser Weg zur Verbesserung des Viehbestandes ebenfalls eingeschlagen werden.

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III. Verbesserung des Bodens.

Die bedeutende Zunahme der Gesuche um Unterstützung von Bodenverbesserungen ist eine erfreuliche Erscheinung, welche zeigt, daß .die landwirthsehaftliche Bevölkerung anfängt, auch in dieser Beziehung eine vermehrte Thätigkeit zu entfalten. Nach dem Berichte sind im Jahr 1891 an 100 Projekte für Bodenmeliorationen Bundessubventionen im Batrage von Fr. 98,644. 89 zugesichert worden, während im Jahr 1890 die Zahl der Gesuche nur 40, die zugesicherten Bundesbeitiüge nur Fr. 44,859. 37 betragen haben.

Unstreitig würde in dieser Beziehung noch mehr geschehen, wenu es nicht vielerorts an Fachleuten fehlte, welche den Laudwinhen richtige Projekte und Kostenvoranschläge für die Ausführung von Draioagen, Bewässerungsanlagen etc. anfertigen würden. In der Motion Curti und Genossen vom 8. Juni 1891 wurde gewünscht, daß vom Bundesrath untersucht werde, wie die Bedingungen für die Gewährung von Bundessubventionen K u m Zwecke der BodenVerbesserungen e r l e i c h t e r t , und wie durch den Bund die Heranbildung von Kulturingenieuren wirksam gefördert werden könne.

Nun hält Ihre Kommission dafür, daß, bis wir eine genügende Anzahl Kulturingenieure haben (für ein solches Diplom braucht es eben 6 Semester am eidgenössischen Polytechnikum), man auf viel einfachere Weise dem zur Zeit vorhandenen Bedürfnisse für Ausbildung von praktischen Draintechnikern gerecht werden könnte. Wir haben · in allen Kantonen Leute mit einer entsprechenden Vorbildung, z. B.

Geometer, Forstleute etc., welche in einem Spezialkurse von einigen Wochen praktisch dazu befähigt werden könnten, richtige Projekte (Pläne, Kostenberechnung und Aussteckung) für auszuführende Drainagen, Bewässerungsanlagen etc. herstellen zu können. Sofern für Abhaltung eines solchen Kurses vom Bunde die erforderlichen Lehrkräfte zur Verfügung gestellt und honorirt würden, so dürfte sieh wohl ein ausführendes Organ, sei es der schweizerische oder ein kantonaler landwirtschaftlicher Verein, finden, das bereit wäre, einen solchen Kurs zu arranghen, in der Voraussicht, daß dann in den Kautonen dafür gesorgt werde, daß die richtigen Leute zur Theilnahme an einem solchen Kurse veranlaßt, würden.

IV. YiehseuchenpolizeL Der ungewöhnlich hohe Stand der im Anfang des Jahres 1891 von der Maul- und Klauenseuche behafteten Thiere, für welche die Ansteckung fast immer zuerst auf eingeführtes Vieh aus dem Auslande zurückgeführt werden kann, rechtfertigte vollständig die eingreifende Maßregel des eidgenössischen Landwirthschaftsdepartements,

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nämlich das Verbot der Einfuhr von Nutzvieh aus dem Ausland vom 10. März 1891 und die Einweisung des eingeführten Schlachtviehes in Quarantänestallungen. Augenscheinlich zeigte sich sofort der Erfolg dieser Maßregel in den Monaten April und Mai, wo die Krankheit mehr als um die Hälfte sich minderte, bis dann im Monat Juni das aus Italien und Oesterreich in die Alpen eingeführte Sömmerungsvieh neue starke Ansteckungen brachte. Da das Verbot der Einfuhr von ausländischem Nutzvieh die schweizerische Landwirthschaft in keiner Weise empfindlich schädigt, so ist es höchst wünschbar, daß in Zukunft in gleicher Weise vorgegangen werde, sobald sich sichere Anhaltspunkte für neue Binschleppungsgefahr der Seuche aus andern Ländern zeigen sollten. Mit Beziehung auf die Seucheneinschleppung von Italien her durch Sömmerungsvieh auf unsere Alpen dürften die mit Italien an der Konferenz vom 12.--14. Mai 1891 in Mailand getroffenen Vereinbarungen, bei Anwendung der richtigen Kontrole auf schweizerischer Seite, geeignet sein, hier wesentlich bessere Zustände zu schaffen.

V. Maßnahmen gegen Schäden, welche die landwirthschaftliche Produktion bedrohen.

B. Hagelversicherung.

Zufolge der von den Kantonen und vom Bunde geleisteten Beiträge an die Versicherungskosten hat diese Versicherung in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht. Es betrug die Zahl der Policen im Jahre 1889 nur 7055 und im Jahre 1891 schon 17,228. Für die Versicherungen im Jahre 1891 wurde der Kredit für die Bundesbeiträge an die Kantone von Fr. 50,000 bereits um Fr. 420 überschritten. Da nun voraussichtlieh bei der progressiven Zunahme der Versicherungen die pro 1892 büdgetirte Summe von ebenfalls Fr. 50,000 für die Bundesbeiträge lange nicht ausreichend sein wird, um den Kantonen die Hälfte der ausgerichteten Subventionen zu ersetzen, so dürfte schon jetzt darauf hingewiesen werden, daß ein bezügliches Nachtragskreditbegehren bei der Bundesversammlung kaum auf Widerstand stoßen würde.

III. Abtheilung.

Porstwesen, Jagd und Fischerei.

A. Forstwesen.

Es ist zu beklagen, daß in verschiedenen Kantonen die Stelleu der höhern Forstbeamten (Forstinspektoren und Kreisförster) nicht

192 besetzt sind, resp. nicht besetzt werden können, wegen Mangel an bezüglichen Anmeldungen infolge von ungenügend ausgesetzten Besoldungen. Es ist das ein Zustand, welcher für die richtige Durchführung des eidgenössischen Forstgesetzes vom größten Nachtheil ist und nicht länger geduldet werden sollte. Die Kommission verzichtet aber zur Zeit auf ein bezügliches Postulat, da das Departement in seinem Berichte erklärt hat : ,,Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nächstens eingehend befassen."

Da ferner gemäß Art. 14 des Bundesgesetzes über das Forstwesen bis zum Jahre 1886 die in Schutzwaldungen bestehenden schädlichen Servituteu hätten abgelöst werden sollen, was in einigen Kantonen vollständig durchgeführt ist, in andern nur theilweise, in einem Kanton aber hiefür noch gar nichts gethan worden ist, so dürfte es sich rechtfertigen, hiefür eine letzte verbindliche Frist von 4--5 Jahren anzusetzen.

B. Jagd und Vogelschutz, b. Vogelschutz.

Wenn der Bericht des Bundearathes sagt, daß das Gesetz betreffend den Vogelschutz im Kauton Tessin nun insoweit zur Ausführung komme, als die eidgenössischen Grenzwächter Polizei üben, welche zahlreiche Frevelfälle zur Anzeige gebracht haben, so sollte das mit einen Grund bilden, in nicht allzu ferner Zeit den neuen Entwurf des bezüglichen Bundesgesetzes in Berathung zu ziehen und zur Annahme fertigzustellen.

C. Fischerei.

Die Zahl der künstlichen Fischbrutanstalten hat sich im Betrie.bsjahre wieder um 6, d. h. von 84 auf 90 vermehrt.

Die Vorurtheile vieler Praktiker, die anfänglich dahin gingen, daß die künstlieh gezogenen Fischchen nach dein Einsetzen in die Gewässer größtentheils wieder verschwinden würden, sind durch die vielerorts zu Tage getretene Vermehrung des Fischreichthums widerlegt, und es sind die Fischenzcnpächter nun auch williger geworden, der Anforderung für das Einsetzen von solchen Fischchen in ihr Paehtrevier in richtiger Weise nachzukommen. Zu begrüßen sind auch die getroffenen Konventionen über gleichmäßige Behandlung und einheitliche Beaufsichtigung von Gewässern, welche verschiedenen Kantonen angehören. Sodann muß als höchst wünschbar bezeichnet werden, daß diejenigen Kantone, welche ihre gesetzlichen Bestimmungen mit dem Bundesgesetze über die Fischerei vom Jahre 1888 noch nicht in Uebereinstimmung gebracht haben, solches in kürzerer Frist thun werden.

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IV. Abtheilung.

Versicherungswesen.

Aus dem Berichte über das Versicherungswesen geht neuerdings hervor, daß die Schaffung eines eidgenössischen Versicherungsamtes einem wirklichen Bedürfnisse entsprochen hat.

Mit Vorliebe wird von altern und neuern Versicherungsgesellschaften auf den mannigfachsten Gebieten auch aus dem Auslande darnach getrachtet, durch Abschlüsse von Versicherungen aus unserm Lande Nutzen zu ziehen. Auch im letzten Jahre mußten mehrere Konzessionsgesuche von auswärtigen Gesellschaften abgewiesen werden, andere sahen sich veranlaßt, auf bereits innegehabte Konzessionen zu verzichten ; wegen unbefugtem Geschäftsbetriebe wurden drei Strafverfügungen ausgefällt, ein Vertreter einer auswärtigen Gesellschaft wegen Veröffentlichung unwahrer Angaben mit Fr. 100 gebüßt.

In allen Ländern macht das Versicherungswesen große Fortschritte; der Unfallversicherung ist bereits in mehreren Staaten die Krankenversicherung gefolgt, welche, wie früher schon erwähnt, auch bei uns in Vorbereitung ist.

Je mehr die verschiedenen Gebiete des öffentlichen Lebens in die gegenseitige Versicherung einbezogen werden, desto mehr drängt sich auch der Gedanke der Verstaatlichung des gesammten Versicherungswesens in den Vordergrund. Von bewährten Fachmännern wird bereits die Centralisation der Versicherungen durch den Staat als ein Zielpunkt hingestellt, dem wir zusteuern sollen. Es ist das eine Frage von größter sozialer Bedeutung. Allein die Kommission findet, daß dieselbe nicht von heute auf morgen gelöst werden kann, sondern ihren natürlichen Entwicklungsgang nehmen wird.

Geschäftskreis des Finanz- und Zolldepartements.

A. Finanzverwaltung.

Die Kommission findet bei diesem Verwaltungszweig Veranlassung, nur über folgende Punkte eingehend sich auszusprechen :

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Eisenbahnfonds.

Obgleich in Staatsrechnung und Geschäftsbericht für das Jahr 1891 die Dividenden der Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahu pro 1891 noch nicht in ihrem effektiven, sondern nur in ihrem supponirten Wevth in Rechnung gestellt werden konnten, so war deiChef des Finanzdepartements doch schon in der Lage, der Kommission mittheilen zu können, daß nach aller Voraussicht diese Dividende nicht 4 Va % = Fr. 22. 50, sondern höchstens 3 °/o = Fr. 15, eventuell nur 2,7 % = Fr. 13. 50 betragen werde. Für diesen Fall würde der Bundesrath in die Lage versetzt, im Laufe dieses Jahres bei der Tit. Bundesversammlung zur Herstellung des Gleichgewichts im Eisenbahnfonds um einen Nachtragskredit einzukommen. Derselbe würde somit nach Abzug der Amortisationsreserve von Fr. 293,546 aus den Jahren 1890 und 1891 betragen müssen Fr. 284,629 bei einer Dividende von 3 °/o und Fr. 400,264 bei einer Dividende von 2,7 °,'o, da der Gesammtausfall auf den 77,090 Prioritätsaktien für das Betriebsjahr 1891 im erstem Fall Fr. 578,175, im andern Fall Fr. 693,810 ergeben würde.

Lateinische. M'ünzunion.

Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß im Laufe der leMverflossenen Jahre die italienischen Ftlnffrankenstiicke in immer steigendem Verhältniß in die Metallzirkulation unseres Landes eintreten, und selbst die periodischen Abschiebungen der italienischen Scheidemünzen tragen noch dazu bei, den Stock der italienischen Fünffrankenstücke bei uns zu vermehren, indem ein Theil der an Italien zurückgehenden Silberscheidemtinzen jeweileu durch Sendung von italienischen Fünffrankenstücken tauschweise ersetzt wird.

Auch die schweizerischen Banken, welche genothigt sind, Baarschaftsbezüge aus Frankreich zu machen, werden vorzugsweise mit italienischen Fünffrankenstücken bedient. Während früher der französische Fünffrankenthaler in der Silberzirkulation unseres Landes vorherrschte, ist es nun der italienische Thaler, der nach zufällig vorgenommenen Proben 70 bis 75 °/o, jedenfalls b e d e u t e n d mehr als die Hälfte unseres Silber-Courant-Umlaufs repräsentirt. Diese Ueberhandnahme des italienischen Silbergeldes wird aus oben berührten und anderen Gründen voraussichtlich in Zukunft sich noch steigern, so daß bei einer allfälligen Liquidation der lateinischen Münzunion unsere Bundeskasse sieh genothigt sehen wird, abgesehen
vou den Scheidemünzen, italienische Silberthalsr in einem Betrag einzulösen, der vielleicht auf das Mehrfache dessen lautet, was Italien im Austausch gegen Silber vertragsmäßig an Gold (20 Millionen) uns abzuliefern haben wird.

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Diese Verhältnisse bergen für uns eine stets wachsende Gefahr und bei der stets zunehmenden Entwerthung des Silbers die Möglichkeit großer Verluste. Angesichts dieser Situation scheint es Ihrer Kommission angezeigt, daß der Bundesrath über die Menge des in unserm Lande kursirenden italienischen Silbers eine Erhebung veranlasse, welche bei den eidgenössischen und kantonalen Staatskassen, sowie bei den Emissionsbanken durch anzuordnende Zählung, bei den übrigen Kassen durch freiwillige Zählung oder durch sachverständige Schätzung auszuführen wäre. Die Kommission will ein förmliches Postulat in dieser Richtung nicht vorschlagen, sondern glaubt es dem h. Bundesrath anheimstellen zu sollen, -die nöthigen Erhebungen anzuordnen und die aus den Resultaten sich ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

Werthschriften.

Unter den Zuweisungen an Spezialfonds erscheinen für Fr. 800,000 Obligationen einer Hypothekarkasse. Diese Obligationen sind nicht hypothekarisch versichert, weder von einem Staate emittirt, noch garantirt. Es qualifizirt sieh somit diese Geldanlage als eine dem bestimmten Wortlaut des Gesetzes widersprechende, und es wird sich daher empfehlen, dieselbe aus dem Werthschriftenbestand unserer Spezialfonds wieder verschwinden zu lassen, damit dieser e i n e Fall nicht Präzedenzfall für die Zukunft werde.

Gottfried Keller-Stiftung.

Einer Mittheilung des Chefs des Finanzdepartements entnimmt die Kommission, daß infolge einer jüngst vereinbarten Ablösung einer industriellen Aktienbetheiligung der in Geschäftsberichten ausgewiesene Vermögensstand der Stiftung sich um Fr. 100,000, somit auf Fr. 2,806,125 vermehrt habe.

2. Finanzkontrole.

Es ergibt sich aus dem bundesräthlichen Geschäftsbericht über . ,, R e v i s i o n s a r b e i t e n " ' in augenfälligster Weise die Noth wendigkeit einer Reform der F i n a n z k o n t r o l e , und die gewonnene Ueberzeugung wird noch unterstützt durch die oben unter ,,Werthschriften"1 behandelte Anschaffung von Obligationen, welche den Anforderungen des Gesetzes nicht entsprechen, und für deren Ankauf das hierüber interpellirte Finanzdepartement die Verantwortlichkeit ablehnt.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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196 Oh den angedeuteten Uebelständen auf dem Wege einer Reglements-Revision vollständige Abhülfe geschafft werden könne, scheint der Kommission zweifelhaft. Dieselbe neigt sich vielmehr der Ansicht zu, es sollte die Wirksamkeit der Finanzkontrole vorab darin gesucht werden, daß die Kontroibehörde selbst in ihrem Bestand und in ihrer Funktion unabhängig von der Behörde gestellt würde, deren Verfügung über öffentliche Gelder sie zu kontroliren hat. Eine Reform in dieser Richtung scheint aber eine Aenderung oder Ergänzung der Bestimmungen der Bundesverfassung in Art. 85, Ziffer 10, und Art. 102, Ziffer 14 und 15, zu bedingen. Die Kommission will.nun der vom Bundesrath angekündigten Reformarbeit nicht vorgreifen und verzichtet, Angesichts der Geneigtheit des Bundesrathes, in der Frage selbst die Initiative zu ergreifen, ftlr dermalen darauf, die Aufstellung eines förmlichen Postulates zu beantragen.

3. Banknotenkontrole.

In Berücksichtigung der durch die beschlossene Monopolisirung des Banknotenwesens neugeschaffenen Situation verzichtet die Kommission auf besondere Bemerkungen zu dem sehr sorgfältig ausgearbeiteten Geschäftsbericht.

Allgemeine Finanzlage.

lieber diese wesentlichste Frage der Finanzverwaltung schweigt der Geschäftsbericht vollständig, wohl in der Annahme, daß eine bezügliche Berichterstattung ausschließlich in dem Rechnungsbericht Platz zu finden habe. Die Kommission ist der Ansicht, daß, wenn das immerhin fragliche System einer getrennten Berichterstattung über Geschäftsführung und Staatsrechnung beibehalten werden will, der Bericht über die Geschäftsführung -- namentlich in einer Periode wirklicher und voraussichtlicher Defizite -- die allgemeine Finanzlage nicht unberührt lassen kann, indem eine solche Situation nicht bloß die Staatsrechnung, sondern die Staatsverwaltung überhaupt berührt.

