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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung.

69. Jahrgang.

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zu

Bern, den 19. September 1917.

Band IV.

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VIII. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen.

(Vom 10. September 1917.)

Wir beehren uns, Ihnen ira nachstehenden über die von uns von Mitte Mai 1917 bis heute auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. Augast 1914 getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.

A. Politisches Departement.

Mit Besehluss vom 26. Juni 1917 betreffend die Abänderung 4er Organisation des Politischen und des Volkswirtschaftsdepartements haben wir auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten bestimmt, dass der Bundesprasident als solcher Vorsteher des Politischen Departements sei. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit gegeben, das Politische Departement für das Jahr 1917 -einem Mitgliede des Bundesrates zu übertragen, das nicht Bundespräsident ist. Hiervon wurde Gebrauch gemacht, da ein Wechsel im Volkswirtschaftsdepartement für sechs Monate nicht opportun erschien. Ferner wurde beschlossen, dass der Bundesrat aus seiner Mitte eine Delegation für die auswärtigen Angelegenheiten bestelle. Bis zum Ende dieses Jahres wurden als Mitglieder dieser Delegation ernannt die Herren Bundespräsident Schulthess, VizeBundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IV.

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56 Präsident Calonder und Bundesrat Ador. Die Handelsabteilung wurde vom Politischen Departement abgetrennt und dem Volkswirtschaftsdepartement angegliedert. Mit diesem Beschlüsse haben wir eine Neuerung, die durch das Gesetz vom 26; März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung eingeführt worden ist, namentlich das sogenannte ständige Politische Departement und die Vereinigung der Abteilung Handel des frühern Handels-, Industrieund Landwirtschaftsdepartements mit dem politischen Departement rückgängig gemacht. Selbstverständlich betrachten wir diese Lösung nur als eine provisorische. Über die definitive Gestaltung dieser Verhältnisse wird durch Bundesgesetz zu entscheiden sein. Entweder wird die Bundesversammlung durch eine Revision des Organisationsgesetzes die von uns getroffenen Änderungen sanktionieren oder aber auf eine solche nicht eintreten. Im letzteren Falle wird seinerzeit, spätestens mit dem Hinfalle der ausserordentlichen Vollmachten, der bisher bestandene gesetzliche Zustand wieder eintreten. Mit Rücksicht auf den Umstand, dass wir einen Antrag auf Revision der Bundesverfassung, im Sinne der Vermehrung der Bundesratsmitglieder von sieben auf neun, der Bundesversammlung eingereicht haben, scheint es uns gegeben zu sein, dass, für den Fall der Einführung dieser Neuerung-, die hier berührte Frage in dem dannzumal zu erlassenden Organisationsgeeetz gelöst wird.

Mit Rücksicht auf den provisorischen Charakter der Massregel möchten wir selbstverständlich hier die allgemeinen Gründe, die für die eine oder die andere Lösung sprechen, nieht zur Erörterung bringen, sondern im Hinblick auf die gegenwärtigen ausserordentlichen Verhältnisse bloss das Folgende bemerken: Schon wiederholt ist namentlich auch aus der Mitte der Bundesversammlung daraufhingewiesen worden, dass die Trennung in der Leitung der wirtschaftlichen Aufgaben, wie sie bisher bestanden hat, gewisse Inkonvenienzen mit sich bringe und dass eine einheitliche Führung und damit eine vollständige Anpassung der im Innern und der nach aussen zu treffenden Masgregeln wünschenswert sei. Speziell wurde dies mit Rücksicht auf die ausserordentlichen wirtschaftlichen Aufgaben betont, die gegenwärtig zu lösen sind. Für eine ganze Reihe von Fragen konnte man verschiedener Meinung sein, welchem Departement sie zugeteilt werden sollen,
und nie mehr als jetzt spielen wirtschaftliche interne Erwägungen und solche internationaler Natur ineinander.

Wurde einmal die Handelsabteilung vom Politischen Departement abgetrennt, so erschien es dann allerdings als gegeben, dass di&

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Leitung dieses wesentlich entlasteten Departements nicht einem Mitglied des Bundesrates als ständige Aufgabe zugewiesen werde, sondern dass sein Vorsteher der jeweilige .Bundespräsident sein soll, der neben seinen Departementsgeschäften auch noch die Präsidialgeschäfte zu erledigen hat. Die Lösung scheint uns auch den Vorteil zu bieten, dass gemäss der von der Bundesversammlung bestimmton Reihenfolge die verschiedenen Mitglieder des Bundesrates Einsicht in die auswärtigen Geschäfte der Eidgenossenschaft erhalten, was in so ernsten Zeiten wie heute zur Beruhigung der Bevölkerung beizutragen geeignet sei. Die definitive Regelung der Frage, die in erster Linie in ihre Kompetenz fällt und dann auch vom Volk stillschweigend oder ausdrücklich genehmigt werden muss, wird vielleicht davon beinflusst werden, ob eine Vermehrung der Mitglieder des Bundesrates eintreten wird oder nicht.

Nach seinem Amtsantritte hat der Departementsvorsteher die vom Nationalrate verlangte Untersuchung vorgenommen, Er hat die Herren alt Bundesrat Hoffmann, Minister Odier und'Nationalrat Grimm befragt und ihnen Gelegenheit gegeben, sich über alle Punkte auszusprechen.

Ihre Aussagen samt Anlagen, enthaltend zwei von den Herren Hoffmann und Grimm verfasste Berichte, bilden ein Aktenheft, das der Neutralitätskommissiou zur Verfügung gestellt wird.

Durch die Akten ist erwiesen, dass Herr Grimm ohne irgendeinen Auftrag von Herrn Hoffmann und ohne sich mit ihm verständigt zu haben, nach Petrograd gereist ist.

Er begab sich nach Russland, um sich für russische Flüchtlinge zu verwenden, und beabsichtigte, als Zimmerwalder Sozialist eine Friedensbewegung hervorzurufen.

Herr Hoffmann, dem Herr Grimm seine Absicht, nach Petrograd zu gehen, kundgegeben hatte, hat sich darauf beschränkt, ihm zu sagen, falls er in Russland auf Schwierigkeiten stossen würde, brauche er sich nur an die schweizerische Gesandtschaft zu wenden ; diese ist weder von Herrn Hoffmann noch von Herrn Grimm von der Reise des letztem nach Petrograd benachrichtigt worden, Herr Grimm hat sich zum ersten Male am Vormittag des 25. Mai auf der Gesandtschaft eingefunden ; er ist erst von Herrn

58 Lardy, Attaché, empfangen worden, dem er ein von seiner Hand geschriebenes Telegramm mit der Bitte überreicht hat, es in Geheimschrift Herrn Bundesrat Hoffmann zu telegraphieren.

Dieses Telegramm hatte folgenden Wortlaut: P e t r o g r a d , den 26./27. Mai 1917.

Abteilung Auswärtiges, Bern.

Herr Nationalrat Grimm, der sich gegenwärtig in Petrograd aufhält, bittet uns, Herrn Bundesrat Hoffmann ein Telegramm folgenden Inhalts zu übermitteln : Friedensbedürfnis ist allgemein vorhanden. Ein Friedensschluss ist in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht zwingende Notwendigkeit. Diese Erkenntnis ist an massgebender Stelle vorhanden. Hemmungen bereitet Frankreich, Hindernisse England. Die Verhandlungen sciiweben gegenwärtig, und die Aussichten sind günstig. In den nächsten Tagen ist neuer, verstärkter Druck zu erwarten. Die einzig mögliche und gefährlichste Störung aller Verhandlungen könnte nur durch eine deutsche Offensive im Osten erfolgen. Unterbleibt diese Störung, so wird eine Liquidation in relativ kurzer Zeit möglich sein.

Eine vom Arbeiterrat einberufene internationale Konferenz ist ein Teil der Friedenspolitik der neuen Regierung. Das Zustandekommen dieser Konferenz gilt als sicher, sofern die Regierungen keine Passschwierigkeiten machen. Alle Länder haben ihre Beteiligung zugesagt. Unterrichten Sie mich, wenn möglich, über die Ihnen bekannten Kriegsziele der Regierungen, da die Verhandlungen dadurch erleichtert würden. Ich halte mich noch zirka 10 Tage in Petrograd auf.

Schweizerische Gesandtschaft, Odier.

Dieses Telegramm ist am Abend des 26. Mai in Bern angekommen. Herr Hoffmann hat hierauf am 3. Juni in Geheimschrift wie folgt geantwortet: Schweizerische Gesandtschaft, Petrograd.

Bundesrat Hoffmann ermächtigt Sie, Grimm folgende mündliche Mitteilungen zu machen. Es wird von Deutschland keine Offensive unternommen werden, solange mit Russland gütliche Einigung möglich scheint. Aus wiederholten Besprechungen mit prominenten Persönlichkeiten habe Überzeugung, dass Deutsch-

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land mit Russland beiderseits ehrenvollen Frieden anstrebt mit künftigen engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und finanzieller Unterstützung für Wiederaufbau Russlands. Nichteinmischung in Russlands innere Verhältnisse, freundschaftliche Verständigung über Polen, Lithauen, Kurland unter Berücksichtigung ihrer Völkereigenart. Rückgabe besetzten Gebietes gegen Rückgabe von Russland besetzten Gebietes an Österreich. Bin überzeugt, dass Deutschland und seine Verbündeten auf den Wunsch von Russlands Verbündeten sofort iu Friedensverhandlungen eintreten würden. Bezüglich der Kriegsziele nach dieser Seite verweise auf Kundgebung in Norddeutscher Allgemeiner Zeitung, worin grundsätzliche Übereinstimmung mit Asquith über die Frage der Annexionen behauptet wird, Deutschland wolle keine Gebietserweiterungen zum Zwecke der Vergrößerung, sowie der politischen und wirtschaftlichen Machterweiterung.

Die Untersuchung hat keinerlei Tatsachen zutage gefördert, die geeignet wären, neues Licht in die Angelegenheit zu bringen.

Wir beschränken uns darauf, die folgenden Punkte hervorzuheben, indem wir für alles übrige auf die Akten verweisen.

Es ist nicht möglich gewesen, sich über die Frage Klarheit zu verschaffen, wie die russische Regierung in den Besitz des dechiffrierten Telegramms des Herrn Hoffmann gelangt ist.

Herr Attaché Lardy versichert in seiner schriftlichen Aussage, dass Herr Grimm bei seinem ersten Besuche auf der Gesandtschaft vom 25. Mai erklärt habe, von Herrn Hoffmann ermächtigt worden zu sein, ihm Informationen über die Lage Russlands zu senden und sich der diplomatischen Geheimschrift zu bedienen. Herr Minister Odier sagt aus, dass ihm Herr Grimm dieselben Erklärungen abgegeben habe.

Herr Hoffmann hat die Richtigkeit der Angaben des Herrn Nationalrat Grimm entschieden bestritten. Dieser hat ausdrücklich anerkannt, dass die Bestreitung des Herrn Hoffmann in allen Punkten der Wirklichkeit entspricht, hat jedoch behauptet, von den Herren Odier und Lardy falsch verstanden worden zu sein.

Herr Odier rechtfertigt die Absendung des Telegramms an Herrn Hoffmann damit, dass er sich in wichtigen Angelegenheiten von Landsleuten wiederholt der Geheimschrift der Gesandtschaft zu bedienen hatte und sich daher nicht für befugt erachtet habe, dies einem Nationalrate zu verweigern, der sich

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an den Vorsteher dea Politischen Departements wandte. Dieser würde selbst beurteilen, ob er die an ihn gestellten Fragen beantworten wolle. Es musa gerechterweise anerkannt werden, dass diese Anschauung und dieses Vorgehen des Herrn Odier sich rechtfertigen lassen.

Herr Hoffmann erklärt seinen Schritt im wesentlichen wie folgt: er war von der Überzeugung durchdrungen, dass eine längere Kriegsdauer die Schweiz vor unüberwindliche Schwierigkeiten, namentlich in wirtschaftlicher Hinsicht, stellen würde. Die Zukunft unseres Landes machte ihm grosse Sorgen. So hiolt er es zumichst nicht nur für sein Recht, sondern auch für seine gebieterische Pflicht, jede sich bietende Gelegenheit zu ergreifen, an der Herbeiführung eines allgemeinen Friedens zu arbeiten. Er glaubte, das Telegramm des Herrn Grimm, einer infolge seiner sozialistischen Gesinnung den russischen Regieruugskreisen nahestehenden Persönlichkeit, biete ihm eine solche Gelegenheit, Er dachte, dass es ihm um so eher gestattet sei, davon Gebrauch zu machen, als er nicht in seiner Eigenschaft als Vorsteher des Politischen Departements, sondern rein persönlich handeln wollte.

Der Bundesrat lässt den Motiven, von denen sich Herr Hoffmann leiten liess, und die ihm von seinem Gewissen und von seinem Patriotismus eingegeben waren, alle Gerechtigkeit widerfahren. Allein wir müssen doch unsere Erklärung vom 19. Juni wiederholen, wodurch wir die Verantwortlichkeit für den von Herrn Hoffmann getanen Schritt ablehnten und diesen missbilligten. Es scheint, dem Bundesrat nicht zulässig zu sein, dass ein von einem Mitgliede der Regierung ausgehendes Telegramm in einer so heikein Angelegenheit, wie der Friedensfrage, das überdies mit ,,Abteilung Auswärtiges" unterzeichnet ist, ab persönlicher Schritt betrachtet werden könne. Eine Frage von solcher Wichtigkeit hätte dem Bundesrate unterbreitet werden sollen, der für deren Erledigung allein zustandig ist. Herr Hoffmann hat, wie er erklärt hat, niemals einen Separatfrieden zwischen Russland und den Zentralmächten im Auge gehabt; der Inhalt seines Telegramms konnte jedoch angesichts des durch den Krieg hervorgerufenen allgemeinen Zustandes der Spannung und Erregung bei den Ententestaaten leicht den gegenteiligen Verdacht aufkommen lassen nnd so die Interessen des Landes ernstlich gefährden, während doch der
Bundesrat gegenüber allen Kriegführenden stets strikteste Neutralität verkündet hatte.

Nach Kenntnisnahme unserer Erklärungen werden die eidgenossischen Räte ohne Zweifel mit uns den bedauerlichen

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Zwischenfall durch die Annahme der Demission des Herrn Hoffmann endgültig als erledigt betrachten.

Von verschiedenen Seiten sind dein Bundesrate Mitteilungen zugegangen, die bei ihm den Eindruck erweckt haben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika der Schweiz nicht in allen Teilen günstig gesinnt sind.

Diese Tatsache ist um so bedauerlicher, als die Schweiz in den Vereinigten Staaten von Amerika grosse Interessen zu wahren hat. Man denke nur an das Getreide und an die wichtigen Rohstoffe, die wir aus diesem Lande beziehen, Wohl sind wir zu der Hoffnung berechtigt, dass sich die Beziehungen zu der Regierung der Vereinigten Staaten durch die Abordnung des neuen schweizerischen Gesandten verbessern werden. Man durfte aber nichts vernachlässigen, was geeignet erscheinen konnte, die Vorurteile zu zerstreuen.

Man musate daher vor allem prüfen, ob es nicht geboten erscheine, durch Aufklärung der grossen Zeitungen und der gebildeten Kreise auf die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten einzuwirken.

Allerseits ist dem Bundesrate empfohlen worden, einflussreiche und mit den Verhältnissen des Landes vertraute Männer nach den Vereinigten Staaten zu entsenden, die imstande wären, die erforderlichen Aufschlüsse zu erteilen, und sich namentlich bemühten, die Kreise, die in der Öffentlichkeit den Ton angeben, vornehmlich über die wirtschaltliche und militärische Lage der Schweiz aufzuklären.

Diesem Auftrage haben sich_ unterzogen : Herr Nationalrat John S y z , Mitglied der Zürcher Handelskammer, der als grosser Baumwollindustrieller mit Amerika enge Beziehungen unterhält ; Herr Professor R a p p a r d , gegenwärtig Professor der Nationalökonomie in Genf, der lange Zeit Professor der ,,Havard University" gewesen ist; Herr Oberstlieutenant W. S t a m p f li in Bern, Präsident des Zentralkomitees für die Interniertenbeschäftigung.

Diese Herren sind Ende Juli mit Herrn Minister Sulzer nach Amerika abgereist, nachdem sie über die hauptsächlichsten Fragen aufgeklärt worden waren.

62 Am 15. August waren im ganzen 27,022 kranke und verwundete I n t e r n i e r t e (wovon 6055 neu angekommene} in der Schweiz, und zwar: Offiziere umziere

Unteroffiziere unSoldatenen

Nichtsollten

480 122 568 84 --

7,731 1,703 11,814 1,338 --

' 657 4 1903 387 231

Deutsche Englander Franzosen Belgier Österreicher und Ungarn

Seit dem 10. Mai sind 7030 Internierte heimgeschafft worden, und zwar: Deutsche 1703 Engländer 32 Franzosen 4972 Belgier 305 Österreicher und Ungarn . . .

18 Ausserdem sind verstorben oder aus verschiedenen Gründen von den Listen gestrichen worden : Deutsche Engländer Franzosen Belgier Österreicher und Ungarn .

Offiziere .

Unteroffiziere

-- -- -- -- --

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3 -- 9 2 4

Das im letzten Berichte erwähnte, zwischen der Schweiz und Deutsehland, Frankreich und Belgien abgeschlossene A b k o m m e n ist bereits in Wirksamkeit getraten. Es haben sich infolge dessen im Bestände der Internierten ziemlich grosse Änderungen ergeben.

Deutschland, Grossbritannien und Holland haben am 2. Juli im Haag ein dem von Bern ähnliches Abkommen abgeschlossen, das übrigens zum Teil auch auf die Schweiz Nachwirkung haben wird.

Holland wird 16,000 Mann internieren und sie sämtlich in Lagern unterbringen. Dafür haben sich Grossbritannien und Deutschland anheischig gemacht, das erforderliche Material für

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den Bau und Unterhalt des Lagers zu liefern und für die ärztliche Fürsorge, für die Heizung und Verpflegung aufzukommen.

Trotz den von der Schweiz seit dem Herbste 1916 mit Deutschland, Frankreich und Grossbritannien geführten Verhandlungen, durch die sie eine der Zahl der bei uns untergebrachten Internierten angemessene Erhöhung des Lebensmittelkontingents zu erlangen suchte, hat einzig Grossbritannien 20 Wagen Mehl für seine Internierten und Deutschland pharmazeutische Produkte für den Sanitätsdienst unserer Armee geliefert.

Die immer wachsenden Schwierigkeiten für die Lebensmittelversorgung des Landes mahnen uns mit Bezug auf die von uns aufzunehmende Interniertenzahl zu äusserster Vorsicht.

Die von den verschiedenen Ländern ins Leben gerufenen ^Nationalwerkstätten11 beschäftigen : 650 deutsche Internierte, 972 französische ,, 80 belgische ,, 80 englische ,, Die der Abteilung für Internierungsfragen unterstellten Werkstätten beschäftigen gegenwärtig 575 Mann.

In den verschiedenen Gebieten des Inlandes sind sodann 3382 Internierte als Einzelarbeiter, darunter 987 als Landarbeiter, Erdarbeiter und Gärtner, beschäftigt.

Ausserdem haben etwa tausend Mann gruppenweise in der Landwirtschaft, in Torfmooren und bei Erdbewegungsarbeiten Beschäftigung gefunden.

Schliesslich waren für das Sommersemester im ganzen 1000 Internierte als Studierende und 650 als Besucher von Mittelschulen eingeschrieben.

Das schweizerische Rote Kreuz hat vom 10. Mai bis zum 25. August ungefähr 4900 deutsche, französische, italienische, österreichisch-ungarische und serbische Invalide befördert.

Im gleichen Zeitabschnitte sind 60,521 E v a k u i e r t e aus Nordfrankreich in 129 Zügen durch die Schweiz heimgeschafft worden.

4 Als freigelassene Z i v i l g e f a n g e n e sind 144 Deutsche, 37 Österreicher und Ungarn, 2 Franzosen, 119 Nordamerikaner und 627 Italiener durch unser Land gereist.

Als sich Italien im Mai 1915 am Kriege beteiligte, übernahm das politische Departement die Wahrung der italienischen Interessen in Deutschland und der deutschen Interessen in Italien.

Und nachdem im Februar 1917 die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika abgebrochen waren, wurden die vorher von der Unionsregierung besorgten Angelegenheiten der Zentralmächte zum grossen Teil unserm Lande übertragen. So übernahm das politische Departement in der Folge die Vertretung der Deutschen in Frankreich, Grossbritannien, Amerika, Japan und Rumänien; der Österreicher in Frankreich und Rumänien; der Bulgaren in Rumänien. Zu diesen Vertretungen kamen noch die von Frankreich, Italien und Rumänien in Österreicb, von Brasilien, sowie auch von Haiti in Deutschland hinzu. Ausserdem wurden die Deutschen in NeuGuinea, in Samoa, auf den Bermudasinseln, in Mosambik, in Apia, auf Neuseeland, in Queenstown, in Tasmanien und in Tunis dorn Schutze unserer dortigen Konsulate unterstellt.

Diese riesige Vermehrung unserer Geschäfte hat uns gezwungen, auf dem politischen Departemente eine besondere Unterabteilung zu errichten, die sich ausschliesslich mit den fremden Interessen befasst. Ebenso haben die Geschäfte unserer Gesandtschaften in Paris, Berlin, London, Washington und Jassjr derart zugenommen, dass daa Personal zur Bewältigung der Mehrarbeit nicht mehr ausreichte und verstärkt werden musste.

Diese Verhältnisse zwangen uns, einen neuen, ganz unabhängigen Dienst mit besonderer Kanzlei einzurichten, was, wie für die angeführten Gesandtschaften, so auch für das Departement, das einen Zuwachs von monatlich 6180 Briefen zu verzeichnen hatte, die Anstellung eines zahlreichen Personals erheischte.

Angesichts der Ausdehnung dieses neuen Geschäftskreises haben wir beschlossen, unter der Bezeichnung ,,Abteilung für Vertretung fremder Interessen und Internierunga vorübergehend «ine von der Abteilung für Auswärtiges ganz unabhängige neue Abteilung zu errichten.

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B. Departement des Innern.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. T o r f V e r s o r g u n g . Durch Beschluss vom 24. Mai 1917 wurde das Volkswirtschaftsdepartemeut ermächtigt, über die Ausbeutung von Torfmooren Vorschriften zu erlassen und dio Kontrolle über deren Einhaltung der unter seiner Aufsicht stehenden schweizerischen Torfgenossenschaft zu übertragen. Diese Funktionen und Kompetenzen sind mit Beschluss vom 22. Juni 1917 dem Departement des Innern übertragen worden. Dasselbe erliess alsdann am 25. gleichen Monats eine Verfügung, welche die daherige Kontrolle regelte, sowie eine weitere vom gleichen Datum, die Höchstpreise für Torf festsetzend. Bald stellte sich die Notwendigkeit einer Revision beider Erlasse heraus, einerseits in bezug auf genauere Festsetzung der Kompetenzen der Torfgenossenschaft und der Regelung ihrer Verhältnisse zu den kantonalen Torfkommissionen, andererseits bezüglich der Höchstpreise, deren Erhöhung unumgänglich war. Die neuen Verfügungen wurden am 21. Juli 1917 erlassen. Die neu bestimmten Preise sind als Höchstpreise zu betrachten, wobei jedoch die Kantone befugt sind, in Berücksichtigung der Lokalverhältnisse niedrigere Preise anzusetzen, was auch in verschiedenen Kantonen geschehen ist. Schliesslich sah sich das Departement des Innern veranlasst, am 1. September auch noch Höchstpreise für den im Herbst zum Versand gelangenden Halbtrockentorf mit einem Wasser- und Aschengehalt von über 45% festzusetzen. Die auf den Erlass dieser Verfügungen gesetzten Erwartungen einer bedeutenden Steigerung der Torfproduktion, haben sich nur zum kleinsten Teil erfüllt, was sowohl dem späten Eingreifen des Bundes, als der Schwierigkeit der Beschaffung der erforderlichen maschinellen Einrichtungen zur Torfförderung zugeschrieben werden muss. Es ist nicht zu übersehen, dass dio Torfgewinnung in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz bedeutend zurückgegangen ist und erst durch den Eintritt des Kohlenmangels wieder einen neuen Impuls erfahren hat. Für das kommende Jahr darf bei frühzeitigem Beginn der Torfausbeute und rationellerem Betrieb infolge vorhandener Maschinen, eine bedeutende Steigerung der Produktion in Aussicht gestellt werden.

2, B r e n n h o l z v e r s o r g u n g , Der infolge verminderter Kohlenzufuhr gesteigerte Bedarf an Brennholz und die Schwierigkeit
der Deckung desselben für den kommenden Winter veranlasste uns mit Beschluss vom 14. Juli 1917 das Departement des Innern zu ermächtigen, alle Massnahmen und Verfügungen zu treffen,

66 welche zur Versorgung des Landes mit Brennholz notwendig erscheinen und denjenigen Kantonen, welche hierzu imstande sind, vorzuschreiben, welche Quantitäten Brennholz sie zugunsten der holzarmen Kantone zu liefern haben. Gleichzeitig wurden durch diesen Beschluss sowohl genanntes Departement als auch die Kantone ermächtigt, die Beschlagnahme von gefälltem Holz zu Brennzwecken zu verfugen, zur Sicherung zweckmässiger Verwendung und Verteilung. Um die Durchführung der Brennholzversorgung zu ermöglichen, erhielten die Kantone die Ermächtigung von den gesetzlichen Vorschriften betreffend Einhaltung der Nachhaltigkeit durch Bewilligung und Anordnung ausserordentlicher Holzschlage abzugehen, unter der Bedingung, dass waldschützende Vorschriften erlassen und Reservekassen eingerichtet werden.

Diese Massnahmen erfolgten nach vorangegangenen wiederholten konferenziellen Beratungen mit Vertretern sämtlicher Kantone, welche ergaben, dass der schweizerische Wald imstande ist, den Bedarf an Brennholz zu decken, vorausgesetzt, dass die hierzu benötigten Arbeite- und Zugkräfte aufgebracht werden können.

Von der Festsetzung von Höchstpreisen für Brennholz durch den Bund wurde angesichts der verschiedenartigen Verhältnisse abgesehen, dagegen haben die meisten Kantone von der ihnen eingeräumten Befugnis, für ihr G-ebiet Höchstpreise vorzuschreiben, Gebrauch gemacht, In weiterer Ausführung erwähnten Beschlusses erliess das Departement des Innern am 30. Juli 1917 eine Verfügung über Versorgung des Landes mit Brennholz, durch welche als eidgenössische Zentralstelle die schweizerische Inspektion für Forstwesen bezeichnet wurde, mit der Aufgabe, den Handel mit Brennholz von Kanton zu Kanton, sowie die Lieferung von Brennholz an die Industrie der gesamten Schweiz zu vermitteln und zu beaufsichtigen, während die Ordnung des innerkantonalen Brennholzhandels und die Verteilung des Brennholzes für den Hausbrand den kantonalen Zentralstellen übertragen wurde.

Die schweizerische Zentralstelle für Brennholzversorgung wurde als besonderer Dienst der Inspektion für Forstwesen, unter Leitung des Oberforstinspektors, organisiert.

Wir wiederholen es noch einmal, dass eine Hauptschwierigkeit darin liegt, die nötigen Arbeits- und Zugkräfte zu beschaffen.

Wir haben zu diesem Behufe die Kantonsregierungen ermächtigt, unbeschadet ihrer Rechte, gemäss Bundesratsbeschluss vom 18. Juni 1917 betreffend die Verwendung von Hülfsdienstpflichtigen zur

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Ausbeutung von Torf und Brennholz, zur Fällung und Aufrüstung, .sowie zum Transport von Brennholz die in ihren Kantonsgebieten wohnhaften, geeigneten Personen und die vorhandenen Zugkräfte heranzuziehen, sowie deren Arbeitszeit und Entschädigung festzusetzen. Diese Kompetenzen können von den Kantonen auf die Gemeinden und.andere öffentliche Korporationen übertragen werden.

Der Bundesrat und das Departement haben ihr möglichstes getan, um die Brennholzproduktion zu erleichtern und zu fördern, und steht es nunmehr bei den Kantonen auch ihrerseits alle Mittel aufzubieten, um die getroffenen Massnahmen zur Brennholzversorgung des Landes mit Erfolg durchzuführen.

