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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Kantonsregierungen über den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1917 betreffend die Strafbarkeit der fahrlässigen' Widcrhandlungen gegen die Kriegsverordüungen des ßundesrates und seiner Departemente.

(Vom 26. Dezember 1917.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Der Kassationshof des schweizerischen Bundesgerichts hat in den Fallen Staatsanwaltschaft Basel-Stadt contra Hasler vom 14. September 1917 (_Pnuas des Bundesgerichts VI, Nr. 178) und Bundesanwaltschaft contra Böhi vom 30. Oktober 1917 grundsätzlich entschieden, dass, wenn in einem Spezialstrafgesetz des Bundes ausdrücklich auf die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 verwiesen sei, diese Bestimmungen für die Straftatbestände des betreffenden Erlasses ohne weiteres massgebend seien, dass demnach die Strafandrohungen des Spezialgesetzes mangels einer abweichenden Sondervorschrift gemäss Art. 11 und 12 des Bundesstrafrechts rechtswidrigen Vorsatz des Täters voraussetzen. Nach dieser Rechtssprechung des Bundesgerichts ist somit die fahrlässige Begehung der Widerhandlungen gegen die genannten Kriegsverordnungen nur strafbar, wenn sie ausdrücklich unter Strafe gestellt ist. Die Kriegsverordnungen, die den Hinweis auf den allgemeinen Teil des Bundesstrafrechts aufgenommen haben, enthalten keine ausdrückliche Strafandrohung für die fahrlässige Begehung der Widerhandlungen. Der Bundesrat ging von der Auffassung aus, dass für die Strafbarkeit der Übertretungen der Kriegsverordnungen die blosse Fahrlässigkeit genüge, wenn überhaupt ein Verschulden notwendig sei. Wahrend der Kassationshof in seinem Entscheide vom 8. Mai 1917 i. S.

Bundesanwaltschaft contra Joss wegen Übertretung der Mahlvorschriften (B. G. E. 43, I 125) die Ansicht vertrat, dass zwar ein Verschulden nötig sei, dagegen blosse Fahrlässigkeit genüge, gelangte der Gerichtshof in den eingangs erwähnten Urteilen zur Auffassung, dass die fahrlässige Begehung nur bei einer ausdrücklichen Strafandrohung bestraft werden könne.

1013 Nachdem der Kassationshof des Bundesgerichts die Auffassung des Bundesrates, dass die Strafbarkeit der fahrlässigen Widerhandlunge a gegen die erwähnten Verordnungen, Beschlüsse und Verfügungen schon in der gegenwärtigen Fassung dieser Erlasse enthalten sei, abgelehnt hat, musa der Gesetzgeber in a u t h e n t i s c h e r I n t e r p r e t a t i o n der in Frage kommenden Kriegsverordnungen feststellen, dass den von ihm gewählten Gesetzesworten die Bedeutung zukomme, dass sowohl die vorsätzlichen, als auch die fahrlässigen Widerhandlungen nach den angedrohten Strafen bestraft werden sollen. Die Auslegung eines Rechtssatzes durch Gesetz wirkt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ohne weiteres auf die bereits begangenen Widerhandlungen zurück, so dass dem vorliegenden Beschlüsse nicht noch ausdrücklich rückwirkende Kraft beigelegt werden mues.

Ausgenommen ist selbstverständlich die Bestrafung der fahrlässigen Widerhandlung in den Fällen, wo eine fahrlässige Widerhandlung nach der Natur der Übertretung ausgeschlossen ist.

Die Rechtsspreohung wird zu entscheiden haben, welche Übertretungen ihrer Natur nach bloss vorsätzlich begangen werden können.

Wir ersuchen Sie, dafür zu sorgen, dass der neue Bundesratsbeschluss baldmöglichst zur Kenntnis sämtlicher Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte Ihres Kantons gelangt. Wir sind gerne bereit, Ihnen weitere Abzüge dieses Kreisschreibens und des Bundesratsbeschlusses zur Verfügung zu stellen, wenn Sie die Anzahl der gewünschten Exemplare binnen 14 Tagen dem Drucksachenbureau der Bundeskanzlei mitteilen.

Wir benutzen auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe.Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 26. Dezember 1917.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft: Scliatzniano.

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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen über den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1917 betreffend die Strafbarkeit der fahrlässigen Widerhandlungen gegen die Kriegsverordnungen des Bundesrates und seiner Departemente. (Vom 26. De...

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29.12.1917

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1012-1013

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