B. Zollverwaltung.

Der Bundesrath weist darauf hin, daß der neue, von den eidgenössischen Käthen genehmigte Zolltarif auch von der Mehrheit des Volkes angenommen worden ist. Die Minderheit begründete ihren Widerstand mit der beträchtlichen Erhöhung eines großen Theiles der Zölle, hauptsächlich derjenigen auf Lebensmittel; infolge

197 des Abschlusses von Handelsverträgen haben diese Zölle indessen glücklicherweise im Verkehr mit Deutschland und Oesterreich ermäßigt werden können, und dasselbe wird ohne Zweifel nächstens im Verkehr mit Italien der Fall sein. Wir hoffen auch, daß eine baldige Einigung mit Frankreich der Bevölkerung an unserer Westgrenze die gleichen Zollermäßigungen in ihrem Verkehr mit diesem Lande endgültig gewähren wird.

Der Bundesrath erwähnt in seinem Berichte die verschiedenen Grenzvorfälle, die während des letzten Jahres stattgefunden haben, und begründet seine Entscheide, welche uns im Allgemeinen als wohlmotivirt erscheinen. Nur mit Bezug auf einen die Gemeinde Vendlincourt betreffenden Fall müssen wir einen Vorbehalt machen.

Infolge der Erbauung einer neuen Straße zwischen dieser Ortschaft und den benachbarten elsässischen Dörfern war die Erstellung eines neuen Zollgebäudes nöthig geworden. Nun verlangte das eidg.

Departement, die Gemeinde Vendlincourt solle dieses Gebäude errichten und es ihm zur Miethe geben. Die Gemeinde, unterstützt von der Berner Regierung, weigerte sich, diesem Begehren Folge zu leisten, indem sie angab, es bestehe keine Gesetzesbestimmung, wonach sie hiezu gezwungen werden könnte.

Dieser Konflikt hatte indessen keine Folgen, da inzwischen eine andere Lösung eingetreten war; bei der Mittheilung dieser Erledigung erklärt aber der Bundesrath, daß er grundsätzlich den von ihm eingenommenen Standpunkt festhalten müsse.

Wir theilen diese Ansicht nicht und glauben, daß man den mannigfaltigen Unannehmlichkeiten, denen die Grenzbevölkerung schon ausgesetzt ist, nicht derartige Anforderungen hinzufügen sollte, welche uns weder gesetzmäßig noch billig erscheinen, und daß die Zollverwaltung, vom Eisenbahnwesen abgesehen, allein für die Räumlichkeiten sorgen sollte, die sie für ihren Dienst nöthig hat.

Wir halten außerdem dafür, daß die Verwaltung bei jedem Anlaß die Verpflichtung hat, dem Publikum, auch wenn sie dabei einige finanzielle Opfer bringen müßte, alle Erleichterungen zu verschaffen, die mit dem guten Gange des Dienstes vereinbar sind. Diese Art des Vorgehens, verbunden mit der Höflichkeit, dem guten Takte und der Zuvorkommenheit der Angestellten, trägt gewiß mehr als jede andere Maßregel dazu bei, unangemessenes Benehmen von Seite gewisser Zollpflichtigen, wovon in dem
Bericht die Rede ist, zu verhüten. Man darf nicht außer Acht lassen, daß der neue Tarif, der viel komplizirter ist, als die frühem, die Verkehrsschwierigkeiten für die Grenzbewohner erheblich erhöht; wir sind auch überzeugt, daß die Zollverwaltung fortfahren wird, ihren Beamten zu empfehlen, den Zollpflichtigen, mit denen sie zu thun haben, so viel als möglich an die Hand zu gehen.

198 Der Bundesrath weist auf den Umstand hin, daß während der großen Truppenmanöver die Einberufung zahlreicher Bilreauangestellten eine Störung im Zolldienst hervorruft, und daß sich daraus nicht nur Uebelstände, sondern auch Schädigungen für die Staatseinnahmen ergeben, weil die Aufsicht nicht in gehöriger Weise durchgeführt werden kann. Da diese Lücken in den Bureaux zu zahlreich sind, als daß sie durch das Ersatzpersonal ausgefüllt werden könnten, so fragt sich der Bundesrath, ob es nicht am Platze wäre, die Zollgehülfen und die Zollaufseher vom Militärdienste zu befreien.

Wir sind um so eher geneigt, diese Ansicht zu unterstützen, als die Handelshäuser während der erwähnten Manöver ebenso wie die Zollbüreaux unter dem Wegzug, ihres Personals zu leiden haben und die angegebenen Schwierigkeiten noch durch die Abwesenheit der meisten Personen, welche die Zollförmlichkeiten genau kennen, erhöht werden. Wir laden den Bundesrath durch ein Postulat ein, diese Frage zu prüfen.

Das Zolldepartement hat sieh mit der Frage der Eröffnung der Konstanzer Messe beschäftigt; diese fällt gerade auf den eidgenössischen Bettag und zieht die Grenzbevölkerung, die dort ihre Einkäufe macht, in großer Zahl an.

Die thurgauische Regierung hat bei den badischen Behörden vergeblich Schritte gethan, um die Verlegung dieser Messe auf eine andere Zeit zu erwirken; dann hat sie sich an den Bundesrath gewendet mit dem Gesuche, er möchte Maßregeln treffen, damit der Bettag nicht entwürdigt werde.

Das Zolldepartement hat untersucht, ob es zur Erreichung dieses Zieles möglich wäre, die Zollbüreaux von Konstanz und Umgebung zu schließen ; aber es hat beschlossen, für einstweilen von jeder besondern Maßregel Umgang zu nehmen.

Wir glauben, daß dieses Vorgehen richtig war, und daß man, ehe man zur vollständigen Schließung der Bureaux schreitet, prüfen muß, ob eine solche Maßregel gesetzmäßig wäre, ob sie nicht andere Beschwerden und fernere zahlreichere Uebelstände, als die jetzt bestehenden, zur Folge haben und zu einem Schmuggel Veranlassung geben würde, den die Zollverwaltung nicht zu unterdrücken vermöchte.

Der Bundesrath hat bedingungsweise im landwirtschaftlichen Grenzverkehr die Trauben und Traubentrester von der Monopolgebühr befreit, aber es gleichzeitig abgelehnt, die nämliche Erleichterung auch für die aus der Grenzzone stammende, separat eingeführte Weinhefe zu gestatten, weil diese nicht ein Rohprodukt sei.

199 Wir können diesem Entscheide nicht zustimmen und glauben, die Weinhefe sollte ebenso gut wie die Trauben und Trester vom Zoll befreit sein, sofern sie aus zollfreiem Wein herrührt und zu gleicher Zeit wie der Wein eingeführt wird.

Die Revision des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 27. August 1851 wird immer dringender; wir haben es daher begrüßt, daß ein neuer Gesetzesentwurf im nächsten Monat den eidgenössischen Rätheu unterbreitet werden wird.

Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Justizverwaltung.

11. Gesetzgebung.

Die Vorarbeiten für die Einführung des Konkurs- und Betreibungsgesetzes gelangten, sowohl von Seiten des Bundes, als auch der Kantone, zu richtiger Zeit zum Abschluß, so daß das Gesetz auf 1. Januar 1892 in Vollziehung erklärt werden konnte.

Ueber die von den Kantonen beibehaltenen oder neu erlassenen Bestimmungen betreffend die ehrenrechtlichen Folgen, welche den in Konkurs gerathenen oder fruchtlos gepfändeten 'Schuldner treffen, haben wir nachfolgende Uebersicht zusammengestellt, die nicht ohne Interesse sein dürfte : Die meisten Kantone haben solche Bestimmungen in ihren Einführungsgesetzen, nur Bern, Solothurn, Schaffhausen, Aargau, Wallis und Neuenburg berühren diese Frage nicht; Appenzell A.-Rh.

verweist auf die einschlägigen Bestimmungen seines Strafgesetzes.

Wir wollen versuchen, die Gesetzgebungen in verschiedene Gruppen einzutheilen, wobei alle einer Gruppe angehörenden Kantone in einer Hauptrichtung miteinander übereinstimmen, währenddem sie in andern Beziehungen auseinandergehen. Denn es ist nicht zu -übersehen, daß von allen Gesetzgebungen nicht zwei die öffentlichreehtlichen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung in gleicher Weise normiren.

1. H a u p t g r u p p e . Kantone, die öffentliehrechtliche Folgen nur an den Konkurs, nicht aber auch an die fruchtlose Pfändung knüpfen: Zürich, Tessin, Waadt und Genf.

200 2. H a u p t g r u p p e . Kantone, die sowohl an den Konkurs, als an die fruchtlose Pfändung öffentlichrechtliche Folgen knüpfen: Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwaiden, Glarus, Zug, Freiburg, Baselstadt und Baselland, Appenzell A.-Rh. und Appenzell I.-Rh., St. Gallen, Graubünden, Thurgau.

Unter dieser 2. Gruppe finden sich drei Kantone, nämlich Nidwaiden, Glarus und Zug, welche an den Konkurs andere öffentlichrechtliche Folgen knüpfen, als an die fruchtlose Pfändung. Glarus stellt die fruchtlos gepfändeten Schuldner nur dann ein, wenn Gründe vorliegen, die zur Einleitung eines Strafverfahrens veranlassen und wenn vom Gerichte ausdrücklich der Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wird.

Oeffentlichrechtliche Folgen treten n i c h t ein, f a l l s k e i n V e r s c h u l d e n v o r l i e g t , in nachfolgenden Kantonen: Zürich, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden (im Falle fruchtloser Pfändung), Glarus, Freiburg, Baselstadt, Baselland, Appenzell A.-Rh. und Appenzell I.-Rh., St. Gallen, Thurgau, Tessin, Waadt, Genf.

Diese Folgen treten ein, s e l b s t w e n n k e i n V e r s c h u l d e n v o r l i e g t , also ipso facto, in nachfolgenden Kantonen: a. Für e i n e b e s c h r ä n k t e Z e i t d a u e r : Uri (während mindestens 6 Jahren), Zug (bei fruchtloser Pfändung bis auf 5 Jahre).

b. Für u n b e s c h r ä n k t e Z e i t , d. h. bis zur R e h a b i l i t a t i o n : Luzern, Zug (im Falle eines Konkurses), Graubünden und Nidwaiden (im Konkursfalle).

Wenn ein Verschulden vorliegt, so treffen die öffentlichrecbtlichen Folgen den Schuldner in nachfolgenden Kantonen: Auf b e s c h r ä n k t e Z e i t : Glarus (10 Jahre), Zug (5 Jahre, event. bis zur Rehabilitation), Baselstadt (l bis 5 event. 10 Jahre), Baselland (5 Jahre), Appenzell I.-Rh. (l bis 3 Jahre), St. Gallen (l bis 3 Jahre), Thurgau (nach richterlichem Ermessen), Tesain (l bis 10 Jahre), Waadt (l bis 10 Jahre).

Auf u n b e s c h r ä n k t e Z e i t d a u e r : Uri, Schwyz (das Kantonsgericht kann nach Ablauf von 5 Jahren die Rehabilitation aussprechen), Obwalden, Nidwaiden, Freiburg, Appenzell A.-Rh., Genf.

Dazu sind noch die vier oben genannten Kantone zu rechnen, nämlich Luzern, Uri, Zug und Graubünden, welche die öffentlichrechtlichen Folgen immer verhängen, selbst wenn kein Verschulden vorliegt.

Im Eanton Zürich wird
bei l e i c h t s i n n i g e m Bankerott Gefängnißstrafe ausgesprochen, desgleichen bei den fruchtlos Ausgepfändeten wegen leichtsinnigem Schuldenmachen, wozu Einstellung im Aktivbürgerrecht bis auf drei Jahre verfugt werden kann.

201 Die nämliche Verschiedenheit besteht in der Feststellung der öffentlichrechtliehen Folgen.

Im Kanton Luzern verliert jeder Konkursit und fruchtlos Ausgepfändete sein aktives und passives Wahlrecht; er ist pflichtig, vor Gericht Kostensicherung zu leisten.

In Uri trifft ihn zwar nach dem Wortlaute des Gesetzes n i c h t der V e r l u s t der E h r e , aber er wird unfähig, als Zeuge vor den Zivilgerichten aufzutreten. IQ Baselstadt kann er weder eine öffentliche Stelle, noch eine Offiziersstelle bekleiden, weder als Notar noch als Vormund amten, auch nicht Testamentszeuge sein oder das Wirthsgewerbe ausüben. In Appenzell A.-Rh. erfolgt der Ausschluß von der Wählbarkeit zu Aemtern und Würden, sowie der Theilnahme an der Landsgemeinde, ebenso der Verlust der Zeugenfähigkeit und des Rechtes, richterlicher Beistand oder Vormund zu sein. In verschiedenen Kantonen tritt neben andern Polgen auch das Verbot des Wirthshausbesuches ein. In Genf, wo die Folgen nur im Konkursfalle und falls ein Verschulden vorliegt, eintreten, bestehen sie in der Unfähigkeit, die Funktionen eines Geschwornen auszuüben, Mitglied eines Familienrathes, Vogt, Beistand oder Vormund zu sein, während das aktive und passive Wahlrecht dadurch nicht berührt wird.

Weitere singuläre Folgen bestehen darin, daß in einzelnen Kantonen, so Glarus, Zug, Appenzell I.-Rh., St. Gallen die Namen der fruchtlos Gepfändeten öffentlich publizirt werden; ferner in Obwalden, wo bei einem geringen Grade von Selbstverschulden eine angemessene zeitliche Begrenzung der öffentlichrechtliehen Polgen stattfindet. In einzelnen Kantonen wird jeder ausgepfändete Schuldner von Amtswegen dem Strafrichter überwiesen. Im Kanton St. Gallen besteht die weitere Eigentümlichkeit, daß es Sache des G e m e i n d e r a t h e s ist, den a u s g e p f ä ö d e t e n Schuldner in seiner Stimmund Wahlfähigkeit einzustellen.

Ihre Kommission hebt diese Buntscheckigkeit der gesetzliehen Beslimmungen über die öffentlichrechtliehen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung hervor, ohne weitere Schlüsse zu ziehen, indem diese sich von selbst ergeben.

Der Gebührentarif hat bereits zu verschiedenen Klagen Anlaß gegeben, und zwar namentlich in gewissen Gebieten der Ostschweiz, wo man die Ansätze zu hoch findet, während andere Kantone sie im Gegentheil als zu niedrig
erachten. Wir glauben indessen, gerade aus diesen widersprechenden Meinungsäußerungen folgern zu dürfen, daß die Gebührentaxen in angemessener Weise aufgestellt worden seien. Es geht nicht an, die Pfändungsgebühren zu erhöhen, welche den am schwersten betroffenen Schuldner belasten, und anderseits

202

können ebenso wenig die Kosten der Zahlungsbefehle herabgesetzt werden; erstere Maßregel würde die Einnahmen der Betreibungsämter kaum merkbar erhöhen, während hingegen letztere eine starke Verminderung derselben zur Folge haben müßte.

Eine Frage, deren Lösung voraussichtlich in nächster Zeit sich dringend wünschbar gestalten wird, bildet die Art und Weise, wie dem bereits hervorgehobenen Uebelstand abzuhelfen sei, daß verschiedenen Ortes die Einnahmen aus den regelmäßigen Gebühren nicht den für den Lebensunterhalt der Betreibungsbeamten nothwendigen Betrag ergeben. Der Bundesrath wird nicht ermangeln, diesen Punkt im Auge zu behalten und bezügliche Studien zu machen, die zweifelsohne erzeigen werden, ob es angezeigt sei, verschiedene Tarife in den verschiedenen Gebieten zu gestatten und so die Einheitlichkeit der Gesetzgebung zu durchbrechen, oder ob es vielleicht nicht vorzuziehen wäre, die Kantone zur Uebernahme eines Theiles der durch die regelmäßige Anwendung des Betreibungsgesetzes erwachsenden Kosten anzuhalten. Für letzteres scheint die Erwägung zu entscheiden, daß die Durchführung der Pfändung einen wichtigen staatlichen Dienstzweig bildet, und daß der Staat in stetigem Fortschreiten darauf bedacht sein muß, die Bedingungen der Rechtsprechung so zu gestalten, daß sie mit der Zeit mehr und mehr unentgeltlich werde. Bndlich ist nicht zu vergessen, daß der leitende Grundsatz in dieser Beziehung in Art. 2 des Gesetzes niedergelegt ist, welcher die Prärogative über diese Materie und die Organisation der Betreibungsämter den Kantonen zuspricht.

Unter den zahlreichen Streitfragen, welche die Anwendung des Gesetzes in's Leben ruft, möchten wir namentlich e i n e der Aufmerksamkeit des Bundesrathes empfehlen. Sie betrifft den Rekurs gegen Beschlüsse von richterlichen Behörden in den Fällen, wo deren Entscheid, namentlich bei Arresten, Aufstellung von Kollokationsplänen, Konkurserklärungen etc. etc., angerufen wird.

Gegen den Entscheid der Betreibungsbeamten und Betreibungsämter kann bei dem Bundesrathe Rekurs eingelegt werden; sollte also nicht auch gegen die Beschlüsse richterlicher Behörden in Betreibungsangelegenheiten Berufung erhoben werden können ? Dieselben der Vollziehungsbehörde zu unterstellen, würde gegen das Prinzip der Trennung der Gewalten und gegen die kantonale Autonomie verstoßen
; bei Ueberweisung an das Bundesgericht wäre vielleicht ein langsamer Erledigungsgang zu befürchten, der nachtheilig wirken müßte; möglicherweise könnte der Weg zu einer befriedigenden Lösung dieser interessanten Krage, die wir hier nur kurz berühren wollten, in einer Reorganisation des Betreibungsrathes gesucht werden.