3. P a p i e r h o l z v e r s o r g u n g . Mit Ende August ist die Wirksamkeit des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1916 und ·der Ausführungsbestimmungen des Departements des Innern vom 18. gleichen Monats, betreffend die Versorgung der Papier- und Papierstoff-Fabriken mit Papierholz, abgelaufen. Die den Fabriken pro 1916/1917 zugesicherte Menge Papierholz konnte nicht ganz aufgebracht werden, hauptsächlich aus dem Grunde, weil der drohende Brennholzmangel und die dadurch bewirkte Steigerung der Brennholzpreise die Lieferung von Papierholz in der letzten Zeit wesentlich beeinträchtigte. Immerhin haben die Fabriken ihren Betrieb aufrecht erhalten können und besitzen überdies noch einen beträchtlichen Holzvorrat, der für die Fortsetzung des Betriebes bis anfangs kommenden Jahres ausreichen wird. Eine Neuordnung -der Papicrholzversorgung wird notwendig werden, bei welcher aber auch die Versorgung des Landes mit Brennholz im Auge behalten werden muss. Diese darf nicht durch zu weitgehende Papierholzlieferungen beeinträchtigt werden. Wir müssen daher darauf dringen, dass die Papierfabriken ihren Holzbedarf möglichst einschränken.

4. H o l z n u t z u n g e n . Die im letzten Bericht erwähnten konferenziellen Verhandlungen mit Delegierten sämtlicher Kantone und die von letztern vorgenommenen Erhebungen ergaben, dass der nachhaltige Ertrag der öffentlichen Waldungen nicht gefährdet ist, dagegen entsprechen die sehr starken Nutzungen in den Privatwaldungen dem Zuwachs von wenigstens einem Jahrzehnt. Einlässlichere Angaben sind in der von unserer Inspektion für Forstwesen bearbeiteten allgemeinen Orientierung über die Holznutzungen in den Jahren 1914--1916 niedergelegt, welche Druckschrift den Kantonen sowohl als anderweitigen Interessenten, zugestellt worden ist.

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5. J a g d . Die Interessen des Landesschutzes erforderten, wie in frühern Jahren, ein Verbot der Ausübung der Jagd in den von Truppen besetzten Grenzgebieten der Schweiz, Wir erliessen am 10. August 1917 einen diesfälligen Beschluss, in welchem die für die Jagd geschlossenen Gebiete, gornass den Angaben der Heeresleitung1, auf das absolut Notwendige beschränkt wurden.

Durch einen ergänzenden Beschluss vom 27. August wurden die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904, insbesondere Artikel 21, Ziifer 3b, als anwendbar auf die Übertretungen der Vorschriften des Beschlusses vom 10. August 1917 erklärt, unter Herabsetzung des Mindest* masses der Busse auf Fr. 40, 6. F i s c h e r e i . Zur Förderung der Versorgung des Landes mit Nahrungsmitteln durch Beizug der Fischerei haben wir mit Schlussnahme vom 13. Juli 1917 das im Bundesgesetz vom 21. Dezember 1888 festgesetzte Mindestmass von 18 cm für Felchen inbezug auf den Brienzlig des Brienzersees auf 14 cm herabgesetzt, um den Fang dieser Fischart zu ermöglichen. Dabei wurde im Interesse einer strengen Kontrolle und namentlich in Berücksichtigung der schnellen Zersetzung dieser Fische vorgeschrieben, dass sie nur im Amtsbezirk Interlaken, sowie in der Gemeinde Meiringen verwendet werden dürfen.

0. Justiz- und Polizeidepartement.

Justizabteilung.

1. Die allgemeine B e t r e i b u n g s s t u n d u n g lief gemäss der Verordnung vom 16. Dezember 1916 auf den 30. Juni 1917 ab. Eine weitere Erstreckung dieser Frist erwies sich angesichts der fortdauernden wirtschaftlichen Lage unseres Landes als notwendig. Wir haben durch Beschluss vom 9. Juni 1917 die Frist in der bisher befolgten Weise um 6 Monate, bis Ende des Jahres, verlängert, 2. Durch eine Eingabe der Notstandskommission der schweizerischen Arbeiterschaft vom 14. Februar 1917 und andere Zuschriften wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass in verschiedenen Landesteilen, namentlich in Städten und Industrie/entren, die Bevölkerung unter W o h n u n g s n o t und übertriebenen M i e t z i n s s t e i g e r u n g e n leide, und wurden ersucht, durch geeignete Massnahmen diesen Übelständen entgegenzutreten. Durch ein Kreisschreiben luden wir zunächst die Kantone zum Bericht

69 ein. Das Ergebnis dieser Umfrage war im grossen und ganzen ein negatives; die meisten Kantone meldeten, dass in ihrem Gebiete eine Wohnungsnot nicht oder doch nicht in einem Masse bestehe, das ein Einschreiten der Bundesbehörde notwendig oder wünschenswert erscheinen liesse. Eine Ausnahme machten immerhin Zürich und Bern, die ein dahingehendes Bedürfnis für einzelne Gemeinden als gegeben erachteten und eine Massnahme befürworteten, die ermöglichen würde, das Recht der Vermieter auf Zinserhöhung und Kündigung in gewissem Umfang zu beschranken. Bei dieser Sachlage glaubten wir, von einem allgemeinen derartigen Eingriff in das Mietrecht absehen, jedoch den Bedürfnissen der von Wohnungsnot betroffenen Landesteile Rechnung tragen zu sollen. Wir taten es durch den B u n d e s r a t s beschluss vom 18. J u n i 1917 betr. Schutz von M i e t e r n gegen M i e t z i n s e r h ö h u n g e n und K ü n d i g u n g e n , der die Kantonsregierungen ermächtigt, auf dem Verordnungswege einschlägige Bestimmungen aufzustellen, ihnen aber auch die Übertragung dieser Ermächtigung an bestimmte Gemeinden freistellt.

Materiell gehen die Vorschriften, die der Genehmigung des Bundesrates bedürfen, dahin, dass Mietzinssteigerungen und Kündigungen, die nach den Umständen als nicht gerechtfertigt erscheinen, auf Gesuch des Mieters durch behördlichen Entscheid unzulässig erklärt werden können. Den Kantonen und Gemeinden, die solche Verordnungen erlassen, wird für bedürftige Mieter die Leistung von Beiträgen an zulässig erklärte Mietzinserhöhungen zur Pflicht gemacht ; von einer finanziellen Beteiligung des Bundes an solchen Unterstützungen mussten wir absehen, da die verfügbaren Mittel für allgemeine Bedürfnisse des Landes reserviert werden sollten.

Gestützt auf diesen Bundesratsbeschluss haben bisher die Regierungen der Kantone Solothurn und Schaffhausen und dieGemeinden Bern, Biel und Bümpliz (Kanton Bern), sowie Zürieh, Winterthur und Altstetten entsprechende Verordnungen erlassen, die von uns genehmigt worden sind.

3. Eine andere Frage des Mietrechts wurde im Juni 191& bei der Behandlung des Neutralitätsberichtes des Bundesrates aufgeworfen, dahingehend, ob nicht bei vor dem Krieg abgeschlossenen langfristigen M i e t v e r t r ä g e n dem Mieter eine Zinsrcduktion oder das Rücktrittsrecht gewährt werden solle, wenn
der Krieg die Benutzung des Mietobjektes unmöglich mache oder die Aufbringung des Mietzinses sehr erschwere. Nachdem die Erledigung der Frage bisher ihres Zusammenhanges mit andern

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Geschäften wegen noch aufgeschoben worden war, haben wir nunmehr beschlossen, von einem solchen Eingriff ins materielle Recht Umgang zu nehmen. Dazu führte uns einmal die Tatsache, dass auf eine Umfrage hin die meisten Eautone ein dahingehendes Bedürfnis verneinten, sodann aber auch die Erwägung, dass die innere Berechtigung der vorgeschlagenen Massnahme durchaus zweifelhaft erscheinen muas, indem die letztere in der Regel dazu führen würde, einen nicht voraussehbaren Schaden auf den ökonomisch vielleicht nicht besser dastehenden Vermieter abzuwälzen, während nach dem Wesen des Mietvertrages stets der Mieter die Gefahr einer während der Mietsdauer eintretenden nachteiligen Änderung der Verhältnisse (z. B. einer Verschlechterung des Geschäftsganges) auf sich nimmt, wie umgekehrt auch eine vorteilhafte Veränderung ihm allein unter Ausschluss des Vermieters zustatten kommt.

4. Es hat sich gezeigt, dass die Durchführung der die Lebensmittelversorgung des Landes sichernden Erlasse, insbesondere der Kriegswucherverordnungen des Bundesrates, soweit sie den Kantonen übertragen ist, mancherorts auf verfassungsrechtliche Schwierigkeiten stösst, indem sie die Schaffung von Organisationen und die Einführung von Verfahren erheischt, die über die bestehende Ordnung hinausgehen oder mit ihr kollidieren. Die Kantone sind zur Vollziehung der Notverordnungen des Bundes verpflichtet; andererseits enthält aber das Bundesrecht keine Bestimmung, die die Kantone ermächtigen würde, auf ausserordentlichem Wege, entgegen den Vorschriften ihrer Verfassungen über die Gesetzgebungsgewalt, die dazu notwendigen Neuerungen zu treffen. Einige Kantone haben sich damit beholfen, dass sie ihren Regierungen ausserordentliche Vollmachten eingeräumt haben ; wo das nicht geschehen ist, muss der ordentliche Gesetzgebungsweg beschritten werden, der aber zu umständlich und zeitraubend ist, als dass er dem besondern Zweck hier dienen könnte. Wie in der Lebensmittelversorgung, kann auch auf andern von den Notverordnungen erfassten Reohtegebieten der nämliche Übelstand eintreten. Ihm will der Bundesratsbeschluss vom 2. August 1917 b e t r e f f e n d kantonale A u s f ü h r u n g s v o r s c h r i f t e n zu den ausserordentlichen Erlassen des Bundes abhelfen, der die Kantonsregierungen ermächtigt, soweit ihnen die Durchführung der gestutzt
auf den Bundesbeschluss vom 3. August 1914 ergangenen Erlasse übertragen ist, die notwendigen organisatorischen und prozessualen Ausführungsvorschriften auf dem Verordnungswege IM erlassen. In Betracht fallen nicht nur die Verordnungen und Beschlüsse des Bundesrates, sondern auch die

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auf ihnen beruhenden Erlasse (Verfügungen, Kreisschreiben) der Departemente und anderen Verwaltungsbehörden des Bundes. Der Beeohluss wurde auf den 3. August 1914 rückwirkend erklärt, um auch allfällig von den Kantonen bereits getroffene Massnahmen zu decken.

5. Seit Erstattung des vorletzten Berichtes gingen 6 Gesuche um Bewilligung von H o t e l u n t e r n e h m e n im Sinne des Art. 27 der Verordnung vom 2. November 1915 ein, eines war noch hängig. Vier Gesuche wurden im Einklang mit den Anträgen der örtlichen und kantonalen Behörden bewilligt: die Einrichtung einer Privatklinik in Klosters, die auf der Grenze .zwischen Hotelunternehmen und Krankenhaus steht und deshalb «iner Bewilligung kaum noch bedurft hätte ; die Verlegung eines Kinderheims in Arosa in ein anderes Gebäude, verbunden mit einer geringen Vermehrung der Bettenzahl ; die Benützung zweier Häuser in Zürich, die bisher vornehmlich der Vermietung an Familien und Einzelpersonen auf kürzere oder längere Zeit gedient hatten, als sog. Hotel garni (Logierhaus ohne Beköstigung), wofür ein Bedürfnis dargetan werden konnte; endlich die Erteilung des Beherbergungsrechts an den Inhaber eines Restaurants in Zinal, der einige Zimmer zur Unterbringung von Einheimischen und Arbeitern verwenden möchte. Drei Gesuche sind zurzeit noch unerledigt.

D. Militärdepartement.

1. Militärisches.

In bezug auf die Organisation des Heeres ist seit unserm letzten Berichte zu erwähnen, dass durch die Aufstellung neuer Kompagnien der Infanterie-Mitrailleure und Gebirgs-InfanterieMitrailleure des Auszuges und je einer Mitrailleur-Kompagnie pro Landwehr-Infanterie-Regiment eine grosse Anzahl Füsilier- und -Schützen-Offiziere zu den Infanterie-Mitrailleuren versetzt werden musste. Um diesen Abgang baldigst ersetzen zu können, wurde .die Zahl der in die diesjährigen Infanterie-Offizierschulen einzuberufenden Unteroffiziere von 360 auf 600 erhöht.

Auf Wunsch des Armeekommandos wurden für zirka */* der Infanterie-Rekruten des Jahrganges 1898 Rekrutenschulen
Die Ballon-Pionier-Kompagnien l, 2 und 3 sind organisiert sind ausgerüstet. Auf dem Flugfeld bei Dübendorf sind ein VerBuudesblatt. 69. Jahrg. Bd. IV.

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72 waltungsgebäude und eine zweite Flugzeughalle, welch letztere auch Unterkunftsräume für Mannschaft enthalten soll, in Ausführung begriffen.

Durch BundeeratsbeschluBs vom 16. Mai 1917 wurde die Mundportionsvergütung für Offiziere und Mannschaften, die aus irgendeinem Grunde von den Gemeinden oder von der Truppe nicht in natura verpflegt werden können, ab 1. Mai 1917 von.

Fr. 1. 20 auf Fr. 1. 70 erhöht, entsprechend dem gegenwärtigen Stande der Verpflegungskosten. Mit dieser Massnahme steht in Verbindung die vom Bundesrat am 25. Juni 1917 beschlossene Erhöhung des Schulsoldes gemäss Art. 112--115 des Verwaltungsreglements um 70 Rappen, Nach diesen Artikeln beziehen nämlich die Offiziere, welche in Unterrichtskursen ohne Truppen Dienst leisten, sowie die Offiziersbildungsschüler einen bosondern Schulsold, in welchem die Vergütung der Verpflegung Inbegriffen ist. Aus Billigkeitsgründen mussten nun auch diese Offiziere und Schüler gleich behandelt werden wie die bei der Armee Dienst leistenden Wehrmänner, welche nicht am Trappenhaushalte teilnehmen können und infolgedessen eine erhöhte Mundportionsvergütung beziehen.

Wegen erheblicher Steigerung der Materialpreiee ist durch Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1917 die Maximalschatzungssumme für Motorwagen, welche früher Fr. 16,000 betrag, auf Fr. 20,000 erhöht worden. Zugleich wurde das Mietgeld für die Eigentümer der im Militärdienste verwendeten Automobile neu.

geordnet. Dasselbe betrug bisher: 1. Für Personen-Automobile: a. YS ()/°° der Schatzungssumme für alle Diensttage, b. Fr. 5 Grundtaxe für jeden Tag der wirklichen Benützung des Wagens; 2. Für Last Automobile : a. YS °/oo der Schatzungssumme für alle Diensttage, fi. Fr. 10 Grundtaxe für jeden Tag der wirklichen Benützung des Wagens.

Bei diesem Modus haben sich im Laufe der MobilmachungUnzukömmlichkeiten gezeigt in bezug auf die Verschiedenheit der Taggelder für Personen- und Lastwagen. Es galt deshalb einerseits, das fixe Mietgeld ganz abzuschaffen und durch ein ausschüesslich prozentuales zu ersetzen. Dadurch wird ein Übelstand beseitigt, der darin bestand, dass für die billigeren Vehikel bisher gegenüber den wertvolleren zu viel Mietgeld bezahlt

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wurde. Gleichzeitig soll die Beschaffung von Ersalztransportrnitteln eine angemessene Berücksichtigung finden. Die Lastautomobile sind nämlich im allgemeinen in ihrer Eigenschaft als Arbeitsmaschinen bei ihren Besitzern viel unentbehrlicher als die Personen-Automobile. Es werden den requirierten Lastautomobilen im Militärdienst auch grössere Arbeitsleistungen zugemutet, weshalb für sie eine grössere prozentuale Mietgeldentschädigung gerechtfertigt erscheint.

Im Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1917 wurde nun vom 1. Juni 1917 hinweg die Entschädigung der Motorwagenbesitzer wie folgt festgesetzt: a. für Personenwagen : l %o des Schatzungswertes pro Diensttag ; b. für Lastwagen : l,o %o des Schatzungswertes pro Diensttag, Durch Bundesratsbeschluss vom 4. Mai 1917 ist eine sofortige Aufnahme des Bestandes an in der Schweiz befindlichen Brieftauben angeordnet worden. Dabei wurde dea Besitzern von Brieftauben, welche gemäss den Vorschriften der zuständigen Militärbehörden trainiert worden sind, verboten, diese Tauben ohne ausdrückliche Bewilligung des Armeekommandos zu veräussern und das letztere zugleich ermächtigt, Brieftauben, welche sich im Besitze von Personen befinden, die nicht Mitglieder einer anerkannten Brieftaubenstation sind, gegen Entschädigung mit Beschlag zu belegen. Schon vorher hatte das schweizerische Militärdepartement mit Verfügung vom 28. April 1917 die Trainierung von Brieftauben bis auf weiteres auch im Inlande an die Erlaubnis der Nachrichtensektion des Armeestabes geknüpft.

Es handelt sich hier um Massnahmcn gegen die Vornahme fremden Nachrichtendienstes und zugleich urn die Sicherstellung der erforderlichen Anzahl Brieftauben für die Armee.

Es sind wiederum ausserordentliche Kredite zur Beschaffung von Kriegsmaterial, sowie für Bauten und Einrichtungen bewilligt worden. Die im letzten Berichte erwähnten Schwierigkeiten in der Beschaffung der erforderlichen Rohstoffe und fertigen Fabrikate, die nur aus dem Auslaude erhältlich sind, haben sich weiter vermehrt und machten neuerdings wiederholt Delegationen nach dem Auslande notwendig.

Der Bundesratsbeschluss vom 4. April 1916 betreffend die Abgabe von .Schuhwerk an die Armee während des Aktivdienstes, durch welchen die Gratisabgabe des Schuhwerkes an die im Aktivdienste stehenden Wehrmänner eingeführt wurde, sah ausdrücklich vor, dass die Abgabe des Schuhwerkes an die Rekruten

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nach Massgabe der Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 3. April 1914 betreffend militärische Fussbekleidung zu erfolgen habe d. h. also gegen Bezahlung des reduzierten Preises, sei es durch den Bezüger oder im Falle der Bedürftigkeit desselben durch die Heimatgemeinde. Diese Bestimmung brachte in der Praxis grosse Unzukömmlichkeiten mit sich, indem die Rekruten, wenn sie zu ihrer Einheit stiessen, nicht zur Deponierung ihrer in der Eekrutenschule bezogenen Schuhe angehalten werden konnten. Auf diese Weise gab es in den Einheiten zweierlei Wehrleute, solche, die ihre Schuhe zu deponieren hatten und solche, die sie mit nach Hause nehmen durften. Es wurde infolgedessen die Ausdehnung der unentgeltlichen Schuhabgabe auch auf die Rekruten verfügt.

Da seit Beginn des Aktivdienstes die Feststellung gemacht wurde, dass der Korpsausrüstung nicht überall diejenige Aufmerksamkeit und Sachkenntnis entgegengebracht wurde, wie man es hätte erwarten sollen und dadurch zum Teil sehr schwere Schäden, hauptsächlich an der Beschirrung, durch Nachlässigkeit oder unzweckmkssige Behandlung verursacht wurden, sah sich das Militärdepartement genötigt, zweckmâssige Massnahmen zur bessern Instandhaltung des Korpsmaterials bei der Truppe zu treffen. Es wurden seit 1915 bei allen Divisionen ArmeeSattlerkurse in der Dauer von 3 Wochen durchgeführt und 1917 mit der eigentlichen fachtechnischen Ausbildung von SattlerRekruten in Kursen von 4 Wochen begonnen. Die Kurse werden in geeigneten Zeughäusern unter Zuzug von besonderem Instruktionspersonal abgehalten und zeitigten überall den erwarteten guten und von den Truppenkommandanten anerkannten Erfolg. , Im Zusammenhang mit den Sattlerkursen wurde von der Kriegsmaterialverwaltung eine ,,Anleitung zur Instandhaltung der Korpsausrüstung bei der Truppe 1917a verfasst, die an alle Offiziere und an Unteroffiziere abgegeben wird, die mit der Sorge um das Korpsmaterial betraut sind.

Ein zweiter Ankauf von 500 spanischen Maultieren wurde von der Pferderegieanstalt ausgeführt; die Tiere wurden nach Sitten und Martigny verbracht, wo sie der Leitung des Territorialdienstes unterstellt sind. Mit dem ersten Transport vom Frühjahr 1916 befinden sich heute 941 spanische Maultiere im Lande, SO dass der derzeitige Bestand an solchen Tragtieren für die Bedürfnisse des Heeres genügen durfte.

Bei der Militärstrafrechtspflege kommt für die gegenwärtige Berichtsperiode einzig in Betracht der, Bundesratsbeschluss be-

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treffend Ergänzung und teilweise Abänderung der Verordnung über den militärischen Strafvollzug vom 13. Juli 1917. Dieser Erlass wurde hervorgerufen durch gewisse Übelstände, dio sich ia der Praxis des militärischen Strafvollzuges erzeigten. Es kam nämlich vor, dass unter den dieser Vergünstigung von den Militärgerichten würdig erachteten Verurteilten sich solche Elemente befanden, die einer strengeren Korrektur bedürftig waren und deren Bel'assung im militärischen Strafvollzug für die übrigen Häftlinge eine grosse Gefahr bildete. Das schweizerische Militärdepartement wurde deswegen ermächtigt, auf Antrag der in Frage kommenden Fostungskommandanten bzw. Direktoren der Strafanstalten, nach Einvernahme der Beteiligten, derartige Leute in den bürgerlichen Strafvollzug zu verweisen.

2. Wirtschaftliches.

Währenddem die Weizen-Verschiffungen von Amerika im Monat Juni unsern Bedarf an Brotfrucht noch vollständig deckten, gingen dieselben im Juli auf einen Drittel des Bedarfes zurück.

Im August konnte nur noch ein Dampfer mit Weizen abgeladen werden und zwei weitere Dampfer mit Hafer und Gerste, für welche die Ausfuhrbewilligung erhältlich war. Für Weizen war eine solche bis heute nicht zu bekommen und wie es heisst, für solange nicht, als bis die Ausfuhrkommission mit den Organisationsarbeiten, der Aufnahme der Bestände und deren Verteilung fertig ist.

Wegen mangelndem Schiffsraum stehen wir in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bei einer Totaleinfuhr von 19,700 Wagen um 9500 Wagen gegenüber dem Kontingente der Entente von 50,000 Wagen zurück und gegenüber der Totaleinfuhr der gleichen Periode des Vorjahres von 31,400 Wagen uni 11,700 Wagen.

Von den in Cette liegenden, dort eingelagerten Vorräten werden täglich etwa 80 Wagen nach der Schweiz abspediert.

Bis in 2 Monaten werden wir damit fertig sein und dann ganz von unsern Lagern in der Schweiz zehren müssen, wenn nicht inzwischen die Ausfuhr von Amerika wieder kräftig einsetzt.

Die Verhältnisse auf dem Frachtenmarkte haben sich weiterhin verschlimmert und hegen wir wenig Hoffnung, die uns zugestandenen elf Dampfer per Monat chartern zu können.

Die Preise in Amerika sind auf die nie geahnte Höhe von Fr. 80 bis 90 per 100 kg Parität Schweiz gestiegen und zwangen

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uns, den Abgabepreis für Weizen, wie vorausgesehen, von Fr. 56. 75 auf Fr. 64 hinaufzusetzen, wobei wir etwa Fr. 20 unter dem Einstandspreise der letzten Monate geblieben sind.

Für unsere vorgekauften, im letzten Berichte erwähnten Vorräte in Argentinien konnten nach Monaten nur zwei Dampfer gechartert werden, so dass wir mit dem grössten Teil dieses Stockes immer noch liegen bleiben müssen. Die Frachten nach Argentinien sind noch viel schwieriger erhältlich als nach Nordamerika. Aus diesem Grunde war die Zufuhr in Mais seit dem Monate Mai gleich Null; es gelang, von den früheren Ankünfteti und durch grosse Zurückhaltung in den Zuteilungen, ein gewisses Quantum als Reserve auf Lager zu legen.

Von den in Italien liegenden 1000 Wagen Ölkuchen wurde die Hälfte zur Ausfuhr bewilligt und ist in die Schweiz gelangt, die andere Hälfte ist uns für den Monat September in Aussicht gestellt. Ein weiteres Quantum ist in Amerika gekauft. Es ist jedoch fraglich, ob die Bewilligung zur Einfuhr erhältlich sein wird.

Trotzdem sich eine Konferenz von Vertretern sämtlicher Kantonsregierungen, der Bäcker, Müller, Getreideproduzenten und -konsumenten am 23./24. April 1917 beinahe einstimmig gegen die Einführung der Brotrationierung ausgesprochen hatte, stellten wir unsere bezüglichen Vorarbeiten nicht ein, weil wir die Überzeugung besassen, ohne das Mittel der Rationierung die Brotversorgung des Landes nicht mehr auf längere Zeit sicherstellen zu können.

Unser Oberkriegskommissariat arbeitete ein Projekt zu einem Bundesratsbeschlusse betreffend die Rationierung von Brot und Mehl aus, das sich, in Anlehnung an das während bald drei Jahren in Deutschland erprobte System, auf eine strenge Kontingentierung der Kantone und Gemeinden Cnach der Bevölkerungszahl) mit Mehl aufbaute. Entsprechend der Kontingentierung der Gemeinden sah der Entwurf gemeindeweise Brot- und Mehlkarten vor, wobei aber die Möglichkeit bestand, dass sich mehrere Gemeinden, vielleicht sogar ganze Kantone, zu einem einzigen Versorgungsbezirke mit entsprechendem Gültigkeitsbereiche für die Karten hätten zusammenschliessen können.

Auf den 19. Juni 1917 luden wir neuerdings Vertreter einer Anzahl Kantonsregierimgen, sowie der Bäcker, Müller, Getreideproduzenten und -konsumenten zu einer Besprechung ein.

Ebenso einstimmig, wie sich die Konferenz vom 2S./24. April gegen dio Rationierung ausgesprochen hatte, gaben die Teilnehmer an dieser Besprechung der Überzeugung Ausdruck, der Stand

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unserer Getreidevorräte und die unsichern Aussichten für die zukünftige Gestaltung der Zufuhren verlangen die möglichst rasche Einführung der Brot- und Mehlkarte. In zwei weiteren Konferenzen wurde dann der Entwurf des Oberkriegskommissariats besprochen. Hernach ernannten wir eine dreigliedrige Kommission, bestehend aus den Herren Nationalrat Dr. Spann, Schaâhausen, alt Nationalrat Jaeggy, Basel, und Major Pelichet, Chef de l'office de ravitaillement des Kantons Waadt in Lausanne und überwiegen ihr den Entwurf des Oberkriegskommissariates zur weitern Prüfung.

Diese Kommission äusserte Bedenken gegen den Entwurf des Oberkriegskommissariats ; namentlich die gemeindeweise Kontingentierung des Mehles und die gemeindeweisen Brot- und Mehlkarten fanden die Billigung derselben nicht. Sie sprach sich vielmehr für die Einführung einer freizügigen, eidgenössischen Karte aus. Diese Kommission nahm Anstoss an dem beschränkten Geltungsbereich (Gemeinde oder Gemeindeverband) der Brotkarte, weil hierdurch das Publikum zu sehr belästigt würde und legte ein Projekt vor mit einer Brotkarte für die ganze Schweiz. Bei der Ausdehnung des Geltungsbereiches der Brotkarte auf das ganze Land üel natürlich auch die Kontingentierung der Kantone und Gemeinden dahin. Ein weiterer grundsätzlicher Unterschied zwischen den beiden Projekten bestand darin, dass in demjenigen des Oberkriegskommissariates den Selbstversorgern ein bestimmtes Gewicht an Brotgetreide (10 kg, allenfalls etwas mehr per Kopf und per Monat) zugewiesen wurde, während im Projekt der Kommission den Selbstversorgern der Ernteertrag von 8 resp. 9 Aren per Kopf und per Jahr überlassen wurde.

Nachdem bei weiteren Beratungen auch beim Projekt der Kommission sich einige Änderungen und Ergänzungen als notwendig erwiesen, genehmigte der Bundesrat in seiner Sitzung vom "20. August 1917 den bereinigten Entwurf und beschloss die Einführung der Brot- und Mehlkarte auf 1. Oktober 1917.

Die Durchführung der Brotrationierung auf Grundlage einer freizügigen, eidgenössischen Karte erforderte die Schaffung einer besonderen, neuen Verwaltungsabteilung zur Bewältigung der grossen Arbeit, welche dieses zentralisierte System für den Bund mit sich bringt. Der Bundesrat beschloss deshalb am 10. August die Errichtung eines eidgenössischen Brotarntes, bestehend aus drei Abteilungen : Auslandgetreide, Inlandgetreide, Rationierungsund Kontrollwesen. Dieses hat bereits seine Tätigkeit aufgenommen.

