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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Rekursbegehren der Gemeinde Herrliberg betreffend die Stationsanlage Herrliberg.

(Vom 15. Juni 1892

Tit.

Die Gemeinde Herrliberg gelangt mit dem Gesuch an die Bundesversammlung, es sei die S t a t i o n g l e i c h e n N a m e n s a n d e r r e c h t s u f r i g e n Zürichseebahn i n A u f h e b u n g d e s E n t s c h e i d e s d e s Eisenbahndepartements u n d des Bundesrathes nach dem Projekt des Herrn Ingenieur Unmutig und nicht nach dem Projekt der N o r d o s t b a h n zu erstellen.

Wir beehren uns, Ihnen hierüber unsern Bericht und Antrag zu unterbreiten.

Das allgemeine Bauprojekt (Situationspläne und Längenprofile) für die Sektion Riesbach-Meilen, km. 8,040--20,900 der rechtsufrigen Zürichseebahn, umfassend das Gebiet der fünf Gemeinden Zollikon, Küsnacht, Erlenbach, Herrliberg und Meilen, wurde seitens der Direktion der Nordostbahn unterm 18. Juli 1890 zur Genehmigung vorgelegt.

Auf dieser Strecke sind fünf Stationen vorgesehen, nämlich Zollikon, Küsnacht, Erlenbach, Herrliberg und Meilen.

Die Station Herrliberg ist nicht innerhalb des Gebiets dieser Gemeinde, sondern etwas südlich der Grenze im Gemeindebann Meilen projektirt.

901 Gegen diese Anlage hat deßhalb die Gemeinde Herrliberg anläßlich ihrer Vernehmlassung über das Bauprojekt protestirt und verlangt, daß die Station auf dem Territorium ihrer Gemeinde selbst placirt werde.

Sie stützt sich dabei zunächst auf den Wortlaut des Vertrages zwischen der Nordostbahngesellschaft und dem Komite für Begründung einer rechtsufrigen Zürichseebahn (5. Juni 1873), wonach in jeder Gemeinde eine Station zu erstellen ist. Für den Fall, daß die Station an der von der Nordostbahn vorgesehenen Stelle verbleiben sollte, verlangte die Petentin eine Parallelstraße von der Burggasse aus bei der Kirche, bergwärts der Bahn, bis zur Station, und zwar auf Kosten der Bahngesellschaft.

Die Regierung von Zürich sprach sich in ihrer Vernehmlassung vom 17. Oktober 1890 dahin aus, daß die von der Bahnverwaltung projektirte Lage als geographisch richtig gewählt erscheine, sofern zweckmäßige Stationszufahrten erstellt würden,' indem diese Station o bei der eigentümlichen Gestalt der Gemeinde Herrliberg für einen großen Theil derselben gar nicht ungünstig gelegen sei und es sich durchaus rechtfertige, daß in der Nähe der bedeutenden Ortschaft F e l d m e i l e n eine Station erstellt, überhaupt auf die sehr lang gestreckte Gemeinde Meilen in dieser Beziehung möglichst Rücksicht genommen werde.

Zu Gunsten des Projekts der Nordostbahn verwendete sich auch die Ortschaft Feldmeilen.

Nach Untersuchung der Angelegenheit durch die Organe des Eisenbahndepartements, und nachdem mehrere Augenscheine nebst konferenziellen Verhandlungen stattgefunden, genehmigten wir auf den Antrag des Departements unterm 3. Februar 1891 das Eingangs erwähnte Bauprojekt der Nordostbahn, und zwar in Betreff der Station Herrliberg mit folgender Bestimmung: ,,6. Die Station Heri-liberg soll zirka 200 m. dem Dorfe näher gerückt werden, und ist der Niveauübergang der Bünistraße bei km. 16,i7 durch eine Unterführung etwa bei km. 16,io zu ersetzen.

Ueber diese Projektänderung ist ein Plan zur Genehmigung vorzulegen. Betreffend die Zufahrtstraße von Herrliberg her, in Verbindung mit einer Verlegung der Burggasse auf die Bergseite der Bahn, ist eine besondere Vorlage zu machen und das Resultat der weitern hierauf bezüglichen Verhandlungen mit den Interessirten dem Eisenbahndepartement zur Kenntniß zu bringen, worauf erst ein Entscheid
über die Gestaltung der Stationszufahrt erfolgen wird. tt Mit obigem Beschluß glaubte die Gemeinde Herrliberg sieh nicht zufrieden geben zu können. Unter'm 18. Februar 1891 wurde

902 von 231 Einwohnern dieser Gemeinde das Gesuch um Wiedererwägung desselben gestellt, und zwar in dem Sinne, daß die Nordostbahn verhalten werde, die fragliche Station innert den Grenzen der Gemeinde Herrliberg im sogen. ,,Steinrada zu erstellen.