203

Erwähnen wir noch, mit der Aufmunterung, ihre Durchführung weiter zu fördern, die Arbeiten des Departementes und seiner Mitarbeiter auf dein Gebiete der Vereinheitlichung des schweizerischen Strafrechtes, des öffentlichen und Verwaltungsrechtes, sowie das Handbuch für die schweizerischen Handelsregisterführer.

Y. Verhältnisse za auswärtigen Staaten, a. Verträge und Konventionen.

Es ist zu bedauern, daß der Abschluß der Verträge mit Oesterreich-Ungarn und mit Spanien betreffend die Vollziehung von Civilurtheilea nicht weiter gediehen ist. Das Gleiche ist zu bemerken über die Unterhandlungen mit dem Deutschen Reiche betreffend die unentgeltliche Vollziehung von Requisitorien in Civilsachen. Es scheint, als sollte es möglich sein, die beiden dem Projekt prinzipiell abgeneigten Kantone Baselstadt und Wallis zu mehr entgegenkommenden Ansichten zu bekehren ; nötigenfalls könnte man die Bedingung der Unentgeltlichkeit fallen lassen und den Notenaustausch darauf beschränken, die Vollziehung der Requisitorieu in Civilaaehen, wenn auch unter Kostenfolge, zu siehern.

b. Spezielle Fälle internationaler Natur.

In der Angelegenheit des von den Erben Civry in Paris gegen die Stadt Genf um die Erbschaft des Herzogs von Braunschweig angestrengten Prozesses hat der Bundesrath sich auf diplomatischem Wege bei den französischen Behörden in's Mittel gelegt. Der SeineGerichtshof hat sich mit Unrecht kompetent erklärt, in dieser Sache zu urtheilen. Er hat das Prinzip der Souveränität des S t a a t e s Genf außer Acht gelassen, denn die S t a d t Genf ist nur eine Schöpfung des genferischen Staatsrechtes und existirt nur kraft der politischen Organisation und der Souveränität des Kantons, von welchem sie einen direkten Ausfluß bildet. Nun aber ist es ein im Völkerrecht allgemein angenommener Grundsatz, daß die Gerichte eines Staates -- im vorliegenden Falle die französischen Gerichte -- keinerlei Kompetenz besitzen, über Civilprozesse irgend welcher Natur zu statuiren, welche gegen einen andern Staat gerichtet sind, es sei denn, daß dieser letztere seine Zustimmung hiezu ertheilt hätte. Die Kommission ist der Ansicht, der Bundesrath sei vollkommen richtig vorgegangen, indem er die absolute Inkompetenz des französischen Richters darzuthun versuchte. Sie hat auch volles Vertrauen in die Wirksamkeit dieser berechtigten Intervention.

204 VI. Civilstand und Ehe.

7. Den Eltern von in die Civilstandsregister einzutragenden Kindern sollte in Bezug auf die Vornamen, namentlich deren Schreibweise, mehr Freiheit gelassen werden. Diese Freiheit darf eine Beschränkung nur erleiden, soweit es die Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und auf die guten Sitten erfordert, oder in den Fällen, wo ein offenbarer Widerspruch gegen die elementaren Regeln der Grammatik vorliegt.

17. 19. 22. Die Kommission theilt vollkommen den Standpunkt des Justizdepartements und gibt zu, daß der Civilstandsbearnte Rechtsfragen, welche zu seiner Kenntniß gelangen, nicht durch Verweigerung der Eintragung entscheiden darf. Immerhin ist sie der Ansicht, es könne nicht deutlich genug betont werden, daß die Rechte Dritter, welche in der vor dem Civilstandsamt aufgenommenen Erklärung nicht angegeben werden, durchaus vorbehalten bleiben müssen.

23. Die Kommission lenkt die Aufmerksamkeit auf die wiederholten Uebertretungen des Civilstandsgesetzes, Kapitel Ehe, welche dem Pfarramt von Einsiedeln mit Grund vorgeworfen worden sind.

Sie gibt der Erwartung Ausdruck, daß in Zukunft die Maßregeln getroffen werden, welche nothwendig sind, um solchen Uebertretungen vorzubeugen und gegebenenfalls sie zu bestrafen.

YIII. Staatsrechtliche Rekurspraxis.

a. Handels- und Gewerbefreiheit, bl). Einzelne Beknrsfälle.

3. Die Seitens des Kantons Uri von den Eisenbahnunternehmern für Lagerung von Dynamit und für Bewilligung von Sonntagsarbeit erhobene Gebühr steht sehr wenig im Einklang mit Art. 31 der Bundesverfassung. Sollte dieselbe fernerhin jedes Jahr erhöht werden wollen, so würde sie offensichtlich den Charakter einer Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit annehmen, denn es ist kaum einzusehen, worin die Dienstleistung des Staates besteht, für welche diese hohe Steuer als Entgelt dienen soll. Ein Einschreiten müßte in diesem Fall unerläßlich werden.

c. Konfessionelle Verhältnisse.

12. Der Bundesrath hat eine scharfsinnige, allerdings vielleicht ein wenig spitzfindige Unterscheidung zwischen eigentlicher Religionsübung einerseits und dem Lesen der biblischen Geschichte anderseits aufgestellt, welch' letzteres er ausschließlich als geschichtlichen und litterarischen Unterricht auffaßt.

205

B. Polizeiverwaltung.

II. Btmdesstrafrecht.

15. Die Fälschung von Dienst- und Schießbüchlein bildet in den Augen der Kommission ein Vergehen an Bundesakten, und wir billigen den vom Bundesrath in dieser Materie eingenommenen Standpunkt.

IV. Politische Polizei.

Die Organisation der politischen Polizei ist, wenn nicht rudimentär, so doch sehr wenig ausgebildet und der hiefür angesetzte Kredit äußerst ininim. Die politische Polizei kann keinen prinzipiellen Widerspruch hervorrufen, so lange sie keine Freiheiten der Schweizerbürger antastet und -- wovon die Kommission sich überzeugt hat -- sich darauf beschränkt, Erkundigungen einzuziehen, welche dem Departement gestatten, in voller Saehkenntniß Maßnahmen zum Schutze der öffentlichen Ordnung, zur Sicherheit der Personen und des Eigenthums, sowie zur Ausführung von Art. 70 der Bundesverfassung zu treffen, welch' letzterer ja die eigentliche Grundlage der ganzen Institution bildet. Es ist nicht zu vergessen, daß dieser Artikel die Ausweisung von solchen Ausländern vorsieht, welche eine Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz bilden. Fügen wir bei, daß die direkte Mithülfe der Kantone eine weitere Garantie für ihre richtige Durchführung und für den Bundesrath eine Unterstützung bildet, welche ihm, wie wir hoffen, nicht ausbleiben wird.

Geschäftskreis des Post- und Eisenbahndepartements.

I, Eisenbahnwesen.

A. Allgemeines.

1. Organisation nnd Personal.

Das Personal wurde um folgende Stellen vermehrt : l Adjunkt des üepartementssekretärs, l Gehülfe des technischen Inspektorats, 1 Kontroiingenieur für Rollmaterial, 2 Kontroiingenieure für Brücken.

206 Infolge der großen Anzahl von Konzessionsgesuchen und Bauprojekten, sowie mit Rücksicht auf eine ausgedehnte und genaue Kontrole, namentlich der Eisenbauten, war die Besetzung dieser Stellen ein dringendes Bedürfniß.

2. Gesetze, Terordnungen und Postulate.

Das Departement macht in aller Kürze Mittheilung, es sei der Ankauf der Gentralbahn 'am 6. Dezember 1891 vom Volke verworfen worden und knüpft daran keinerlei weitere Bemerkungen.

Wir glauben deßhalb, Sie werden von Ihrer Kommission erwarten, daß sie hierüber einige Gesichtspunkte berühre.

Es dürfte wohl schwer sein die Gründe alle zu erforschen, welche den Ankauf der Centralbahn zum Falle brachten. Ein Hauptgrund liegt aber wahrscheinlich darin, daß man den offerirten und vereinbarten Preis als zu hoch erachtete.

Die Werthung der Bahn nach dem Kurswerthe der Aktien, oder auch nach den bezahlten Dividenden wurde mancherorts als eine falsche bezeichnet. -- Ein nicht geringer Theil der Verwerfenden wird auch aus Solchen bestehen, welche überhaupt gegen Verstaatlichung der Eisenbahnen sind.

Wenn die Ansicht doch richtig sein sollte, daß die Mehrheit des Schweizervolkes die Verstaatlichung der Bisenbahnen wünscht, so wird die Frage gestellt werden müssen, soll zur Zeit nach dieser Richtung, resp. für Erwerbung der Bahnen, nichts gethan werden, oder sind vielleicht Mittel und Wege zu finden, die bezüglichen Bestrebungen wenigstens etwas zu unterstützen ?

Durch die von beiden Käthen erheblich erklärte Motion Curti und Mitunterzeichner glauben wir verpflichtet zu sein, die wichtige Rückkaufsfrage, trotz dem' Resultate der Volksabstimmung, nicht als versehollen zu betrachten, sondern derselben unsere Aufmerksamkeit auch fernerhin zuzuwenden.

In der Motionsbegründung hat Herr Curti Andeutungen nach allen Richtungen namentlich auch dahin, was in erster Linie geschehen sollte, gemacht.

Wir verweisen, um nicht weitläufig zu werden, auf diese Begründungen und glauben, daß in erster Linie zur Verstärkung und Unterstützung des Eisenbahndepartements die erforderlichen Schritte gethan werden sollen und möchten das Departement ersuchen, nach diesen Richtungen oder in irgend gutfindender Weise zu geeigneter Zeit zu arbeiten und die Rückkaufsfrage im Auge behalten zu wollen.

207

3. Internationale Verhältnisse.

In Bezug auf technische Einheiten, Begrenzungsprofile, Radstände, Frachten etc. hat der Bundesrath die früher begonnenen Bestrebungen fortgesetzt.

Nicht unerhebliche Fortschritte sind nach dieser Richtung gemacht worden und es stehen noch weitere Verbesserungen in Aussicht.

Simplondurchstich.

Dieses Projekt wird fachmännisch studirt. Da in jüngster Zeit die Frage nicht bloß im Bundesrathe, sondern auch in den betheiligten Kantonen behandelt wird, dürfte in nächster Zeit dieselbe Volk und Behörden noch mehr beschäftigen, als es bis heute der Fall war. Wahrscheinlich wird auch den Käthen Gelegenheit geboten werden, sich mit der Frage in nicht ferner Zeit einläßlicher zu befassen.

B. Spezielle Mittheilungen betreffend Bau und Betrieb der Eisenbahnen.

1. Rechtliche Grundlagen der Eisenbahnunternehmungen.

Im Laufe des Jahres 1891 wurden 19 Konzessionsgesuche bewilligt, 2 ,, verweigert, 41 blieben unerledigt und T 7 neue Linien wurden dem Betrieb übergeben.

5. Bahnban nnd Bahnnnterhalt.

Die Nordostbahn hat mit dem Bau der sogenannten MoratoriumsHnien begonnen, wovon eine derselben bereits im Betriebe ist.

Die Arbeiten an der rechtsufrigen Zürichseebahn werden durch zahlreiche Einsprachen und Forderungen in Bezug auf Tracé, Stationsanlagen etc. gehindert, sollen aber doch auf den angesetzten Termin, 1. August 1893, fertig werden.

Das von verschiedenen Seiten verlangte Doppelgeleise im Tunnel Thalweil-Zug wird, zur Zeit wenigstens, nicht erstellt. Alle Versuche, die Nordostbahn dafür zu bestimmen, blieben leider erfolglos. Auch die Beschaffung der hiefür nöthigen Geldmittel auf andere Weise acheint nicht möglich gewesen zu sein.

208 Im Allgemeinen des Departements in entsprochen wird, alç auch nicht ermangelt, Beste anzuordnen.

ist es sehr erfreulich, daß den Weisungen Bezug auf Bau und Anlagen bereitwilliger es früher der Fall war, und das Departement nach allen diesen Richtungen das möglichst

D o p p e l g e l e i s e . Zu begrüßen ist, daß die Gotthardbahn auf ihren Bergstrecken die Doppelgeleiseanlagen rasch durchfuhrt und bis Ende Juni 1893 vollenden wird.

Die Kommission setzt großen Werth darauf, sowohl aus naheliegenden militärischen Gründen, der öffentlichen Verkehrssicherheit wegen und zur Förderung eines geordneten und rascheren Verkehrs für Personen und Güter, auch die nöthigen und theilweise schon längst verlangten Doppellinien anderer Hauptbahnen bald in Angriff genommen und durchgeführt zu sehen, und billigt und unterstützt die darauf hinzielenden Weisungen des Departements in vollstem Maße.

Von 3409 km. Eisenbahnen, von welchen 2618 km. zu Hauptbahnen gezählt werden müssen, bestehen nur 305 km. Doppelgeleise.

Zieht man den starken Transitverkehr in Betracht, der auf den langen einspurigen Strecken unterhalten wird, so muß gewiß Jedermann zu der Ansicht kommen, es müsse den bestehenden durch die Einspurigkeit der Bahnen zu Tage tretenden Uebelständen, durch Schaffung von Doppelgeleisen auf den direkten Transitlinien, Bodensee-Genf und Basel-Tessin, soweit dieselben noch nicht bestehen, abgeholfen werden.

Wir erlauben uns, diesem Bogehren in der Weise Ausdruck zu geben, indem wir das Departement ersuchen, auf diesen wunden Fleck unseres Eisenbahnwesens ein ganz besonderes Augenmerk zu haben und die begonnenen Bestrebungen zur Abhülfe der Uebelstände energisch fortzusetzen.

A. Bahnanlagen und feste Einrichtungen.

Zustand der Bahnen.

Unterbau.

Hier haben wir es namentlich mit den Brücken eiserner Konstruktion zu thun.

209

Nach dem furchtbaren Unglücke in Mönchenstein durch den Einsturz dortiger Brücke wurden von Behörden und Gesellschaften alle möglichen Erhebungen zur Ausmittlung der Ursachen angeordnet. Die betreffenden Berichte der Techniker sind aber nicht in allen Theilen gleichlautend. So viel scheint sicher zu sein, daß die Brücke schon anfänglich zu schwach erstellt war und die durch das Hochwasser im Jahre 1881 herbeigeführten Beschädigungen in nicht vollständig entsprechender Weise ausgebessert wurden.

Den betreffenden Technikern und Bahnbehörden kann zwar ein direkter Vorwurf deshalb nicht gemacht werden, indem nach damaligen Begriffen und damaliger Berechnungsart der Tragkraft man annehmen konnte, es sei die Brücke in entsprechender Stärke hergestellt.

Die seitherigen Anordnungen des Eisenbahndepartements, alle Brücken eiserner Konstruktion zu untersuchen, die Anstellung von zwei Ingenieuren, speziell für die Kontrole der Brücken, und die verfügten Maßnahmen zur Verstärkung derselben verdienen v o l l e Anerkennung.

Oberbau.

Die Anschaffung schwerer Lokomotiven und die erhöhte Zugsgeschwindigkeit machen es vielorts nöthig, den Oberbau zu verstärken.

Solche Forderungen werden fast durchwegs von den Eisenbahngesellschaften anerkannt und denselben durch Anbringung schwererer Sehienenprofile, anstatt Bisen- Stahlschienen, sowie durch Legung eiserner Schwellen entsprochen.

Stationen und deren Hochbauten.

Zur Zeit ist die Erweiterung mehrerer Bahnhöfe ein dringendes Bedürfniß.

Als zu klein und dem Verkehr nicht entsprechend werden folgende Bahnhöfe bezeichnet : Rorschach, Romanshorn, Winterthur, Zürich, Aarau, Ölten, Schafi hausen, Zug, Groldau und Lausanne.

Der Bundesrath hat den Umbau eines Theils dieser Bahnhöfe schon seit Jahren verlangt, sie wurden bisher aber zum kleinsten Theile ausgeführt.

Zur Zeit sind einige in Ausführung begriffen, für ei D en Theil liegen Vorstudien und Pläne vor, für einen anderen Theil aber scheint die Anhandnahme der Ausführung noch in weiter Ferne zu liegen.

210 Wir möchten dem h. Bundesrathe empfehlen, auch hier alle Mittel anzuwenden, um seinen Weisungen möglichst bald Vollzug zu verschaffen.

Ueber Beleuchtung, Trinkwasserversorgung für Stationen und "Wärterhäuschen, Badeanstalten für Werkstätten, mechanische Einrichtungen und Signale, Kreuzungen der Züge, Weichen und Deckungssignale, Glockensignale, Bahnabschlüsse, Bahnbewachung, Festigkeitsproben, Katasterpläne und wie die Dinge alle heißen, finden wir die Verfügungen des Departements und des Bundesrathes sehr richtig und sehen mit Befriedigung, daß den bezüglichen Begehren allseitig zu entsprechen guter Wille vorhanden ist.

B. Rollmaterial.

Im Jahre 1891 wurden neu angeschafft: Lokomotiven für Normalbahnen ,, ,, Schmalspurbahnen Der Bestand beträgt Ende 1891: An Lokomotiven für Normalbahnen ,, ,, ,, andere Bahnen

48 13 Total ~~6Î 695 131 Total ~826

Bestellt sind überdies: Für Normalbahnen ,, sonstige Bahnen Total

74 33 107

Nach Ablieferung der bestellten besteht der Park der Bahnen an Lokomotiven für Normalbahnen aus 769. 26 °/o mehr als im Jahre 1888.