78 In welchem Masse die Brotrationierung eine weitere Einschränkung des Brotverbrauches bringen wird, ist zurzeit nicht festzustellen, da der Anteil der Inlandernte an der allgemeinen Brotversorgung gänzlich unbekannt ist. Sehr gross kann die neue Einschränkung nicht sein, da schon die bisherigen Massnahmen und Ursachen (scharfe Vermahlungsvorschriften, Verbot des frischen Brotes, die hohen Getreidepreise) einen ganz bedeutenden Rückgang des Brotverbrauches zur Folge hatten. Die heutige Vermahlung von Auslandgetreide betragt nur noch 60°/o der Vermahlung vor dem Kriege ; es ist mithin auf dem Auslandgetreide eine Einschränkung um 40 °/o erfolgt.

Wirksamer als die Rationierung wird das Erfassen der inländischen Getreideernte und deren Nutzbarmachung für die allgemeine Brotversorgung sein. Ein scharfes Augenmerk ist auch darauf zu richten, dass Brotgetreide und Mahlprodukte desselben nicht in solchem Umfange wie bisher zu Zwecken verwendet werden, die der Brotversorgung fremd sind (Verfütterung, Industrie und Gewerbe, Bier, Kaffee, Malz, Hefe usw.). Sollten alle diese Massnahmen nicht den notwendigen Effekt erzielen,, so müssen die Kartoffeln zur Streckung des Brotes mitverwendet werden.

Als Vorarbeit für die Rationierung des Brotes ist die Beschlagnahme der inländischen Getreideernte zu betrachten, welche durch den Bundesratsbeschluss über die G-etreideernte des Jahres 1917, vom 2. August 1917, angeordnet wurde. Dieser Beschluss ist inzwischen mit demjenigen über die Rationierung in einen Erlass vereinigt worden; es war dies schon angezeigt, weil er infolge der Übertragung von Kompetenzen auf das neu gegründete Brotamt hätte geändert werden müssen. Im ferneren wurde im neuen Beschlüsse auch die Ernte von Hafer, Gerste und Mais mit Beschlag belegt, um den Verbrauch und den Verkehr dieser Nahrungs- und Futtermittel sicherer in die Hand nehmen zu können.

Vorgängig der Brotrationierung wurden durch den Bundesratsbeschlusa über die Brotversorgung des Landes vom 29. Mai 1917 schärfere Vermahlungsvorschriften und Bestimmungen üher die Einschränkung des Mehlhandels, über die Anlage von Vorräten und die Verwendung von Mehl erlassen. Die Strafbestimmungen für Zuwiderhandlungen wurden verschärft und die Kompetenzen zur administrativen Erledigung von Straffällen erweitert.

Am 18. Juni 1917 erfolgte ein neuer Bundesratsbeschluss betreffend das Verbot des Verkaufes von frischem Brot, Er ge-

79 stattet, au Stelle des vorher erlaubten' eintägigen, nur noch die Abgabe von zweitägigem (vorgestrigem) Brot. Dadurch wurde der Verbrauch von Brot neuerdings fühlbar eingeschränkt.

Die Knappheit unserer Maisvorräte und die wachsende Kachfrage nach Mais zu Ess- und Futterzwecken veranlasste uns, die Abgabe des Maises zu kontingentieren und die Verteilung nur noch durch Vermittlung der Kantone besorgen zu lassen.

Dasselbe geschah mit den Teigwaren, wo ebenfalls die Nachfrage schon lange das Angebot bei weitem überstieg und deshalb Ungleichheiten in der Verteilung eintraten.

Die guten Erfahrungen, die wir bei Zucker und Reis mit der Abgabe durch Vermittlung der Kantone gemacht hatten, bewogen uns, die Ausdehnung derselben Massnahme auf Mais und Teigwaren nicht länger aufzuschieben.

l Betreffend Zucker- und Reismonopol ist folgendes zu bemerken: Seit der letzten Berichterstattung mussten die Verkaufspreise sowohl für Zucker wie für Reis neuerdings bedeutend erhöht werden. Die Ursache hiervon liegt ausschliesslich in der gewaltigen Steigerung der Schiffsfrachten. Für Javazucker und für Reis aus Indien beträgt nunmehr die Schiffsfracht 3mal mehr als vor einem Jahre und für amerikanischen Zucker beinahe das Doppelte.

Die Zufuhrverhältnisse in Zucker und Reis sind, wie beim Getreide, schwierig, so daea auch hier grösste Sparsamkeit im Verbrauch erforderlich ist. Immerhin erlaubten es die Vorräte, für das Einmachen von Früchten im Haushalt 3 kg Zucker pro Kopf der Bevölkerung zu den ordentlichen Monatskontingenten für den Konsum hinzu abzugeben. Die Vorräte an Reis hoffen wir auf den kommenden Winter in genügender Weise ergänzen zu können.

Die Heu- und Strohbeschaffung für die Armee ist durch den Bundesratsbeschluss vom 18. Juni 1917 neu geregelt worden.

Es war nicht daran zu denken, den Bedarf für die Armee durch freihändigen Ankauf sicherzustellen.

E. Finanz- und Zolldepartement.

Finanzverwaltung.

Zwecks Beschaffung weiterer Mittel für die Grenzbeaetzung beschlossen wir am 9. Juni 1917, ein VII. M o b i l i s a t i o n s a n 1 ei h en von 100 Millionen Franken aufzunehmen. Die Emission

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erfolgte wie bei den letzten Mobilisationsanleihen durch Vermittlung des Kartells schweizerischer Banken und des Verbandes schweizerischer Kantonalbanken, und zwar zu folgenden Bedingungen : Zinsfuss 4 1 / 2 %Emissionskursrs 9 6 %Übernahmskursrs d e r ist am 30. Juni 1934 zur Rückzahlung fällig, doch steht dem Bund das Recht zu, es vom 31. Dezember 1925 an nach vorangegangener sechsmonatlicher Anzeige ganz oder teilweise zu kundigen. Die Bedingungen sind somit ungefähr die gleichen, wie beim VI. Mobilisationsanleihen. Sie wurden nach sorgfältiger Prüfung deGeldmarktlagege im Einvernehmen mit der schweizerischen Nationalbank und dem Bankenkonsortium festgesetzt. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen, indem über 150 Millionen Franken gezeichnet wurden.

Unsere durch den Krieg bedingten F i n a n z o p e r a t i o n e n können auf den 25. August 1917 in den Hauptposten kurz ausammengefasst werden wie folgt: Betrag der seit Kriegsausbruch aufgenommenen Anleihen, nach Abzug der Rückzahlungen Fr. 604,800,000 Schatzanweisungen im Umlauf ,, 263,900,000 Übrige schwebende Schulden , . . . . ,, 51,300,000 Gesamtbetrag der festen und schwebenden Kriegsschuld auf den 25. August 1917 . ,, 920,000,000 An Kriegssteuern sind uns bis zum genannten Tage zugegangen: Kriegssteuer 1915/1916 ,, 70,000,000 Kriegsgewinnsteuer .n 50,700,000 Fr. 1,040,700,000 Diesem Betrage stehen auf den nämlichen Tag an ausserordentlichen Ausgaben gegenüber: Ausgaben für die Mobilmachung . . . . Fr. 683,740,000 In Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegte Gelder . . . ,, 263,290,000 Vorschüsse für die Kosten der Internierung fremder Kriegsgefangener ,, 16,040,000 Reservestellung zur Rückzahlung der II. Quote des Anleihens in Amerika ,, 24,500,000 Fr.

987,570,000

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Übertrag Die Testierenden nach Abzug der vorhandenen Zahlungsmittel, fanden Verwendung für die Vermehrung der unverzinslichen Bestände (Fourage, Bekleidung, Munition usw. Fr. 24,300,000), für die Tilgung der Emissionskosten und für Verschiedenes.

Fr.

,,

987,570,000 53,130,000

Fr. 1,040,700,000 Der Verkehr zwischen dem Finansdepartement und der N a t i o n a l b a n k , die dem Bunde bei der Unterbringung der Anleihen und der vorübergehenden Beschaffung von Geldmitteln fortgesetzt wertvolle Dienste leistet, -war auch in der Berichtsperiode ein sehr reger.

Die Gewinn- und Verlustrechnung der D a r l e h e n s k a s s e der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t weist auf 30. Juni 1917 folgende Zahlen auf: Vortrag des Reingewinns aus den zwei früheren Geschäfts Perioden 1914/1916 Fr. 3,135,994. 15 Ertrag des Wechselkontos, zuzüglich Rückdiskonto vom Vorjahr und abzüglich Rückdiskonto pro 30. Juni 1916 ,, 1,460,755. 35 Fr. 4,596,749.50 Davon gehen ab : Verwaltungskosten . . . F r . 72,742.68 Kosten der Anfertigung der Darlehenskassenscheine . ,, 6,053.80 Abschreibung auf Mobiliar . ,, 38.20 ,, Reingewinn auf 30. Juni 1917

78,834. 68

Fr. 4,517,914. 82

Die Bilanz auf letztern Tag stellt sich infolgedessen dar wie folgt: A k t iv en: Kassa Fr.

76. 47 Darlehen ,, 24,566,642. 10 Mobiliar ,, 1.-- Fr. 24,566,719.57

82 Passiven: Darlehenskassenscheine im Umlauf . . . Fr. 19,901,150. -- Rückdiskonto ,, 147,654.75 Reingewinn des I., II. und IH. Geschäftsjahres ., 4,517,914. 82 Fr. 24,566,719. 57 Der Zinafuss der Darlehen blieb unverändert 4,6 °/o.

Der Gesamtbetrag der Darlehen ging von 44,g Millionen am 30. Juni 191G auf 24,6 Millionen Franken am 30. Juni 1917, also um 45,a % zurück. Diese auffallende Verminderung der Darlehen ist als eine Folge des von der Darlehenskasse zu Beginn des Jahres 1916 eingeführten Geschäftsgrundsatzes zu betrachten, wonach Darlehen nur noch zur Befriedigung dringender und berechtigter Geldbedürfmsse gewährt werden.

Durch den am 15. August 1917 in Kraft getretenen Bundesratsbeschluss betreffend die K o n t r o l l i e r u n g der zur Ein'fuhr gelangenden Gold-, Silber- und Platinwaren vom 16. Juni 1917 ÇA. 8. n. F., Bd. XXXIII, 8.378) ist die obligatorische Kontrollierung der in die Schweiz importierten Edelmetallwaren eingeführt worden. Diese Waren müssen bei der Einfuhr von den schweizerischen Zollämtern den zuständigen Kontrollämtern für Gold- und Silberwareu zugeleitet werden, um nach Verifikation des Feingehalts und Richtigbefund mit dem amtlichen eidgenössischen E i n f u h r k o n t r o l l s t e m p e l versehen zu werden. Dem Einfuhrkontrollstempöl kommt zugleich der Charakter eines Feingehaltsgarantiestempels zu für die Gold-, Silber- und Platinwaren, auf denen er angebracht wird.

Die genannte Massnahme ist in Berücksichtigung der gegenwärtigen Umstände und auf Befürwortung der in^Betracht fallenden schweizerischen Interessentenverbände der Edelmetallindustrien gestützt auf Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 3. August '1914 erlassen worden, um die Edelmetallwaren ausländischer Herkunft von solchen einheimischer Fabrikation kenntlich zu machen. Zu bemerken ist, dass ein derartiger Kontrollstempel für Auslandwaren in allen andern Ländern, welche eine amtliche Feingehaltskontrolle der Gold-, Silber- und Platinwaren besitzen, schon seit längerer Zeit besteht. Massgebend -waren für diesen Erlass nachstehende Erwägungen:

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Zufolge des durch den Krieg bewirkten Unterbruchee der Handelsbeziehungen haben viele ausländische Exportfirmen, um dennoch Edelmetallwaren nach den gegnerischen und nach neutralen, namentlich überseeischen Ländern absetzen zu können, die G-ewohnheit angenommen, diese Waren einem in der Schweiz niedergelassenen Adressaten zugehen zu lassen, um sie von da aus als Ware s c h w e i z e r i s c h e r H e r k u n f t den ausländischen Abnehmern zuzuleiten. Es liess sich dies mit um so weniger Schwierigkeiten bewerkstelligen, als diese Waren in der Regel von schweizerischen Fabrikaten kaum zu unterscheiden waren, namentlich wenn sie mit der Fabrikmarke einer in der Schweiz niedergelassenen Firma oder mit dem amtlichen eidgenössischen Feingehaltsgarantiestempel versehen wurden. Häufig entsprachen indessen diese Waren den ihnen zugeschriebenen Feingehalten nicht, wodurch der gute Ruf der schweizerischen Uhren- und Bijouterieindustrie im Auslande gefährdet wurde.

Die Einführung des amtlichen eidgenössischen Einfuhrkontrollstempels für die Auslandwaren ermöglicht es, die Waren schweizerischer Fabrikation leicht und sicher von ähnlichen ausländischen Fabrikaten zu unterscheiden und den erwähnten Unzukömmlichkeiten gründlich abzuhelfen. Zugleich wird dadurch der Wert des bisherigen, nunmehr ausschhesslich für die im Inlande angefertigten Waren zur Verwendung gelangenden amtlichen eidgenössischen Feingehaltsgarantiestempels als Ausweis für die schweizerische Herkunft der Ware wiederhergestellt.

Zollverwaltung.

Zufolge der stets wachsenden Schwierigkeiten der Warenbesohaffung erwies es sich als notwendig, die erlassenen Beschlüsse betreffend die Ausfuhrverbote zu revidieren und der allgemeinen Lage anzupassen durch Ausdehnung auf neue Artikel, die bisher den bundesrätlichen Verboten nicht unterstellt waren.

Im weitern bedurften einige Bestimmungen der Bundesratsbeschlüsse vom 11. August und 10. November 1916 betreffend die Bestrafung von Widerhandlungen gegen die Ausfuhrverbote einer präziseren Fassung.

Diese Erwägungen führten zum Erlass des Bundeeratsbeschlusses vom 30. Juni 1917, der iu der Gesetzessammlung, laufender Band, Seite 459, publiziert ist.

Der Beschluss zerfällt in den eigentlichen Text und in die Anlage, welch letztere in übersichtlicher Form, nach Nummern

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des Zolltarifs geordnet, sämtliche Waren, deren Ausfuhr verboten ist, bezeichnet. In besonderer Publikation, die beim Drucksachenbureau der Bundeskanzlei erhältlich ist, wurde dem Bundesratsbeschluss zuhanden eines weitern Interessentenkreises als Anhang eine Zusammenstellung derjenigen Bundesratsbeschlüsse, Verfügungen und Bekanntmachungen von Verwaltungsabteilungen angefügt, die mit den Ausfuhrverboten in Zusammenhang stehen.

Die Zollverwaltung würde zu keinen weitern Bemerkungen Anlass geben, hielten wir es nicht für angezeigt, die Frage des Schmuggels, die in letzter Zeit die Gemüter aufgeregt zu haben scheint, kurz zu berühren.

In unserm Geschäftsbericht für das Jahr 1916 haben wir bereits die Zahl der Straffälle wegen Umgehung der Ausfuhrverbote angegeben. In Betracht für 1916 kamen: Auf Ende 1915 unerledigt 147 Straffälle neu hinzugekommen pro 1916 13,354 ,, Zusammen 13,501 Straffälle Davon wurden erledigt: durch Verzicht auf Verfolgung 376 StraffäUe durch administrativen Spruch 12,614 ,, durch gerichtlichen Spruch 25 ,, Am Schluss des Jahres 1916 waren unerledigt 486 ,, Zusammen 13,501 Straffälle Es betrugen: die eingegangenen Bussen Fr. 328,102.69 der Erlös aus konfiszierten Waren . . . ,, 138,447.36 Zusammen

Fr. 466,550. 05

Das Jahr 1917 hat eine neue Vermehrung der Zahl der Widerhandlungen gebracht, welche zum Teil auf die Zunahme der Ausfuhrverbote zurückzuführen ist. Der Betrag der von der Zollverwaltung (Departement, Oberzolldirektion, Kreisdirektionen) bis Ende August ausgesprochenen Bussen, der Erlös aus den konfiszierten Waren mitgerechnet, nähert sich einer Million Franken.

Es wäre jedoch unrichtig, daraus den Schluss ziehen zu wollen, dass der Schmuggel einen merklichen Einfluss auf die Lebensmittelversorgung unseres Landes oder der Länder, zu deren Gunsten er betrieben wird, auszuüben imstande wäre, Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Verwaltung im allgemeinen die Strafbefugnis erweitert hat. Das Finanz- und

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Zolldepartement ist zuständig, Bussen bis zu Fr. 30,000, die Oberzolldirektion bis zu Fr. 500 und die Kreisdirektionen bis zu Fr. 50 auszusprechen. In fast allen Fällen ist die Busse von der Konfiszierung der Waren begleitet, oder es wird, falls die Konfiszierung nicht mehr möglich ist, der Übertreter zur Bezahlung der Busse und des Wertes der Waren verurteilt. Alle Organe der Zollverwaltung machten einen ausgiebigen G-ebrauch ihrer Strafbefugnis.

Es muss ferner in Betracht gezogen werden, dass ungefähr & ji der Strafialle den sogenannten Taschen- oder kleinen Schmuggel betreffen. So wurden im Jahre 1916 480 Straffälle vom Departement und 2780 von der Oberzolldirektion behandelt ; alle übrigen Fälle wurden von den Kreisdirektionen erlegigt. Das gleiche Verhältnis trifft auch für das Jahr 1917 zu. Beim kleinen Schmuggel handelt es sich aber nur um ganz unbedeutende Warenmengen im Grenzverkehr ; zudem bleibt es bei der weitaus grössten Anzahl der Fälle lediglich beim Versuch.

Endlich ist zu bemerken, dass wir das Grenzwaehtkorps bedeutend verstärkt und in letzter Zeit das Arrneekommando ersucht haben, den Zollbehörden eine noch grössere Anzahl Truppenais dies bis jetzt der Fall gewesen ist, zur Bekämpfung des Zoll, schmuggeis zur Verfügung zu stellen. Diesem Gesuche wurde seitens der Armee entsprochen.

Einige besonders schwere Fälle (wiederholte Rückfälligkeit, komplottmassig organisierter Schmuggel usw.) wurden vom Zolldepartement den zuständigen kantonalen Gerichtsbehörden überwiesen, um zu erwirken, dass die Übertreter nicht nur mit Busse, sondern auch mit Gefängnis bestraft werden. Solche Überweisungen an die Gerichtsbehörden finden jedoch nur selten statt, weil die Weitläufigkeit des gerichtlichen Verfahrens einer wirksamen Bekämpfung der Übertretungen, die nur durch ein rasches Vorgehen möglich ist, hinderlich ist.

Wir haben allen Grund anzunehmen, dass die bis jetzt getroffenen Massuahmen genügen werden, um dem Übel zu wehren..

Alkoholverwaltung.

Zwei auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 in der Berichtsperiode von Mitte Mai 1917 an getroffene Massnahmen des Bundesrates betreffen die Alkoholverwaltung.

1. In Anbetracht der gewaltig verminderten Inlandserzeugung von Spiritus und der wachsenden Schwierigkeiten unserer Spriteinfuhr, aowie angesichts der Notwendigkeit, unsere ebenfalls

86 reduzierten Spritvorräte noch auf einer den Bedürfnissen des Landes entsprechenden Höhe zu halten, haben wir die bereits am 9. Juli 1915 von uns kraft des vorerwähnten Bundesbeschlusses verfugten Einschränkungen ausgedehnt. Die im ,,Bundesratsbeschluss vom 1. Juni 1917 betreffend die weitere Einschränkung des Vertriebs gebrannter Wasser durch die Alkoholverwaltung" vorgeschriebenen Beschränkungen sind vom Trinkverbrauch zu tragen ; für den Bedarf der Apotheker zu pharmazeutischen und der Industrie zu technischen Zwecken ist eine weitgehende Deckung in Aussicht genommen. Die Abgabe von Brennsprit zu Haushaltungszwecken sollte vorderhand nicht über die tatsächlich schon eingetretene, insbesondere durch die Preiserhöhung des Brennsprits verursachte Verbrauchsverminderung (um y8 des Bedarfs von 1913) hinaus herabgesetzt werden.

2. Im ,,Bundesratsbeschluss vorn 14. Juli 1917 betreffend die Abgabe des Brennstoffs für Motorfahrzeuge* wird dìo schweizerische Alkoholverwaltung bis auf weiteres der Pflicht zur Abgabe von Brennsprit, die in Art. 13 der Novelle zum Alkoholgesetz begründet ist, vom 1. August 1917 an (dem Datuni des Inkrafttretens des Beschlusses) enthoben. Das hat dio Meinung, dass die Alkoholverwaltung allen ihren zur Brennspritgewinnung dienlichen Sekundasprit, mit Ausnahme der schon früher für die Munitionsfabrikation reservierten Quote, der Warenabteilnng des Volkswirtschaftsdepartements, die kraft des Beschlusses nun ausschliesslich über die Abgabe von Brennstoffen für Motorfahrzeuge bestimmt, für diese Bestimmung zur Verfügung zu halten bat.

Zu Haushaltungszwecken wird bis auf weiteres kein Brennsprit mehr abgegeben. Diese an sich bedauernswerte Massregel wird durch folgende Umstände erträglich gemacht. Die oben erwähnte Verminderung des Verbrauchs an Haushaltungssprit ist in Wirklichkeit siher viel grösser als der in der Verkaufsstatistik der schweizerischenrAlkoholverwaltung sich manifestierende Drittel, weil viele Industrielle (zur Ausnützung der Differenz zwischen den Preisen von Benn- und Industriesprit) bedeutende Mengen Brennsprit zu technischen Zwecken bezogen, so dass der Verbrauch an eigentlichem Haushaltungssprit bei Erlass des Beschlusses vom 14. Juli 1917 bereits auf ein Minimum reduziert war. Dieses Minimum wäre durch die unvermeidbare Erhöhung der Brennspritpreise in
kurzem noch weiter eingeengt worden. Den Bedürfniesen der Gewerbe, die, wie die Uhrenmacherei, Brennsprit zu industriellen Zwecken braucht, wird durch Abgabe von Industrieoder Feinsprit nach Möglichkeit Rechnung getragen werden.

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F. Volkswirtschaftsdepartement.

Organisation.

Durch Beschluss vom 17. Juli 1917 haben wir die Organisation des Volkswirtschaftsdepartements neu gestaltet. Eine Neugestaltung ist durch verschiedene Umstände notwendig geworden.

Vorab lag es in der Absicht des Bundesrates, zum Ausdruck zu bringen, dass im Volkswirtschaftsdepartement nunmehr die Obsorge für die gesamten wirtschaftlichen Interessen vereinigt werden soll, soweit nicht bestimmten andernDepartementen, wie z.B. dem Militärdepartement und dem Departement des Innern besondere Aufgaben übertragen worden sind. Hiervon ausgebend, haben wir die Aufgabe des Departements freier und allgemeiner umschrieben, als dies im Bundesgesetz vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung im Anschlüsse an die dort aufgegeführten einzelnen Abteilungen geschehen ist. "Wir verweisen in dieser Beziehung auf Art. l des Beschlusses. Zufolge des im Berichte des Politischen Departements besprochenen Bundesratsbeschlusses vom 26. Juni 1917 ist die Handelsabteilung dem Volkswirtschaftsdepartement zugeteilt worden. Die Aufgaben, die dieser zur Erledigung bis jetzt überlassen worden waren, überstiegen, was die Gresamtleitung betrifft, die Kräfte eines Einzelnen und waren so vielseitig, dass eigentlich niemand in der Lage sein konnte, einen allgemeinen Überblick zu haben und die einzelnen zu treffenden Lösungen in sachverständiger Weise zu beurteilen.

Hiervon ausgehend, haben wir eine Teilung der Aufgaben vorgenommen und haben neben der Handelsabteilung eine solche für industrielle Kriegswirtschaft errichtet, deren umfassender und eminent wichtiger Aufgabenkreis in Art. 8 des eingangs zitierten Beschlusses umschrieben ist. Es handelt sich hierbei in der Hauptsache um die Wahrnehmung der gewaltigen öffentlichen Interessen, die sich an die Versorgung der Industrie mit Roh- und Hülfsstoffen, an die Aufrechterhaltung der nationalen industriellen und gewerblichen Arbeit und an die Ausnützung unserer nationalen Hülfskräfte knüpfen, und die mit der Nutzbarmachung aller produktiven industriellen Kräfte des Landes für die Aufrechterhaltung unserer Volkswirtschaft in Kriegszeiten verbunden sind. Zu den sich hieraus ergebenden Geschäften gesellen sich diejenigen, die sich auf die Warenausfuhr und -einfuhr beziehen.

Es war gegeben, dass gleichzeitig in einem Beschlüsse
die weitern außerordentlichen Abteilungen, Warenabteilung und Fürsorgeamt, zu deren Errichtung der Bundesrat das Departement bevollmächtigt hatte, berücksichtigt und deren AufgabenBundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IV.

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kreis umschrieben wurde. Aber auch in Beziehung auf die bestehenden Abteilungen war überall eine Ergänzung notwendig, die zum Teil nachträglich festlegte, was diese ausserordentliche wirtschaftliche Zeit der Verwaltung an Aufgaben gestellt hatte.

Der Umfang der Geschäfte liess es schliesslich als gegeben erscheinen, dass ein Generalsekretariat geschaffen wurde, in dem wirtschaftlich und juristisch gebildete Kräfte tatig sein sollten.

Es war dies notwendig, um die Arbeitslast des. Departementschefs etwas zu erleichtern und die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen zu organisieren. Soweit sich die Dinge heute überblicken lassen, hat sich die neue Organisation bewährt.

In den ausserordentlichen Abteilungen ist eine grosse Zahl von Personal tätig, welches naturgemäss nicht auf eine gesetzliehe Amtsdauer vom Bundesrate gewählt werden konnte und das demgemäss auch nicht ohne weiteres dem Eechte der Bundesbeamlen unterstellt ist. Wir haben durch die Art. 4 bis 6 des erwähnten Bundesratsbeschlusses diese Verhältnisse geordnet. Darnach soll das gesamte Personal der durch den Bundesrat geschaffenen ausserordentlichen Abteilungen, sowie die in den gesetzlich vorgesehenen Abteilungen angestellten Hülfskräfte, mit Ausnahme der Experten, soweit nicht etwas anderes vorgesehen ist, als Bundesbeamte betrachtet werden. Demgemäss untersteht dieses Personal dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 9. Dezember 1850, und den einschlägigen Bestimmungen des Bundesstrafrechtes. Eine Nebenbeschäftigung ist nur mit schriftlicher Bewilligung des Departementschefs zulässig. In Beziehung auf den Anstellungsmodus, die Dauer der Anstellung, sowie die Besoldungen und Entschädigungen musste allerdings ein Sonderrecht eingeführt werden, denn es war nicht möglieh, das gesamte Personal für eine gesetzliche Amtsdauer \ om Bundesrate wählen zu lassen und es handelt sich auch oft darum, geeignete Personen mit speziellen Kenntnissen zu gewinnen. Aus diesen Erwägungen sind die Bestimmungen der Art. 5 und 6 hervorgegangen.

Das Departement wird auf Grund des Beschlusses, speziell Art. 20, besondere Vorschriften über die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen aufstellen und auch die Frage der Gebührenfestsetzung einer eingehenden Prüfung unterziehen, die vermutlich zu einer Neugestaltung dieser Materie führen wird.

Abteilung für Industrie und Gewerbe.

a. Es ist bekannt, dass die derzeitigen ausserordentlichen Verhältnisse nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für die

89 k a u f m ä n n i s c h e n Angestellten weitgehende Folgen haben.

Einerseits wirkt der Druck der intensiven Teuerung, andrerseits acheint eine gewisse Unsicherheit der Vertragsverhältnisse eingetreten zu sein. Wie wir in unserm VII. Berichte erwähnten, haben sich bereite Arbeitnehmerverbände der Stickereiindustrie veranlasst gesehen, um Abhülfe auf dem Wege eines Bundesratabeschlusses zu ersuchen. Die von ihnen gestellten Postulate wurden zwar vom Kaufmännischen Direktorium in St. Gallen und von den beruflichen Organisationen der Arbeitgeber zum Teil abgelehnt, und es mag fraglich sein, ob die Postulate durchwega begründet und durchführbar seien, und ob auf dem Wege dor Aufstellung allgemein verbindlicher Vorschriften wirklich eine befriedigende Regelung der bestehenden Schwierigkeiten erreicht werden könne. Dagegen muss anerkannt werden, dass die Lage der Handelsangestellten es dem Arbeitgeber nahelegt, ihnen nach Möglichkeit entgegenzukommen. Geschieht dies auch durch viele Firmen, so scheinen andere sich nicht gleich zu verhalten.