Ein ähnlich lautendes Gesuch wurde unter'm 5. März auch von der Gemeindeversammlung Herrliberg eingereicht und mit Eingabe vom 23. gleichen Monats ergänzt.

Zur Begründung ihres Revisionsgesuchs machen die Petenten -- außer der Berufung auf den oben erwähnten Vertrag -- namentlich geltend, daß eine Station nach dem bundesräthlichen Genehmigungsbeschlusse den Interessen des größern Theils der Bewohner von Herrliberg nicht gerecht werde.

Dagegen wurde vom Gemeinderath Meilen mit Eingabe vom 31. März 1891 unter Mittheilung und im Sinne eines bezüglichen Beschlusses des Komite für Begründung der rechtsufrigen Zürichseebahn verlangt, daß der Bundesrath an seinem Beschlüsse vom 3. Februar als der einzig richtigen Lösung der Frage festhalte, indem die damit fixirte Lage der Station sowohl den Interessen der Ortschaft Feldmeilen, als auch den Anforderungen der Gemeinde Herrliberg, soweit dieselben als gerechtfertigt gelten können, Rechnung trage.

Beide Parteien suchten ihre Interessen auch durch persönliche Abordnungen nach Bern zu fördern.

Die Regierung von Zürich, welche sich mit Schreiben vom 22. April 1891 über das Revisionsgesueh vernehmen ließ, konstatirte zunächst, daß die Eingaben der Petenten keinerlei Argumente enthalten, welche von ihr nicht schon bei ihrer frühem Kundgebung über die Stationslage gewürdigt worden seien; sie sehe sich daher nicht veranlaßt, auf ihre Vernehmlassung vom 17. Oktober 1890 zurückzukommen, wonach die gewählte Stationslage auf dem Territorium von Meilen bei Erstellung zweckentsprechender Zufahrten sich zur Ausführung empfiehlt, indem durch die Erstellung der Station unmittelbar oberhalb der Grenze Herrliberg-Meilen nicht nur den Interessen von Feldmeilen, sondern auch denen von Herrliberg besser gedient sei, als durch irgend welche von letzterer Gemeinde befürwortete Projekte. D.abei wünscht jedoch die Regierung, daß die Nordostbahn kurzweg angehalten werde, die Zufahrt von der Kirche her in Verbindung mit einer Verlegung der Burggasse bergwärts der Bahn auf ihre Kosten zu erstellen, resp. ein bezügliches Projekt zur Genehmigung einzureichen.

Gegen diese Zumuthungen verwahrte sich die Direktion der Nordostbahn mit Schreiben vom 15. Mai 1891, indem sie erklärte,

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daß die Verlegung, bezw. Korrektion der Burggasse mit dem Bahnbau nichts zu thun habe und deshalb nicht diesem zur Last fallen könne.

Da seit dem angefochtenen Beschluß vom 3. Februar 1891 Aenderungen in der Sachlage nicht eingetreten waren, so beschlossen wir am 21. Juli 1891 nach nochmaliger einläßlicher Prüfung der Angelegenheit durch das Eisenbahndepartement, den beiden Petitionen von Herrliberg um Modifikation jenes Beschlusses keine Folge zu geben.

Gleichzeitig wurde auch gegenüber dem Antrag der Regierung von Zürich auf Ausführung der Zufahrtstraße zur Station von Herrliberg her in Verbindung mit der Verlegung der Burggasse durch die Nordostbahn, resp. auf deren Kosten, am ursprünglichen Beschlüsse festgehalten, d. h. verlangt, daß die Interessenten hierüber zunächst in Verhandlungen zu treten haben.

Diese Verhandlungen scheiterten aber an der Weigerung der Gemeinde, auf diese Frage überhaupt einzutreten, und an dem Begehren, neuerdings auf die Erstellung der Station im Gebiet der Gemeinde Herrliberg zurückzukommen.

Die Bahndirektion legte daher mit Schreiben vom 9. November 1891 den Spezialplan für die Station Herrliberg mit Anschluß der Zufnhrtstraße zu derselben an die bestehende Dorfstraße (Bünistraße, bezw. Burggasse) zur Genehmigung vor.