Personenwagen.

Auch solche wurden in großer Anzahl angeschafft, ebenso Bahnpost-, Gepäck- und Güterwagen.

Vom schweizerischen Wagenverbande ist dem Eisenbahndepartemente die Mittheilung gemacht worden, daß in den Jahren von 1891 bis 1893 die Anschaffung voa 1000 Wagen beschlossen sei.

Damit wird das Rollmaterial annähernd dem Verkehr entsprechend beschafft und den bisherigen Uebelständen und Klagen

211

wenigstens zum Theile abgeholfen sein. Für Anschaffung des fehlenden Materials sind den betreffenden Bahnbehörden bereits Weisungen zugestellt.

Die diesbezüglichen Begehren des Departements werden von Ihrer Kommission ausdrücklich gutgeheißen.

6. Bahnbetrieb, a. Kontrole des Tarif- und Taxwesens.

Das Eisenbahndepartement hat an die Präsidialleituug des Eisenbahnverbandes eine Einladung erlassen zur Prüfung der Frage, ob nicht die Personentaxen im Sinne der Vereinfachung und Herabsetzung einer Revision zu unterstellen seien.

Diese Anregung wurde aber des Bestimmtesten abgelehnt.

Wenn auch heute wenig Aussicht auf Erfolg vorhanden ist, so möchten wir das Departement doch ersuchen, die gerechtfertigte Frage nicht aus dem Auge zu lassen, da ja bekanntermaßen bei uns die höchsten und umständlichsten Personentaxen bestehen.

Das Transportwesen gibt schon der Natur der Sache nach zu zahlreichen Beschwerden und Reklamatiouen Veranlassung. Die hierauf bezüglichen Entscheide des Departements geben uns zu keinerlei Bemerkungen Veranlassung.

c. Fahrordnungen und deren Vollzug.

Auch hier kommen Verlangen und Beschwerden in bedeutender Anzahl an das Departement, und es ist anerkeunenswerth, daß, wo sie gerechtfertigt erscheinen, dieselben auch soweit möglich geschützt werden.

Allerdings werden von Seiten der Bahngesellschaften mitunter sehr richtige Protestationen eingelegt, denen nicht selten entsprochen werden rnuß.

Zur Vermeidung von Zugsverspätungeu wird das Möglichste gethan; denselben gänzlich abzuhelfen, ist unmöglich. Solche Verspätungen werden sich einstellen auch ferner theils von irgend einer Gesellschaft verschuldet und theils auch 'durch Zufälligkeiten verschiedener Art, unverschuldet.

Oft werden solche auch der Sicherheit des Betriebes wegen zur Nothwendigkeit.

O

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

15

212 d. Unfälle und Eisenbahngefährdungen.

Der bundesräthliche Bericht erwähnt in ausführlicher Weise die schweren Unglücksfälle bei Mönchenstein und Zollikofen, im Fernern auch das Auffahren eines Güterzuges auf den Personenzug im Bötzbergtunnel, sowie alle weiteren zur Anzeige gelangten Unfälle.

Nach der Zusammenstellung wurden im Ganzen 155 Mensehen getödtet und 849 mehr oder weniger verletzt.

Die Ursachen dieser Unglücksfälle bestehen vorherrschend in Entgleisungen, Zusammenstößen von Zügen und Scheuwerden von Pferden.

54 Fälle von absichtlichen und fahrläßigen Betriebsgefährdungen wurden den Gerichten überwiesen. -- - Z u rügen erlaubt sich die Kommission den Umstand, daß die Ausmittlung der Entschädigungen an Verunglückte oft auf sehr lange Bank geschoben wird. "Wir wissen zwar, daß solche Erledigungen nicht in der Hand und Macht des Bundesrathes liegen, wünschen aber doch, es möchte desselbe seine ganze Kraft für möglichste Verbesserung dieses fehlerhaften Zustandes einsetzen und die zutreffenden Stellen zu rascheren Erledigungen anhalten.

e. Arbeitszeit und Ruhetage.

Diesem Gesetze sind 47 Eisenbahn- und 12 Dampfschiffbetriebe unterstellt, in deren Diensten 19,866 Personen stehen.

Durch dieses Gesetz sind den Bahngesellsohaften nicht blos bedeutende Mehrauslagen erwachsen, sondern es werden einzelne derselben, namentlich für den Sonntagsbetrieb, in hohem Maße gehemmt. -- Durch den Umstand, daß namentlich an Sonntagen, Tage, an welchen die Eisenbahnen für den Personenverkehr am meisten in Anspruch genommen sind, eine Anzahl geübter Angestellter der Sonntagsruhe wegen durch oft ungeübte, den schwierigen Aufgaben nicht gewachsene Leute ersetzt werden müssen, erwachsen anerkanntermaßen den Bisenbahnen nicht unbedeutende Gefährden.

Auf das Dienstpersonal wirken die Bestimmungen sehr wohlthätig, so daß bei allfälliger Aenderung dieses Gesetzes, die nach der Motion Comtesse vorgenommen werden soll, die Schutzbestimmungen für die Angestellten nach unserer Ansicht, wenigstens zum größten Theile, beizubehalten sind.

Wir erlauben uns nur die Andeutung zu machen und die Frage zu stellen, ob es nicht angezeigt wäre, hie und da in Ausnahrnsfällen, in Bezug auf Arbeitszeit und Ruhetage im Interesse des

213 Bahnbetriebes und dessen Sicherheit, etwas weiter gehende Ausnahmen namentlich den Schmalspur- und Bergbahnen zu gestatten, als es im Berichtsjahre der Fall war.

7. Rechnungswesen und Statistik.

Der Baukonto sämmtlicher Bahnen belief sich Ende 1890 auf Fr. 986,946,696.

Die Rechnungen wurden geprüft und geben zu. keinen besonderen Bemerkungen Veranlassung.

b. Vollziehung des Hlilfskassengesetzes.

Nach den dem Departemente eingegangenen Berichten werden die Statuten sämmtlicher Hülfskassen im Sinne des Art. 2 des Hülfskassengesetzes im Laufe des Jahres 1892 zum Abschlüsse gelangen.

Die allgemeine Einführung dieser Kassen ist sehr zu begrüßen und eine große Wohlthat für die Angestellten und deren Familien.

Es wird deßhalb die kräftige Unterstützung derselben dem Departemente bestens verdankt.

c. Sicherstellung des Hülfskassenfonds und Baarkaution der Eisenbahnangestellten.

Das Ge.sammtvermögen der Pensionskassen besteht in Franken 10,632,381, das Vermögen der Krankenkassen, Sparkassen und Unterstiltzungsfonds Pr. 617,110, die Baarkautionen des Personals Fr. 2,135,517.

Obschon ein kleiner Theil dieser Beträge in den Passiven der Gesellschaft inbegriffen sind, findet das Departement sieh zu keinen Einwendungen veranlaßt, weil es der natürliche Geschäftsgang mit sich bringt, daß Beiträge, welche kurz vorher eingegangen oder zur Auszahlung bestimmt sind, vorübergehend in der Kassa liegen.

Ihre Kommission stimmt dieser Ansicht bei.

II. Postverwaltung.

Der 1891er Bericht des Postdepartementes gibt in kurzer Passung einen inhaltsreichen Bericht seiner mit guten Erfolgen belohnten Thätigkeit. Wenn auch der Gang der Zeit, mit Portschritt in Schulbildung, mit Gedeihen im Gewerbe und mit Rastlosigkeit

214 in der Industrie, vermehrte amtliche Verwaltungen u. s. f. den Postverkehr vor Allem mehrten, so haben zeitgemäß kluges und rasches Verständniß des Postamtes, die Absicht, dem Publikum sich vielseitig nützlich zu machen, und daneben auch der Sitz in Bern des Weltpostvereins mit den Einheitsbestrebungen unerwartet viel beigetragen. Freuen wir uns hierin in erster Linie mit den bestorganisirten Staaten zu stehen.

I. Allgemeines.

Der Bericht beginnt mit dem Hinweis auf eine halbe Million Franken, mit welchen der 1891er Reinertrag den Büdgetansatz übersteige. Gewohnt wird aber der Reingewinn eines Jahres mit dem vorhergehenden verglichen. In diesem Falle finden wir Fr. 2,271,362. 23 Gewinn von 1890, und ,, 1,686,897. 47 ,, ,, 1891, abzüglich also Fr. 584,464. 76 weniger. Dieser Verminderung ist laut der 1891er Rechnung (welche außer unserm Berichte zur Priorität des Ständerathes in besonderer Vorlage geboten ist) hauptsächlich durch Fr. 1,147,683. 29 Mehrbesoldung für 1891, als die mit Fr. 10,897,600. 76 anno 1890 bezahlten Gehalte, eingetreten, nämlich Fr 791,688. 46 erhielten die Beamten der Bureaux mehr Gehalt, ,, 248,588. 45 ,, ,, Angestellten, wie Briefträger etc., mehr, ,, 89,646. 60 ,, ,, Kondukteure in erhöhtem Mehrgehalt und ,, 17,065. -- wurden mehr Zuschüsse verausgabt.

Diese Ausgabenvermehrung ist gestützt auf neuere Beschlüsse der Räthe und auf damit erweiterten Anstellungen.

Dagegen sind für Fr. 735,286. 50 mehr Werthzeichen in diesem als im Vorjahre verkauft, weil mit 2,971,445 Stück um 4,7 Prozent vermehrte Briefe, ,, 675,350 ,, ,, 5,2 ,, ,, Karten, ,, 1,999,978 ,, ,, 10,B ,, ,, Drucksachen, ,, 7,064,071 ,, ,, 9,6 ,, ,, Zeitungen, ,, 338,461 ,, ,, 3,2 ,, ,, Fahrpoststücke u.

,, 177,557 ,, 5,8 Geldanweisungen.

fl fl fl Noch einige andere mindere Titel reihen sich den vermehrten 1891er Einnahmen an.

Einen Ueberbliek wirft der Bericht auf die Taxenerleichterungen letzter Jahre, um nachher eine sehr interessante Statistik des Postverkehrs von 1890 und 1891 zum Vergleiche anzureihen.

215 Die Post ist ein Expedient und ein Bankinstitut für das Volk geworden.

Neben diesem spezieller bezeichneten Hauptverkehre im Inlande hat der Verkehr mit dem Auslande auch sehr umfangreich zugenommen.

II. Vorlagen an die Bundesversammlung und Erlasse derselben.

Auf die Vortheile der 1891er Posttaxenrevision in der Schweiz und der vielen neuen Verträge durch den Weltpostverein treten wir, weil in den Räthen erst jüngst behandelt, nicht ein; ebensowenig auf die neuen Plätze für Postgebäude in Zürich mit 2600 m 2 à Fr. 230 für Fr. 660,000 und in Neuenburg für Fr. 208,000.

Wir glauben nur hinweisen zu sollen auf die Wichtigkeit stets hinlänglicher Bemessung des Bodenraumes im Parterre, welcher für die Expedition und für die Bedienungsbüreaux immer am meisten maßgebend ist ; damit bei neuen, kostspieligen Bauten die Fatalitäten sich nicht wiederholen, -/M früh weitern Platz nachkaufen zu müssen, wie in Genf, oder ungenügenden Bodenraum zu besitzen, wie bereits in Luzern und in St. Gallen.

Auch der interessanten Anregung, ein neues Postregalgesetz zu bearbeiten, wollen wir mit keinerlei Besprechung vorgreifen.

III. Unterhandlung, Abschluß und Tollziehung yon wichtigern Verträgen.

Wir beachten die treffliche Einführung durch drei Verträge des Postdieastes bei neuen Bahnen und die mehrfachen neuen internationalen Verträge mit dem Weltpostverein. An die Fr. 106,364 1891er Auslagen der in Bern domizilirten Postunion hat die Schweiz mit Fr. 1730 ihren bescheidenen Antheil beigetragen.

IV. Personelles und Besoldungen.

Interessanter tritt der Personalbestand mit 7148 Beamten und Angestellten, vermehrt durch 126 Beamte und 317 Angestellte, wobei 11 Prozent weibliche, mit 99 Aspiranten und 230 Lehrlingen an uns mit dem Ausweise der Besoldungen; weil die 1891er Besoldungsbeschlüsse der Bäthe zu vielfachen Gehaltserhöhungen bis zu 12 Prozent bei den Kondukteuren, 7 Prozent in II. und von 6 Prozent in III. Klasse der Beamten geleiteten. Möge diese Honorarverbesserung tüchtige Beamte und Angestellte wahren.

216 Das Kapitel der U n f a l l entschädigungen seheint einige Mängel zu weisen : 1. Die jährlichen Beiträge von Fr. 8000 genügten der Unfallskasse für 1891 nicht, so daß bei Fr. 23,236 Vergütungen in 149 Unfällen das Vermögen von Fr. 57,400 um Fr. 12,812 zurückging.

Eine Beitragsvermehrung bis Fr. 20,000 jährlich wäre zu überlegen; wenn nicht der Hinblick auf die nahende Hülfe der Unfallversicherung das Eintreten hierin eher unzeitig erscheinen ließe.

2. Wir glauben hinweisen zu müssen, daß die seit 1851 nicht wieder revidirte Postgesetegebung einer vollständigen Erneuerung bedürftig sei. Unter Anderm fehlt im Gesetze eine Haftbestimmung für die Deckung der Unfälle an Passagieren. Da wir hören, eine bezügliche Vorlage sei bereits entworfen, so genügt es, an die mögliche Förderung zu erinnern.

Beim Kapitel der B ü r g s c h a f t e n erkennen wir eine vorzügliche Wohlthat im Bestehen des Amtsbürgschaftsvereins. Derselbe erleichtert Mittellosen die Annahme einer Anstellung auch ohne Mitbürger in allzu hohe Mitleidenschaft zu verpflichten. Wenn der Verein nicht wohlthätig für den Angestellten, wie auch beruhigend für den Bund eintreten würde, so müßte diese Institution, als zu hart und wenig mehr üblich, eher aufgegeben werden. Um so mehr liegt es in der Loyalität der Behörde, den Verein durch Jahresbeiträge zu unterstützen, so lange er nicht in seinem Vermögen genügliche Reserve besitzt. Es war wohl ein glücklicher Zug des Vereins, die Bürgschaften bis auf Fr. 20,000, statt nur bis Pr. 6000, in die Versicherung aufzunehmen, weil vermehrte, größere Prämien rascher das Vermögen der Reserve heben. Die Hülfe für 8017 Angestellte, um die Last privatlicher Bürgschaften im Umfang von 22 Millionen Franken zu beseitigen, erseheint als ein Sieg in der sozialen Zeitlage.

V. Inspektionen fanden wohl genüglich in der Zahl von 3683 bei den Postatellen statt.

YI. Postregal.

Die regelmäßige Bedienung der Hotelomnibus nach den Bahnhöfen bis auf 3 Kilometer Entfernung frei zu erklären, erscheint als wohlangezeigt.

217

VII. Postlokale.

Als wichtigere Vorkommnisse bei den Postlokalen verzeichnet der Bericht den Ankauf der Bauplätze in Liestal für Fr. 11,500 und in Solothurn für Fr. 17,000, sowie 25 Veränderungen in Miethlokalen. Es liegt im Zuge der Gegenwart, vom Bunde aus mehr und mehr selbsteigene Postgebäude in Städten und in verkehrsreichen Ortschaften zu erbauen. Will man damit zum Theil kostspielige Umänderungen ersparen, so muß der Muth zu etwas mehr als nöthigem Platze sich Geltung verschaffen; damit die Neubauten nicht in zu naher Zeit wieder zu klein sich erweisen.

VIII. Wichtigere Vorkommnisse im Postbetrieb.

Die seit 1890 gesetzlieh verringerte A r b e i t s z e i t auf 12 Stunden bei 52 Feiertagen, wobei 17 Sonntage, beschuldigt der Bericht für eine Ausgabe von Fr. 150,000 in vermehrten Arbeitskräften und durch doppelten Gehalt für Sonntage. Die Postverwaltung bleibt hiebei immer noch im Vortheile gegenüber den unserm Fabrikgesetze unterstellten privaten Industriellen, um über mehr Arbeitszeit zu verfügen oder die Angestellten länger beschäftigen zu dürfen.

Anerkennung verdienen die dem Verkehr seit 1891 gebotenen Vortheile, die Frankatur ausländischer Zolltaxen durch die schweizerischen Zollämter besorgen zu lassen. Die neueste Uebertragung dieser Aufgabe an die nächsten Zollverwaltungen wird diese Begünstigung für den Handel nicht aufheben.

Als schneller und zuverlässiger anerkennen wir die laut Art. 72 des Konkursgesetzes eingeführte Postvermittlung. Die Postverwaltung wird hierin, wie wir erwarten, die geeignete Bedienung fördern und nach Bedarf ergänzen.

Der Berieht über die Nachtheile für die Post durch die Eisenbahnunfälle in Mönchenstein und Bötzberg und über die Postunfälle in Rothrist und in Bergün würde uns zu kurz erscheinen, wenn nicht eine Ergänzung im Reehnungsberieht zugesagt wäre.

Die Geschäftswelt dürfte durch Offerten und durch Belehrung zu rascherer und vermehrter Benutzung der vortheilhaften P o s t f ä c h e r einzuladen sein.

Die Post, wenn auch durch die Eisenbahnen im Passagierverkehr stark reduzirt, lebt dennoch durch die Bahnen nur um so gedeihlicher auf. Möge die gute Verbindung der Post mit der Bahn beiden Theilen Vortheile bringen !