Das Departement gelangte zur Ansieht, es sollte vor allem der Versuch einer freundschaftlichen, im beidseitigen Interesse liegenden Verständigung zwischen den beiden Gruppen gemacht werden, und es ersuchte daher den Regierungsrat des Kantons St. Gallen, die Interessenten zu einer Konferenz einzuberufen und seinen Einfluss im bezeichneten 8inne geltend zu machen.

Die Regierung nahm sich der Sache in verdankenswerter Weise an ; ein Abschluss ist noch nicht herbeigeführt.

Die Bestrebungen der kaufmännischen Angestellten, ihre Lage zu erleichtern, machten sich auch in weitern Kreisen geltend. Das Departement hielt es für dringend wünschbar, dass, um eine Verschärfung der Sachlage zu verhüten, ohne Verzug Schritte eingeleitet werden, um eine gütliche Lösung der Schwierigkeiten herbeizuführen. Zu diesem Zweck empfahl es dem Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins, seinen hauptsächlich in Betracht fallenden Sektionen nahezulegen, sich mit den kaufmännischen Vereinen, der wichtigern Plätze in Beziehung zu setzen, um auf dem Wege direkter Unterhandlung die Lösung zu finden. Der Vorort erliess in diesem Sinne am 6. Juli ein Kreisachreiben. In einem gleichzeitigen Erläse an die Geschäftsinhaber verwendete sich das Zentralkomitee des schweizerischen
Kaufmännischen Vereins für die Bewilligung von Teue" rungszulagen.

b. Der schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband trat in einer Eingabe vom 28. Juli dafür ein, dass die v o r u b e ï -

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gehende Überzeit- und Nachtarbeit in den Fabriken, deren Bewilligung bisher' den kantonalen Behörden zustand, sukzessive beseitigt werde. Zur Begründung des Verlangens wurde einerseits hingewiesen auf die Nachteile, die der Arbeiterschaft bei einem unvermittelten Aufhören von Fabrikationszweigen erwachsen können, andrerseits auf die gesundheitliche Schädigung durch Überanstrengung.

Um den bestehenden Zustand hinsichtlich der Ausnahmen von der normalen Arbeitsweise genau festzustellen, liess das Departement durch die Fabrikinspektorate eine Übersicht über die geltenden Bewilligungen der kantonalen Ober- und Unterbehörden ausarbeiten. Die Angelegenheit steht in engem Zusammenhang mit andern wichtigen Fragen (Kohlensparung, Verwendung der elektrischen Kraft) und soll demnächst zum Abschluss gebracht werden, Abteilungen Handel und industrielle Kriegswirtschaft.

A. Wirtschaftsabkommen mit Deutschland.

Am 31. Juli 1917 lief das für die Monate Mai bis Juli erneuerte Wirtschaftsabkommen mit Deutschland ab (vgl. den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 24. Mai 1917). Der Bundesrat sah sieh damit vor die Frage gestellt, ob die Handelsbeziehungen mit Deutschland durch ein Abkommen neu geregelt werden sollen oder ob einem vertraglosen Zustand der Vorzug zu geben sei.

Deutschland fühlte seinerseits kein Bedürfnis, zu einem Abkommen zu gelangen. Es machte geltend, dass die verfügbaren Quantitäten der hauptsachlichsten Waren, deren wir bedürfen, im eigenen Lande bescheiden seien, ja, dass deutscherseits deren Lieferung eigentlich nur auf Kosten des inländischen Bedarfes erfolgen könne. Unter diesen Umständen, wurde uns erklärt, wäre es für Deutschland eigentlich richtiger, sich nicht zu binden und namentlich an Kohle und Eisen einfach diejenigen Quantitäten nach der Schweiz abzugeben, deren das Inland entraten könne, um sich dann auch für den Preis keine Beschränkungen aufzuerlegen. Wenn aber ein Abkommen abgeschlossen werden solle, so wurde weiter ausgeführt, so müsse ein solches doch für Deutschland gewisse Vorteile bieten, die eine Bindung in Beziehung auf Preis und Quantitäten von Waren gerechtfertigt erscheinen lassen. Insbesondere wurde von Anfang der Verhandlungen an darauf hingewiesen, dass Deutschland sich bei dieser

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Gelegenheit die nötigsten Mittel zur Deckung der von ihm in der Schweiz zu leistenden Zahlungen zu verschaffen bestrebt sein müsse. Es wolle dabei der Schweiz nicht einen Kohlenpreis auferlegen, wie ihn andere Länder effektiv bezahlen, sondern neben einer gewissen Preiserhöhung für Kohle und auch für Eisen sich die notwendigen Mittel durch die Benützung eines Kredites verschaffen, der seitens der Schweiz gegen angemessene Verzinsung und Sicherstellung einzuräumen wäre.

Mit diesen Eröffnungen sah sich der Bundesrat vor eine ganz neue Situation gestellt, und er 'inusste sich überlegen, ob er trotzdem zum Abschlüsse einer Übereinkunft die Hand bieten wolle. Nach reiflicher Abwägung und Prüfung aller Verhältnisse sind wir in vollständiger Übereinstimmung mit den von uns bestellten Unterhändlern, den Herren Nationalräten Frey, Mosimann und Schmidheiny, Herrn Prof. Dr. Laur und Herrn Dr. Käppeli, Chef der Abteilung für Landwirtschaft, zum Schlüsse gelangt, dass die Schweiz es auf einen vertragslosen Zustand nicht ankommen lassen dürfe. In einem solchen Falle wäre die Lieferung von Kohle zwar nicht abgeschnitten, aber immerhin speziell auch unter dem Einflüsse der Nachfrage aus andern Ländern wesentlich reduziert und gar in das Belieben der Lieferanten gestellt worden. Eine planmässige Versorgung unseres Landes mit Kohle wäre unter solchen Verhältnissen absolut undenkbar gewesen. Die schon vom Auslande verlangten hohen Preise wären im Inlande /ufoige intensiver, stürmischer und ungeregelter Nachfrage noch gewaltig gesteigert worden, ohne dass, wie die Erfahrung lehrt, mit Höchstpreisen solchen wirtschaftlichen Vorgängen mit durchschlagendem Erfolg entgegengetreten werden könnte.

Aus diesen und andern Erwägungen haben wir uns auch bereit erklärt, den Weg zur Eröffnung eines Kredites zu beschreiten.

Allerdings nur unter der Bedingung, dass dieser in monatlichen Raten gewährt und ,in direkte Beziehung zu den effektiven Lieferungen, insbesondere an Kohle, gesetzt werde. Wir verlangten aber auch, dass die Kreditsumme nicht gleichmässig auf die G-esamtlieferung verteilt werde, sondern dass im Hinblick auf den Export elektrischer Energie und auf die Verwendung solcher für die Herstellung gewisser Produkte des elektrischen Ofens in der Schweiz -- ein wirtschaftlicher Vorgang, der übrigens nach beiden Seiten
in Erscheinung tritt -- ein erhebliches Kohlenquantum uns vorschussfrei gesichert werde. Nach Überschreitung eines Freiquantums, das auf 74,000 Tonnen pro Monat festgesetzt wurde,

92 sollte dann der Kredit progressiv mit der Kohlonlieferung ansteigen, um schließlich bei der vorgesehenen monatlichen Menge von 200,000 Tonnen seine Maximalhohe zu erreichen. Wir bezweckten, uns auf diese Art und Weise praktische Garantien für die Kohlenlieferung zu schaffen, in einer Zeit, da mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten in Förderung und Transport und auf unvorhergesehene Ereignisse eine vertragliche Garantie nicht erreicht werden kann.

Wirtschaftlich glauben wir die Gewährung eines solchen Kredites an Deutschland verantworten zu können. Die schweizerische Valuta steht bekanntlich gegenwartig wesentlich höher als diejenige der kriegführenden Staaten. Darin kommt die Tatsache /;um Ausdruck., dass das Ausland bei uns mehr Zahlungen zu leisten hat als wir dort. Infolgedessen war flir uns, wie zuverlässige Aufstellungen erweisen, eine Gefahr nicht vorhanden, dass der von uns einzuräumende Kredit einen effektiven Geldexporl zur Folge habe ; gegenteils wird auch unter solchen Verhältnissen vermutlich unsere Zahlungsbilanz mit Deutschland noch aktiv verbleiben. Dazu kommt nun, dass unser Land an uasern heutigen Valutaverhältnisscn kein wirtschaftliches Interesse hat; denn diese erschweren, ja verhindern unsern Export und provozieren in den Landern, mit denen wir in lebhaften wirtschaftlichen Beziehungen stehen, Einfuhrverbote. Danach kann 'die Eröffnung dieses Ki edites, wenn er eine weitere Entwertung der deutschen Valuta verhindert, in seinen wirtschaftlichen Folgr-n nicht als für unser Land schädlich bezeichnet werden.

Dagegen muss allerdings ausgesprochen werden, dass unsere verhallnismassige Geldabondanz auf das Vorhandensein von liquiden Mitteln zurückzuführen ist, die eine kurzfristige Anlage suchen. Unsere Banken schulden grosse Summen, die ihnen von heute auf morgen oder innert kurzer Frist entzogen werden können. Es wäre nun ungesund und sogar direkt gefährlich, wollte man solche Geldmittel für Anlagen verwenden, die zwar vielleicht formell, weil sie gegen Wechsel gemacht werden, scheinbar kurzfristig sind, tatsächlich aber doch auf längere Zeit gegeben werden müssen. Mit andern Worten, es musste vermieden werden, dass ein allfälliges Anleihen ganz einfach durch Wechsel gewährt werde, dio in die Portefeuilles der Banken gehen und dort immer und immer wieder erneuert werden. Als
wir uns daher entschlossen, einen Vorschuss zu gewähren, um >ms Garantien für dio Beschaffung von Kohle zu einem bestimmten Preise zu sichern, mussten wir uns gleichzeitig Rechenschaft

93 geben über die Finanzierung dieses Anleihens. Dieses rnuss durch eine besonders hierzu berufene Organisation durchgeführt werden, die die notwendigen Mittel auf breiter Grundlage sucht und zum Risiko der ganzen Operation diejenigen herbeizieht, die an der Einfuhr von Kohlp zu einem erträglichen Preise besonders lebhaft interessier! sind, Dass es bei den Verhandlungen galt, das monatliche Betreffnis in möglichst bescheidenen Grenzen zu halten, braucht wohl keiner weitern Begründung. Wir werden auf diese interne Frage weiter unten noch zurückkommen.

Aus den Verhandlungen, die am 20. August ihren Abschluss fanden, ist ein Abkommen über den Ausfuhrverkehr hervorgegangen, im wesentlichen auf derselben Grundlage, wie das im Herbst 1916 abgeschlossene und das den folgenden Wortlaut hat: § 1. Deutschland erteilt Ausfuhrbewilligungen für 200,000 Tonnen Kohle und 19,OJO Tonnen Eisen und Stahl monatlich.

Es wird in dem ernsten Bestreben, die Schweiz mit Kohle und Eisen zu versorgen, alles unter den gegebenen Verhältnissen Mögliche tun, um die Lieferer zur Lieferung anzuhalten und den Transport zu fördern.

Der Preis für obige 200,000 Tonnen Kohle wird bis zum 30. April J918 auf der Basis von Fr. 90 für die Tonne ab Grube einschliesslich Kohlensteuer Vertragspreis Saar festgesetzt.

Die Preise für Eisen und Stahl sind wie in Anlage l angegeben vereinbart worden.

Frachterhöhungen gehen zu Lasten des schweizerischen Abnehmers, Erhöhungen der Kohlensteuer, sowie alle etwaigen neuen Steuern und Gebühren oder Abgaben zu Lasten des Lieferers.

Eine Differenzierung in der Fracht zwischen schweizerischen und deutschen Abnehmern findet nicht statt, § 2. Die Schweiz gewahrt Deutschland einen Kredit von 20 Millionen Franken monatlich nach Massgabe des Kreditabkommens in Anlage 2.

§ für zu bisher erteilt

3. Im übrigen werden beiderseits Ausfuhrbewilligungen vereinbarende Austauschmengen und darüber hinaus wie ohne besondere Gegenleistung im Rahmen des Möglichen werden.

§ 4. Die Schweiz wird dafür sorgen, daes die Beurteilung von Gesuchen betreffend Ausfuhr von Waren nach den EntenteStaaten oder durch diese nach neutralen Ländern durch die Treuhandstelle und die Ausfuhrkommission II im gleichen Rahmen

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und in gleicher Ausdehnung erfolgt, wie dies hinsichtlich der Gesuche für Ausfuhr nach den Zentralmächten oder durch diese nach neutralen Ländern durch die 8. S. S. und die Ausfuhrkommission I geschieht.

Deutscherseits wird den in Anlage 3 enthaltenen schweizerischen Vorschriften über die Ausfuhr von Kriegsmaterial zugestimmt.

§ 5. Dieses Abkommen über den Ausfuhrverkehr läuft bis zum 30. April 1918, doch hat jeder Teil das Recht, mit zweimonatlicher Frist zum Monatsende zu kündigen.

Zu den einzelnen Bestimmungen gestatten wir uns, unter Beiziehung des Inhaltes der Anlagen, folgende Bemerkungen: .

a. Wie bisher, verpflichtet sich Deutschland nicht, Kohle und Eisen zu liefern. Es erklärt bloss, Ausfuhrbewilligungen für 200,000 Tonnen Kohle und 19,000 Tonnen Eisen und Stahl monatlich zu erteilen. Deutschland erklärt weiter das folgende: flEs wird in dem ernsten Bestreben, die Schweiz mit Kohle und Eisen zu versorgen, alles unter den gegebenen Verhältnissen Mögliche tun, um die Lieferer zur Lieferung anzuhalten und den Transport zu fördern."

Eine eigentliche vertragliche Bindung war nicht erhältlich, da ja auch diese unter dem Vorbehalt höherer Gewalt hätte erfolgen müssen und da Deutschland geltend machte, es möchte sich für den Fall, dass es zufolge höherer Gewalt seinen Lieferungsverpflichtungen nicht nachkommen könnte, nicht neuerdings dem Vorwurf des Vertragsbruches aussetzen. Die beste Garantie für die effektive Lieferung von Kohle speziell liegt, neben dem zweifellos vorhandenen guten Willen der deutschen Regierung, die Lieferungen zu fördern, in dem Interesse, das sie hat, durch erhebliche Lieferungen den benötigten Kredit zu erhalten. Der Preis der Kohle, der bis jetzt auf einer Basis von Fr. 60 für die Tonne, ab Saargrube, festgesetzt war, wurde nunmehr auf Fr. 90, Vertragspreis einschliesslich Kohlensteuer, festgesetzt. Gegen weitere Steuern ist die Schweiz durch § l, Absatz 4, des Übereinkommens geschützt.

Der Kohlenpreis von Fr. 90 ist zweifellos hoch, eine weitergehende Konzession konnte aber leider nicht erreicht werden.

b. Die Preise für Eisen und Stahl sind in den hauptsächlichsten Sorten und Arten um Fr. 200 für die Tonne erhöht worden, was bei vollständiger Lieferung der vereinbarten Quan-

95 titäten eine monatliche Mehrausgabe von zirka 3 Millionen Franken ausmacht.

Wir geben in Folgendem die Anlage l zum Abkommen wörtlich wieder: Eisenpreise.

1. Stab- und Formeisen (gewöhnliche handelsübliche Flusseisen-Qualität): Die alten Abschlüsse bleiben bestehen mit einem Zuschlag von 200 Franken für die Tonne, jedoch darf der Gesamtpreis 700 Franken für die Tonne nicht übersteigen. Der Preis für neue Abschlüsse beträgt nicht mehr als 700 Franken für die Tonne. Die Preise verstehen sich frei ab Werk.

2. Halbzeug (gewöhnliche handelsübliche Flusseisen-Qualität): 750 Franken für die Tonne frei ab Werk.

3. Gewöhnliche Thomas-Behälter-Bleche : 900 Franken für die Tonne frei ab Werk.

(Für die vorstehend unter l--3 genannten Erzeugnisse treten bei erhöhter Qualität, besonderen Abmessungen und Bearbeitungen entsprechende Überpreise ein.} 4. Röhren : Alte Listenpreise mit 200 Franken Zuschlag für die Tonne frei ab Werk.

5. Giesserei-Roheisen Deutsch 1: 550 Franken für die Tonne frei ab Werk.

,, ,, ,, III : 540 Franken für die Tonne frei ab Werk.

Luxemburgisches Giesserei-Roheisen III : 510 Franken für die Tonne frei ab Werk.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die bisher bestehende Genossenschaft ,,Schweizerische Eisenzentrale" nunmehr dahinfällt und in beidseitigem Einverständnis durch oine behördliche Organisation mit gleichem Titel ersetzt wird, welche für eine sachgemässe Verteilung des Eisens sorgen und eventuell auch selbst im Interesse des schweizerischen Bedarfes Eisen erwerben darf.

c. Wir geben das im Anschluss an das Hauptabkommen abgeschlossene Kreditabkommen nachstehend wörtlich wieder: Kreditabkommen.

Eine zum Zweck der Begünstigung des Kohlenimportes zu begründende schweizerische Finanzorganisation gewährt einer von

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der deutschen Regierung zu bezeichnenden Bank oder Bankgruppe einen Kredit unter folgenden Bedingungen : 1. Die Kohlenausfuhr und die Kreditgewährung werden nach Massgabe folgender Staffelung voneinander abhangig gemacht : Monatslieferung von Kohlen nach der Schweiz in Tonnen auf Grund der schweizerischen Zollfeststellungen : bis

74,000 Tonnen

Am 15 des Kohlenlieferung folgenden Monats von der Schweiz an Deutschland zu gewahrender Kredit für jede gelieferte Tonne : nichts

,, 85,000 ,, Schweizer Franken 30.-- ,, 100,000 ,, ,, ,, 45.-- ,, 125,000 ,, ,, 60.-- ,, 150,000 , ,, ; 75.-- ,, 175,000 ,, ., 90.-- v ,, 200,000 ,.

,, ,, 100.-- Die errechneten Beträge werden auf Schweizer Franken 100,000 nach unten abgerundet.

Erfolgt die Kreditgewährung nicht in der vorgesehenen Weise, so kann eine Erhöhung der Kohlenpreise eintreten.

2. Sollte die Kohlenausfuhr nach Ablauf von drei aufeinanderfolgenden Monaten in diesen Monaten zusammen mehr als 600,000 Tonnen betragen, so kann deutscherseits am 15. des folgenden Monates ein weiterer Kredit von Schweizer Franken 200 für eine Tonne des Überschusses verlangt werden, unter der Voraussetzung, dass in der vierteljährlich gelieferten Kohle 117,000 Tonnen Gaskohle enthalten sind.

3. Der Kredit wird gewahrt gegen in Schweizer Franken auszustellende und in der Schweiz zahlbare Dreimonats-Solawechsel über je Schweizer Franken 100,000 (Einhunderttausend Schweizer Franken) der Zentral-Einkaufsgesellschaft m. b. H., Berlin, die das Giro einer erstklassigen deutschen Bank tragen.

Die Wechsel werden jeweils bei Verfall bis zur endgültigen Rückzahlung des Kredites (vgl. Nr. 7) erneuert.

4. Der Zins betragt 6 % Csechs) pro Jahr und ist jeweils bei Diskontierug der Wechsel für drei Monate zum voraus, nebst einer Provision von 1/4 (ein Viertel) Prozent pro Quartal zu vergüten.

5. Als Sicherheit für den Kredit werden mit dem Recht der Weiterverpfändung erstklassige deutsche Hypothekar-Pfandbriefe hinterlegt, die der schweizerischen Finanzorganisation über-

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geben werden. Die Deckung beträgt bis auf weiteres für je 1000 Schweizer Franken Kredit 2000 Mark 4 %iger Pfandbriefe.

Werden niedriger verzinsliche Pfandbriefe hinterlegt, so erhöht sich das Sicherheitspfand im Verhältnis des Kurses dieser Pfandbriefe zu den 4 °/oigen. Fällt der Kurs der Pfandbriefe oder der Kurs der deutsehen Voluta, so ist von deutscher Seite Nachdeckung zu leisten. Steigt der Kurs der deutschen Voluta oder der Kurs der Pfandbriefe, so ist auf Verlangen ein Verhältnismassiger Teil der Pfänder zurückzugeben, immerhin nur dann, wenn die Marge mehr als 20 (zwanzig) Prozent beträgt.

6. Die Schweiz gewährt am Tage der Ratifizierung des Abkommens über den Ausfuhrverkehr einen Vorschuss von 20 Millionen Schweizer Franken für den Monat August 1917, der endgültig auf Grund der Kohlenlieferungen im Monat April 1918 verrechnet werden soll. Bei Kündigung des Abkommens wird die Kohlenlieforung des letzten, in das Abkommen fallenden Monats, zugrunde gelegt.

7. Die Rückzahlung der Kreditbeträge hat in Monatsraten zu erfolgen, die denjenigen entsprechen, in welchen die Kredite gewährt werden. Die erste Monatsrate der Rückzahlung wird am 31. Oktober 1920 fällig, die übrigen Raten jeweils am Ende der folgenden Monate.

* Wird das abgeschlossene Abkommen über den Ausfuhrverkehr in der Zeit vor dem 30. April 1918 gekündigt, so beginnt die Rückzahlung der Monatsraten um so viel Monate früher, als an dem normalen Ablauf des Abkommens fohlen.

.Erfolgt die Rückzahlung in G-old, so wird das Gold nach Peingehalt und Gowicht in Zahlung genommen zum Preise von Schweizer Franken 3437 (dreitausendvierhundertsiebenunddreissig Schweizer Franken) für l fein) Kilo Feingold.

8. Wird nach Ablauf des abgeschlossenen Abkommens die Versorgung der Schweiz mit Kohle seitens Deutschlands nicht fortgesetzt, so werden die vorstehend vereinbarten Rückzahlungstermine um 12 Monate früher gelogt.

Im Anschlüsse an diese Bestimmungen seien uns noch einige Bemerkungen gestattet. Über eine ganz speziell wichtige Frage, die Staffelung des Kredites, haben wir uns bereits ausgesprochen.

Die hiervor abgedruckte Skala erlaubt, für jedes gelieferte Quantum Kohle den entsprechenden Kreditbetrag festzustellen.

Lange und mühsame Erörterungen veranlasste die Frage dos Rückzahlnngstermines. Nach Massgabe von Ziffer 7 ist nun die

98 mittlere Kreditdauer unter Berücksichtigung der Auszahlung der Monatsbeträge und der Rückzahlung derselben ziemlich genau drei Jahre. So wünschenswert es gewesen wäre, sich in dieser Beziehung eine kürzere Frist sichern zu können, so scheiterte doch dieser von uns geltend gemachte Wunsch am Widerstande Deutschlands. Dagegen haben wir darauf bestanden, dass die Rückzahlungstermine um 12 Monate früher gelegt werden, wenn nach Ablauf des abgeschlossenen Abkommens die Versorgung der Schweiz mit Kohle seitens Deutschlands nicht fortgesetzt werde sollte. Es braucht wohl kaum ausgeführt zu werden, dass wir für diesen Fall am liebsten die sofortige Rückzahlungspflicht statuiert hätten, allein auch diese Bedingung konnte eben nicht durchgesetzt werden.

d. Das vertragliche Verhältnis beruht, wie aus § 3 des oben, abgedruckten Abkommens über den Ausfuhrverkehr hervorgeht, auf dem Grundsatze, beiderseits Ausfuhrbewilligungen für zu vereinbarende Austauschmengen und darüber hinaus, wie bisher, ohne besondere Gegenleistung im Rahmen des Möglichen zu erteilen. Damit bleibt das System der speziellen Kompensationen ausgeschlossen und der seit Jahresfrist geübte, durch das Übereinkommen vom September 1916 eingeführte Grundsatz sanktioniert. Wir möchten nicht unterlassen hervorzuheben, dass das Prinzip der Lieferung im Rahmen des Möglichen für beide Teile und auch im Hinblick auf diejenigen "Waren gilt, für die noch besondere Austauschmengen, wenigstens programmatisch, vorgesehen worden sind. Wie letztes Jahr, soll Deutschland auch dies* mal erhebliche Mengen von Kunstdünger nach der Schweiz abgeben; in Form von Rohzucker den Ersatz des Zuckers bieten, der in Schokolade, Früchten, Kondensmilch, Konserven usw. 'aus der Schweiz nach Deutschland geliefert wird. Daneben sollen Sämereien, Stroh, Benzin und Zink zur Lieferung gelangen.

Die für die Schweiz vorgesehenen Lieferungen an Milchprodukten stehen erheblich unter den im letztjährigen Abkommen vorgesehenen Quantitäten. An Vieh sind neben Ziegen nur 10,000 Stück zur Ausfuhr vorgesehen, ohne dass seitens Deutschlands eine Verpflichtung zur Abnahme bestünde. Weiter soll die Schweiz bescheidene Mengen von Schokolade und Konserven, sowie, wenn möglich, Obst, Obstwein, Traubenwein und ähnliche Produkte abgeben. Gewisse Lieferungen in diesen Waren waren die zwingende
Voraussetzung des Abkommens. Wir haben uns immerhin mit Erfolg bemüht, die in Betracht fallenden Quantitäten so stark als möglich zu reduzieren. Insbesondere kommt dies beim Export

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des Viehes zum Ausdruck. Die Reduktion desselben wird nicht verfehlen, auf das inländische Angebot einen erheblichen Einfluss ausüben und in Verbindung mit andern Massnahmen dazu beitragen, die Fleischpreise zu beeinflussen. Bei diesem Anlasse möchten wir dem Irrtum entgegentreten, als ob die Schweiz stets alle vorgesehenen Austauschmengen an Waren geliefert habe, während uns Deutschland oft im Stich gelassen habe. Beide Regierungen haben immer den guten Willen bewiesen, das vorgesehene Ausfuhrprogramm zu realisieren. Beide waren aber gelegentlich vor die Tatsache gestellt, dass die in Aussicht genommenen Lieferungen sich als unmöglich erwiesen.

e. Bekanntlich haben die beiden Gruppen der Kriegführenden der Schweiz einschränkende Bedingungen auferlegt, in Beziehung auf die Ausfuhr von Waren, die nach der andern Seite der Kriegführenden gehen sollen, und die mit Hülfe von Produkten hergestellt werden, die aus dem dem Bezugslande feindlichen Ausland stammen. Durch Ziff. 4 des Abkommens über den Ausfuhrverkehr wird nun festgestellt, dass die Beschränkungen naóh beiden Seiten die gleichen sein sollen. Es sollen also mit deutschem Material hergestellte Produkte nur dann nach den Ententestaaten exportiert werden können, wenn eine solche Ausfuhr auch nach den Zentralmächten zulässig wäre, vorausgesetzt, dass das Material, aus dem die Produkte hergestellt worden sind, aus den Ententestaaten eingeführt wurde. Diese Bestimmung enthält für die Schweiz eher eine gewisse Erschwerung, konnte aber, nachdem wir einmal auf den Weg grosser wirtschaftlicher Beschränkungen gedrängt worden sind, mit Erfolg nicht abgelehnt werden.

In einer Anlage 3 zum Abkommen wurden schweizerischer·geits Vorschriften betrefifend die Ausfuhr von Kriegsmaterial aufgestellt, denen deutscherseits zugestimmt worden ist und mit denen sich auch die Vertreter der Entente einverstanden erklärt haben. Dieses ausführliche Aktenstück, welches die Zulässigkeit ·der Ausfuhren und das Ausfuhr v erfahren regelt, wird jedem Interessenten gedruckt zur Verfügung gestellt. Es ist zu ausführlich, als dass es in diesem Berichte Aufnahme finden könnte.

Hierfür besteht auch kein Bedürfnis. Dagegen soll hervorgehoben werden, daiäs durch diese Vorschriften eine ganze Reihe von Streitfragen aus der Welt geschafft werden und auch gewisse , Vereinfachungen eintreten, die es eher erlauben, eine Kontrolle durchzuführen.

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f. Die Dauer des Abkommens ist neun Monate. Deutscherseits wurde jedoch die Aufnahme einer Kündigungsklausel postuliert.

Da die Möglichkeit einer vorzeitigen Aufhebung des Abkommens unter Umständen auch im Interesse der Schweiz liegen könnte, hat man sich auf eine Kündigungsfrist von zwei Monaten, auszuüben je auf Monatsende, geeinigt. Während der Dauer des Abkommens bleiben, wie wir schon ausgeführt haben, alle die Bestimmungen der frühem Abkommen, die nicht ausdrücklich aufgehoben worden sind, in Kraft.