Lediglich um den Weisungen des Bundesrathsbeschlusses vom 3. Februar 1891 Folge zu geben, fügte die Direktion eine Variante bei, welche die Verlegung nebst Korrektion der Burggasse auf die Bergseite der Bahn vorsieht, wobei sie jedoch verlangt, daß, falls wider Erwarten auf dieses Projekt eingetreten werde, dies nur unter der Bedingung geschehe, daß die bezüglichen Mehrkosten von der Gemeinde Herrliberg oder vom Staate Zürich getragen werden.

Die Regierung von Zürich äußerte sich mit Schreiben vom 18. Februar 1892 über diese Planvorlage dahin, daß sie sich in Bezug auf die Lage der Station, welche in beiden 'Projekten die nämliche ist und den Genehmigungsbedingungen vom 3. Februar 1891 entspricht, zu Einwendungen nicht veranlaßt sehe. In Bezug auf die Zufahrtstraße wiederholt jedoch die Regierung ihren Antrag auf Verlegung der Burggasse auf alleinige Kosten der Nordostbahn.

Auch die Schulgemeinde Feldmeilen sprach sich mit Eingabe vom 10. Februar zu Gunsten des Projekts der Nordostbahn als der einzigen die Verkehrsbedürfnisse dieses bedeutenden Theils der Gemeinde Meilen befriedigenden Lösung aus ; ebenso eine Kollektiv-

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Eingabe der Gemeinden Stäfa, Männedorf, Hombrechtikon, Uetikon, Meilen, Küsnacht und Zollikon, welche das dringende Gesuch stellten, es möchte, namentlich um eine Verzögerung des Bahnbaues zu vermeiden, von einer Revision der Bundesrathbeschlüsse vom 3. Februar und 21. Juli 1891 abgesehen werden.

Dagegen beharrte der Gemeinderath Herrliberg auch jetzt auf seiner Einsprache gegen jede außerhalb des Gebiets dieser Gemeinde placirte Station Herrliberg und auf der Forderung, daß die streitige Station an der von ihr gewünschten Stelle, d. h. auf dem Plateau nördlich der Dorfkirche, oder eventuell in der sogen. Schipfe (km. 14,s) angelegt werde.

Für diese beiden Lösungen legte der Gemeinderath besondere, in dessen Auftrag durch Herrn Ingenieur Unmuth ausgearbeitete Gegenprojekte vor und stellte für den Fall der Gutheißung des Projekts für eine Station bei der Pfarrkirche eine beträchtliche Betheiligung der Gemeinde an den bezüglichen Baukosten in Aussicht.

Nach sorgfältiger Prüfung der Gemeindevorlagen glaubte das Eisenbahndepartement ein Zurückkommen auf den hierseitigen am 21. Juli 1891 bestätigten Beschluß vom 3. Februar 1891 nicht beantragen zu können und gab dem Gemeinderath Herrliberg mit motivirendem Schreiben vom 12. Februar 1892 hievon Kenntniß.

Gegen diesen Bescheid des Departements wurde vom Gemeinderath mit Eingabe vom 23. gleichen Monats an den Bundesrath rekurrirt.

Im Hinblick auf die bisherigen Verhandlungen in dieser Angelegenheit lind namentlich auf die Stellung der Regierung von Zürich zu derselben beschlossen wir am 18. März 1892, auf die Eingabe von Herrliberg nicht einzutreten, und in Bezug auf die Zufahrtstraße : ,,Pur die weitern Verhandlungen zwischen der Nordostbahn und der Gemeinde Herrliberg, bezw. der Regierung von Zürich, betreffend die Kostenbetheiligung an der eventuellen Erstellung der Stationszufahrtstraße, in Verbindung mit einer Verlegung der Burggasse, wird eine Frist von drei Wochen, von heute an gerechnet, eingeräumt.

,,Sollte innert dieses Termins keine Verständigung über die Tracé- und Bauverhältnisse dieser Straßenverlegung und die Bestreitung der Kosten derselben erfolgen, so wird das Eisenbahndepartement ermächtigt, die Frage der Zufahrtstraße nach seinem Ermessen zu erledigen."

Laut den uns seither zugekommenen Mittheilungen konnte innert der festgesetzten Frist eine Verständigung in Sachen nicht erzielt

905 werden. Angesichts dieser Sachlage bestätigen sowohl die Kantonsregierung als auch die Direktion der Nordostbahn ihren bisher eingenommenen Standpunkt und ihre bezüglichen Erklärungen.