218 Der gut ausgewiesene Bericht des Postdepartementes verdient, wie die Thätigkeit der Direktion und der Aemter, volle Anerkennung.

III. TelegraphenYerwaltung.

1. Allgemeines.

Der durch viele Details interessante Bericht über das Telegraphenund das Telephonwescn erwähnt eine kleine Verminderung an Telegrammen, dagegen eine große Zunahme im Telephonverkehr, so daß die Frage nahe liegt, ob zum Theil die Vermehrung der Telephone eine Abnahme für den Telegraphen veranlaßt habe.

Der Gewinn durch den Telegraphen ergab Fr. 365,242, durch das Telephon Fr. 860,556, bei Baukosten für neue Anlagen von Fr. 174,527 im Telegraphenwesen und von Fr. 578,834 für das Telephon.

Das Postulat vom 24. Juni 1891, ,,ob nicht die Grundtaxe (von 30 Cts. nebst 2^2 Cts. per Wort) für interne Telegramme zu ermäßigen seia, sucht der Bericht mit dem Aufschlüsse abzulehnen, daß eine Grundtaxenreduktion selbst nur von 10 Cts. schon Fr.197,000 betragen würde, und daß ein inländisches Telegramm von durchschnittlich 13 Worten, 66 Cts. einbringend, nur ~illa Centime Gewinn eintrage.

Dagegen erwarten erfahrene Telegraphenbeamte von einer Taxenermäßigung einen insoweit vergrößerten Zuspruch, daß er zu günstigerer Rechnung führe. Die Taxation in den Jahren 18(57 bis 1877, von 50 Cts. bis auf 20 Worte und von 25 Cts. Zuschlag für je weitere 10 Worte, müßte bei jetzt 2 Millionen Depeschen nicht weit ab der heutigen Einnahme einbringen.

Gegenüber dem Postulate vom 19. Dezember 1891, ,,den Telegraphenbüreaux mit ungenügendem Ertrage die Nachzahlungen zu erlassen und einzig unentgeltliche Lokallieferung zu fordern a , bemerkt der Bericht, daß diesem Wunsche in schon geübter Praxis bereits entsprochen sei. Uebrigens würde die bedingungslose Abschaffung der Nachsubventionen jährlich nur Fr. 40,000 Ausfall bieten.

Bedenken wir, wie die Gemeindesubventionen bei der ersten Einführung vielseitig entmuthigen und unangezeigte Zaghaftigkeit verursachen, während die meisten Telegraphenstationen sich durch Eingewöhnung bald zur Rentabilität entwickeln, so ist ein Entgegenkommen im Verzicht auf diese Gemeindeleistungen in der Regel auch ein Vortheil des Bundes zu gedeihlicher Entwicklung eines immer vollständigem Netzes.

219

Eine größere Schädigung des Telegraphen durch die Entwicklung des Telephon haben wir kaum zu befürchten; der Telegraph beherrscht mehr die weitern Distanzen und das Telephon die Städte und Ortsplätze mit einer nur kleinen Umgebung.

2. Telegraphenlinien, Bureaux, Angestellte und Verkehr.

Die Vermehrung von 45 Kilometer mit 950 m. Drahtlänge, bei nun 7244 Kilometer Linienlänge und 19,187 m. Drahtlänge, zeigt immerhin eine noch beständige weitere Ausdehnung. Namentlich erscheinen diese Neubauten in günstiger Weise für den internationalen Verkehr von bereits IVs Millionen Telegrammen mit den vermehrten Anschlüssen ins Ausland. Die Bureaux vermehrten sich um 19, das Personal um 63 bei nun 2011 Angestellten. Laut einläßlicher Statistik gelangt die Zahl der Telegramme im Inland, der nach dem Ausland und mit den übertelegraphirten (,von durchschnittlich 13 Worten im Umfang) auf total 12 Millionen Stück.

8. Telephonwesen.

.Die Entwicklung der Telephonlinien ist im Jahre 1891 eine so günstige, daß heute über 100 Netze, 10,000 Abonnemente, 12,000 Stationen bestehen, und daß über eine Million Franken Abonnementsgebühren und über 1V2 Millionen Franken Bruttoeinnahmen, damit über Fr. 500,000 Mehreinnahmen als im Vorjahre sich ergaben. Dagegen verlangte diese rasche, erweiterte Einführung über Fr. 578,000 Bauauslagen.

Für eine weitere Einführung des Telephons dürfte, wie beim Telegraphen, ein angemessenes Entgegenkommen der Bundesbehörden gegenüber den Gemeinden für die nächsten Jahre empfohlen werden.

Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen.

I. Abtheilnng.

Politische Abtheilung.

I. Beziehungen zum Auslande.

Obgleich der eigentliche Inhalt des äußerst kurz gefaßten Berichtes des Bundesrathes eine Grundlage für eingehende Behandlung

220 durch die Kommission nicht bietet, so hält dieselbe doch für angezeigt, in ihrer Berichterstattung eine Frage zu berühren, die mit den Beziehungen zum Auslande in engster Verbindung steht. Es betrifft diese Frage das im Laufe des Berichtsjahres zu Ende berathene und im laufenden Jahre in Kraft erwachsene ,,Auslieferungsgesetztc, welches nach der Darstellung ausländischer Zeitungen als ,,die Frucht des diplomatischen Druckes" bezeichnet wird, ,,der seiner Zeit deutscherseits anläßlich der Wohlgemuth-Affäre auf d,ie Eidgenossenschaft ausgeübt wurde tt .

Ihre Kommission erachtet eine solche Darstellung als den thatsächlichen Verhältnissen vollständig widersprechend, indem der Zwischenfall der Wohlgemuth-Affäre und der sich an dieselbe knüpfende diplomatische Meinungsaustausch zwischen dem schweizerischen Bundesrath und der Kaiserlich Deutschen Regierung in keinem Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Auslieferungsgesetzes steht, und die im Ausliet'erungsgesetz, bei Konkurrenz gemeiner Verbrechen, statuirte Beschränkung des Asylrechts nichts Anderes ist, als die Kodifikation alter eidgenössischer Staatsrechtspraxis.

Der bundesräthliche Geschäftsbericht über: A. Abgeschlossene und ratifizirte Verträge, B. Erklärungen, Aufkündungen und Abänderungen bestehender Uebereinkünfte, Beitrittserklärungen etc., C. Projektirte Verträge gibt Ihrer Kommission, außer allgemeiner Billigung, keinen Anlaß zu besonderen Bemerkungen.

D. Besondere Fälle.

a. Spanische Soldrückstände.

Mit Genugthuug kann hier der bevorstehenden Erledigung eines Theiles der schweizerischen Reklamationen entgegengesehen werden.

Es betrifft diese Erledigung zunächst die Ansprüche des 1. und 4. Regiments, welche der Hauptsache nach sich als baldigst liquidirbar erweisen, während die Liquidation der übrigen Ansprüche noch der Zukunft vorbehalten bleiben muß.

b. Chilenische Kolonialverhältnisse.

Die schweizerischen Kolonisten in Chile sind auf Grund von Verträgen ausgewandert, welche zwischen ihnen und einem Bevollmächtigten der chilenischen Regierung abgeschlossen wurden

221

und welche die Bedingungen des definitiven Landerwerbes regelten.

Diese Bedingungen wollte die Regierung des frühern Präsidenten Balmaceda dadurch erschweren, daß dem Kolonisten auch die Erwerbung des chilenischen Staatsbürgerrechts auferlegt wurde. Der Verwendung des Bundesratb.es, unterstützt durch den diplomatischen Vertreter des deutschen Reiches, gelang es, bei der Regierung des jetzigen Präsidenten von Chile die bezügliche vertragswidrige Verfügung rückgängig zu machen.

c. Mißhandlung und widerrechtliche Verhaftung des schweizerischen Vizekonsuls von Traiguen.

Eine solche fand unter der Herrschaft des frühern Präsidenten Balrnaceda statt und gab dem Bundesrath Anlaß, bei der jetzigen Regierung Chile's Genugthuung zu verlangen, welche auch in befriedigender Weise ertheilt wurde.

k. Befreiung vom Dienst in der französischen Fremdenlegion.

Es ist nicht zu verkennen, daß durch den unbesonnenen Eintritt junger Leute in die französische Fremdenlegion und die hieraus sich ergebenden zahlreichen Gesuche um Dienstentlassung der französischen Militärverwaltung von jeher viele Ungelegenheiten verursacht wurden. Es hat deßwegen die französische Verwaltung für angezeigt erachtet, strengere Normen für die Dienstentlassung aufzustellen und zu bestimmen, daß in der Regel nur jugendliches Alter unter 18 Jahren und Krankheit als Befreiungsgründe gelten sollen. Ihre Kommission glaubt nun, es soll te unter europäischen Staaten als Grundsatz internationaler Schicklichkeit gelten, zum Militärdienst gegenseitig keine Minderjährigen oder aber keine Leute von jüngerern Alter anzuwerben, als ihre eigenen Landesangehörigen in den Armeedienst eingestellt werden. Berücksichtigt man nun, daß Frankreich selbst seine Leute erst im 21. Altersjahr zur Armee nimmt, daß die schweizerische Militärdienstpflicht mit dem 20. Lebensjahr und die Volljährigkeit in den schweizerischen Kantonen frühestens mit dem 20. Lebensjahre beginnt, so erscheint eine Anwerbung zum Kriegsdienst schon im 18. und 19. Lebensjahr als mit dem oben aufgestellten Postulat internationaler, gegenseitiger Rücksichtsnahme nicht vereinbar, und glaubt die Kommission, es sei dem Bundesrath zu empfehlen, eine Vereinbarung mit Frankreich irn angedeuteten Sinne anzustreben.

222 m. Grenzverletzungen durch italienische Finanzbeamte und Grenzwächter.

Solche Grenzverletzungen geschehen seit einer Reihe von Jahren fortwährend in erheblicher Anzahl, selbst mit Gebrauch der Schußwaffe, während auf den Grenzstrecken gegen Frankreich, Deutschland und Oesterreich Gebietsverletzungen höchst ausnahmsweise vorkommen. Der Bundesrath anerkennt die Bereitwilligkeit der Königlich Italienischen Regierung, für solche Vorkommnisse Genugthuung zu geben und Strafverfügungen zu erlassen. Die Kommission glaubt jedoch, das wirksamste Mittel, solchen Vorkommnissen v o r z u b e u g e n , sei eine a n g e m e s s e n e V e r S t ä r k u n g der schweizerischen Grenzwache, und e m p f i e h l t dem h o h e n Bundesrath, eine solche Maßregel für die betreff e n d e n Grenzstrecken in E r w ä g u n g zu ziehen.

q. Vergütung konsularischer Auslagen für

Krankenpflege.

Wenn, wie im vorliegenden Fall, das deutsche Konsulat in Tunis, durch die betrügliche Vorweisung tessinischer Ausweissehriften getäuscht, veranlaßt worden ist, für die Krankenpflegekosten eines v e r m e i n t l i c h e n Schweizers resp. Tessiners aufzukommen, so nimmt die Kommission als selbstverständlich an, daß die Rückvergütung der Kosten an das Konsulat stattgefunden habe oder stattfinden werde, auch abgesehen vom Erfolg der bundesräthlichen Rückforderung gegenüber dem Kanton Tessin, da es im wohlverstandenen Interesse der S c h w e i z e r überhaupt liegt, daß die Schuld an das Krankenhaus St. Louis nicht unbezahlt blieb.

Der übrige Theil der ,,Besondem Fälle11 und II. der Bericht über die ^diplomatische und konsularische Vertretung der Schweiz im Auslande" und über III. Auswärtige Gesandtschaften und Konsulate in der Schweiz geben Ihrer Kommission keinen Anlaß zu Bemerkungen.

IV. Schweizerische Hülfsgesellschaften im .Aaslande.

Hier konstatirt Ihre Kommission mit dem Bundesrath die Unzulänglichkeit und die große Unverhältnißmäßigkeit der kantonalen Beiträge, welche eine Stufenleiter von 2,6 °/o bis 16.6 °/o der Beiträge au den verwendeten Summen darstellen. Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Bemühungen des Bundesrathes, eine angemessene Erhöhung der kantonalen Beiträge zu erzielen, mit dem gewünschten Erfolg gekrönt werden.

223

V. Verschiedene Geschäfte.

g. Liebesgaben für die Brandbeschädigten in Meiringen, Rebstein und Ladir.

In dieser Hinsicht gebührt den zahlreichen Gaben der Schweizer im Ausland und der hiezu anregenden Thätigkeit vieler unserer Konsulate dankende Anerkennung. Eine besondere Ehrenrneldung verdient die großmüthige Gabe einer ausländischen Gesellschaft, des belgischen Alpenklubs.

i. Schweizerische, in Preußen konzessionirte Lebensversicherungsgesellschaften.

Auch hier stellt sich Ihre Kommission auf den Boden derjenigen Rechtsanschauungen, welche der Bundesrath zur Verteidigung der Interessen einer schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft gegenüber einer preußischen Ministerialverfügung geltend macht.

Die fragliche Gesellschaft ist seit 1867 in Preußen konzessionirt und es wurde ihr mit Erlaß vom 8. September 1891 aufgegeben, die Hälfte der von preußischen Versicherten bezahlten Bruttoprämien von nun an in preußischen Staatspapieren anzulegen. Es ist einleuchtend, daß eine solche Verfügung in ihren Wirkungen geeignet sein kann, die finanzielle Gebahrung der Versicherungsgesellschaft in Frage zu stellen. Wenn nun auch zugegeben werden mag, daß eine solche Bestimmung als Bedingung einer für Preußen zu ertheilenden Konzession aufgestellt werden kann, so kann man doch nicht annehmen, daß eine ohne diese Bestimmung ertheilte Konzession von der Staatsbehörde einseitig und nachträglich durch eine solche Bestimmung zum Scharten der Gesellschaft und der Versicherten beschwert werden kann. Gegentheils wird anzunehmen sein, daß der Konzessionsinhaber für die Dauer der Konzession in seinen erworbenen Rechten (droits acquis) zu schützen sei.

In Betreff der übrigen Punkte der Rubrik V, Verschiedene Geschäfte, findet Ihre Kommission nichts zu erinnern.

VI. Bürgerrechtsertbeilungen.

Unter den 625 ertheilten Ermächtigungen zum Bürgerrechtserwerb finden sich 15, die den Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit zu Gunsten von Wittwen anbetreffen, welche, ursprünglich Schweizerinnen, durch Heirath Ausländerinnen geworden waren. Die Rücksichtnahme auf die öfter so bedrängten Verhältnisse solcher Wittwen legt es nahe, die Erwartung auszusprechen, der Bundesrath werde

224

Maßregeln vorschlagen, welche ihn ermächtigen würden, für die gesetzliche Kanzleigebühr von Fr. 35 unter Umständen ganz oder theilweise Nachlaß zu gestatten.

II. Abtheilung.

Handelsabtheilung.

I. Handelsverträge, Der Bericht Über die Handelsabtheilung beginnt mit den Verträgen. Die Handelsverträge stehen in enger Verbindung mit den Zolltarifen, Sie bethätigten im Berichtsjahre die Regierungen des Auslandes und des Inlandes ; denn es galt, einen Prinzipienwechsel durchzuführen. Bei dem durch mehrere Jahrzehnte herrschenden System des Freihandels lag es in der Natur der Sache, sich unter den Staaten gegenseitig die größtmöglichen Vortheile, die Taxen der ,,meistbegünstigten Staaten", zu bieten. Die Schweiz, ein Land industrieller Fortschritte, mit seinen Produkten an's Ausland angewiesen, prosperirte unter dem Freizollsystem. Seitdem Deutschland, Frankreich in Konkurrenz der Industrien bekämpfend, dem Schutzzollsystem Eingang bereitete, sind unsere Nachbarstaaten, verlockt durch große Einnahmen höherer Zölle, alle hierin nachgefolgt. Auch die Schweiz, zuerst schüchtern, angeblich nur als Kampfmittel der Unterhandlungen, hat mit langer Uebung gebrochen ; und sie ist auf höhere, vielfach auch .Schutzzölle, übergegangen.

Die damit über alle Erwartungen vermehrten Einnahmen erleichtern freilich den Finanzbehörden viele große, früher ungeahnte Ausgaben.

Da die Großindustrie sich eher zu schützen weiß, so ruht die Last der Zölle wie eine neue Steuer vielfach auf dem Gewerbe. Ob dieses lang die erhöhte Steuer aushalte, ist eine Frage der Zeit; und gleichfalls welche Verlegenheiten den Behörden eintreten, wenn einst verminderte Zolltaxen angewohnte Ausgaben hemmen. Der früher so benannte Kampftarif, der neue Zolltarif, er hat denn auch nicht ermangelt, einen Zollkampf zu bringen. Das Schutzzollsystem trübte die guten Beziehungen mit den Nachbarstaaten ; denn der Egoismus jedes Landes war auf die Kriegsfahnen gezeichnet.

Unsere ebenso gewandten als ausdauernden Herren Unterhändler könnten mehr anfügen. Ihren Bemühungen und dem hohen Ansehen des schweizerischen Handels und der Industrie im Auslande verdanken wir wenigstens die ersten bedeutenden Abschlüsse mit Deutschland und Oesterreich. Wie aber der durch das neue Schutzsystem eingeführte Zollkampf im aufgeregten Frankreich, im zähen

225

Italien, in Spanien und in andern Landen enden wird, müssen wir abwarten. Indessen ist die schweizerische Industrie vielfach härter betroffen, gelähmt, wie uns die Stickerei in St. Gallen klar und bedauerlich sehen läßt.