Nachdem wir den Inhalt des Abkommens besprochen haben, müssen noch zwei Punkte hervorgehoben werden, die leider nicht geregelt werden konnten. Deutschland hat, wie auch andere kriegführende Länder, Einfuhrverbote erlassen. Es ist nicht möglich geworden, sich über deren Beschränkung zu einigen und die Ausfuhr bestimmter industrieller Produkte aus der Schweiz nach Deutschland zu sichern. In der für die Monate Mai bis Juli gültig gewesenen Übereinkunft war eine solche Regelung mittels Eröffnung eines Kredites von je 6 Millionen Franken pro Monat erzielt worden. Die Unterbringung dieses Vorschusses, d. h.

namentlich die Beteiligung der an der Erwirkung der Einfuhr in Deutschland interessierten Industrien hot jedoch erhebliche Schwierigkeiten und die Stimmung ging auch in industriellen Kreisen schliesslich dahin, dass von besondern Konzessionen unter dem Gesichtspunkt der Einfuhrmöglichkeit besser abgesehen werde.

Damit ist natürlich nicht gesagt, dass Deutschland schweizerische Industrieprodukte nicht zur Einfuhr zulässt. Dagegen ist in jedem einzelnen Falle eine besondere Bewilligung erforderlich.

Der zweite Punkt betrifft den Transport durch Deutschland von für die Schweiz bestimmten und von ihr zu exportierenden Waren. Hierbei fällt namentlich der Warenverkehr mit Holland und den skandinavischen Ländern in Betracht. Auch in dieser Beziehung erklärte Deutschland, bei dem System der Prüfung des einzelnen Falles oder bestimmter Kategorien von Fällen verbleiben zu müssen und lehnte generelle Zusicheruugen des Transportes des entschiedensten ab. Diese Lösung ist insbesondere im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten für unsere Industrien in den nordischen Ländern bedauerlich, und wir werden nicht ermangeln zu versuchen, durch weitere Verhandlungen zu einer befriedigenderen Lösung zu kommen.
"Würdigen wir das Abkommen in seiner Gesamtheit, so ist vor allem aus festzustellen, dass es ungünstiger ist als das vor einem Jahr abgeschlossene. Die wirtschaftlichen Verhältnisse

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haben sich verschlimmert; die Beschaffung aller Waren wird immer schwieriger ; die Preise steigen ; die wirtschaftlichen Folgen des Krieges machen sich in der ganzen Welt immer intensiver bemerkbar. Mit Rücksicht auf diese unbestreitbare Tatsache muss sich auch die Schweiz mit einem Abkommen abfinden, das eigentlich für beide Teile nicht befriedigend erscheinen mag. Seine Beurteilung muss aus den heutigen Verhältnissen heraus erfolgen und der durch den Abschluss begründete Zustand mit dem verglichen werden, der ohne Abkommen eintreten würde. Halt man sich vor Augen, in welche Lage die Schweiz durch Mangel an Kohle und Eisen im Transportwesen, Industrie, Gewerbe und Haushalt versetzt würde, so erscheinen die von uns angenommenen Bestimmungen als schliesslich erträgliche Konsequenzen der heutigen ausserordentlichen, im Kriege begründeten, bedauerlichen wirtschaftlichen Verhaltnisse. Das Volkswirtschaftsdepartement hat vor Ratifizierung des Abkommens Vertreter der wirtschaftlichen Interessegruppen und namentlich der Hauptindustrien zu einer Konferenz zusammenberufen und ihnen Inhalt und Zustandekommen der Übereinkunft erläutert. "Wurden in dieser Konferenz auch einige Bedenken geäussert, so war doch die Stimmung weit überwiegend für die Ratifizierung des Abkommens. Man sagte sich insbesondere, es bestehe für die Schweiz die Notwendigkeit, sich Kohle und Eisen zu sichern, und selbst die Gewährung eines erheblichen Vorschusses erscheine günstiger als die definitive Bezahlung weit höherer Preise. Sowohl wir, wie diese Konferenz, haben sieh die Rückwirkung überlegt, die die finanzielle Operation auf das Verhältnis der Schweiz zur Enteute zur Folge haben kann. Auch diese Erwägung- konnte uns indessen nicht abhalten, den gebieterischen Gründen, die für die Genehmigung des Übereinkommens sprechen, zu folgen.

Die Billigkeit gebietet, jedesmal, wenn die Schweiz ihre wirtschaftliche Lage mit Kriegführenden ordnet, sich in die Lage dieser Länder und ihrer Regierungen zu versetzen, sich die gewaltigen Widerstände und Schwierigkeiten vor Augen zu führen, mit denen die Kriegführenden zu rechnen haben. Geschieht dies auch hier, und hält man sich vor Augen, dass auch Deutschland mit Kohlenverlegenheit zu rechnen haben wird, so wird man bei objektiver Abwägxing nicht bestreiten können, dass die vorliegende vertragliche
Regelung trotz gewisser Härten ihr Zustandekommen doch auch dem Willen der deutschen Regierung verdankt, unter den obwaltenden Verhältnissen der Schweiz freundschaftlich entgegenzukom meri.

102 B. Wirtschaftliches Verhältnis zur Entente.

Die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln und gewissen Rohstoffen wird vor allem aus durch die Haltung beherrscht, die die Vereinigten Staaten von Amerika im allgemeinen gegenüber den neutralen Ländern und gegenüber der Schweiz einnehmen.

Nach den durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten publizierten Erlassen ist in bezug auf amerikanische Produkte für alle feindlichen Staaten ein vollständiges Ausfuhrverbot erlassen worden, während es sich für die Neutralen nur um eine äusserst strenge Kontrolle handeln soll. Die Verschiffung von Waren nach neutralen Ländern soll nur noch auf Grund von Ausfuhrbewilligungen gestattet werden. Soweit nicht Kriegsinteressen entgegenstehen, soll möglichstes Entgegenkommen in Beziehung auf die Neutralen geübt werden.

Es ist schwer, sich über die Tragweite und Wirkung des Erlasses gegenwärtig ein abschliessendes Urteil zu bilden. Jedenfalls muss aber damit gerechnet werden, dass, zumal am Anfang, bis die Erlasse sich eingelebt haben, oder die Ausführungsbestimmungen überhaupt erschienen sind, bedeutende Schwierigkeiten und namentlich erhebliche Verzögerungen entstehen. Für die nächsten Monate dürfte sich speziell die Lebensmittelausfuhr nach der Schweiz in sehr unbefriedigender Weise vollziehen.

Schon seit einiger Zeit ist es bekanntlich ausgeschlossen, Bewilligungen für die Ausfuhr von Weizen zu erhalten, und zurzeit besteht dieses Verbot noch weiter. Dagegen hofft man, dass Unterhandlungen über die Abgabe von Lebensmitteln Erfolg haben werden, und dass im Spätherbst auch die Verschiffung von Weizen wieder zulässig erklärt werden wird. Die Ausfuhr gewisser Waren ist bis zur Feststellung des Verteilungsprogramms Amerikas für die Neutraleu und die Alliierten gesperrt. Für die Schweiz entsteht durch dieses Verhältnis schon dadurch eine grosse Inkonvenienz und Gefährdung, dass der zurzeit verfügbare, sehr knapp bemessene Schiffsraum nicht ausgenützt werden kann, und dass inzwischen unsere Vorräte zurückgehen und es wohl seinerzeit schwierig sein dürfte, die nötige Verschiffungsgelegenheit zu finden.

Trotz des zweifellosen Ernstes der Situation rechnen wir auf ein freundschaftliches Entgegenkommen des Präsidenten und der Regierung der Vereinigten Staaten, mit der die Verhandlungen über die Versorgung der Schweiz
aufgenommen wurden und hoffentlich auch zu einem befriedigenden Ende geführt werden können.

Erhebliche Schwierigkeiten bieten auch die Transporte, und zwar sowohl zu Wasser wie zu Lande. Wir bemühen uns stets

103 ·durch Vermittlung unseres Transportamtes und anderer Beziehungen, sowohl für die Verschiffung der Waren, die der Bund selbst einführt, wie für die übrigen Warenkategorien den nötigen Schiffsraum zu sichern und auch die Zufuhr zu Lande besser zu gestalten. Indessen begegnen wir bei diesen Bestrebungen grossen Schwierigkeiten und Transportverzögerungen, die vor allem auf die ausserordentlichen Verhältnisse und militärische Rücksichten zurückzuführen sind. In neuester Zeit hat die französische Regierung «ine Vorschrift erlassen, die geeignet ist, die Beziehungen des schweizerischen zum französischen Handel und die Warenbeschaflung erheblich zu erschweren. Nach einem Dekrete vom 14. Juli 1917 über den indirekten Transit könnte in Zukunft die Schweiz über Frankreich nur diejenigen Waren einführen, die überseeisch mit ·direkten Konnossementen nach der Schweiz, also sichtbar von Anfang an für diese bestimmt, eintrefien. Die strikte Anwendung dieser Vorschrift würde dazu führen, dass die in Frankreich' für Rechnung der Schweiz mit französischen Konnossementen angekommenen Waren nicht nach der Schweiz ausgeführt werden könnten, und dass in Zukunft beim Einkauf von Waren in Amerika, die für schweizerische Rechnung bestimmt sind, die Schiffspapiere von vornherein auf den schweizerischen Interessenten ausgestellt werden müssten. Aus dem letzteren Verhältnis wiederum würden aich zweifellos erhebliche Störungen im überseeischen Transit ergeben. Anderseits ist es nicht zu vermeiden, ·dass durch solche Bestimmungen alt hergebrachte Handelsbeziehungen der schweizerischen mit französischen Kaufleuten gestört wurden, und dass der schweizerische Handel, einmal daran gewöhnt, während des Krieges direkt überseeisch zu kaufen, vielleicht nach Friedensschluss bei diesem System bleiben würde.

Wir glauben daher, es liege im beidseitigen Interesse, dass auf dieses Dekret zurückgekommen werde. Für einmal hat die französische Regierung einen Aufschub in der Wirksamkeit bis 1. Oktober dieses Jahres bewilligt.

Eine weitere erhebliche Erschwerung unserer Handelsbeziehungen mit den Alliierten ergibt sich aus den gegenwärtigen Valutaverhältnissen. Die französische, englische, italienische Valuta, ja sogar der amerikanische Dollar, ist im Kurse im Verhältnis zu Sohweizerfranken sehr stark zurückgegangen, so dass beispielsweise
für 100 Schweizerfranken in Paris bis 130 französische Franken bezahlt werden müssten. In letzter Zeit ist hierin eine gewisse Besserung eingetreten. Immerhin ist das Disagio noch ein sehr beträchtliches. Diese Verhältnisse haben den erwähnten Ländern ·den Erlass von Einfuhrverboten nahegelegt, um so namentlich Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IT,

8

104 den Bezug von "Waren zu verhindern, deren die Volkswirtschaft entbehren kann. Solche Verbote wurden von Grossbritannien, Frankreich und Italien am 23. Februar, 22. März und 1. April erlassen. Durch Verhandlungen, die sich zum Teil bis in den Monat Juli hineinzogen, ist es gelungen, von Grossbritannien Zugeständnisse zu erlangen, durch welche ungefähr die Hälfte des Absatzes für gewisse, sogenannte Luxusindustrie (Seide, Stickerei, Wirkerei, Stroh- und Uhrenindustrie) gesichert werden konnte.

Italien hat in entgegenkommender Weise seine Verbote mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Schweiz keine Einfuhrverbote erliess, gegenüber uns nicht angewendet. Mit Frankreich sind die Verhandlungen, durch welche uns Einfuhrkontingente für diese Waren eingeräumt werden sollten, noch nicht abgeschlossen. In den Verhandlungen, die in Paris geführt wurden, war als Gegenleistung der Schweiz für die G-ewährung gewisser Einfuhrkontingente die Einräumung eines erheblichen Kredites vorgesehen.

Diese Verhandlungen werden nunmehr eine Erweiterung erfahren. Es ist unser Bestreben, die Zufuhr der Schweiz in Lebensmitteln und Rohstoffen durch ein Abkommen zu sichern und uns tunlichstc Verkehrserleichterungen zu erwirken, und wir sind überzeugt, in der Diskussion dieser Wünsche bei den alliierten Regierungen freundschaftliches Entgegenkommen zu finden. Wir haben uns bereit erklärt, auch gegenüber den Ententemächten die Eröffnung eines monatlichen, von der effektiven Warenzufuhr abhängigen Kredites zur Verbesserung der Changeverhältnisse in Erwägung zu ziehen, und zwar auf einer ähnlichen Basis, wie im deutschen Abkommen. Im Augenblick der Berichterstattung sind die Verhandlungen über eine solche Kombination kaum eröffnet, und weitere Mitteilungen können daher über diesen Punkt nicht gemacht werden.

Es muss jedoch besonders hervorgehoben ·werden, dass die Mittel der Schweiz beschränkt sind. Der jetzige Stand unserer Valuta bietet keinen zuverlässigen Gradmesser für unsere finanzielle Leistungsfähigkeit. Es ist darauf zurückzuführen, dass wir keine genügenden Quantitäten an Waren zu importieren in der Lage sind. In dem Zeitpunkte, in dem diese Verhältnisse ändern, werden sich zweifellos tiefgehende Wirkungen in Beziehung auf den Stand unserer Währung geltend machen, um so mehr, als damit zu rechnen ist, dass überhaupt
um die Zeit des Friedensschlusses auch aus andern Gründen erhebliche, zurzeit den Banken auf kurze Frist anvertraute Gelder zurückgezogen werden. Deshalb ist eine grosse Zurückhaltung in der Gewährung solcher

103

Anleihen absolut notwendig und im vitalsten Interesse des Landes Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Ausfuhr der Seidenprodukte aus der Schweiz nach den Ländern der Zentralmächte zufolge einer gemeinschaftlichen Massregel der alliierten- Regierungen eine sehr starke Einschränkung erleiden musate. Für den schweizerischen Bedarf wurde eine Kontingentierung angeordnet und anderseits die Forderung erhoben, dass der Art. 10 c, Ziff. 2 des Réglementes der 8. S. 8., durch welchen die Ausfuhr von Seide und Seidenwaren nach den Zentralmächten gewährleistet wird, revidiert und der Export auf wenige Artikel reduziert werde. Die Verhandlungen in Paris führten zunächst zu einem kurzen Modus vivendi. Während der Dauer desselben sollten die Artikel, deren Ausfuhr noch zu gestatten wäre, durch eine gemeinschaftliche Expertise bestimmt werden, wogegen eiu Zwölftel des Rohstoffkontingentes eingeführt werden konnte. Die Expertise führte dann zum definitiven Ergebnis, dass, ausser einigen für die schweizerische Industrie unbedeutenden Artikeln noch die Stoffe aus in Strängen gefärbter Seide und die Bänder von einer gewissen Breite nach den der Entente feindlichen Ländern ausgeführt werden dürfen.

Die Schweiz war nicht in der Lage, sich diesem Begehren das für die schweizerische Seidenindustrie von sehr schweren Folgen ist, in wirksamer Weise zu widersetzen, da der letztern ein Abschneiden der Rohstoffzufuhren drohte.

Gleichzeitig wurde seitens der alliierten Regierungen auch eine Revision der Bestimmungen des Réglementes der S. S. S.

in Beziehung auf die Ausfuhr von Schokolade verlangt, für welche ebenfalls das Ausführkontingent nach den Zentralmächten wesentlich beschränkt worden ist.

Über die Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte (Vieh und Milchprodukte) wurde schon im Monat Mai mit den alliierten Regierungen ein Abkommen getroffen, das in den letzten Tagen durch ein solches mit Frankreich und Italien über den Export von Holz ergänzt worden ist. Die letztere Übereinkunft betrifft die Ausfuhr gewisser Quantitäten von verarbeitetem Holz. Eine Vermehrung der Ausfuhr gegenüber den bisherigen Verhältnissen hat danach nicht einzutreten. Die Interessen des inländischen Bedarfes sind entsprechend berücksichtigt worden.

Unsere wirtschaftliche Situation wird, wie aus den vorstehenden Erörterungen hervorgeht, immer ernster und schlimmer.

Im Volke gibt man sich noch nicht genügend Rechenschaft, wie schwierig es für die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen

106 der Schweiz ist, zwischen zwei mächtigen kriegführenden Gruppen immer wieder einen Ausweg zu suchen, um die sich widerstreitenden Interessen zu versöhnen und die Volkswirtschaft der Schweiz gegen gewaltige Erschütterungen und eine sohliessliche Lahmlegung zu schützen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass nicht alle Einzelheiten dieser komplizierten und grossen Aufgabe in der Öffentlichkeit erörtert und jedermann klar gemacht werden können.

Aber so viel steht für alle fest, die die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschliessen, dass der sich stets verschärfende Handelskrieg die Bewegungsfreiheit der Schweiz immer mehr und mehr einschränkt, dass er zunächst ihre Zufuhren, und dann aber auch ihren Export und damit die industrielle Arbeit im Lande gefährdet und dass es ein sehr heikles und undankbares Unterfangen ist, mit unsern wirtschaftlichen Hülfskräften den Versuch zu machen, ausgleichend zu wirken und eine nach beiden Seiten hin befriedigende Stellung einzunehmen. Wir verhehlen uns nicht, dass diese Verhältnisse noch unerfreulicher werden können. Wie aber dann unser Wirtschaftsleben aufrechterhalten werden kann, bleibt eine offene Frage.

C. Die Kohlenversorgung dee Landes.

1. Die Finanzierung des Kredites.

Wir haben schon bei Besprechung des Handelsabkommens mit Deutschland darauf hingewiesen, dass namentlich die Rücksichten auf unsere Kohlenversorgung uns veranlaest haben, jene Übereinkunft abzuschliessen. Nachdem wir dort den Inhalt des Übereinkommens erörtert haben, liegt uns noch ob, diejenigen internen Massregeln zu besprechen, die wir im Interesse der Landesversorgung im allgemeinen und speziell im Hinblick auf die Durchführung jenes Abkommens getroffen haben. Die Schweiz hat an Deutschland während der neunmonatlichen Dauer des Abkommens einen monatlichen Kredit von 20 Millionen Franken zu gewähren unter der Bedingung, dass 200^000 Tonnen Kohle im Monat nach der Schweiz geliefert werden. Es handelt sich nun darum, die für unsere Verhältnisse sehr grosse, sich für 9 Monate vermutlich auf 180 Millionen Franken belaufende Summe aufzubringen, die Deutschland in Erledigung jenes Übereinkommens zur Verfügung gestellt werden muss. Dabei war darauf Rücksicht zu nehmen, dass es sich um einen Kredit handelt, der bei normalem Verlaufe der Dinge vom 31. Oktober 1920 bis 30. Juni 1921 zur Rückzahlung gelangt. Wie wir bereits Gelegenheit hatten, hervorzuheben, hätten wir es für unrichtig gehalten, den

107 schweizerischen Banken die Übernahme des ganzen Betrages in Wechseln, die alle drei Monate wieder erneuert werden müssten, zuzumuten. Die Liquidität der schweizerischen Geldinstitute wäre dadurch in einer nicht wünschenswerten Weise beeinträchtigt worden. Dazu trat die weitere Erwägung, dass die Banken mit Recht einwenden konnten, dass sie die Verantwortlichkeit für ein Kreditgeschäft allein übernehmen, an dem in erster Linie die sämtlichen Kohlenbezüger, aber überhaupt das ganze Land interessiert sei. Es erschien daher unmöglich, eine Summe von 180 Millionen Franken in Form von immer wieder zu erneuernden Dreimonats-Wechseln bei den schweizerischen Banken unterzubringen, auch dann, wenn eine durchaus befriedigende Sicherheit geboten werden konnte.

Infolgedessen entschlossen wir uns gleich von Anfang an, als die Kombination auftauchte, den Weg zur Gründung einer besondern Finanzorganisation zu betreten, die die Aufgabe hätte, das Finanzgeschäft für die Schweiz durchzuführen und die sich die hierzu nötigen Mittel selbst beschaffen sollte. Zunächst fassten wir die Möglichkeit ins Auge, dass mit Hülfe der schweizerischen Finanz eine Gesellschaft gegründet werde, die mit einem grossen Aktienkapital ausgestattet, von sich aus und ohne weitere Deckung die Kreditoperation durchgeführt hätte. Allein es zeigte sich bald, dass die Aufbringung eines entsprechenden Aktienkapitals unter solchen Verhältnissen auf wesentliche Schwierigkeiten stiess und dass es, ohne ein bestimmtes System anzuwenden, schwer hielt, ja eigentlich unmöglich war, die schweizerische Industrie zur Beteiligung an einer solchen Gesellschaft herbeizuziehen. Es erschien daher als gegeben, von der Tatsache auszugehen, dass der zu gewährende Kredit namentlich als Gegenleistung für die Fixierung des Kohlenpreises zu betrachten ist und zugleich mit Rücksicht auf seine Anlage die Garantie einer effektiven Kohlenlieferung bietet. Diejenigen, welche durch die Gewährung dieses Kredites den Vorteil eines niedrigeren Kohlenpreises geniessen, und die infolge der Operation effektiv Kohle erhalten, sollen in erster Linie zur Finanzierung des Kreditgeschäftes herbeigezogen werden. Für je eine Tonne Kohle, die in die Schweiz eingeführt wird, soll neben dem Preis von Fr. 90 per Tonne durchschnittlich ein Kredit von Fr. 100 gewährt werden. Diesen Kredit
kann nicht der einzelne Kohlenbezüger geben ; zu diesem Zwecke muss vielmehr eine Organisation geschaffen werden ; aber der Kohlenbezüger kann sich an dieser Organisation in einer Weise beteiligen, dass er das Risiko des Geschäftes mitträgt, oder er kann, soweit ihm zufolge flüssiger Mittel die Übernahme von Aktien

108 nicht möglich, ist, die Verantwortlichkeit, die er für den auf ihn entfallenden Teil der Kreditoperation zu tragen hat, sicherstellen.

Auf diesem Grundgedanken, dass der die Vorteile des Abkommens Geniessende die Kreditoperation finanzieren hülfen soll, beruht die Organisation der Gesellschaft, die für die Durchführung der Aufgaben ins Leben gerufen werden soll. Selbstverständlich ist die Durchführung des entwickelten Gedankens nur möglich zufolge einer Kontrolle über die eingeführte und den einzelnen Verbrauchern zugewiesene Kohle. Eine solche Kontrolle ist aber auch nötig, um die rationelle Verteilung vorzunehmen, und sie bestand schon jetzt in Form einer Genossenschaft, der ,,Zentralstelle für die Kohlenversorgung der Schweiz". Es erschien nun gegeben, diese Kontrollorganisation, die zugleich ein ausführendes Organ des Volkswirtschaftsdepartements für die Kohlenversorgung des Landes werden soll, und die Finanzgesellschaft, die die Kreditoperation durchzuführen hat, miteinander zu verbinden. Demgemäss wird eine Aktiengesellschaft ins Leben gerufen, die die doppelte Aufgabe hat, für die rationelle Verteilung der Kohle im Lande zu sorgen und die mit dem deutsch-schweizerischen Übereinkommen in Verbindung stehende Kreditoperation durchzuführen. Anderseits sind der Gesellschaft die durch die Vorschriften der Bundesbehörden festgesetzten Sicherheiten der Kohlenbezüger au leisten, oder es haben sich diese am Aktienkapital -/.u. beteiligen.

Es erschien im weitern jedoch auch billig, dass zur Finanzierung nicht nur diejenigen herangezogen werden, die infolge des Abkommens Kohle erhalten, sondern auch die Kohlenbezüger, die sich bereits früher, und zwar zu bedeutend billigeren Preisen, grosse Vorräte an Kohle angelegt haben. Falls infolge Nichtzustandekommens eines Abkommens ein eigentlicher Kohlenmangel im Lande entstanden wäre, so hätten diese Vorräte herangezogen und gleichmassig auf die Kohlenverbraucher verteilt werden müssen.

Auch die Inhaber solcher Lager sind somit am Abschlüsse des Abkommens stark interessiert. Sie sollen zur Finanzierung in der Weise herbeigezogen werden, dass sie sich entsprechend der Kohlenmenge, die vor dem 1. August 1917 aus oder durch Deutschland eingeführt worden ist und nach dem 1. Oktober 1917 zum Verbrauch gelangt, mit Prioritätsaktien an dor Gesellschaft beteiligen.
Die Struktur der Gesellschaft gestaltet sich demnach folgendermassen. Zur Erhöhung ihrer Kreditfähigkeit wird ein Prioritätsaktienkapital geschaffen, wovon zirka 25 Millionen Franken durch

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die Besitzer alter Kohlenvorräte, 5 Millionen Franken durch die Kohlenimporteure und 2 Millionen Franken durch landwirtschaftliche Exportorganisationen zu übernehmen sind. Auf diese Weise würde das Prioritätsaktienkapital auf wenigstens 30 Millionen Franken zu stehen kommen. Angesichts der guten Sicherheit und Rendite dieser Papiere ist zu erwarten, dass sich auch die Banken und das Publikum bei der Zeichnung mit einer erheblichen Summe beteiligen werden. Wir glauben somit auf ein Prioritätsaktienkapital von 40--50 Millionen Franken rechnen zu können. Dieses bezieht eine Dividende von 6°/o, nimmt im übrigen aber an den Erträgnissen der Gesellschaft nicht teil ; es wird im Liquidationsfalle zum Nennwert zurückbezahlt, kommt aber erst dann zu Verlust, wenn die Reserven der Gesellschaft und das Stammaktienkapital vollständig verloren gegangen sind.

Das Stammaktienkapital, das,wenn die vorgeschriebenen Kohlenmengen zur Einfuhr gelangen, wohl ungefähr auch auf mindestens 40 Millionen Franken gebracht werden kann, wird von den Kohlen Verbrauchern aufgebracht, von denen ein jeder für je einen Wagen Kohle à l O Tonnen die Verantwortlichkeit der Finanzoperation für einen Betrag von Fr. 1000 zu übernehmen hat. Er kann dies tun durch Zeichnung von Stammaktien in diesem Betrage. Es soll ihm aber auch freistehen, sich seiner Verantwortlichkeitsverpflichtung für den auf ihn entfallenden Teil der Finanzoperation dadurch zu entledigen, dass er für höchstens etwa 80°/o derselben der Gesellschaft Garantien hinterlegt und nur für den Rest Stammaktien zeichnet. Erwächst der Gesellschaft auf den Operationen ein Verlust, so tragen Stammaktien und Sicherheiten einen solchen im gleichen Verhältnis, weil sie von den Kohlenverbrauchern entsprechend ihren Bezügen gezeichnet, bzw. geleistet worden sind. Die übrigen, über das Aktienkapital hinausgehenden Mittel beschafft sich die Gesellschaft durch Ausgabe von Kassascheinen oder durch Rückdiskontierung der Wechsel, die sie von der deutschen Bankgruppe übernimmt. Sie kann dabei die deutscherseits gebotenen, wie die ihr von den schweizerischen Kohlenverbrauchern geleisteten Sicherheiten weiter verpfänden. So trägt also im Grundsatze der Kohlenverbraucher die Gefahr für die Finanzoperation, und er erhöht zugleich durch seine Aktienzeichnung und die geleisteten Sicherheiten die
Kreditfähigkeit der Gesellschaft und erleichtert hierdurch die Beschaffung der nötigen Geldmittel.

Mit Rücksicht auf die deutscherseits gebotenen Sicherheiten ist mit einem Verluste auf dem vorgesehenen Kreditgeschäft nach menschlichem Ermessen nicht zu rechnen. Die Kohlenverbrauoher werden also voraussichtlich seinerzeit soweit sie Aktien gezeichnet

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haben, die einbezahlten Beträge mit Dividenden zurückbezahlt und die geleisteten Sicherheiten zurückgestellt erhalten.

Indessen können naturgemäss nicht alle Kohlenverbraucher mit gleicher Leichtigkeit zur Teilnahme an der Gesellschaft und zur Sicherheitsleistung herbeigezogen werden. Wer Kohle nur in kleinen Mengen kauft und verbraucht, dem kann eine solche Zumutung nicht leicht gemacht werden und die Durchführung erschiene schwierig.

Deshalb ist vorgesehen, dass die kleinen Verbraucher, d. h. alle diejenigen, die weniger als 5000 kg Kohle im Jahre verbrauchen, sich an der Kreditoperation nicht zu beteiligen haben. Diese Befreiung ist unseres Erachtens auch sozial gerechtfertigt ; der kleine Verbraucher erhält eine wohlverdiente Vergünstigung. Anderseits halten wir es, wie schon erwähnt, für gerechtfertigt, wenn Personen, die vor dem 1. August 1917 Kohle eingeführt haben, die "erst nach dem 1. Oktober zum Verbrauche gelangt, in angemessener Weise zur Mittragung der Verantwortlichkeit der Kreditoperation herbeigezogen werden. Damit wird wohl der Ausfall, der durch die Befreiung der kleinern Verbraucher entsteht, mehr als gedeckt.