Dagegen gelangt nun die Gemeinde Herrliberg mit dem Eingangs erwähnten und mit Zuschrift vom 21. Mai 1892 ergänzten Rekursbegehren an die Bundesversammlung.

So weit die bisherigen Verhandlungen in Sachen der Stationsanlage Herrliberg.

Bei denselben fielen in Betracht die Absätze l und 2 des Art. 14 des Gesetzes vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, welche lauten : ,,Der Bauplan ist dem Bundesrathe in seiner Gesammtheit, sowie in den Einzelnheiten zur Genehmigung vorzulegen. Dieselbe ist namentlich erforderlich für das Bahntrace, die Stationen sammt deren Einrichtung, sowie für sämmtliche größere Bauobjekte, einschließlich der wichtigern Hochbauten.

,,Die Gesellschaft soll jeweilen vor Beginn der Bauarbeiten die nöthigen Planvorlagen machen. Nachherige Abweichungen von diesen Plänen sind nur nach neuerdings eingeholter Genehmigung gestattet. Der Bundesrath wird den betreffenden Kantonsregierungen und durch deren Vermittlung auch den Lokalbehörden Gelegenheit geben, bezüglich des Tracé, der Gestaltung der Wegübergänge, der Lage der Stationen und der Verbindungsstraßen u. s. w. ihre In- ' teressen geltend zu machen. Der Bundesrath wird dabei seinerseits die militärischen Interessen gebührend wahren."

Es wäre nun zunächst die Frage zu erörtern, ob im Hinblick auf die Bestimmung, wonach den Lokalbehörden Gelegenheit gegeben wird, d u r c h V e r m i t t l u n g d e r b e t r e f f e n d e n K a n t o n s r e g i e r u n g ihre Interessen geltend zu machen, die Gemeinde Herrliberg zu dem Rekursbegehren berechtigt ist, oder ob dasselbe nicht vielmehr von der Regierung von Zürich hätte gestellt, bezw. von ihr wenigstens unterstützt werden sollen.

Wir wollen indessen hierauf ein besonderes Gewicht nicht legen, sondern übergehen zur Begründung unserer Ansicht, daß ein Rekurs an die Bundesversammlung gegen Entscheide des Bundesrathes, die auf Grund der oben zitirten Gesetzesbestimmungen getroffen werden, überhaupt nicht zulässig ist, indem die Kompetenz zur Genehmigung der Baupläne bezw. zu einem Entscheid, wie er von Herrliberg angefochten
wird, ausschließlich dem Bundesrathe zusteht.

Wir verweisen hiefür auf den Art. 14 des Gesetzes, in welchem mit Bezug auf die in Absatz 3 vorgesehenen Verfügungen des

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Bundesrathes die Weiterziehung an die Bundesversammlung ausdrücklich vorgesehen ist, während von einer solchen in den oben angeführten Lemmatas l und 2 nicht die Rede ist.

In Art. 39 des Gesetzes sind unter den Kompetenzen, welche von der Bundesversammlung ausgeübt werden, auch die in Art. 14, Absatz 3, bezeichneten aufgeführt. Bezüglich aller andern Punkte wird auf die betreffenden Artikel verwiesen.

Nachdem nun in den ersten zwei Lemmatas des Art. 14 bestimmt ist, daß der Bauplan dem Bundesrath zur Genehmigung vorzulegen ist, und, wie schon gesagt, von einer Weiterziehung an die Bundesversammlung nicht gesprochen wird, erachten wir damit und nach bisheriger Praxis, welche gegentheilige Anschauungen nicht aufweist, die Kompetenz des Bundesrathes in vorliegender Angelegenheit als zweifellos.

Wir b e a n t r a g e n d e m n a c h , es sei auf die Beschwerde der G e m e i n d e H e r r l i b e r g -- hier eingel a n g t am 26. A p r i l 1892 -- n i c h t e i n z u t r e t e n .

Sollten Sie indessen zur materiellen Behandlung der Angelegenheit schreiten wollen, so würden wir Ihnen -- soweit dieses nicht schon oben durch unsere Darstellung der Genehmigungsverhandlungen geschehen -- die Gründe für Abweisung des Begehrens noch speziell zur Kenntniß bringen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 15. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

ßingier.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Rekursbegehren der Gemeinde Herrliberg betreffend die Stationsanlage Herrliberg. (Vom 15. Juni 1892.)

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22.06.1892

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