Der Bericht des Departementes zeigt uns in einer Uebersicht, daß wir fast der ganzen Welt gekündigt hatten; daß wir für und für alle Lande zu Handelsverträgen wieder zu gewinnen angewiesen sind.

Dank der Thätigkeit des Departementes und des Bundesrathes haben die Unterhandlungen mit I t a l i e n , wenn auch mühevoll, einen Abschluß erzielt, welcher, wie wir hoffen, perfekt wird.

Mit F r a n k r e i c h und S p a n i e n sind Unterhandlungen begonnen. Mehrere Länder, wie Portugal, Rumänien, Egjpten, wollen zuerst mit großem Nachbaren sich verständigen, und wir haben abzuwarten.

Ohne Verträge, und fast ohne Anknüpfung neuer, steht jetzt die Schweiz mit der Türkei, Japan, Egypten, Mexiko und Brasilien.

Gern sehen wir mit der Türkei wenigstens ein Provisorium für den Handelsverkehr durch die Vermittlung von Frankreich.

Ob das Ablehnen der Unterhandlungen mit J a p a n wohl begründet sei, weil Grundeigenthum dem Ausländer verboten bleibt und weil Japan keine Gerichte aus Fremden zugibt? Die Vereinigten Staaten Nordamerika's, ein Land mit der größten Liberalität für die Einwanderung, bietet gleichfalls Grundbesitz nur für Bürger. Zur Spekulation der Ausländer bietet Nordamerika kein Land. Wer Land verlangt, um es selbst zu benutzen, zu bebauen, der muß dem Lande auch als Bürger näher treten. Ein Land aber, wie Japan, das im Gerichtswesen selbstständig und frei vom Auslande bleiben will, thut nur, was die Eidgenossen vor 600 Jahren begonnen und also fortgeführt haben.

Ob mit .einem schwierigen Lande, wie M e x i k o , wir nicht rascher zu einem ersten Erfolge gelangt wären, wenn die Schweiz die Offerte von Mexiko, a.ls Basis den französisch-mexikanischen Handels- und Niederlassungsvertrag zu erkennen, angenommen hätte, anstatt unsern Vertrag mit Salvador vorzusehlagen? In all weg dürfte die in Sache vermittelnde schweizerische Gesandtschaft in Washington gemahnt werden, die Unterhandlungen fortzusetzen.

Wenn auch die Kursverhältnisse des Geldes und die Finanzfrage B r a s i l i e n s zur Zeit, und wahrscheinlich noch länger, schwierig sich zeigen, so dürfte mit dem vielfach reichen Lande der Abschluß von Verträgen doch angezeigt und nachzusuchen sein.

226

II. Anstünde im internationalen Handelsverkehr.

Entgegen dem Berichte über die wenigen Anstände im internationalen Handelsverkehr, wo das Ausland meist nur sein Recht behauptete, verdanken wir dem tliätigen Departemente die den Handel belehrenden Berichte über E n g l a n d und S c h w e d e n .

England hat wohl Recht, in seinem Waarenzeichengesetz die eigene Industrie zu schützen, wenn Firmen des Auslandes durch den Gebrauch englischer Bezeichnungen eine Zweideutigkeit über das Ursprungsland anstreben wollen, um die Käufer zu falscher Meinung hierin zu verführen.

S c h w e d e n wird uns vorgestellt als sehr genau in der Kontrole der theuren Taxen gegenüber Handelsreisenden; doch hierin weicht jenes Land wenig ab von mehreren Kantonen unserer Schweiz.

Dem vorsichtigen Departement hat unser Handel die belehrende Mahnung zu verdanken.

In I t a l i e n verbleiben unserem Amte noch die zu hohen Zollabfertigungsgebühren zu bekämpfen.

III. Weltausstellung in Chicago.

Die großartig sich ankündende Weltausstellung in Chicago läßt die schweizerische Handelswelt ungewohnt kühl. Nicht nur haben viele Industrielle die Lust zu hohen Ausgaben für die zu oft wiederkehrenden Ausstellungen verloren und oft mehr Nachtheile infolge der beobachtenden Konkurrenz als Vortheile bei den Käufern gefunden ; sondern die andauernd gedrückte Geschäftslage hilft mit. Am meisten wird die mehrfache Taxenerhöhung im amerikanischen Zolltarif bestimmend wirken, weil einaelne Industrien oder Abtheilungen wie vom Absatz abgeschnitten werden. Amerika huldigt fatalerweise für Buropa, zur gedeihlichen Einführung fremder Industrie, immer noch dem nun in europäische Nachahmung gesetzten Schutzzoll.

Eine offizielle schweizerische Vertretung in Chicago regte Niemand an; und so kann die Schweiz an die billigeren Beiträge einzelner Aussteller übergehen, wie der Bundesrath in Sache wohl angezeigt beschlossen hat.

Nur die Stickerei und die Uhrenindustrie haben bis jetzt sich angemeldet, um die Schweiz zu repräsentiren, und sie verdienen hiefiir den Beistand des Bundes.

227

IT. Kommerzielle Berufsbildung, Einen angenehmen Theil des Berichtes bilden die jüngst eingeführten Bundesunterstützungen für kommerzielle Berufsbildung.

Nicht nur leuchtet daher die Anerkennung, daß der Handel, das Vaterland günstig belebe, sondern das Bestreben, auch Mindervermöglichen den Weg dieser Ausbildung frei und zugänglicher zu gestalten. Die Unterstützungen gehen mit Erfolg sowohl den Handelsschulen als auch Vereinen zu. Die Erfahrung wird bald weisen, ob das Departement gegen staatliche Schulen in dem Verlangen der Leistungen resp. des Programms zu strenge vorging, immerhin in der löblichen Absicht, nur tüchtige Anstalten zu fördern. Es konnten sich bis anhin nur vier Schulen als programmgemäß befähigt anmelden; und es mußten weitere Schulen vorerst ihren Lehrplan erweitern, um bald nachzurücken.

Wohlverdient sind die Unterstützungen an den Central verband der kaufmännischen Vereine mit seinen 27 strebsamen Sektionen, aber auch den Vereinen in Paris, wie den inländischen außer dem Centralverbande stehenden gegenüber. Das Departement meint bei den Vereinen die kommerzielle Ausbildung als Hauptaufgabe bedingen zu sollen ; wie wir hoffen, um die Bundesbeiträge für Leistungen in dieser Richtung zu sichern.

Ob der obenbesagte Grund der strengen Anforderungen dahin wirkte, daß von büdgetirten Fr. 60,000 nur Fr. 38,866 konnten ausgegeben werden?

Y, Konsularberichte, Aus den meisten Konsulatsgebieten gehen die Jahresberichte regelmäßig ein und die vom Departement wohl besorgte Veröffentlichung im Handelsamtsblatte belehrt die Geschäftswelt.

VI. Handelsamtsblatt.

Das Handelsamtsblatt leistet so vielseitig dem Handel, dem geistigen und dem gewerblichen Eigenthum, den Banken, dem Versicherungswesen, dem Zoll, den Bahntarifen etc. gute Dienste und bleibt ein nöthiges Nachschlagebuch in Amt und .Handel, daß man bei dem billigen Preis von Fr. 6 staunen muß, wie bloß 2500 Abonnenten sich einstellen. Es wäre zu erwägen, ob eine vermehrte Gratisabgabe über jetzige 1252 Exemplare ab der Auflage von 3100 hin an geeignete Amtsstellen, Vereine, Schulen nicht rathsam wäre.

Bundesblatt.

44. Jahrg. Bd. HL

16

228 Die Einführung geeigneter Inserate erhöhen nicht nur das Interesse, sondern sie werden für und für mehr einen großen Theil der Erstellungskosten decken. Die Konkurspublikationen bilden einen neuen Theil.

TU. Statistisches Bureau.

Das statistische Bureau findet hier seine Erwähnung zur gerechten Anerkennung gedeihlicher Vorarbeiten zu den Handelsverträgen.

Die gründlichen statistischen Ausgaben, wie der jährliche Band der Handelsstatistik, die quartalen Hefte über Einfuhr und Ausfuhr, Werthtabelle etc. gelangen nach Maß ihres hohen Verdienstes viel zu wenig in die Oefientlichkeit. Nicht nur dürfte eine größere Gratisabgabe an Schulen, Vereine, Bibliotheken und Aemter eintreten, sondern vermehrte Ankündigungen im Handelsamtsblatt und im Bundesblatt je vom Erscheinen mit Preisangaben müßte Bestellungen einbringen.

VIII. Gold- und Silberwaaren.

Ueber die K o n t r o l s t e l l e n für Gold und Silber liegen im Berichte interessante einläßliche statistische Tabellen bei mit Vergleichungen von 1882 bis 1891. Ueber 2 Millionen Uhrenschalen, 36,000 Bijoux und 15,000 Stück Barren kommen jährlich zur Abstempelung in noch 12 Aemtern, wovon nur noch eines in der Ostschweiz. Fr. 63,000 Mehreinnahmen als Fr. 157,503 Ausgaben decken die Kosten.

Zu den mehrfachen neuen Instruktionen des Berichtsjahres ist die allgemeine Revision der 1881er Vollziehungsverordnung angekündet.

Der Handel mit G o l d - und S i l b e r a b f ä l l e n findet auch hier eine Uebersicht der Jahre 1887 bis und mit 1891, und er zeigt jährlich fast 4 Millionen Franken Umsatz von 8721 Verkäufern an 91 Schmelzer.

Der einläßliche Bericht des Departementes deutet auf gute administrative Ordnung hin, sowie die ganze Handelsabtheilung ein Bild vieler Arbeit und gewandter Verwaltung, würdig der Verdankung, darstellt.

229

III. Abtheilung.

Aus wanderungs wesen.

A. AdministratiTe Abtheilung.

I. Allgemeines.

Im Allgemeinen zeigt der Bericht, daß im Jahre 1891 bei 7516 Auswanderern, mit SU Million Franken in nur hei den Agenten bezahlten Wechseln, zwar eine kleine Abnahme sich ergebe, welche aber durch Auswanderer, die sich an fremde Agenten wandten, faktisch kaum eintrat.

Der Weg über Havre und über New-York führt die Großzahl nach den Vereinigten Staaten Nordamerika's.

Die administrative Bundesbehörde in Bern bietet ihren Rath und erwünschte Auskunft freundlieh an. Auch ist sie bemüht, obwohl noch ohne Erfolg, einheitliche Reisetaxen zu erzielen.

II. Agenten, Unteragenten und Kautionen.

Es erscheint als nicht ungünstig, daß nur 8 konzessionirte Hauptagenturen bestehen ; denn mit dem Rechte des Patentes in der ganzen Schweiz Geschäfte zu suchen und beim Mangel von Gesetzesbestimmungen Patente verweigern zu können, machen sich immer noch verführerische Anpreisungen von gefährlichen, viel Verdienst und Land versprechenden Unternehmungen geltend. Doch die größere Zahl der Auswanderer folgt der wohlthätigen Wirkung von früher ausgewanderten Verwandten und Freunden, welche Anstellungen bereit halten und oft selbst für die Reise Unterstützungen senden.

III.. Klagen.

Die Klagen gegen Agenten mindern sich und oft sind sie unbegründet. Dennoch kommen solche in über 15 im Berichte aufgezählten Formen zum Vorschein, wogegen das Amt und die schweizerischen Konsulate wohlwirkende Vermittlung bieten.

Die erwähnten Fälle, einige mit Bußen von Agenten, bieten wenig Interesse, ein Fall ausgenommen.

Italien ersuchte um Schutz vor Agenten, welche fahnenflüchtige Militärpflichtige in fremde Länder spediren. Die Weigerung der Bundesbehörden, hierin nachbarliche Dienste zu leisten, ist eine wohl begründete.

230

IV. Auswanderungsziele etc.

Von 7516 sind 6920 Auswanderer nach den Vereinigten Staaten Nordamerika's, viele zu Landsleuten gezogen. Dieses Land, seit Dezennien mit einer Einwanderung von Va bis 3/* Million Menschen jährlich, hat bereits schon Gesetze beabsichtigt, den Strom der Einwanderer zu beschränken durch vermehrte Erschwerung der Ertheilung des schon nach 5 Jahren Aufenthalt allen möglichen Bürgerrechtes. Doch bis heute sind beschränkende Vorschriften nur ergangen gegen Geistesgestörte, gefährlich Kranke, gegen Bettler, schwangere Mädchen, gemeine Verbrecher und gegen Kontraktsavbeiter.

Unter die durch Drittpersonen mit Geld zur Ueberfahrt verleiteten und daher in New-York beanstandeten Auswanderer wurden dort einige von schweizerischen Genossen- oder Bürgergemeinden Unterstützte gezählt. Es ist im Bericht anzuerkennen, Vorsicht den Einwanderern zu empfehlen für klar begründete Angabe bei amtlichen Anfragen. Dank den thäligen schweizerischen Konsuln konnten bisher Rückweisungen noch verhindert werden.

Der Bericht deutet die Verlegung des Einwanderungskontrolbtireau in New-York aus dem alten Castle-Garden am Landungsplatz der Stadt nach der naheliegenden Insel Bllis Island vor der Stadt New-Jersey als den Einwanderern günstig an. Diese Insel mit der neuen enormen Einwandererhalle und den Bureaux für Kontrole, Stellenvermittlung etc. gehört der Regierung der Union, welche in den Verfügungen gegenüber Einwanderern entgegenkommender sich erweist, als auf früherem Platze die Stadtbehörde; weil diese gegenüber einer Ueberzahl von wöchentlich Tausender fast mittellos Ankommender, welche alle in New-York ihren ersten Verdienst zu suchen hatten, strenger zu verfahren vielen Grund fand.

In New-York erweisen sich die Wohlthätigkeiisanstalt des ,,Schweizerheims", mehrere achtbare Logis- und Kosthäuser, wie für Katholiken das ,,Leohaus", den schweizerischen Einwanderern nützlich. Mehrere schweizerische Konsuln, wie die Herren Bertschmann in New-York, Corradi in Philadelphia, Dr. Eälin in Louisville, Kürzi in Cincinnati und weitere, verdienen den Dank vieler nützlicher Hülfeleistung in Rath und That.

Nach Südamerika ist die Auswanderung klein und sie nahm nur nach Brasilien zu.

Die Sektionen der Bundesbehörden für das Auswanderungswesen verdienen die Anerkennung nöthiger Aufsicht und der Wahrung vor den mißleitenden Ankündigungen und der Belehrung über neue Kolonisationspläne, welche oft gefahrbringend angeboten werden.

231 B. Kommissarische Sektion, l. Begleitung von Auswandererzügen.

Mit Auskünften befaßt sich namentlich die Sektion des Auswanderungskommissariates. Der Departementsbericht meldet viele interessante Details einer speziellen Inspektionsreise nach den Meerhäfen Boulogne, Havre, Marseille, Genua, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam.

Unverkennbar zeichnet sich eine gewissenhaftere Behandlung, eine bessere Verköstigung, eine geordnetere Unterbringung in den Kabinen und Schlafstellen der jetzigen größern Dampfschiffe aus.

Der Bericht gibt wohl mit richtigem Takte den Vorzug den Verhältnissen von Havre und der französischen Linie ; obwohl die etwas billigere Eonkurienz von der rothen Stern-Linie in Antwerpen und von Rotterdam und Amsterdam auch im Ganzen befriedigend bedient.

Die nach dem Süden Amerika's ab Marseille abgehenden Schiffe, meistens von Italienern benutzt, lassen mehr zu wünschen.

Gestützt auf solche Inspektionen wird die Kontrole des Amtes gedeihlicher.

II. Begutachtung von Kolonisationsunternehmungen.

Einige Beispiele wie über die Gegend am Pocoflusse in Mexiko und die dortigen Bestrebungen zeigen die Notwendigkeit amtlicher Erkundigung, welche oft sehr schwierig ist; und sie bezeugen den Werth der Mittheilungen in Amtsblättern des Bundes.

III. Ertheilung von Auskunft und Rath an Auswanderer.

Sie ist vielen Auswanderern nöthig und beruhigend. Diese nützliche Aufgabe des Amtes bedingt oft mühevolle Erkundigungen bei Konsulaten, Geschäftshäusern und selbst bei Auskunftsbüreaux.

Unter den letztern nimmt die Firma Dünn & Cie. für die Vereinsstaaten Nordamerika's und Canada eine zu beachtende Stellung ein.

Trotz all den Vorschriften bleiben viele Enttäuschungen nicht aus. Viele Auswanderer müssen zuerst Land und Leute und oft noch sich seibat im Ausland kennen lernen.

IV. Verschiedenes.

Die im Berichte erwähnten öffentlichen Vorträge mögen oft belehrend wirken. Die besten Vorträge bieten freilich Bekannte und Verwandte in den Landen der Auswanderung, welche die Sorge erster Plaoirung menschenfreundlieh übernehmen.

232

IV. Abtheilung.

Amt für geistiges Eigenthum.

Den Vorbildern im Auslande folgend und der Geistesrichtung der Zeit gerechte Aufmerksamkeit bietend, ist der neue Bund zum Schutze seiner Bürger, zu loyaler Behandlung selbst des Ausländers in der Gesetzgebung für geistiges Eigenthum nach allen Richtungen in die Schranken gebildeter Staaten getreten.

Von den Erfolgen gibt das Departement zwar einen kurzen, aber durch die befriedigenden Zahlen erfreulichen Bericht.

Die Besorgung der Prüfungen und der Registratur ergibt so viele Arbeit, daß die Einführung eines dritten Technikers und eines dritten Kanzlisten begründet ist.