Die wirtschaftliche Lage der so gegründeten Gesellschaft ist daher die folgende. Sie hat zunächst Guthaben, sichergestellt durch die Wechselunterschrift einer erstklassigen deutschen Bank und besitzt ferner hierfür deutsche Pfandbriefe als Sicherheit. Diese Garantie ist nun gleichsam verdoppelt durch die schweizerischen Sicherheiten, die zufolge der entwickelten Grundsätze für den ganzen Betrag der Anleihenssumme entweder in Form von Kautionen oder in Form von direkter Einzahlung auf das verantwortliche Aktienkapital zu stellen sind» Soweit also nicht die eigenen Gelder der Gesellschaft für die Durchführung der Kreditoperation zur Verfügung stehen, so sind neben den deutscherseits geleisteten Sicherheiten noch einmal schweizerische Sicherheiten vorhanden.

Wir haben die Grundlagen für die Durchführung dieser Operation und die Struktur der Gesellschaft in dem Bundesratsbeschluss betreffend die Kohlen Versorgung des Landes niedergelegt und diejenigen Fragen, die nicht definitiv gelost werden konnten und für die eine gewisse Freiheit der Entscheidung vorbehalten werden muss, einer Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements anheimgestellt. Der besondern Natur der Verhältnisse
entsprechend, haben wir zur Beurteilung darüber, ob und wieweit die Pflicht der Partizipation an der Finanzoperation besteht, eine besondere Kommission eingesetzt, die hierüber endgültig entscheidet (Art. G des zitierten Bundesratsbeschlusses).

Ili Gewìss ist nicht zu leugnen, dass die Gründung einer besondern Gesellschaft und die Herbeiziehung der Kohlenverbaucher in der bezeichneten Weise eine unliebsame Komplikation und für die Betroffenen auch ein wesentliches Opfer und namentlich eine schwere Inkonvenienz bedeutet, allein man musa das ganze deutschschweizerische Abkommen, insbesondere in Beziehung auf Kohle, als die Grundlage betrachten, die auch für die Finanzoperation im Innern massgebend sein muss. Wäre die Lösung auf dieser Basis nicht möglich geworden, so hätten zweifellos die Kohlenverbraucher einen viel höheren Kohlenpreis, vielleicht das Doppelte des heute bedungenen, auf sich nehmen müssen. Gegenüber dieser Eventualität ist die vorliegende Lösung,, die sachlich eigentlich eine gemeinsame Finanzoperation der Kohlenverbraucher im Interesse der billigen Kohlenbeschaffung ist, weitaus vorzuziehen.

Wir verhehlen uns keineswegs, dass durch diese Kautionsauflagen und die Heranziehung bestehender Vorräte, gewisse Kohlenverbraucher stark belastet werden. Eine andere Lösung der Finanzierungsfrage war jedoch leider nicht möglich.

Im Zeitpunkt der Berichterstattung ist die Gründung der Kohlenzentrale noch nicht durchgeführt. Wir haben aber dennoch darauf gehalten, die leitenden Gesichtspunkte zu entwickeln und hoffen, dass es der Zusammenwirkung der verschiedenen Faktore gelinge, die Unternehmung in kürzester Frist ins Leben zu rufen.

2, Die inländische Kohle.

Die durch das deutsch-schweizerische Abkommen vorgesehene Kohlenlieferung bildet die Grundlage für die Kohlenversorgung des Landes. Daneben wird es .sich darum handeln, für die Beschaffung entsprechender Mengen Torf und Holz zu sorgen, worüber sich der Bericht des Departements des Innern ausspricht.

Endlich sei hier auch noch der Bestrebungen gedacht, die Kohlenlager der Schweiz zur Verbesserung unserer Landesversorgung1 herbeizuziehen.

Die Schwierigkeiten in der Brennstoffversorgung des Landes, welche namentlich seit dem Jahre 1916 einsetzten, haben es dem schweizerischen Volkswirtschaftsdepartement nahegelegt, die Frage der Herbeiziehung schweizerischer fossiler Brennstoffe zu studieren.

Wenn man die hierbei sich ergebenden Aufgaben in weitgehendstem Sinne betrachtet, so wird man prinzipiell vor zwei verschiedene Probleme gestellt.

112 Einmal handelt es sich um die sofortige Beschaffung möglichst grosser Mengen schweizerischer Brennstoffe, um der derzeitigen Brennmaterialiennot zu steuern.

Sodann gilt es, Mittel und Wege zu finden, um nach Möglichkeit an der künftigen Brennstoffversorgung des Landes mit Hülfe von schweizerischen fossilen Brennstoffen beizutragen.

Zur Lösung des ersten Problems, der sofortigen Beschaffung schweizerischer Brennmaterialien, ist es naheliegend, auf diejenigen Brennmaterialien zu greifen, welche bereits vor dem , Kriege in grösserem Masse zur schweizerischen Brennmaterialienversorgung beigetragen haben, nämlich auf Holz und Torf. Mit diesen Brennmaterialien beschäftigen sich die Bundesratebeschlüsse vom 24. Mai 1917 über Ausbeutung von Torflagern und den Handel mit Torf und vom 14. Juli 1917 betreffs Holz.

Ausserdem besitzt aber die Schweiz noch eine Anzahl von Kohlenlagern, hauptsachlich Lager an Schieferkohlen, Braunkohlen und Anthrazit.

Die meisten schweizerischen Kohlenlager wurden früher ausgebeutet, doch waren diese Ausbeutungsatellen vor dem Kriege nahezu alle stillgelegt worden, und zwar deshalb, weil die schweizerischen Kohlen in ihren Preisen und in ihrer Qualität nicht mehr mit den Importkohlen konkurrieren konnten.

Der Grund hierfür lag in den höheren Arbeitslöhnen, welche in der Schweiz gegenüber dem Auslande bezahlt werden, in der Tatsache der geringen Mächtigkeit der einzelnen Lager und nicht zum mindesten in der irrationellen Förderung und ihrer Aufbereitung.

Das schweizerische Volkswirtschaftsdepartement ist nun von der Ansicht ausgegangen, dass bei den derzeitigen hohen Kohlenpreisen die Frage der erhöhten Förderkosten infolge geringer Mächtigkeit der Lager und der Arbeitslöhne durchaus in den Hintergrund tritt gegenüber der gebieterischen Notwendigkeit ü b e r h a u p t Brennmaterialien zu beschaffen. Deshalb hat es sich bestrebt, die Wiederaufnahme der Ausbeutung bei allen denjenigen Lagern anzuregen und zu unterstützen, welche von vorneherein eine gewisse Ausbeutungsmöglichkeit versprechen, Anders verhält es sich mit der irrationellen Art der Kohlenförderung und ihrer Aufbereitung.

Wir haben heute mehr Ursache als je, diesem Momente die höchste Aufmerksamkeit zu schenken, weil wir allein bei bergmännisch richtiger Förderung und richtiger Aufbereitung imstande

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sind, das Maximum au schweizerischen Kohlen dem inländischen Konsum zur Verfügung zu stellen und die verschiedenen Kohlensorten au richtiger Stelle zu verwenden.

Das schweizerische Volkswirtschaftsdepartement hat unter Benützung eines Kredites, welchen ihm der Bundesrat zur Verfügung stellte, unter gemeinsamer Tragung der Kosten mit der Regierung des Kantons St. Gallen die Erschliessungsarbeiten des Kohlenbergwerkes Rufi bei Schanis aufgenommen. Wenn die im Gange befindlichen Arbeiten zu günstigen Resultaten fuhren, so soll zur Wiederaufnahme der Ausbeutung des Braunkohlenlagers geschritten werden.

Ferner hat der Bundesrat auf Antrag des Departementes einen gröseeren Kredit für die markscheiderische, geologische, geodätische und chemische Untersuchung des Walliser Anthrazites zur Verfügung gestellt. Die nötigen Vorarbeiten sind sofort an die Hand genommen worden in der Meinung, dass der Bund auf «ine intensive Mitarbeit der Regierung des Kantons Wallis wird rechnen können, Hand in Hand mit diesen Arbeiten gehen die Versuche über dio Anwendung des Walliser Anthrazites bei den verschiedenen Feuerungsarten.

Endlich studiert das Departement die Möglichkeit der Inangriffnahme sämtlicher übrigen abbauwürdigen Kohlenlager und hat zu diesem Zwecke bei der Sektion Chemie eine Unterabteilung fiir Bergbau geschaffen, welcher eine hinreichende Anzahl von Fachleuten zugeteilt wird.

Da nur ein Teil der Kantone Berggesetze besitzt, so ergibt sich die Notwendigkeit einer eidgenössischen Regelung auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates. Ein entsprechender Bundesratsbeschluss ist in Vorbereitung.

Die Frage, wie Mittel und Wege gefunden werden könnten, um nach Möglichkeit auch künftig mit Hülfe von schweizerischen fossilen Brennstoßen zur Brennstoffversorgung des Landes beitragen zu können, hat das schweizerische Volkswirtsehaftsdepartement seit längerer Zeit beschäftigt. Es ist ohne weiteres klar, dass die Lösung nur in der Auffindung eines heute noch unbekannten grossen Kohlenlagers liegen könnte.

Nun besteht nach Ansicht der schweizerischen Geologen die Möglichkeit, dass das Karbon von Bonchamp sich bis unter die Sedimenttafel der Ajoie fortsetzt. Aufschluss können allerdings hier nur grosszügig angelegte Bohrversuohe geben, da die Kohlenflöze in einer Tiefe von nicht unter 800--1000 m zu erwarten sind.

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Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit, welche die Feststellung eines solchen Kohlenlagers für die schweizerische Volkswirtschaft besitzt, hat das Departement in Zusammenarbeit mit der Regierung des Kantons Bern und einer Anzahl namhafter schweizerischer industrieller Firmen eine mit einem Kapital von Fr. 900,000 arbeitende Studiengesellschaft, die schweizerische Kohlenbohrgesellschaft, gebildet. Die Gründung dieser Gesellschaft erfolgte am 20. März 1917. Die erste Bohrung, welche bei der Ortschaft Buix im Berner Jura vorgenommen wird, ist zurzeit bei einer Tiefe von zirka 150 m angelangt.

3. Ersparnisse auf Kohle und Verteilung derselben.

Wenn es nun auch gelingt, die im deutsch-schweizerischen Abkommen vorgesehenen Kohlenquantitäten einzuführen, was immerhin mit Rücksicht auf alle möglichen Verhältnisse nicht absolut sicher ist, so besteht trotzdem das Bedürfnis, selbst wenn man eine vermehrte Beschaffung von Brennholz und Torf und endlich eine gewisse Ausbeute der schweizerischen Kohlenlager in Rechnung stellt, für die grösste Sparsamkeit im Kohlenverbrauch zu sorgen. Dies ist volkswirtschaftlich schon notwendig mit Rücksicht auf den hohen Preis und die mit der Beschaffung verbundenen Finanzklauseln, namentlich aber auch im Hinblick auf den Mangel an Kohle.

Durch den Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen zur Einschränkung dos Verbrauches an Kohle und elektrischer Energie vom 21, August 1917 haben wir Sparmassregeln einführen und ermöglichen wollen, die eine tunlichste Beschränkung der Verwendung von Kohle für die Erzeugung mechanischer Arbeit bezweckt. Wir haben weiter, um durch Kohle geschaffene Kraft durch hydro-elektrische zu ersetzen, eine Begünstigung der Fertigstellung von Wasserwerken im öffentlichen Interesse vorgesehen ; ferner die Kantonsregierungen ermächtigt, eine ganze Reihe von Sparmassnahmen einzuführen und sie endlich beauftragt, Erhebungen über den Kohlenbedarf im Hinblick auf eine angemessene Verteilung der Kohle zu machen. Wir verweisen statt weiterer Begründung jenes Beschlusses auf das Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartements vom 21. August 1917 über diese Materie. An dieser Stelle möchten wir bloss noch erwähnen, dass in einer Konferenz der beteiligten Interesaenkreise der Wunsch geäussert wurde, es möchten eine ganze Reihe von Sparraassnahmen direkt von Bundes wegen vorgeschrieben werden. Als Beispiel sei erwähnt: früherer Ladenschluss, Bestimmungen über das

Ilo

Schliessen von Theatern, öffentlichen Lokalen usw. Wir prüfen diese Anregungen und werden sehen, ob und wieweit ihnen Folge gegeben werden'kann.

Über den Verkehr mit Kohle haben wir neue Vorschriften erlassen in dem bereits erwähnten Bundesratsbeschluss betreffend die Kohlenversorgung des Landes vom 8. September 1917, Art, 12 ff.

Wir haben dabei entsprechend dem bisher angewandten System das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, Bestimmungen über den Verkehr und den Handel mit Kohle zu erlassen, Einsicht in die Geschäfts- und Buchführung der Kohlenhandelsfirmen zu nehmen, die angemessene rationelle Verteilung der Kohle auf die Landesgegenden, Verbraucherkategorion und namentlich für den Hausbrand und Kleinverbrauch zu sichern. Dem Departement ist es anheimgestellt, inwieweit es sich zur Durchführung dieser Aufgabe der Vermittlung der Kohlenzentrale bedienen will. Privatrechtliche Verträge oder Abmachungen, die der Durchführung ·der zu erlassenden Vorschriften entgegenstehen, werden aufgehoben. Durch diese Bestimmungen wird das Departement in ·die Lage versetzt, etwas -weitergehend, als es heute schon der Fall war, eine rationelle Kohlenverteilung vorzunehmen und dabei auch die inländische Kohle zuzuziehen. Es wird ihm aber auch die Möglichkeit eröffnet, alle Erhebungen und Feststellungen zu machen, die im Hinblick auf die Beteiligungspflicht an der Kohlenaentrale und mit Rücksicht auf die Pflicht der Sicherheitsleistung notwendig sind. Was die Sicherung der Kohle für Hausbrand und Kleinverbrauch anbetrifft, so wird hierfür eine besondere Organisation geschaffen, die von den Kohlenimporteuren gegründet wird. Diese Organisation wird nach den Weisungen des Departements an die von den Kantonen zu bezeichnenden Stellen -- welches auch Händlerfirmen sein können -- die nötigen Lieferungen machen, und es haben dann die Kantonsregierungen für eine gleichmäßige Verteilung und eventuell auch für eine Rationierung der Kohle in ihrem Gebiete zu sorgen, soweit es sich um Hausbrand und Kleinverbrauch handelt. Die Kautonsregierungen werden zugleich ermächtigt, in dem ihnen zur Versorgung zugewiesenen Konsumentenkreis Kohlenvorräte zu beschlagnahmen und diese anderweitigen Verbrauchern zuzuweisen. Die Durchführung des Bundesratsbeschlusses fällt in die Zeit nach der Berichterstattung und wird eventuell im nächsten Bericht zu erwähnen sein.

116 Im übrigen war das zahlreiche Personal der Handelaabteüung und namentlich der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft mit der weitern Verfolgung der Aufgaben beschäftigt, die bisher schon den Gegenstand ihrer Tätigkeit gebildet haben. In der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft sind zurzeit 134 Personen beschäftigt. Wir behalten uns vor, auf ihre Tätigkeit in einem nächsten Berichte näher einzutreten. Überdies seien einer späteren Berichterstattung gewisse Mitteilungen über industrielle Ausfuhrpolitik vorbehalten. Heute sei bloss erwähnt, dass das Volkswirtschaftsdepartement die Organe der Abteilung angewiesen hat, die Grundsätze der Ausfuhrpolitik, namentlich im Hinblick auf die Landesbedürfnisse einer eingehenden Prüfung zu unterstellen, die schon durch die sich stets verschärfende Krise wünschenswert und gerechtfertigt wird.

Abteilung für Landwirtschaft.

In unserem letzten Berichte betreffend die V e r s o r g u n g d e s L a n d e s m i t M i l c h - u n d M i l c h e r z e u g n i s s e n haben wir mitgeteilt, dass die Organisation der B u t t e r v e r s o r g u n g in Vorbereitung begriffen sei. Heute sind nun die betreffenden Massnahmen eingeführt und die damit betrauten Organe sind in voller Tätigkeit.

Die Schwierigkeiten, die sich in der Butterversorgung nach und nach mit immer grösserer Schärfe eingestellt hatten, waren hauptsächlich auf folgende Ursachen zurückzuführen: 1. Die Nachfrage nach Butter war übermässig gross geworden, weil die Buttervorräte in den Haushaltungen im Laufe des Winters aufgebraucht waren, und es gleichzeitig auch an anderen Speisefetten mangelte.

2. Die Buttereinfuhr, die in normalen Zeiten über 500 Wagen zu 10 Tonnen jährlich betrug, ging seit Kriegsausbruch mehr und mehr zurück und setzte seit Jahresfrist vollständig aus.

3. Die Buttererzeugung dos eigenen Landes war im Laufe des Winters sehr unbedeutend, weil der grossto Teil der produzierten Milch für den Konsum verwendet werden musste. Sie konnte erst im Mai wieder auf etwa 50 %, im Juni auf 60 °/o und im Juli auf höchstens 70 °/o einer Normalproduktion berechnet werden. Aber auch diese Menge wurde nur unter dem Einflüsse besonderer Vorschriften über vermehrte Buttererzeugung erreicht.

Die während des letzten Winters und Frühjahrs herrschende Futterknappheit bewirkte eine starke Abmagerung der Tiere,.

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welche sich während dee ganzen Vorsommers in einem starken Ausfalle im Milchertrage geltend machte, was wiederum die Butterund die Käseproduktion beeinträchtigte, Die Folge dieser Verhältnisse war eine bedrohliche Überhandnähme des Schleichhandels, begleitet von versteckter Überschreitung der Höchstpreise. Die Butter war am offenen Markt kaum mehr zu erhalten.

Zur Beseitigung dieser Übelstände wurde zunächst durch Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 1. Juni 1917 eine Z e n t r a l s t e l l e für B u t t e r v e r s o r g u n g geschaffen, der indessen nur ein halbamtlicher Charakter verliehen war. Die Zentralstelle griff sofort energisch ein, um die ganze Buttererzeugung unter Kontrolle zu bringen. Sie vereinbarte mit dem Zentralverband schweizerischer Müchproduzenten die Errichtung von Butterzentralen, die in der Kegel auch die Anerkennung und Unterstützung der kantonalen Behörden fanden.

So war es möglich, innert verhältnismässig kurzer Zeit etwelche Ordnung in die Butterversorgung zu bringen.

Die verschiedenen Massnahmen zur Versorgung des Landes mit Milch und Milcherzeugnissen bedürfen jedoch, wie die Erfahrungen gezeigt haben, fortgesetzt einer sorgfältigen Anpassung an die sich verändernden Verhältnisse. Produktion und Verarbeitung von Milch stehen wechselseitig in so enger Beziehung, dass es sich empfiehlt, sowohl bei Erlass, als auch bei der Durchführung der Vorschriften die Versorgung mit Milch und Milcherzeugnissen nach Möglichkeit zusammenzufassen. Die Erfahrungen, die mit der Milchversorgung im letzten Winter gemacht worden sind, liessen es sodann als angezeigt erscheinen, schon jetzt für den kommenden Winter vorzuarbeiten und den mit der Durchführung der Milchversorgung beauftragten Organen diejenigen Kompetenzen einzuräumen, die ihnen zur vollen Heranziehung der produzierten Milch im Interesse der Allgemeinheit bisher noch gefehlt haben.

Die Milchproduzenten haben zwar seit Kriegsausbruch unter Führung ihrer Verbände im allgemeinen in sehr anerkennenswertem Masse an der Konsuminiichversorgung des Landes mitgearbeitet, aber die Milch fand bisher doch noch in vielen Fällen eine Verwendung, die für die Volksernährung nicht den höchsten Nutzen bringt. Zudem glaubten immer noch zahlreiche, besonders den Verbänden nicht angehörende Produzenten, die Milch nach Grutfinden
verwenden zu sollen, was in manchen Fällen auch geeignet war, den guten Willen der organisierten Milchproduzenten zu untergraben und die Arbeit der Produzentenverbànde zu erschweren.

118 Durch B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 17. A u g u s t 1917 sind nunmehr die bisherigen Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1917 betreffend die Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten zwecks einer wirksamen Bekämpfung der skizzierten Missstände ergänzt worden. Das Volkswirtschaftsdepartement erhielt eine Reihe weiterer Kompetenzen. Es ist ermächtigt, jederzeit Milch und Milchprodukte für die Landesversorgung freihändig oder durch Requisition zu den geltenden Höchstpreisen zu erwerben ; die Eigentümer zu verhalten, diese Produkte in ordnungsmässiger Aufmachung an Sammelstellen abzuliefern; für das ganze Land oder einzelne Gebiete einschränkende Vorschriften Über Verwendung von Milch zur Aufzucht und Mast, sowie über die Milchverarbeitung in der Hauswirtschaft zu erlassen; bestimmte Verarbeitungsarten vorzuschreiben oder zu verbieten, den Handel mit Milch und Milcherzeugnissen zu kontrollieren, an Bedingungen zu knüpfen, ihn einzuschränken oder ganz zu verbieten und endlich Verträge über Lieferung von Milchprodukten im öffentlichen Interesse aufzuheben. Die Mitwirkung der öffentlichen Verkehrsanstalten, die zur wirksamen Kontrolle des Handels mit Milch und Milcherzeugnissen unbedingt erforderlich ist, wurde von Bundes wegen statuiert.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat von den ihm übertragenen Befugnissen teilweise auch bereits Gebrauch gemacht.

Zur Entlastung des auch für andere Zweige der Kriegswirtschaft stark beanspruchten Vorstehers der Abteilung für Landwirtschaft einerseits, und zur Ermöglichung der wünschenswerten Zentralisation der Massnahtnen für die Versorgung des Landes mit Milch und Milcherzeugnissen anderseits, ist durch eine V e r f ü g u n g vom 18. A u g u s t 1917 im Anschluss an die Abteilung für Landwirtschaft die E i d g e n ö s s i s c h e Z e n t r a l s t e l l e für M i l c h u n d M i l c h e r z e u g n i s s e (Eidgenössisches Milchamt) errichtet worden. Sie bedeutet eine wesentliche Erweiterung der bisherigen eidgenössischen Butterzentrale und hat unter anderm auch deren Funktionen übernommen. Um der neuen Zentralstelle ein rasches und wirksames Arbeiten zu ermöglichen, musste sie auch mit den nötigen Kompetenzen ausgerüstet werden. Das Volkswirtschaftsdepartement hat deshalb eine Reihe der ihm übertragenen Befugnisse direkt an
die Zentralstelle delegiert. Diese ist ermächtigt, mit den Verkehrsanstalten, den kantonalen Behörden, den wirtschaftlichen Verbänden und Privaten unmittelbar zu verkehren und sachbezügliche Anweisungen zu erteilen.

Durch eine weitere V e r f ü g u n g vom 18. A u g u s t 1917 b e t r e f f e n d den B u t t e r h a n d e l wird der Butterhandel voll-

119 ständig unter die Kontrolle der eidgenossischen Zentralstelle gebracht und seine Ausübung von einer 'besonderen Bewilligung abhängig gemacht. Wir hoffen, dadurch und durch Aufstellung besonderer Strafbestimmungen auch für den Käufer, den Massenaufkauf von Butter bei den Produzenten wirksam zu treffen.

Immerhin wird, wie auf andern G-ebieten, eine energische Mitarbeit der kantonalen und kommunalen Vollzugsorgane unerlässlich sein. Dieser Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit erschien, gestützt auf die gemachten Erfahrungen, unerlässlich, um eine einigermassen geordnete Versorgung unter Einhaltung -der Höchstpreise erreichen zu können. Die Buttererzeugung ist bekanntlich auf sehr viele kleine Betriebsstellen verteilt und das Erfassen der gesamten Produktion ist ausserord entlich schwierig.

Die Organisation ist indessen unter Mitwirkung der bestehenden und neu geschaffenen Einrichtungen, besonders dank der Mitarbeit der Produzentenverbände und der Kantonsregierungen, heute schon soweit fortgeschritten, dass sie Früchte trägt und bereits eine fühlbare Erleichterung in der Butterversorgung herbeigeführt hat.

Durch eine d r i t t e V e r f ü g u n g vom 18. A u g u s t 1917 b e t r e f f e n d V e r m e h r u n g d e r B u t t e r e r z e u g u n g soll eine weitere Vermehrung der Butterproduktion erreicht werden.

Die Fabriken für Dauermilch (kondensierte Milch, Trockenmilch, Schokoladefabriken) wurden schon früher durch Einzelverfügungen veranlasst, je nach Umständen wenigstens l °/o, teilweise aber bis 2 °/o Butter auf die verarbeitete Milch herzustellen und abzuliefern. Die Käsereien haben nach der genannten Verfügung nunmehr allgemein auf 100 Kilo verarbeitete Milch wenigstens 1 kg, und die kleinen Käsereien mit weniger als 400 kg täglicher Milcheinliefcrung wenigstens 2 kg Butter abzuliefern.

Eine Anregung, es möchte zwecks Vermehrung der Buttererzeugung wieder eine sogenannte Marktmilch mit mindestens 2 Va °/o Fettgehalt eingeführt werden, erfuhr in Fachkreisen allgemeine Ablehnung und wurde von uns nicht weiter verfolgt.

Dagegen wird zu erwähnen sein, ob und in welchem Umfange während des kommenden Winters die Verarbeitung von Vollmilch überhaupt noch gestattet werden kann.

Tn einer weitern V e r f ü g u n g vom 18. A u g u s t 1917 wurde die Neuordnung der H ö c h s t p r e i
s e f ü r B u t t e r vorgenommen, die auf 1. September Gültigkeit erlangt haben. Die Abgabepreise an die Konsumenten sind gegenüber den durch die Verfügung vom 31. Mai 1917 festgesetzten Preisen um 20 Kp.

«rhöht worden. Es konnte dies nicht vermieden werden, weil Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IV.

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120 die wirksame Organisation der Butter Verteilung ohne Beeinträchtigung von berechtigten wirtschaftlichen Interessen nicht möglich war. Besonders die Molkereien, die nun den grösston Teil ihrer Ware zum Engrospreis an die Butterzentralen abzuliefern haben und denen der bisherige Versand an die Konsumenten in der Hauptsache abgeschnitten wurde, mussten durch etwelche Preiserhöhungen entschädigt werden. Anderseits sind auch die Organisationskosten der Buttervorsorgung zu decken. Es ist deshalb der eidgenössischen Zentralstelle die Erhebung einer Gebühr von 20 Rp. für ein Kilogramm Butter zugestanden worden. Diese Gebühr soll in erster Linie zur Deckung der Kosten der eid-" genössischen Zentralstelle und der regionalen Butterzentralen dienen^ welche die eidgenössische Zentralstelle durch ihre Tätigkeit wirksam unterstützen. Allfällige Überschüsse werden zur Erleichterung der Milchversorgung Verwendung finden. Auch bei den neuen Höchstpreisen ist die Butter immer noch verhältnismässig billiger als andere Speisefette.

Auf Schwierigkeiten ist in neuerer Zeit auch die K ä s e V e r s o r g u n g gestossen, die indessen bei näherer Betrachtung der Verhältnisse verständlich sind. Durch unsere Massnahmen haben wir insbesondere bis Ende letzten Winters die Preise für Milch und Mileherzeugnisee künstlich tiefgehalten. Damit ging eine vermehrte Nachfrage nach diesen verhältniamässig billigen und erstklassigen Nahrungsmitteln Hand in Hand. Aber gleichzeitig ging, wie bereits erwähnt, die Milchproduktion, namentlich während des vergangenen Winters infolge der geringen Heuqualität und des Mangels an milcherzeugenden Kraftfultermitteln, stark zurück. Infolgedessen musste ein immer grösserer Teil der Milchproduktion für den Konsum herangezogen werden. Während des letzten Winterhalbjahres, vom 1. November 1916 bis 30. April 1.917, ging die Käseproduktion auf rund 15% einer Normalproduktion der betreifenden Periode zurück. Die aus der genannten Winterproduktion von 6 Monaten bei der Genossenschaft schweizerischer Käseexportflrmen eingegangenen Käse reichten nicht einmal aus, um den Inlandsbedarf während l^s Monaten zu decken. Hätte die Genossenschaft schweizerischer Käseexportfirmen aus der Sommerproduktion 1916 nicht einen sehr grossen Teil der eingegangenen Ware aufgespeichert gehabt, so hätte das Inland vom
Neujahr 1917 an nur noch äusserst mangelhaft mit Käse versorgt werden können.