Beruhigend für die Bundesfinanzen zeigen die vielen und sich mehrenden Einnahmen, daß sie die Ausgaben mehr als decken und noch bedeutend Gewinn bringen.

I. Erfindungsschutz.

Die P a t e n t e für Schutz der Erfindungen à Fr. 20 Hinterlagsgebühr nebst jährlich steigender Gebühr von Fr. 20 im L, Fr. 30 im II., Fr. 40 im III. Jahre bis endlich Fr. 160 im XV.

und letzten Jahre allein ergaben 1890 über Fr. 104,000.

Bei 1556 neuen Gesuchen, nach 55 Abweisungen und 57 Zurücknahmen ist die Zahl im Ganzen schon auf 3203 Patente nach 4 Jahren gestiegen. Zur Arbeit der Prüfungen und zur Ergänzung der Anmeldungen kommt auch die der amtlich gedruckten Ausgabe über die Patente und die Arbeit der Jahreskataloge. Der jährliche Katalog mit Verzeichnung von jedem Patente und mit einem Sach-, Namen- und Nummern-Register kostet Fr. 4. Die in 230 Exemplaren gedruckten Patente sind à Fr. l, für Abonnenten bei Vorauszahlung von Fr. 50 mit 50 Prozent zu beziehen. In einzelnen Numern werden höchstens bis je 80 Exemplare verkauft; während 53 Exemplare an Gemeinden gratis, aber zu öffentlicher Einsicht, abgehen und 79 an kantonale Aemter verschenkt werden. Da jährlich 14 bis 15 Bände à 100 Nummern erscheinen, bis heute schon 40 Bände, so will kein einziger Private voll abonniren. Um so nöthiger ist eine umfangreiche Gratisabgabe an Schulen und Bibliotheken. Die großen Einnahmen aus den Patenten erlauben eine Verbreitung, wie sie den Patentzahlern gebührt.

233 Die im Berichte erwähnten Unterhandlungen mit dem deutschen Reiche zu internationalem Schutze sind meistens der Sicherung auf gewisse Zeiten von den Prioritätsrechten der Anmeldung in andern Ländern nach der Eintragung in einem der Konkordanzlande zugewandt.

In Basel, Bern, Genf und Zürich finden sich Patent-Anwälte zur Besorgung richtiger Redaktion der anzumeldenden Patente.

Nur 1la der Patente kommen Schweizern zu und 2la der Patente verlangt das Ausland.

2. Gewerbliche Muster und Modelle.

Die Niederlage der Muster und Modelle in das bezugliche Amt mit 147 Stück in I. Periode für 2 Jahre à Fr. 10, mit 45 Stück in II. Periode für 5 Jahre à 3 Fr., mit 10 Stück in III. Periode auf 10 Jahre à Fr. 6 und mit 10 Stück in IV. Periode auf 15 Jahre à Fr. 7 verzeigt meistens nur kurze Dauer. Sie ergibt daher jährlich nur Fr. 1000 Einnahme.

3. Fabrik- und Handels-Marken.

Dagegen ist die Einnahme für 166 Eintragungen für 20 Jahre Schutz von Fabrik- und Handels-Marken à Fr. 20 Gebühr mit Fr. 11,320 größer. Nur Vs der Eintragungen verlangte das Ausland. Auch hievon gibt ein jährliches Register (à Fr. 3 verkäuflich) Auskunft mit den abgebildeten Zeichnungen, wie sie im Handelsamtsblatt auch ersichtlich sind.

Der Rath des Amtes,'Marken vor der Anmeldung beim Bureau begutachten zu lassen, verdient alle Beachtung, um Zeitverlust und Anstände zu vermeiden.

4. Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigenthums.

Es muß auffallen, daß nur 34 obligatorische und 36 fakultative Eintragungen für litterarische Werke und 11 künstlerische Werke im Bureau für litterarisches und künstlerisches Eigenthum einregistrirt wurden.

Es ist eine Wohlthat der neuen Gesetzgebung, daß das Déposé von je 3 Exemplaren mit an Zeit und an Formalitäten gebundenen Bedingungen von früher aufgehört hat; und daß der Schutz ohne alle Formalitäten fest angenommen ist und erst auf dem Prozeßwege bestritten werden kann.

234

Freilich hatten Paris und Washington mit dem System der Original-Hinterlage (déposé) sich gewallig große, wenn auch inhaltlich sehr verschiedenwerthige Bibliotheken geschaffen.

Möge an die.Stelle des am 1. Februar 1892 gekündigten Vertrages mit Frankreich vom 23. Februar 1882 durch gedeihliche Unterhandlungen ein besserer Schutz für die Musik werden!

I n t e r n a t i o n a l e Bilrea.ux i n B e r n .

Es erübrigt, hinzuweisen auf die Publikationen des internationalen Bureau in Bern, auf die in monatlichen Heften erscheinenden Zeitungen : La propriété industrielle, à Fr. 5 im Jahre, Le droit d'auteur, à Fr. 5 jährlich.

Wir haben noch der vorzüglichen Ordnung in diesen Bureaux anerkennende Erwähnung zu geben.

Geschäftskreis des Militärdepartements.

IV. Rekrutirung.

Das Ergebnis der 1891er Rekrutirung des Bundesheeres ist wiederum höher als pro 1890. Insbesondere ist erfreulich die Zunahme der Rekrutirung unserer Kavallerie.

Die Ziffern des Gesammtkontingentes an Rekruten zu demjenigen der Kavallerie stellen sich wie folgt: 1889 . . . . . . 14,837 Rekruten, 336 Kavallerierekruten.

1890 15,466 ,, 378 ,, 1891 15,763 ,, 433 ,, Dieser zunehmenden Rekruteazahl entspricht denn auch das Anwachsen des Kontrolbestaades des Auszuges, währenddem umgekehrt der Kontroibestand der Landwehr abnimmt.

Kontroibestand.

1876 1881 1886 1891

119,448 116,068 117,179 128,499

Landwehr.

Total.

93,515 92,178 84,046 81,104

212,963 208,246 201,225 209,603

235 Die Abnahme des Landwehrbestandes erklärt sich aus der schwächeren Rekrutirung seit 1875 in Folge Verschärfung der Vorschriften über Militärtauglichkeit, die seit 1887 ihre Wirkung auf die Landwehr ausüben.

Wenn anch seit 1875 das Bundesheer an Zahl etwas zurückgegangen ist, so hat es dafür an physischer Beschaffenheit gewonnen.

Uebrigens dürfte sich nunmehr bis 1900 wieder eine allmälige Zunahme der Landwehrkontrolstärke ergeben, entsprechend dem höbern Effektiv des Auszuges.

o^

Y. Organisation und Bestand des Bundesheeres.

Im Berichtsjahr sind die Truppengattungen des Bundesheeres um eine neue, nämlich die Radfahrerabtheilungen der Stäbe, vermehrt worden, welche dazu berufen sind, den Staffeten- und Ordonnanzdienst zu besorgen, welcher versuchsweise schon in mehreren Truppenzusammenzügen durch Radfahrer in Civilkleidung versehen worden ist. Es präsentirt sich hier die Frage, ob es nicht von großem Nutzen für die Heeresführung wäre, wenn unserer so kavalleriearmen Armee Luftschifferdetaschemente gegeben werden könnten, welche, wie in andern Armeen, dazu bestimmt würden, durch aufzulassende Ballons captifs die Rekognoszirung des Feindes aus der Höhe zu bewirken und dadurch den Stäben unschätzbare Nachrichten in die Hand zu geben.

Man kann nicht einwenden, daß unser Land viele aussichtsreiche Höhen aufweise, von welchen aus man Einsicht in das vom Feinde okkupirte Gebiet erlangen könne, denn darauf müßte geantwortet werden, daß eben diese Höhen werthvolle Deckungsmittel des Feindes abgeben, hinter die man nur aus der Höhe oder von der Seite sehen kann.

Die Fortschritte der Aeronautik sind so bedeutend, daß es sich der Mühe lohnt, auch diese der Armee dienstbar zu machen, wie dies insbesondere die Franzosen in der letzten Zeit in so hervorragender Weise zu leisten verstanden haben.

VI. Unterricht.

Vorunterricht.

Nach Art. 81 der Militärorganisation haben die Kantone dafür zu sorgen, ,,daß die männliche Jugend vom 10. bis 15. Altersjahr durch einen angemessenen Turnunterricht auf den Militärdienst vorbereitet werde. Der Unterricht wird in der Regel durch die Lehrer

236 ertheilt. Ferner haben die Kantone dafür zu sorgen, daß der zum Militärdienst vorbereitende Turnunterricht a l l e n Jünglingen vom Austritt aus der Schule bis zum 20. Altersjahr ertheilt werde. Für die zwei ältesten Jahrgänge können vom Bunde Schießübungen angeordnet werden.tt Nach dem 1891er Bericht haben nun von 3930 Primarschulen 1123 ungenügende oder gar keine Turnplätze, und 2284 haben gar keine oder nur einen Theil der Turngeräthe.

In 10 Kantonen gibt es noch mehr als 10 °/o aller Primarschulen, die noch gar keinen Turnunterricht haben. Am meisten steht der Turnunterricht noch zurück in den Hochgebirgskantonen, wo derselbe bloß in 30 °/o bis 88 °/o der Schulen ertheilt wird.

Auch in den höhern Volksschulen ist der Turnunterricht noch lange nicht überall in vorgeschriebener Weise eingeführt.

Es ergibt sich also zur Evidenz, daß das Gesetz von 1874 hinsichtlich des Turnunterrichts in den Schulen noch lange nicht in allen Kantonen vollzogen wird, und dürfte eine Mahnung an die rückständigen Kantone von Seite der Bundesbehörden erlassen werden.

Der militärische Vorunterricht III. Stufe, umfassend das 16. bis 20. Altersjahr, befindet sich erst im Stadium des freiwilligen Versuches in 11 Kursorten und haben an den Kursen bis zum Schluß bloß 1672 Schüler Theil genommen. Der Unterricht ist von 90 Offizieren, 120 Unteroffizieren und 20 Lehrern ertheilt worden und scheint bis jetzt vorzugsweise in den Städten und deren Umgebung Boden gefaßt zu haben. -- Das Departement nimmt dessen definitive Einführung in nahe Aussicht.

Unterrichtskurse.

B. Infanterie.

1. Rekrutenschulen.

Es wird den lobenden Ausführungen des Geschäftsberichtes über die im neuen Exerzirreglement für die schweizerische Infanterie enthaltenen Vereinfachungen in.der Lehre der formellen und angewandten Taktik beigestimmt. Noch kein früheres Reglement war in gleich glücklicher Weise veranlagt, um mit den einfachsten Formationen der Truppe den Grefechtszweck rasch und sicher zu erreichen. Noch kein bisheriges Reglement hat so sehr alles entbehrliehe Formenwesen über Bord geworfen, um der Truppe in den kurzen Uebungszeiten, welche unserer Miliz zur Verfügung stehen,

237 die Möglichkeit zu geben, in den Sinn und Geist der modernen Get'echtstaktik einzudringen. Das neue Reglement ist vortrefflich dem Wesen unserer republikanischen Miliz angepaßt und wird sicherlich entsprechende Früchte tragen.

2. Wiederholungskurse.

Die Kommission schließt sich dem Wunsche des Berichtes an, es möchte auch bei den Wiederholungskursen der Infanterie möglich werden, die Cadres vorher zu einem Vorkurse einzuberufen, ähnlich wie dies bei der Landwehr bereits geschieht. Dadurch würde wenigstens ein Theil der Uebelstände beseitigt, welche für die Ausbildung mit den zu kurzen Wiederholungskursen verbunden sind und wäre der Gewinn für die Instruktion die nicht bedeutenden Kosten solcher Cadresvorkurse wohl werth.

Truppenzusamm enzu g.

Die Kommission ist nicht der Ansicht, daß es sich empfehle, die Mannschaft in den Truppenzusammenzügen schon Morgens früh das Fleisch abkochen zu lassen, die Suppe sogleich zu essen und dann in irgend einer Pause den Spatz kalt zu verzehren.

Unsere Truppen sind gewohnt, früh den Kaffee mit oder ohne Milch oder höchstens etwa eine Mehlsuppe zu genießen; eine fette Fleischsuppe ist nicht Jedem zuträglich. Ueberdies gibt es oft keine hinreichenden Pausen, um den Spatz während des Manövers in aller Ruhe zu verspeisen. Besser ist es, man gebe dem Soldaten des Morgens Kaffee und Milch, eine Ration Käse in die Tasche und fülle seine Feldflasche mit Kaffee und etwas Schnaps, dann kann er sich während den Uetmngen hinreichend erfrischen, und dann erhält er doch Abends im Kantonnement ein ordentliches und warmes Mittagsmahl aus frisch gekochtem Fleisch und frischet1 kräftiger Suppe.

Man kürze die Manöver ab und lege die Truppen in engere Kantonnemente oder Bivouaks und näher an's Uebungsfeld, und dann fallen die großen Märsche und die Verspätungen im Eintreffen im Kantonnement von selbst weg. Dann nimmt auch die Verpflegung ihren regelmäßigen guten Gang. Es ist auch im letzten Truppenzusammenzug der Truppe zu viel zugemuthet worden, und zwar ohne zwingende Nothwendigkeit. Möge dies inskünftig vermieden werden.

Es wird im Bericht hervorgehoben, daß sich beinahe alle Truppen gegen Unfall während des Truppenzusammenzuges haben versichern lassen, einzelne allerdings mit Widerstreben, und wird

238

daran die Bemerkung geknüpft, daß der Bund es sich zur Ehrenpflicht machen sollte, diese Versicherung ohne Belastung des Mannes zu übernehmen.

Nun hat der Bund gemäß Gesetz vom Jahr 1874 bereits die Pflicht der Entschädigung der Wehrmänner für Verletzungen oder Krankheiten, die sie sich im Dienste zuziehen, und .die Pflicht der Unterstützung der Angehörigen eines im Dienste umgekommenen Webrmannes, wenn derselbe ganz oder theilweise der Ernährer derselben war. Allein das Maß der gesetzlich festgestellten Entschädigungen ist derart bescheiden uod ist an so mancherlei Requisite und Bedingungen geknüpft, daß die Wehrmänner die Versicherung, die ihnen viel mehr bietet, vorziehen, obschon sie in die eigene Tasche greifen müssen. Die gesetzliche Entschädigung für vorübergehend Beschädigte beträgt nicht mehr als den Betrag der Verpflegungs- und Heilungskosten in einem Spital mit Zuschlag des Soldes, und die Pension der Wittwe eines Verstorbenen mit Kindern beträgt höchstens Fr. 650. Im Ganzen gibt der Bund an Pensionen für Invalide und Hinterlassene Fr. 57,335 aus.

Ihre Kommission wirft die Frage auf, ob es nicht angemessen wäre, das Pensionsgesetz von 1874 zu revidiren im Sinne der Erhöhung der Entschädigungen unter Verwerthung des Prinzips der Versicherung mit angemessener Betheiligung des Bundes und des Wehrmannes.

C. Kavallerie.

Es wird hier der Wunsch ausgedrückt, es möchte bei den für die Berittenmaohung unserer Kavallerie im Ausland stattfindenden Pferdeankäufen neben der Brauch barkeit als Reifpferd auch etwelcherinaßeu die Eignung als Zugpferd in die Waagschale fallen, weil unsere Dragoner und Guiden ihre Pferde nach dem Dienst meist in den leichten Zug verwenden müssen. Zu leichte Pferde eignen sich eben nicht zum Gebrauch für unsere Landwirthe, welche den Großtheil der Kavallerierekruten stellen. Eine Besichtigung der Einkäufe von diesem Frühjahr aus Meklenburg, Hannover und Oldenburg hat der Kommission die Beruhigung gegeben, daß wieder mehr als früher auf diesen doppelten Zweck unserer Kavalleriedienstpferde Rücksicht genommen und unserer Bauernsame ein für den Zug sehr brauchbares Kavalleriepferd zur Hand gestellt wird.

Das im Herbst 1889 errichtete Centralremontendepot hat sich gut bewährt, indem die aus demselben hervorgegangenen Pferde bedeutend erstarkt und so arbeitsgewohnt waren,
daß ihnen die Strapazen der Rekrutenschulen nichts anhaben konnten. Der Bestand des Depots' auf 1. Juni 1892 beträgt 421 Pferde, d. h. ungefähr der volle Bedarf für ein Jahr.

239 D. Artillerie.

Es ist eine stehende Klage und sie kehrt auch im 1891er Bericht wieder, daß die taktische Ausbildung der Artillerieoffiziere zu wünschen übrig lasse und daß infolge dessen das Auftreten der Artillerie im taktischen Verbände mit der Infanterie nicht die Erfolge aufweise, welche sonst erreichbar wären. Es wird dieser Uebelstand der abgesonderten Erziehung unserer Artillerie auf ihren eidgenössischen Schieß- und Uebungsplätzen in Frauenfeld, Thun und Bière zugeschrieben, wo ihnen der Kontakt mit der Infanterie und den dieser zufallenden Gefechtsaufgaben mangelt.

Die Kommission ist ganz dieser Ansicht und hält dafür, daß hier Remedur geschaffen werden müsse und zwar durch vermehrte taktische Uebungen der Artillerie im Verbände mit den übrigen Waffen unter der Oberleitung und Aufsicht der Armeekorps- und Divisionskommandos. Vielleicht empfiehlt es sich, nur je den zweiten Artillerie-Wiederholungskurs als eigentlichen Schießkurs auf den Artillerieplätzen und die andern Wiederholungskurse in Verbindung mit Infanterieregiments- und Brigadekursen und auf den betreffenden Infanterie-Waffenpläfzen abzuhalten. -- Ob diesfalls alle 18 Tage oder nur die Hälfte des Kurses so zu gestalten sei, das wird Sache einer nähern fachmännischen Untersuchung sein. So viel scheint festzustehen, daß mehr Kontakt zwischen der Artillerie und den übrigen Waffen hergestellt werden muß.

Daß sich das Departement mit der Frage der Umwandlung der Auszüger-Parkkolonnen in Feldbatterien und der Ersetzung der erstem durch Landwehrformationen befaßt, wird sehr begrüßt, da wir im Auszug zu wenig Batterien und in der Landwehr überschüssige Kanoniere und Trainmannschaft haben, die sich für den Parkdienst trefflich eignen. Die neu gewonnenen Batterien wären eine sehr willkommene Verstärkung der Korps-Artillerie, die in unserer Armee bloß halb so viel Geschütze zählt als bei unsern Nachbarn.

6. Landwehrwiederholungskurse.

Auf Seite 739 des Gesamrntberichtes findet sich der Passus: ,,Alle Berichte erklären, daß mit einer verlängerten Dienstzeit oder in kürzerer Zeit wiederkehrenden Wiederholungskursen die Landwehr erheblieh an Brauchbarkeit und Feldtüchtigkeit zunehmen würde. Diesen Beweis haben auch die zu den Manövern der VI.

und VII. Division zugezogenen Landwehrregimenter Nr. 3 und 29 erbracht, die in allen Verhältnissen des Gefechtes gleich wie der Auszug verwendet worden sind, ihren Dienst gut geleistet und große Marschleistungen aufzuweisen haben."

240

Ueber die Genie-Landwehr wird gesagt, daß sie dem Auszug; völlig ebenbürtig sein würde, wenn sie alle 4 Jahre gleich lange "Wiederholungskurse durchmachen könnte wie der Auszug.

Ihre Kommission stimmt diesen Ausführungen ebenfalls bei und zieht daraus den Schluß, daß entweder etwas verlängerte Wiederholungskurse alle 4 Jahre oder kurze Wiederholungskurse alle 2 Jahre sehr wünschenswerth wären.

Zur Zeit ist man ganz verschiedener Ansicht darüber, wie die Landwehr im Kriegsfall verwendet werden solle, daß sie aber verwendet werden wird, darüber kann kein Zweifel bestehen.

Die Landwehrinfanterie soll nach den Einen mit ihren jdngern Jahrgängen in den Auszug eingereiht werden, um die Bataillone desselben auf 1000 Mann zu bringen, und der Rest, aus den altern Jahrgängen bestehend, würde Depot- und Ersatztruppen abgeben.

Andere wollen aus der Hälfte der Landwehrbrigaden dritte Infanterie-Brigaden per Division oder dritte Infanterie-Divisionen per Armeekorps bilden und aus der andern Hälfte Besatzungstruppen für die Lokalvertheidigung formiren in Verbindung mit LandwehrSpezialwaffen und mit Positions-Artillerie.

Alle aber sind darin einig, daß der jetzige Zustand ein unhaltbarer sei, und daß dieser Faktor der Landesverteidigung, in welchem so viel vortreffliches Material steckt, besser unterrichtet und besser organisirt werden sollte. Die Landwehrleute selber, die in ihren alku kurzen Kursen meist fruchtlos abgemüdet und abgehetzt werden und doch nicht dazu kommen, alles das sich wieder anzueignen, was Truppe und Führer besitzen sollten, sprechen den Wunsch nach besserer Instruktion unverhohlen aus. Auch ist der Bestand der Bataillone ein sehr ungleicher und meist zu schwacher und lassen die Cadres sehr viel zu wünschen übrig.

Es führt uns dies zu der Anregung, der h. Bundesrath möchte eine Vorlage über bessere Ausbildung und Organisation der Landwehr als zweitwichtigster Faktor der Landesverteidigung einbringen, dabei aber den bereits bestehenden bedeutenden Lasten der arbeitenden Bevölkerungsklassen angemessen Rücksicht schenken.

YIII. Kommissariatswesen.

a. Verpflegung.

Fouragevorräthe.

« In den verschiedenen Magazinen der Eidgenossenschaft waren ani 31. Dezember 1891 vorhanden 4,189,849 Kilogramm Hafer, d. h. 800,000 Pferderationen.

241

Unsere Armee braucht rund 20,000 Pferde zu ihrer Mobilisirung. Es sind daher die Hafervorräthe für circa 40 Tage ausreichend. Es ist dieß sicherlich nicht zu viel, indessen immerhin doch beruhigend, und ist wohl anzunehmen, daß vor Unifluß dieser Zeit neue Vorräthe herbeigeschafft werden können.

Fleisch- und Suppenkonserven.

Es wird mit Befriedigung konstatirt, daß sich die eidgenössische Verwaltung vorzugsweise mit schweizerischen Fleischkonserven (Rorschacher und Berner) versehen hat, deren Haltbarkeit, sowie Schmackhaftigkeit gerühmt und weit über diejenige der amerikanischen Konserven gestellt wird.

Auf 31. Dezember 1891 waren aber bloß vorhanden 952,261 Rationen oder 5 Rationen per Mann der schweizerischen Armee.

Wenn daher das Departement den Vorrath erhöhen will, so ist das nur zu begrüßen, und sollte derselbe nie unter 2 Millionen Rationen sinken.

Einen großen Uebelstand erblickt die Kommission in dem Verhältniß, daß die beste und leistungsfähigste Konservenfabrik der Schweiz in Rorschach ganz an der Landesgrenze gelegen ist. Dadurch ist der Betrieb in Kriegszeiten in Frage gestellt und die Verbindung der Fabrik mit der Operationsarmee unter allen Umständen sehr schwierig. Es wird wohl eines Tages die Frage der Errichtung einer eidgenössischen Konservenfabrik an sicherer Stelle (an der Gotthardbahn) in den Vordergrund treten.

Eine ähnliche Frage, welche das Departement bereits beschäftigt hat, betrifft die Anlage eines großen Silospeichers in der Centralschweiz behufs Konservirung der Getreidevorräthe, welche für den Kriegsfall angeschafft werden müssen. Freilich müßte dann auch gleichzeitig für die Anlage der nöthigen Mühlengewerbe gesorgt werden. Möglicherweise tritt hier indessen die Privatindustrie ein.

Beide Fragen, sowie überhaupt alle, die sich um die Verpflegung und Verproviantiruug unseres Landes im Kriegsfall beschlagen, werden dem h. Bundesrath zur eingehenden Prüfung bestens empfohlen .

c. Pferdestellung der Artillerie.

Seit einiger Zeit schon wird die gegenwärtige Art der Pferdebeschaffung für die Artilleriekurse auf dem Wege der Lieferungsverträge angefochten, weil dadurch nur eine kleine Anzahl geschulter Pferde herangezogen wird, die in fast allen Kursen den Dienst besorgen, währenddem die einheimischen Pferdebesitzer und besonders

242 die Landwirthe, welche doch für den Kriegsfall die Artilleriepferde zu 9/io zu stellen haben, nicht dazu kommen, ihre Pferde für längere Zeit in den Dienst zu geben und ihnen eine gewisse militärische Schulung geben zu lassen, die sicherlich im Ernstfälle treffliche Früchte tragen würde. Es sind diesbezüglich Reklamationen aus der Ostschweiz und aus der welschen Schweiz eingegangen.

Zur Zeit hat sich nun aber dieses System der Pferdebeschaffung durch Lieferanten so eingelebt, daß es schwierig ist, wieder zu der altern Art der Einmiethung von Landpferden überzugehen, wie die Erfahrungen des Berichtsjahres gezeigt haben. Ob sich der Ankauf der Dienstpferde im Frühjahr und der Wiederverkauf derselben im Herbst empfehlen, oder ob die frühere Art der Miethung von Landpferden sich als das Beste empfehlen wird, muß eine Untersuchung lehren.

Am ehesten scheint Ihrer Kommission dieser Weg der Einmiethung direkt vom Pferdehalter stattfinden zu könuen in den Wiederholungskursen der Batterien. Diese werden in den Kantonshauptorten mobilisirt und bespannt, und ist da der Pferdehalter viel leichter zur Stellung seines Pferdes zu veranlassen.

Inwiefern die beiden Pferdestellungsarten noch mit einander zu kombiniren sind und inwiefern hierbei die Regie und ihr Pferdebestand betrofi'en werden wird, muß eine nähere Prüfung durch Fachleute lehren.

Größere Berücksichtigung des bäuerlichen Pferdestandes bei der Artilleriepferdestellung ist sicherlich wünschenswerth.

X. Kriegsmaterial.

1. Persönliche Ausrüstung.

Eine größere Zahl von Offizieren ist noch nicht im Besitz von denjenigen Ausrüstungsgegenständen, die fakultativ sind, nämlich von Revolver und Feldstecher, und eine Anzahl Offiziere besitzt immer noch Revolver großen Kalibers (10,5 mm.). Es wird begrüßt, daß die eidgenössische Militärverwaltung es inskünftig ermöglichen will, diese Ausrüstungsgegenstände auch in den größern kantonalen Zeughäusern zu beziehen.

Bekleidung und Ausrüstung.

Es scheint, daß die für die Lieferung der eidg. Militärtücher vorgeschriebenen Farben, die, wie z. B. Carmoisinroth, niuht besonders haltbar sind, längst durch die Technik überholt und durch

243 haltbarere Farben im Privatgeschäft verdrängt worden sind. Es dürfte sich empfehlen, die bezüglichen Lieferungsvorschriften zu revidiren.

Gemäß Verordnung vom 2. Februar 1883 erhalten nur die Wachtmeister, Fouriere und Feldweibel der Infanterie nach 110 Diensttagen einen neuen Waffenrock und ein Paar neue Beinkleider auf Rechnung des Bundes. Warum dies für die Korporale der Infanterie nicht auch geschehen soll, ist nicht abzusehen, da doch diese ebenso intensiv wie jene bei der Instruktion mitwirken müssen und «in properes Kleid auch diesen als Vorgesetzten der Soldaten gebührt. Die Kommission spricht den Wunsch aus, daß die Korporale ·der Infanterie diesbezüglich gleich den Wachtmeistern der Infanterie und den Korporalen der berittenen Truppen gehalten werden möchten.

2. Korpsausrlistung und Material der Truppenverbände.

K a v a l l e r i e . Der Bericht hebt hervor, da(J jeder Schwadron ein Quantum Explosivstoffe zugetheilt sei, welches besonders verpackt auf der Feldschmiede nachgeführt werde. Diese Anordnung ist sehr gut, allein es werden bestimmte Mannschaften mit der Handhabung dieser Explosivstoffe bei Sprengungen vertraut gemacht werden müssen. In ausländischen Armeen gibt es per Kavallerie-Regiment einen sogenannten Pionnierzug, dem die Sprengungen übertragen sind und der dafür ausgebildet ist. Eine analoge Einrichtung wird auch bei uns zu treffen sein.

A r t i 11-e r i e. Die Anbringung von Rücklaufbremsen bei dea Laffeten der 8,4 cm. Feldgeschütze, welche für 1892 vorbereitet ist, sowie die Ausrüstung der Protzen und Caissous mit neuen zweckmäßiger eingerichteten Munitionskasten werden als ein längst gefühltes Bedürfnis begrüßt.

3. Infanteriegewehre und Munition.

Bekanntlich reichte das Brgebniß der Fabrikation an neuen 7,5 mm. Gewehren knapp aus, um die III. und V. Division damit zu bewaffnen. In den Rekruteuschulen mußte noch das Vetterligewehr ausgetheilt werden. -- Im Ganzen sind 18,756 neue Gewehre zur Abgabe gelangt.

Mit der Fabrikation von Sehwarzpulver-Munition wurde aufgehört, dagegen aber die Fabrikation von rauchschwacher Vetterlimunition so energisch betrieben, daß der Bestand derselben auf 45 Millionen Patronen gebracht werden kann bis Ende J892.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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Die Fabrikation der neuen kleinkalibrigen rauchschwachen Munitien hat mit der Fertigstellung von neuen Gewehren Schritt gehalten, so daß die vorgeschriebene Kontingentsmunition von 200 Stück per Gewehr zur Verfügung stand (3,6 Millionen).

Die Fabrikation dieses Weißpulvers findet ausschließlich in Worblaufen statt und die nöthige Schießbaumwolle wird nunmehr dort direkt hergestellt. Auch das übrige Fabrikationsmaterial ist inländischen Ursprungs.

In Betreff der quantitativen Leistungsfähigkeit übertrifft die Fabrik den ordentlichen Bedarf, und seit der Einführung der elektrischen Beleuchtung ist überdies die Möglichkeit geboten, die Produktion durch Verlängerung der Arbeitszeit auf ungefähr den doppelten Betrag des Normalbedarfes zu erhöhen.

Auf einer Besichtigung der Pulverfabrikanlagen in Worblaufen hat sich Ihre Kommission die Ueberzeugung verschafft, daß in der That die Produktion von Weißpulver für Infanterie und Artillerie anstandslos fortschreitet. Es soll vom 1. Juli ab per Tag das Pulver für 200,000 Patronen fabrizirt werden können. Die Kommission zollt den beiden Technikern, welche dieses neue Pulver erfunden und die Fabrikation eingerichtet haben, ihre volle Anerkennung, ebenso wie sie den Erfindern und Herstellern des neuen trefflichen Gewehres den Dank ausspricht.

XIV. Landesbefestignng.

Die Befestigung des Gotthardstockes und die Anlage eines verschanzten Lagerraumes im Urserenthal, dessen strategischen Werth die Kommission voll und ganz anerkennt, erfordert Summen, welche weit über das hinausgehen, was bei der ursprünglichen Vorlage in Aussicht genommen war. Die treffliche Anlage und Ausführung der Werke und die Stärkung, welche damit die Südfront erhalten hat, entschädigen das Land für die schweren Opfer, die es bringt.

Immerhin spricht die Kommission den Wunsch aus, es möchte nunmehr mit der größten Oekonomie und Zurückhaltung unserer Finanzkräfte in Befestigungssachen verfahren werden, und zwar sowohl bei den Vollendungsarbeiten am Gotthard als wie bei den noch in Aussicht genommenen Bauten von St. Moritz und Luziensteig. Schlimmer als die Nichtsperrung eines auch wichtigen Alpenthores erachtet Ihre Kommission die ökonomische Schwächung des Bundes und die dadurch bedingte Lähmung und Schädigung unserer ganzen Verteidigungskraft.

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B, Geschäftsführung des Bundesgerichts, Im Berichtsjahre starb Herr Bundesrichter A. Kopp, welcher seit 1879 Mitglied und in den Jahren 1887 und 1888 Präsident des Bundesgerichtes war. Wir wollen nicht unterlassen an, dieser Stelle die großen Verdienste des Verstorbenen anerkennend hervorzuheben.

Die Geschäfte des Bundesgerichtes sind in stetem Zunehmen begriffen. Die Zahl der im Berichtsjahre anhängigen Fälle beläuft sich auf 629, gegen 563 im Vorjahre. Davon entfallen 407 auf Civilstreitigkeiten, 217 auf staatsrechtliche Fälle, 4 beschlagen das Strafrecht und l die freiwillige Gerichtsbarkeit. Unter den Civilfällen sind 235 Expropriationen und 23 Haftpflichtfälle. Die staatsrechtlichen Streitigkeiten sind der Mehrzahl nach Beschwerden wegen angeblicher Verletzung der Art. 2 und 4 der Bundesverfassung. Diese Rekurse vertheilen sich sehr ungleich auf die verschiedenen Kantone. Während Zürich nur 10, Waadt und Bern nur je 13 aufweisen, nahen Aargau 32, Luzern 30 und Freiburg 21.

Die wichtigste Geschäftgvermehrung verursachen die weitergezogenen Civilrechtsstreitigkeiten ; im Jahre 1881 kamen 37, im Jahre 1891 dagegen 122 solcher Fälle an's Bundesgericht. Diese Weiterziehungen nehmen die Arbeitskraft und die Zeit der Mitglieder des Bundesgerichts namentlich in Anspruch, so daß zur Zeit nach allgemeinem Urtheil das ordentliche Maß der Geschäftslast überschritten ist.

Die an die Hand genommene Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 bezweckt, dieser Ueberlastung des Bundesgerichtes abzuhelfen und an der Hand der seit 1875 gemachten Erfahrungen die übrigen noch nothwendig scheinenden Aenderungen einzuführen.

Am Vorabende dieser Revision kann Ihre Kommission es unterlassen, weitere Bemerkungen anzubringen.

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G. Antrag der Kommission Dem Geschäftsberichte des Bundesrathes und des Bundesgerichtes vom Jahre 1891 wird die Genehmigung ertheilt.

Postulat.

Der B u n d e s r a t h ist e i n g e l a d e n , die Frage zu prüfen und d a r ü b e r Bericht zu erstatten, ob es nicht im a l l g e m e i n e n I n t e r e s s e läge, die A n g e s t e l l t e n der Z o l l b ü r e a u x von der a k t i v e n W e h r p f l i c h t zu entheben.

B e r n , den 13. Mai 1892.

Die Mitglieder der Kommission: Lachenal, Präsident.

Bähler.

Benziger.

Eschmann.

Hammer.

Heller.

Koch.

Martin.

Paillard.

Riniker.

Staub.

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Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichts während des Jahres 1891 (Vom 13 Mai 1892.

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01.06.1892

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