Durch die ausserordentliche Verzögerung der Grünfütterungund den dadurch bedingten Ausfall der Käseproduktion im April und während des ganzen Vorsommers 1917 ist die Lage erheb-

121 lieh verschärft worden, trotzdem durch die Genossenschaft seit längerer Zeit kein Käse mehr exportiert worden ist. Im Jahr 1916 ist der Käseexport unter zwei Drittel und seit 1. Januar 1917 auf einen Viertel der frühereu Ausfuhr zurückgegangen.

Mit Rücksicht auf den Austausch gegen Waren, die für unsere Volkswirtschaft einfach unentbehrlich sind, wird man aber auch in Zukunft nicht völlig auf den Käseexport verzichten können.

Bei stark vermindertem Eingang hat die Genossenschaft schweizerischer Käseexportflrmen für den Inlandskonsum bis 31. Juli 1917 im ersten Betriebsjahr 1914/15 5,912,910 kg im zweiten Betriebsjahr 1915/16 . . . . 5,694,017 ,, im dritten Betriebsjahr 1916/17 . . . . 14,415,520 ,, Wir stellen ausdrücklich fest, dass die Genossenschaft schweizerischer Käseexportflrmen Käse nur nach den Anordnungen des Volkswirtschaftsdepartements und in den von diesem festgesetzten Mengen exportiert.

Auch in den Milehkondens- und in den Schokoladefabriken ist die verarbeitete Milch zurückgegangen, während des Sommers jedoch in bedeutend geringerem Masse als in der Käsefabrikation.

Wir Hessen uns bei den bezüglichen Anordnungen insbesondere von Rücksichten auf die Beschäftigung der in diesen Betrieben tätigen zahlreichen Arbeitskräfte und durch den Umstand leiten, dass die Milch hier in grösseren Mengen an Sammelstellen zusam m engeführt wird, von denen sie jederzeit nach Bedarf für den Konsum herangezogen werden kann. Eine weitere Einschränkung der Milchverarbeitung wird sich aus der Entwicklung der Verhältnisse indessen auch für diese Betriebe nicht vermeiden lassen.

Durch eine Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 21. Mai 1917 betreffend dio W e i c h k ä s e r e i , welche die Verfügung vom 22. Januar 1917 ersetzte, wurde die Fabrikation von Weichkäse zeitgemäas geordnet und unter Mitwirkung des Verbandes schweizerischer Weichkäsefabrikanten unter eine weitgehende Kontrolle gestellt.

D-uroh V e r f ü g u n g e n vom 31. M a i , 18. J u n i und 6. A u g u s t 1917 wurden die Kaufs- und Verkaufsbedingungen sowie die Ein- und Verkaufepreise für Käse neu geordnet. Die Verkaufspreise für Käse sind hierbei entsprechend erhöht worden, wobei man indessen der auf 1. Mai 1917 eingetretenen Milchpreiserhöhung nur teilweise gefolgt ist. Der Käse ist auch heute immer noch verhältnismässig billiger als Fleisch, womit die stark gestiegene

122 Nachfrage nach Käse in Zusammenhang steht. Ein weiterer Preisauegleich ist notwendig und ist zunächst durch eine Herabsetzung der Fleischpreise eingeleitet worden.

Im Anschlüsse an diese Ausführungen über die Käseversorgung mag erwähnt werden, dass auf unser Verlangen die Statuten der Genossenschaft schweizerischer Kaseexportfirmen im Sinne einer grössern Beteiligung des Bundes am Gewinn neuerdings revidiert worden sind.

Vom Ertrage pro 100 kg Käse erhalten: 1915/16

1917/18

bis und mit Fr. 10 der Bund 25 % 35 % der Zentralverband . . . 25 % 35 % die Mitglieder der G. S. K. 50 °/o 30 % von Fr. 10--20 der Bund . . . . . . 35 % 40 % der Zentralverband . . . 35 % 40 % die Mitglieder 30 % 20 % von Fr. 20--30 der Bund 40 % 40 % der Zentralverband . . . 40 % 45 % die Mitglieder 20 % 15 % von über Fr. 30 der Bund 40 % 40 % der Zentralverband . . . 50 °/o 50% die Mitglieder 10% 10% Darnach nimmt die Beteiligung der Kasehändler am Reingewinn der Genossenschaft progressiv mit dem steigenden Gewinne ab und reduziert sich bis auf 10 %.

Was den Gewinn der Genossenschaft betrifft, so muss namentlich betont werden, dass dieser nicht etwa auf dem internen Kasegeschàft gemacht wird, sondern auf dem Export, und dass die Genossenschaft während längerer Zeit aus ihrem Exportgewinn grosse Zuschüsse gemacht hat, um die Käseversorgung des Landes zu einem billigeren Preise zu ermöglichen. Im ersten Betriebsjahre 1914/15 betrug der Gewinn der Genossenschaft Fr. 6,129,323.97, wovon der Bund Fr. 3,747,643.02 erhielt und der ßest von Fr. 2,381,680. 95 auf 57 Mitglieder der Genossenschaft verteilt wurde. Im Geschäftsjahr 1915/16 betrug der Reingewinn Fr. 10,623,432. 28, wovon der Bund 4 Millionen Franken, der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten Fr. 3,530,236. 13 erhielt und auf 68 Mitglieder Fr. 3,093,196. 15 verteilt wurden. Für das Jahr 1916/17 liegen die Abschlussziffern noch nicht vor, indessen steht soviel fest, dass der Gewinn bescheidener sein wird, als im Vorjahre. Überdies haben

123 die Genossenschafter dem Volkswirtschaftsdepartement einen Betrag von Fr. 250,000 für Fürsorgezwecke zur Verfügung gestellt, und sie haben endlich für die zwei ersten Jahre eine Kriegsgewinnsteuer- von Fr. 525,000 zu bezahlen. Zieht man in Betracht, dass die Käsehändler zufolge des Krieges zunächst durch Valutaverluste und durch die Unmöglichkeit, grössere Guthaben aus dem Auslande (z. B. Russland) einbringlich zu machen, bedeutenden Schaden erlitten haben, so reduziert sich der gemachte Gewinn noch erheblich. Für das Jahr 1917/18 wird mit Rücksicht auf den Rückgang der Käseproduktion und die sehr beschränkte Ausfuhr sowie zufolge der Verschärfung der statutarischen Bedingungen der Gewinn der Genossenschafter sehr bescheiden ausfallen. Es muss endlich noch darauf hingewiesen werden, dass in dieser Art und Weise der Grossteil des Gewinnes, der auf dem Käsehandel erzielt wurde, der Öffentlichkeit zukam und, soweit er an den Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten floss, direkt zur Verbilligung der Konsummilch verwendet wurde. Übrigens ist auch der Bund, der neben einem Gewinnanteil noch wesentliche Ausfuhrgebühren bezogen hat, gerade erst durch diesen Gewinn in die Lage versetzt worden, für die Konsummilchversorgung des Landes so grosse Opfer zu bringen, wie dies der Fall gewesen ist. Man kann nicht etwa sagen, dass bloss durch die Gründung der Genossenschaft diese Exportgewinne auf Käse ermöglicht worden seien. Im Gegenteil, sie wären noch höher gewesen, wenn der Handel von Bundes wegen nicht reduziert worden wäre.

Die Bemühungen in der Beschaffung von S a a t k a r t o f f e i n haben nicht vollständig zum Ziele geführt, indem es nicht möglich war, der überaus grossen Nachfrage überall zu genügen.

Aber die Anbaufläche für Kartoffeln konnte dennoch auf ganzer Linie vermehrt werden, weil die Vorräte an Speisekartoffeln zu Saatzwecken herangezogen wurden. Nur in vereinzelten Gegenden, wo bisher sehr wenig Kartoffeln angebaut wurden, war das nicht möglich. Ï Durch V e r f ü g u n g vom 15. J u n i 1917 hat das Volkswirtschaftsdepartement die Ernte von K a r t o f f e l n untersagt, gleichzeitig aber die Kantonsregierungen ermächtigt, vom 5. Juli an Ausnahmen zu gestatten, wo es sich um ausgereifte Frühsorten handelte. Das Verbot galt nicht für Kartoffeln, die in Töpfen oder in Gewächshäusern gezogen, sowie für solche, die im eigenen

124 Haushalt des Produzenten verwendet wurden. Die günstige Witterung hat die Entwicklung der Kartoffeln außerordentlich gefördert, so dass die Kantone in der Lage waren, verhältnismässig zahlreiche Bewilligungen zu erteilen. Das Ernteverbot konnte durch eine neue V e r f ü g u n g a u f 25. J n l i allgemein aufgehoben werden. Der vorzugliche Stand der Kartoffelkulturen rechtfertigte Ende Juli Hoffaungen auf eine ausserordentlich ergiebige Ernte. Die zahlreichen Gewitterregen im August haben indessen die Ernteaussichten erheblich beeinträchtigt ; bei anhaltend trockener Witterung wird aber immerhin noch eine recht befriedigende Kartoffelernte zu erwarten sein.

Wir hatten vorläufig, im Einvernehmen mit der eidg. Kommission für Kartoffelverßorgung, von der Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffeln, sowie von weiteren Einschränkungen des Kartoffelhandels Umgang genommen. In normalen Zeiten sind die ersten auf dem schweizerischen Markte erscheinenden Frühkartoffeln ausländischer Herkunft. Ihre Einfuhr ist seit Kriegsausbruch aber mit wachsenden Schwierigkeiten verbunden. Unsero Zentralstelle für Kartoffelversorgung hat dieses Jahr auf die Einfuhr von Frühkartoffeln verzichten müssen, während mit ihrer Bewilligung von privater Seite eine bescheidene Menge eingeführt werden konnte.

Die Selbstkosten dieser eingeführten Kartoffeln stellten sich aber sehr hoch und verschiedene Importeure haben darauf erhebliche Verluste erlitten. Man wollte weder diese Importeure noch die Produzenten, die sich durch besondere Knlturmassnahmen bemühten, möglichst frühzeitig auch einheimische Frühkartoffeln auf den Markt zu bringen, unnötigerweise schadigen; hätte man dies durch eine unzweckmässige Festsetzung von Höchstpreisen getan, so würde man damit unter anderem auch die Anstrengungen für eine rechtzeitige Versorgung des Marktes mit Frühkartoffeln im Vorsommer 1918, die uns für die zuküiiftigo Volksernährung wichtig erscheint, schon heute gefährdet haben.

Die seitherige Entwicklung hat unserer und der Auffassung der eidg. Kommission für Kartoffelversorgung durchaus Recht gegeben: Das ganze Land konnte im allgemeinen rechtzeitig, ausreichend und zu angemessenen Preisen mit Frühkartoffeln versehen werden.

Die Massnahmen für die Versorgung der Bevölkerung mit Speisekartoffeln für den kommenden Herbst und Winter sind
in Vorbereitung und sollen den Verhältnissen nach Möglichkeit angepasst werden. Wir müssen aber wiederholt darauf hinweisen, dass, wo ein natürliches Sinken der Preise infolge starken An-

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gebotés zu erwarten ist, der Erlass von Höchstpreisen unzweckmässig sein dürfte. Wir sind eben in der Hauptsache doch auf die freiwillige Tätigkeit der Produzenten angewiesen, die sich mit einem natürlichen Preisrückgang ohne weiteres abfinden, dagegen durch künstliche Massnahmen leicht zu einer Verminderung der Produktion veranlasst werden.

In stetem Einvernehmen mit dor eidg. Kommission für Kartoffelversorgung sind wir dazu gelangt, den Bundesratsbeschluss vom 13. September 1916 betreffend die Kartoffelversorgung gestützt auf die gemachten Erfahrungen zu ersetzen. Es geschah dies durch Buudesratsbeschluss vom 3. September 1917. Derselbe gibt dem Volkswirtschaftsdepartement weitgehende Kompetenzen zum Erlass von Verfügungen über die Ernte, den Handel, die Aufbewahrung und die Verwendung von Kartoffeln und ermächtigt dasselbe, solche für die Landesversorgung zu erwerben, das Aufstappein von Vorräten zu reglieren und Widerhandlungen strenge zu ahnden. Die notwendigen Ausführungsvorschriften sind vom Volkswirtschaftsdepartement diirch Verfügung vom 3. September bereits erlassen worden. Der Kartoffelhandel ist unter scharfe Kontrolle gestellt und wurde beschränkt auf legitime Kreise.

Durch eine nach Anhörung der eidgenössischen Kommission für Obstversorgung erlassene V e r f ü g u n g vom 11. J u n i 1917 b e t r e f f e n d O b s t V e r s o r g u n g u n d - O b s t h a n d e l ist d i e Landesversorgung mit Frühobst geordnet worden. Für K i r s c h en wurden durch eine besondere V e r f ü g u n g vom 12. J u n i 1917 H ö c h s t p r e i s e festgesetzt. Durch die getroffenen Massnahmen suchte mnn einen möglichst grossen Teil des reichen Obstertrages der Volksernährung dienstbar zu machen. Infolgedessen wurde der Handel mit Kirschen und Steinfrüchten /um Einmachen zwecks Herstellung von Branntwein und mit zu diesem Zwecke eingelegten Früchten ausschliesslich als Sache der Zentralstellen bezeichnet, die Verpflichtungen für die Obstversorgung des Landes übernommen haben. Mit den Früchtekonserven- und Sirupfabriken wurden besondere Vereinbarungen getroffen, wonach sich diese Firmen gegen die zugesicherte Obstlieferung verpflichteten, für die Inlands Versorgung grössere Mengen geeigneter Obstkonserven zur Verfügung zu halten.

Nachdem ein Überblick über die diesjährige Ernte in Äpfeln und Birnen
möglich geworden war, hat das Volkswirtschaftsdepartement nach Anhörung der eidg. Kommission für Obstversorgung und Obsthandel seine Verfügung vom 11, Juni 1917 durch e i ne V e r f ü g u n g vom 18. A u g u s t 1917 e r s e t z t . Die in

126 früheren Jahren gesammelten Erfahrungen sind hierbei verwertet worden und es sind alle Massnahmen vorgesehen, die geeignet sind, die Versorgung des Landes mit Obst und Obsterzeugnissen zweckmässig zu sichern. Die Anordnungen gründen sich wiederum auf die nachhaltige Mitarbeit der im Dienste der Obstverwertung stehenden genossenschaftlichen Organisationen der Produzenten, der Konsumenten und des Handels. Die Obstproduzenten können zur Abgabe von Äpfeln, Birnen und Zwetschgen für den Frischkonsum oder für die Konservierung verhalten werden. Die Abteilung für Landwirtschaft ist ferner ermächtigt, die Verwendung von Obst zur Herstellung alkoholartiger Getränke einzuschränken.

Das Einlegen von Zwetschgen zum Zwecke der Bereitung von Branntwein ist verboten.

Auf ganzer Linie wird der Herstellung von D ö r r o b s t besondere Aufmerksamkeit geschenkt und speziell dafür gesorgt, dass die vielerorts eingerichteten Dörrereien reichlich mit Obst versehen werden.

Was die Preisfrage für Obst anbelangt, so haben wir auch hier, und zwar aus ähnlichen Gründen wie bei dor Kartoffelversorgung, bis jetzt vom Erlass eigentlicher Höchstpreise abgesehen. Wir haben jedoch N o r m a l p r e i s e aufgestellt und bekannt gegeben, sowie darauf hingewiesen, dass die erwähnten Zentralstellen zu diesen Preisen Obst liefern. Es ist zu erwarten, dass dieser Umstand ein Überschreiten der Normalpreise verhindern wird. In gleicher Weise wirkt übrigens auch das eidgenössische Bureau für Kartoffel Versorgung preisregulierend.

Bei Kartoffeln sowohl als beim Obst bestoht eine grosse Schwierigkeit darin, dass die Konsumenten oft nicht über geeignete Aufbewahrungslokalitäten verfügen. Wir haben deshalb die Kantone und Gemeinden dringend eingeladen, im Herbst grosse Vorräte an geeigneten Stellen anzulegen und dieselben im Verlaufe des Winters an die unbemittelte Bevölkerung abzugeben. Durch solche Massnahmen kann namentlich auch einer Preiserhöhung im kommenden Frühjahr vorgebeugt werden. Einer rationellen Lagerung und Überwachung grosser Vorräte ist jedoch noch vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken.

Durch die erwähnte Verfügung vom 18. August werden die E s s k a s t a n i e n dem übrigen Obste gleichgestellt. Ebenso die B a u m n ü s s e , deren Einkauf beim Produzenten ohne besondere Bewilligung jedoch ausschliesslich für die Bedürfnisse des eigenen Haushaltes gestattet ist. Durch diese Massnahme will man Spekula-

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tionskäufen in diesen Früchten vorbeugen und die Baumnüsse nach Möglichkeit zur Fettgewinnung heranziehen.

Der Export von Z u c h t v i e h kam Ende Mai zum Abschlüsse und wird anfangs September wieder aufgenommen. Er hat indessen im Frühjahr keinen grossen Umfang angenommen und auch im kommenden Herbst wird er voraussichtlich über diesen Rahmen nicht hinausgehen. Das neue Handelsabkommen mit Deutschland reduziert den Export auf zirka ein Viertel der bisherigen Mengen.

Diese Frage, die mit der Vieh- und Fleischversorgung in engem Zusammenhange steht, wird an anderer Stelle noch einlässlicher zu erörtern sein.

Durch V e r f ü g u n g vom 21. Mai 1917 sind die Höchstpreise für H ä u t e , F e l l e und L e d e r , sowie die Vorschriften betreffend die Herstellung und Verwendung von Leder neu geordnet worden. Die schweizerischen Gerbereibetriebe haben ihre Leistungsfähigkeit seit Kriegsausbruch in einem Masse gehoben, dass sie nunmehr in die Lage versetzt sind, das gesamte Inlandsgefälle an Häuten und Fellen einzuarbeiten. Da die Ledoreinfuhr mit wachsenden Schwierigkeiten zu kämpfen hat und mehr und mehr zurückgeht, war die vermehrte Lederproduktion im Inlande von grösster volkswirtschaftlicher Bedeutung ; aber auch mit Rücksicht auf die zahlreichen, in der Leder- und insbesondere in der Schuhindustrie beschäftigten Arbeitskräfte war eine vermehrte Inlandsproduktion an Leder unerlässlich. Durch die Massnahmen des Volkswirtschaftsdepartements sind die Inlandspreise für Häute und Felle von Anfang an verhältnismässig tief gehalten worden und erreichten zeitweise kaum 50 % der Exportpreise.

Da der Export an Häuten und Fellen aber mehr und mehr zurückging und schliesslich vollständig unterbleiben musste, resultierte bei gleichbleibenden Inlandspreisen für die Metzgerschaft ein sinkender Durchschnittspreis für das Gefalle an Häuten und Fellen. In einem Zeitpunkt steigender Viehpreise mussten die getroffenen Massnahmen als Härte empfunden werden und sie kamen zudem in entsprechend hohem Fleischpreisen zum Ausdruck. Infolgedessen wurde durch die vorstehend erwähnte Verfügung eine Preiserhöhung von rund 30 Rappen für das Kilo Häute und Felle bewilligt, was auch eine entsprechende Steigerung der Lederpreise zur Folge hatte.

Die Preise für Schuhe und andere Lederwaren sind seit Kriegsausbruch verhältniamässig sehr stark gestiegen, wobei in-

128 dessen nicht allein und selbst nicht einmal in erster Linie die höhern Lederpreise ausschlaggebend sind. Die Preise für die übrigen Materialien der Schuhfabrikation sind zum Teil stärker gestiegen als die Lederpreise und insbesondere die hohem Arbeitslohne i'allen hierbei entscheidend in die Wagschale. Zu den Verhandlungen betreffend die Preise und Bezugsbedingungen für Häute, Felle und Leder wurden indessen regelnlässig auch Vertreter der Schubfabrikation beigezogen und den Schuhiadustriellen sind entsprechende Verpflichtungen betreffend die Landesversorgung mit Schuhen überhunden worden Wir haben uns immerhin veranlagst gesehen, in neuerer Zeit der Preisgestaltung für Schuhe durch eine intensivere Kontrolle seitens der kriegstechnischen Abteilung des Militärdepartements vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken.

Durch eine weitere V e r f ü g u n g v o r n 30. J u l i 1917 sind auch Höchstpreise für T r e i b r i e m e n l e d e r und f e r t i g e T r e i b r i e m e n festgesetzt worden. Durch diese Massnahme wird beabsichtigt, einen möglichst grossen Teil des produzierten Leders der Schuhfabrikation zuzufahren und nur solche Qualitäten für die Herstellung von Treibriemen freizugeben, die nach Massgabe der Zuteilung der Häute auch tatsächlich für diesen Zweck bestimmt sind.

Für S c h a f l e d e r wurden sodann durch eine V e r f ü g u n g vom 11. August 1917 ebenfalls Höchstpreise aufgestellt.

Das insbesondere für den Weinbau und zur Bekämpfung der Kartoffelkrankheit notwendige K u p f e r v i t r i o l konnte nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten schliesslich rechtzeitig beschafft werden, so dass es möglich wurde, die gesamte Nachfrage zu befriedigen. Mehr als in frühern Jahren sind die Kartoffelpflanzungen zum Schutze gegen die Krautfäule mit Kupfer vitriollòeungen bespritzt worden. Der Beschaffung von chemischen H ü l f s d ü n g e r n wird fortgesetzt die grosse Aufmerksamkeit geschenkt, die diesen ausserordentlich wichtigen Mitteln zur Erhaltung und Steigerung der ßodenproduktion zukommen muss. Aber auch diese Massnahmen stossen auf wachsende Schwierigkeiten.

Der Bedarf an Kalisalz wird voraussichtlich auch in Zukunft in vollem Umfange gedeckt werden können, wogegen an phosphorsäurehaltigen Düngemitteln nur noch ein kleiner Teil zur Verfügung gestellt werden kann,, den unsere Landwirtschaft nach Massgabe der derzeitigen Verhältnisse zur Steigerung der Bodenproduktion anwenden möchte und sollte.

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Veterinäramt.

1. Im letzten Bericht erwähnten wir ein erhebliches Zurückgehen der Maul- und Klauenseuche seit dem Monat März. Seither aufgetretene Fälle wurden unverzüglich durch Keulung getilgt.

Anfangs Juli traten die letzten Fälle auf bei einigen Grenssweiden des grossen St. Bernhard. Durch die sofortige Schlachtung der verseuchten Bestände konnte eine W eiter Verschleppung der Krankheit auf die grosson, mit zahlreichem Vieh bestoasenen Nachbaralpen verhütet werden. Von Mitte Juli an blieb unser Land frei von Maul- und Klauenseuche. Der mit der Keulung angestrebte Zweck darf somit wohl als erreicht bezeichnet werden und die damit verbundenen Ausgaben haben wirtschaftlich reichen Nutzen getragen. Wir werden auch weiterhin die eingeschlagene Richtung einhalten.

2. Der Bundesratsbeschluss betreffend den Verkehr rnit Vieh vom 13. April 1917 ist am 9. Juli abhin in Kraft getreten. Bis heute erhielten rund 1500 Viehhändler und 1400 Metzgereien die vorgeschriebene Bewilligungskarte. Dazu kommen noch 34 Bewilligungen an Grosschlächtereien und Fleischwurenfabriken.

Alle Interessentenkreise anerkennen, dass der Beschluss eine Besserung der Verhältnisse im Viehhandel herbeigeführt habe.

Einige kleine Abänderungen waren immerhin notwendig. Wir haben bereits in unserem letzten Bericht angeführt, dass Änderungen der getroflenen Massnahmen, sowie Anpassung an die Bedürfnisse in dieser sehr schwierig zu lösenden Materie nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr zu erwarten seien. Der Verband schweizerischer Metzgermeister verlangte in einer Eingabe vom 15. Mai abhin, der Artikel 12 des Beschlusses möchte dahin abgeändert werden, dass inskünftig als Grosschlächtereien nur noch Betriebe betrachtet werden, die monatlich mehr als 50 Stück Grossvieh schlachten, und der Verband schweizerischer Viehhändler richtete in einer Eingabe gleichen Datums an uns das Gesuch um sofortige Ausserkraftsetzung der Bestimmungen des Artikels 21.

Artikel 12 wurde im Sinne der Eingabe des schweizerischen Metzgermeisterverbandes abgeändert. Dem Wunsche des Verbandes schweizerischer Viehhändler konnte nicht in vollem Umfange entsprochen werden, da das in Artikel 21 niedergelegte Verbot des Verkaufes von Vieh von Händlern au Händler die Ausschaltung des üblich gewordenen ungesunden Kettenhandels und damit die Sanierung des Viehhandels bezweckte. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die strenge Durchführung

130 dieser Bestimmungen infolge der im Viehhandel seit Jahren eingebürgerten Gebräuche beinahe unmöglich ist. Ganz besonders im Nutzviehhandel ist ein Ausgleich zwischen den einzelnen Landesgegenden notwendig. Aus don Gebieten grösseren Angebotes (z. B. beim Alpabstoss) muss das Vieh nach Gegenden mit gesteigerter Nachfrage verkauft werden. Dieser Augleich wird in den meisten Fällen durch Vermittlung der Händler besorgt. Ähnliche Verhältnisse treffen beim Schlachtviehhandel zu, indem auch hier zu gewissen Zeiten ein Auegleich zwischen den verschiedenen Landesgegenden stattfinden muss, der sich ohne einmalige Veräusserung zwischen Händlern nur schwer bewerkstelligen lässt. Da der Beschluss nur darauf abzielt, den unlauteren Zwischenhandel zu treffen, erachteten wir es als angezeigt, dem reellen gewerbemässigen Viehhandel tunliehste Erleichterungen zu gewahren. Wir haben daher Artikel 21 dahin abgeändert, dass über ein Stück Vieh nicht zwei aufeinanderfolgende Veräusserungsgeschäfte abgeschlossen werden dürfen und zudem das Volkswirtschaftsdeparlement ermächtigt, für einzelne Kategorien von Tieren diese Bestimmung als nicht anwendbar zu erklären, In letzter Zeit sind von verschiedenen Verbänden des Braunund Fleckviehzuchtgebietes Eingaben gemacht worden, in welchen für die Dauer des Herbstzuchtviehhandels Erleichterungen gewünscht werden. In diesen Berichten wird darauf aufmerksam gemacht, dass die strenge Durchführung des Bundesratsboechlusses den Handel in den Zuchtgebieten sehr beeinträchtigen würde und unabsehbare wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben müsste.

Vor allem wird die Ausschaltung der vorgeschriebenen zweimonatlichen Haltefrist, sowie der den Handel einschränkenden Bestimmungen der Artikel 5 und 21 verlangt. Den Eingaben kann eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Immerhin geht das Verlangen nach vollständiger Aufhebung der wichtigsten Bestimmungen zu weit. Soll der Zweck des Beschlusses, eine Gesundung des Viehhandels und dadurch eine Erniedrigung der Vieh--und Fleischpreise herbeizuführen, erreicht werden, so müssen sich unbedingt auch die Zuchtgebiete einige Einschränkungen auferlegen. Da aber der Bundesratsbeschluss in erster Linie durch die auf dem Schlachtviehmarkt zutage getretenen Missstände hervorgerufen wurde, und man diese vor allem heben wollte, ohne
dabei den normalen Zucht- und Nutzviehhandel zu stark zu beeinträchtigen, so sind wir in Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse in den Zuchtgebieten und angesichts der Tatsache, dass der Export für die nächste Zeit nur sehr ge-

131 ring sein wird, dazu gekommen, einige Änderungen eintreten zu lassen. Wir haben daher für die Monate September und Oktober die Haltefrist allgemein auf einen Monat herabgesetzt und zudem das Veterinäramt für die gleiche Zeitdauer ermächtigt, Gesuche kantonaler Regierungen um Erleichterungen einiger Bestimmungen für die grossen Märkte zu gestatten. Dabei möchten wir nicht unterlassen ausdrücklich zu betonen, dass Ausnahmen nur für die grossen, von den Kantonen seit Jahren amtlich bekanntgegebenen Zuehtviehmärkte zulässig sind. Auf diese Weise hoffen wir den Wünschen der Zuchtgebiete in gerechter Weise zu entsprechen, ohne die richtige Vollziehung des Bundesratsbeschlusses zu gefährden.

3. D u r c h V e r f ü g u n g des s c h w e i z e r i s c h e n Volksw i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 18. Mai 1917 wurde eine E i d g e n ö s s i s c h e A n s t a l t f ü r S c h l a c h t v i e h v e r s o r g u n g gegründet. Dieselbe hat den Zweck, die Fleischversorgung der Armee und, soweit nötig, der Zivilbevölkerung zu übernehmen und ferner im Viehhandel preisregulierend zu wirken.

Dem aus 3 Mitgliedern bestehenden Vorstande ist eine Aufsichtskommission von berufenen Fachmännern aus allen in der Sache interessierten Kreisen beigegeben.

Der Vorstand nahm seine Tätigkeit offiziell am 1. Juni 1917 auf. Es wurden zunächst vertragliche Abkommen mit landwirtschaftlichen Organisationen getroffen, die ihre Mithülfe in der Beschaffung des benötigten Viehes zusicherten ; ferner wurden Réglemente aufgestellt für die von der Anstalt bestimmten Kautonsund Bezirkskommissäre, denen die Aufgabe des Auftriebes von Vieh auf bestimmten Annahmeplatzen obliegt. Weitere Vertrage wurden abgeschlossen mit dem Armeekriegskommissariat für Viehlieferungen an die Armee. Die Anstalt übernahm die Geschäfte der frühern Organisation für die Schlachtviehlieferung an die Armee. Die erste Zeit nach der Errichtung der Anstalt war für den weitem Ausbau derselben nicht günstig. Wir befanden uns in einem Zeitpunkt, während welchem die Beschaffung von Schlachtvieh immer mit Schwierigkeiten verbunden ist. Dazu kam die Heuernte. Um den Bedarf von Vieh für die Armee unter allen Umständen zu sichern, wurde der Anstalt durch Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 7. Juni 1917 das Recht der E n t e i g
n u n g von S c h l a c h t v i e h eingeräumt. Nach Bekanntwerden dieser Verfügung verbesserte sich langsam, offenbar auch infolge der Wirkung eines nährkräftigen Futters, die Situation auf dem Grossviehmarkte.

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Das Angebot von Schlachtware wurde wieder grösser, so dass wir nicht genötigt waren, vom Recht der Enteignung Gebrauch machen zu müssen.

In den Monaten Juni und Juli 1917 wurden durch die Anstalt vermittelt: 1632 Kühe, 377 Stiere, 332 Rinder und 9fì Ochsen.

Total Grossvieh 2437 Stück 1,254,744 Kilos ,, Kleinvieh 20 ,, 1,170 ,, Total Lebendgewicht Der Umsatz betrug: Für Armeelieferungen Für Zivilbevölkerung

1,255,914 Kilos Fr. 2,235,627 ,, 241,224

Total

Fr. 2,476,851

Die seit Gründung der Anstalt unverändert geblichenen Preise für Grossvieh konnten infolge von vermehrtem Angebot mit Wirkung vom 7. August an um 10 Rappen per Kilogramm, in der ersten Klasse sogar um 20 Rappen per Kilogramm, reduziert werden. Diese Reduktion wurde der Öffentlichkeit durch die Presse bekanntgegeben. Gleichzeitig sind dem Publikum die Fleischpreise mitgeteilt worden, die auf Grundlage der neuen Viehpreise als angemessen zu betrachten sind und für gewöhnliche Verhältnisse nicht überschritten werden sollten. Damit wurde eine Einladung an die Metzger verbunden, ihre Fleischpreise entsprechend zu reduzieren und, falls die Viehhändler höhere Preise verlangen sollten, ihren Viehbedarf bei der Anstalt zu den Preisen derselben zu decken. Wir glaubten, durch diese Massnahme eine allgemeine Reduktion der Fleischpreise erlangen zu können und dadurch das gleiche Ziel zu erreichen wie mit der ungemein schwierigen Ansetzung von Höchstpreisen. Inwieweit unsere bisherigen Bemühungen für die Herabsetzung der Fleischpreise Erfolge zeitigen, können wir in diesem Augenblicke noch nicht feststellen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass bereits eine Anzahl von Metzgerorganisationen und einzelner Metzger ihren Bedarf an Grossvieh durch Vermittlung der Anstalt decken.

Seit Beginn- dieses Jahres ist wohl die Aufzucht von Jungvieh etwas eingeschränkt worden. Die Rindviehbestände des Landes sind jedoch immer noch so zahlreich, dass die Futtermittelvorräte kaum zu einer befriedigenden Durchwinterung ausreichen dürften. Da aber der Export, wie bereits erwähnt, sehr reduziert wird, so ist auf den Herbst, namentlich - für die Zeit

133 der Entladungen der Alpweiden, ein bedeutend vermehrtes Angebot von Schlachtvieh und damit eine Reduktion der Vieh- und Fleischpreise mit Sicherheit zu erwarten, Grössere Abschlachtungen sind speziell auch zur Anlage von Vorräten an Gefrierfleisch vorgesehen und es hat sich die Anstalt für Schlachtviehversorgung bereits die hierzu nötigen Lokalitäten gesichert. Diese Vorräte werden ihrerseits geeignet sein, einer Steigerung der Fleischpreiso im kommenden Frühjahr entgegenzuwirken.

Sollten die Erfahrungen lehren, dass die erwähnten Massnahmen ein Sinken der Fleischpreise nur in ungenügender Weise herbeizufuhren vermögen, so sind wir trotz den grossen Schwierigkeiten zur Festsetzung von Höchstpreisen entschlossen. Um die Kälbermast einzuschränken und damit die Milchveraorgung zu erleichtern, haben wir auf diesem Wege bereits den ersten Schritt getan und durch V e r f u g u n g vom 31, A u g u s t H ö c h s t p r e i s e f ü r K ä l b e r u n d K a l b f l e i s c h a u f g e s t e l l t , welche am 15. September in Kraft treten und vom 15, Oktober an weiter reduziert werden. Diese Höchstpreise bedeuten gegenüber den Preisen, die jetzt bezahlt werden, eine ganz bedeutende Reduktion. Gleichzeitig wird der Verkauf von Kalbfleisch auf zwei Wochentage beschränkt.

Gerade diese Massnahmen haben neuerdings gezeigt, wie ausserordentlich schwierig es ist, Höchstpreise für Vieh nnd Fleisch festzusetzen und den An- und Verkauf in einer gerechten, dem gewollten Zwecke entsprechenden Weise zu ordnen. Wenn schon bei der Ansetzung der Ankaufspreise für Kälber die örtliche Lage der Produktionsgegend und die Verschiedenheit der Mastergebnisse je nach Viehrasse etc. eine einheitliche Berechnung erschweren, so bieten sich noch weit grössere Schwierigkeiten in der Preisbestimmung für den Verkauf von Kalbfleisch mit seinen verschiedenen Kategorien, Qualitäten und Stücken, die dem Käufer meistens nicht so geläufig sind, dass eine Einhaltung der Höchstpreise wirksam kontrolliert werden kann. Die Schwierigkeitenbei der Berechnung steigern sich, je verschiedener die Distana zwischen dem Annahmeort der Lebeware und dem Schlachtort ist.

Neben den varierenden Frachtauslagen kommt hier hauptsächlich die Gewichtsabnahme der Tiere bis zum Bestimmungsort in Frage, die wiederum wechseln nach der vor der Wägung verabreichten
Nahrung. Diese Unsicherheit veranlagst speziell in den Städten die Metzger, nur noch auf Sohlachtgewicht zu kaufen. Dass es fast unmöglich ist, den Gewinn des zwischen dem Produzenten und Metzger stehenden Händlers und seiner im Kälberhandel

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naturgemäss nicht auszuschliessenden Unterhändler zu reglementieren, liegt auf der Hand. Die Fixierung eines bestimmten Händlergewinnes auf dem Ankaufspreise ist ebenfalls nicht durchführbar, weil ein sicherer Identitätsnachweis der Tiere am Bestimmungsort nicht zu erbringen ist. Da die Vorschriften in den verschiedenen Schlachthäusern der Schweiz stark voneinander abweichen, geht es auch nicht an, zum Schutze des Metzgers vom Händler eine Garantie für eine bestimmte Maximalabschlachtungsquote zu verlangen.

Wir haben uns aus diesen Gründen in der erwähnten Verfügung betreffend Kalber und Kalbfleisch damit begnügt, bei der Berechnung der Fleischpreise die normalen Unkosten der Metzger für kleinere bis mittlere Distanzen zu berücksichtigen und Bestimmungen über den Handel weggelassen. Für Städte, die abseits der Auftriebsplätze liegen, sind die Kantonsregierungen zu einer Erhöhung der Preise ermächtigt.

Wir sind uns bewusst, dass auch die Durchführung dieser Vorschriften zahlreiche Schwierigkeiten bieten und oft auch berechtigte Interessen verletzen wird. Diese Schwierigkeiten sind naturgemäss in teilweise noch erhöhtem Masse vorhanden, wenn auch für das übrige Vieh und Fleisch Höchstpreise festgesetzt werden müssen. Wir werden trotzdem zu diesem Mittel greifen, wenn auf anderem Wege unser Ziel, erträgliche Fleischpreise zu schaffen, nicht erreicht werden kann.

Schon wiederholt ist angeregt worden, zur Reglierung des Viehhandels und zur Verbilligung des Fleisches das V i e h h a n d e l sm o n o p e l einzuführen und damit eine Rationierung von Fleisch und Fleischwaren zu verbinden. Wir sind tiberzeugt, dass ein Monopol, welches nur durch Schaffung eines grossen und kostspieligen Apparates durchführbar wäre, zu einer Verteuerung des Fleisches fuhren würde. Diese Massnahme hätte zudem wiederum zur Folge, dass die Erwerbsquellen weiter Kreise der Bevölkerung abgegraben würden. Nicht zum mindesten die Metzger haben sich mit Bestimmtheit gegen das Monopol ausgesprochen. Übrigens kann darauf hingewiesen werden, dass seit Erlass des Bundesratsbe«chlusses vom 13. April 1917 betreffend den Verkehr mit Vieh, die Auswüchse des Viehhandels zum grössten Teil beseitigt sind, Eine scharfe Kontrolle und rücksichtslose Bestrafung bei Übertretung der bestehenden Vorschriften seitens der kantonalen Behörden einerseits
und verständnisvolles Zusammenarbeiten der Metzger mit der eidg. Anstalt für Schlachtviehversorgung anderseits sind unseres Erachtens eher dazu geeignet, die Viehpreise in erträglichen Grenzen

135 zu halten, als ein Monopol. Ein solches wird allerdings dann kommen müssen, wenn der Bestand von Milchtieren aus irgendwelchen Gründen stark zurückgehen und dadurch die Milchversorgung gefährdet würde. Unter diesem Gesichtspunkte werden ·denn auch die Vorarbeiten zu einem Viehmonopol getroffen.

4. Durch das eidg. S c h l a c h t v i e h i m p o r t b u r e a u wurden vom 1. Januar 1917 bis 31. August 1917 12,826 Schweine im Gewicht von 2,385,817 kg aus Italien eingeführt. Importe lebenden Viehes aus anderen Staaten wurden durch die durch den Krieg geschaffenen Zustände verunmöglicht.

Der Einkauf geht in sorgfältigster Weise vor sich, um unser Land vor Seuchenverschleppungen zu bewahren. Wir importierten .ausschließlich schwere fette Tiere, um die bestehende Fettnot nach Kräften zu lindern. Der Einkaufspreis dieser schweren Schlachtachweine steht bedeutend über demselben der leichtern Tiere. Die Qualität sowie der Gesundheitszustand dieser Tiere war in jeder Beziehung befriedigend. Grosse Schwierigkeiten bieten in Italien die rechtzeitige Beschaffung des zum Verlad nötigen Wagenmaterials, sowie die momentanen Unregelmäßigkeiten im Transportwesen.

Warenabteilung, Es konnte auch während der Berichtsperiode in Verhältnismassig befriedigenden Quantitäten P e t r o l e u m importiert werden.

Dasselbe ist während der Sommermonate nur in bescheidensten Mengen abgegeben worden, so dass eine Reserve für den kommenden Winter geschaffen werden konnte. Wenn die Zufuhren ·weiterhin einigermassen anhalten, so wird ein eigentlicher Mangel an Petroleum bis zum Frühjahr voraussichtlich nicht eintreten.

Infolge der stark erhöhten Frachtkosten musste der Preis am 22. August um 8 Rappen per Liter erhöht werden, nachdem er seit dem 2. Juni 1916 auf gleicher Höhe beibehalten werden konnte.

Die Importverhältnisse bei B e n z i n und B e n z o l gestalteten sich dagegen trotz grösster Bemühungen in letzter Zeit ·wesentlich ungünstiger. Die Produktion in Deutsehland und Österreich-Ungarn ist zurückgegangen, der Bedarf dieser Länder aber gestiegen. Für eine weitere Einfuhrmöglichkeit aus Amerika besteht infolge des Mangels an Tankschiffen wenig Hoffnung. Es konnte aus diesen Gründen in den letzten 5 Monaten nicht einmal ·die Hälfte des Bedarfes eingeführt werden. Bereits durch BundesTatsbeschluss vom 14. Juli 1917 betreffend die Abgabe des BrennBundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IV.

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Stoffes für Motorfahrzeuge musste deshalb zu einer Kontingentierung in der Zuteilung des Brennstoffes geschritten werden, wobei die verschiedenen Fahrzeuge je nach dem Grade ihrer Wichtigkeit für die Allgemeinheit in 4 Klassen eingeteilt wurden. Die Bezugskart en für Brennstoff sind, um eine einheitliche und gerechte Verteilung sicherzustellen, direkt von der Warenabteilung aus abgegeben worden. Da sich die Einfuhrverhältnisse aber weiterhin verschlimmerten, waren wir gezwungen, bereits für den Monat September weitere bedeutende Einschränkungen dadurch vorzunehmen, dass den Klassen 3 und 4 keine Bezugskarten mehr verabfolgt wurden. Für dringende Fälle und die Taxameter machen wir vorläufig noch eine Ausnahme. Dagegen muss auch der Verbrauch von Brennstoff durch die Klassen l und 2, und namentlich auch für die Armee, weiter reduziert werden. Die auf dieseWeise erzielten Ersparnisse von monatlich zirka 300,000 Liter sind voraussichtlich immer noch nicht genügend, weshalb weitere Einschränkungen vorgesehen werden müssen. Infolge starker Steigerung der Ankaufspreise für Benzin waren wir schon am 16. Juni genötigt, den Abgabepreis um 35 Rappen per Kilogramm zu erhöhen. Eine weitere Preissteigerung wird sich nicht vermeiden lassen.

Es ist uns in letzter Zeit gelungen, beschränkte Mengen vonL e i n ö l und K o p r a einzuführen. Das erstere wird in sparsamster Weise dem Handel und der Industrie zur Verfügung gestellt, die Kopra zu Kokosöl und Speisefett verarbeitet.

Eine der schwierigsten Fragen der gesamten Landesversorgung ist nach wie vor die Beschaffung von S p e i s e f e t t und S p e i s e ö l . Sowohl die Eigenproduktion als auch der Import sind sehr stark zurückgegangen. Wie bereits in frühern Berichten auseinandergesetzt worden ist, sind unsere Organisationsbestrebungen an Schwierigkeiten, die im Auslande entstanden sind,, gescheitert. Um trotzdem eine gleichmässige Verteilung der vorhandenen Waren zu ermöglichen und eine ungerechtfertigte weitere Preissteigerung zu vermeiden, haben wir die Gründung einesBureaus der 4 Lebensmittelsyndikate der 8.3.8. angestrebt und durchgeführt, welches Bureau seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat. Der Handel wird von diesem Bureau in der Weise organisiert und kontrolliert, dass jeder Importeur seine Ware wie bi& anhin selbst einkauft und einführt, dagegen
dem Bureau immer 20 °/o zur Verfügung hält. Mit diesem Quantum führt das letztere den Ausgleich für diç verschiedenen Landesteile durch. Die importierte Ware wird direkt dem Konsum abgegeben. Das Bureau setzt ferner die Preise fest. Importeure und Detaillisten, die die-

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aufgestellten Vorschriften übertreten, werden vom Bureau bei Zuteilungen nicht mehr berücksichtigt.

Die Erfahrungen, welche mit dieser Organisation gemacht werden, sollen auch die Grundlage schaffen für die Entscheidung der Frage, ob und in welcher Weise die Einführung der Fettkarte erfolgen muss.

Die Bestrebungen, die Fettproduktion im eigenen Lande zu vermehren (Verwendung der Maiskeime, Abfalle, Knochen, Baumund Buchnüsse, Fruchtsteine, Traubenkerne etc.) werden fortgesetzt.

Volle Aufmerksamkeit wird auch der Förderung der Kons e r v i e r u n g von F r ü c h t e n gewidmet. Vereinbarungen mit Konservenfabriken und bestimmte Vorschriften, welche wir für solche aufgestellt haben, garantieren die weitgehendste Versorgung des Landes, Ferner wird die Herstellung von Dörrobst mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gefördert. Publikationen in der Presse in Verbindung mit den Ratschlägen, welche ein von uns beauftragter Fachmann allen Interessenten unentgeltlich erteilt, sorgen für die nötige Aufklärung. Wir haben uns auch verpflichtet, jedes Quantum Dörrobst guter Qualität zu annehmbaren Preisen zu übernehmen.

Unsere Tätigkeit zur B e k ä m p f u n g der W a r e n s p e k u l a t i o n und des W u c h e r s wurde intensiv fortgesetzt. Seit dem Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses vom 18. Februar 1916 wurden von uns über 6 Millionen Kilogramm diverser Waren beschlagnahmt. Unsere Bestrebungen in Verbindung mit denjenigen der kantonalen Organe haben eine wesentliche Sanierung der Übelstände herbeigeführt. Die letzten Bestandesaufnahmen, welche wir bezüglich der Vorräte an Lebens- und Genussmitteln in den Lagerhäusern periodisch durchgeführt haben, zeigten, dass sich nur noch ganz unbedeutende Quantitäten dieser Waren in der Händen von Spekulanten befanden. Wir haben alle Fälle, welche uns durch Behörden, Interessentengruppen, Zeitungen oder Pri vate gemeldet wurden, jeweils sofort untersucht und sind rück sichtslos eingeschritten.

Was die Bekämpfung des Anhäufens von Lebensmitteln in Privathaushaltungen anbelangt, so ist dieselbe nach der Natur der Sache von den Kantonen und Gemeinden durchzuführen, welche dazu durch die Bundesratsbeschlüsse vom 10. August 1914 und 2. Februar 1917 nicht nur ermächtigt, sondern sogar verpflichtet sind. Nachdem übrigens die wichtigsten Lebensrnittel fast durchwegs rationiert sind und sich zum Teil auch ihrer Natur

138 nach nicht zur Aufhäufung bedeutender Vorräte eignen, ist diese Möglichkeit stark eingeschränkt.

Da die Vermutung bestand, dass der Mangel an P f e f f e r u n d K o r k infolge Aufstappelung dieser Waren durch Spekulanten verursacht worden sei, haben wir bezügliche Bestandesaufnahmen vorgenommen. Die Resultate sind zurzeit noch nicht bekannt.

Für den Engroshandel von K a f f e e haben wir neue Richtpreise festgesetzt.

Angesichts der für unsere Landesversorgung stets wachsenden Schwierigkeiten sahen wir uns veranlagst, die L i e b e s g a b e n s e n d u n g e n , an K r i e g s g e f a n g e n e in den kriegführenden Ländern weiterhin stark einzuschränken. Sie betragen heute nur noch zirka 15% der ursprünglichen Mengen. Wir haben uns auch bemüht, die Zahl der auf diesem Gebiete tätigen Komitees wesentlich zu reduzieren und dieselben zu veranlassen, die zum Versand notwendigen Waren zum grössten Teil selbst zu importieren. Dies ist für bedeutende Quantitäten bereits der Fall, und zwar werden diese Importe dem Schweizerkontingent nicht angerechnet. Mit Rücksicht auf die allseitig anerkannte wohltätige Wirkung dieser Tätigkeit, die den übrigen humanitären Bestrebungen unseres Landes entspricht, hielten wir es für angezeigt, dieselbe nicht gänzlich einzustellen. Da die gegenwärtige Ausfuhr zu diesen Zwecken auf den Kopf der einheimischen Bevölkerung monatlich nur 60 Gramm ausmacht, so kann von einer Beeinträchtigung der Landesinteressen nicht wohl gesprochen werden.

Es wurde ferner wiederholt in Erwägung gezogen, ob in Anbetracht der wachsenden Knappheit im eigenen Lande die L e b e n s m i t t e l s e n d u n g e n an die S c h w e i z e r im Ausl a n d e eingestellt oder reduziert werden sollten. Da dieser Zuschuss aus der Heimat für unsere Landsleute jedoch von ausserordentüeher Wichtigkeit ist, möchten wir diese Institution solange als möglich beibehalten, beträgt doch das Lebensmittelquantum, welches dem Inlande dadurch monatlich entzogen wird, nur zirka 30 Gramm per Kopf.

Fürsorgeamt.

Nachdem durch die Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 27. April 1917 die Bedingungen für die Abgabe von Milch zu herabgesetzten Preisen festgesetzt worden waren, ist vom 1. Mai an mit der Abgabe solcher Milch in den Gemeinden be-

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gönnen worden; durch Bundesratsbesehluss vom 29. Mai 1917 wurde auch die Abgabe von Brot zu herabgesetzten Preisen an Minderbemittelte geregelt. Die Grundsätze, nach welchen die Abgabe erfolgt, sind bei beiden Lebensmitteln die gleichen.

Im Laufe der darauffolgenden Zeit haben uns die meisten Kantone ihre Vollziehungsverordnungen zur Genehmigung vorgelegt. Die Abgabe von Brot zu herabgesetzten Preisen hat vont l. Juni an erfolgen können. Von diesem Tage, bzw. vom l. Juli 1917 an, hat dafür die Abgabe von Zucker, Reis, Haferflocken und Mais zu herabgesetzten Preisen aufgehört, diejenige von Petrol ist beibehalten worden. Damit ist eine von vielen Lebensmittelamtern als notwendig bezeichnete Vereinfachung eingetreten.

Um in die Notstandsaktion eine gewisse Einheitlichkeit zu bringen, die schon deshalb erwünscht war, damit der Bundesbeitrag den Kantonen und Gemeinden gleichmässig zukommt, hat das eidgenössische Fürsorgeamt am 2. Mai 1917 Erläuterungen zu den Beschlüssen des Volkswirtschaftsdepartementes und des Militärdepartementes herausgegeben und den Lebensmittelämtern zugestellt.

Seit 1. Juli hat das eidgenössische Fürsorgeamt auch das Rechnungswesen über die Abgabe von Brot zu billigeren Preisen übernommen.

Die Zahl derjenigen, die vom Rechte zum Bezüge von Milch und Brot zu herabgesetzten Preisen Gebrauch machen, kann anhand der Abrechnungen der Kantone festgestellt werden. Einzelne Kantone sind aber mit der Rechnungsstellung so im Rücketand, dass genaue Zahlen noch nicht mitgeteilt werden können.

Immerhin ist gewiss, dass Ende Juli 1917 an über 600,000 Personen billige Milch und billiges Brot abgegeben worden ist.

Die Zahl wächst stetig, auch ohne Erhöhung der Einkommensgrenzen.

Die Frage, ob eine solche vorzunehmen sei, wird vom eidgenössischen Fürsorgeamt geprüft. Die Antworten de'r in dieser Sache um ihre Meinung begrüssten Kantonsregierungen sind indes noch nicht alle eingegangen. Verschiedene Regierungen halten die geltenden Ansätze, namentlich der Kategorien 2 und 3 für richtig, andere wollen erst die Entwicklung der Notstandsaktion während einiger Zeit abwarten, wieder andere -- Kantone mit grossen Gemeinden -- empfehlen eine Erhöhung.

Eine Reihe von Beschwerden und Rekursen sind den zuständigen Rekursinstanzen zur Erledigung überwiesen worden.

140 In Verbindung mit dem Präsident der eidgenössischen Obstkommission ist in deutscher, französischer und italienischer Sprache eine ,,Anleitung über das Frischaufbewahren und Konservieren von Obst und Gemüse nach einfachsten und billigsten Methoden11 in Form eines Flugblattes und einer Broschüre in einer Gesamtauflage von 620,000 Stück herausgegeben und an die Kantone zur Verteilung an die Haushaltungen abgegeben worden. Die Kosten trägt der Bund.

Bin zweites F l u g b l a t t , in allen 3 Landessprachen und in einer Auflage von 17,000 Stück -- ebenfalls als Beilage zu den ,,Mitteilungen über die Lebensmittelversorgung" -- gibt Rezepte für die Verwendung von,Hollunderbeeren, Kürbis und die Trocknung von Kartoffeln.

Um die Verwaltungen der Gemeinden mit mehr als 2300 Einwohnern, die kantonalen und kommunalen Fürsorgestellen und Lebensmittelämter, die Bezirksstatthalter usw. mit den wichtigsten Beschlüssen des Bundesrates, den Verfügungen der Departemente und der Zentralstellen für Milch und Milcherzeugnisse, Obst, Kartoffeln, Fleisch usw. bekannt zu machen, um Anregungen zu verbreiten, und um das Interesse für die Fürsorge zu wecken und zu heben, werden seit 2. Juni 1917 vom eidgenössischen Fürsorgeamt die ,, M i t t e i l u n g e n ü b e r die L e b e n s m i t t e l v e r s o r g u n g " in einer Auflage von 600 deutschen und 200 franzosischen Exemplaren herausgegeben und an die obgenannten Stellen gratis versandt. Bis Ende August sind 7 Nummern erschienen.

Die Vorsteher der kantonalen und grössern kommunalen Lebensmittelätnter haben sich unter dem Vorsitz des Leiter« des eidgenössischen Fürsorgeamtes am 15. Juli zur Besprechung eiaer Reihe von wichtigen Fragen der Versorgung und Fürsorge zusammengefunden und werden diese gemeinsamen Beratungen regelmässig weiterführen.

Gesundheitsamt.

Das Auftreten der epidemischen Ruhr in gewissen, an die Schweiz grenzenden Gegenden hat uns veranlasst, um einer Weiterverbreitung rechtzeitig entgegentreten zu können, durch unsern Beschluss vom 21. August 1917 anzuordnen, dass diese Affektion in die Kategorie der epidemischen Krankheiten mit obligatorischer Auzeigepflicht aufzunehmen sei. Dieser Beschluss ergänzt denjenigen vom 27. Oktober 1914, der die Ausdehnung der Anzeigepflicht auf eine gewisse Zahl von Krankheiten ent-

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hielt, die im eidgenössischen Epidemiegesetz nicht vorgesehen waren, und dessen Bestimmungen auch Anwendung auf die ·epidemische Ruhr finden. Wir behalten uns vor1, die nötigen Massnahmen anzuordnen für den Fall, dass die Gefahr der Einschleppung der Krankheit dringender würde oder wenn das Auftreten derselben in unsertn Lande tatsächlich konstatiert würde.

Auf dem Gebiete der Lebensmittelpolizei mussten wir, um namentlich den aus der Schwierigkeit der Zuckerbescbaffung resultierenden Übelständen zu begegnen, einige Abweichungen von der Bundesgesetzgebung eintreten lassen. Am 9. Mai 1917 haben wir die Anwendung des Saccharins, des Dulcins und anderer künstlicher Süssstoffe bei der Fabrikation gewisser Getränke gestattet, am 9, Juni 1917 die Verwendung der Glukose bei der Herstellung gewisser Sirupe, stets unter Deklaration.

Da sich die Spekulation des Saccharins und besonders der Präparate, die diese Substanz in einer für den Gebrauch im Hauehalte geeigneten Form enthalten, bemächtigt hatte, verordneten wir ausserdem durch unsern Beschluss vom 6. Juni 1917, dass die Mischungen künstlicher Süssstoffe mit andern Substanzen den betreffenden Süssstoff im Verhältnis von mindestens 20 °/o enthalten müssen. Endlich haben wir durch Beschluss vom 27. Juli 1917 die Konservierung von Fruchtsäften mittels Ameisensäure gestattet, einem in den gebräuchlichen Dosen unschädlichen Mittel.

Wir wollen dadurch eine rationelle und vollständige Verwertung der Waldfrüchte ermöglichen, u. a. der Himbeeren, die dieses Jahr einen aussergewöhnlich reichlichen Ertrag aufweisen und die infolge des Zuckermangels eine Zeitlang konserviert werden müssen, statt dass sie, wie in normalen Zeiten, sofort zur Fabrikation von Sirup Verwendung finden können.

Unsere Versorgung mit Medikamenten und Desinfektionsmitteln wird, wenigstens für bestimmte Produkte, allmählich etwas schwieriger. Immerhin hat unser Gesundheitsamt, das mit der Kontrolle des Medikamentenhandels (Beschluss vom 14. April 1916) und mit der Ausführung des am 25. August 1915 mit Deutsehland abgeschlossenen Abkommens Über die Einfuhr dieser Produkte betraut ist, diese Schwierigkeiten bis jetzt überwinden können, und es hat uns bis jetzt kein tatsächlich unentbehrlicher Artikel gefehlt. Immerhin mussten wir den Fall vorsehen, dass infolge der allgemeinen Lage die
Einfuhr von Medikamenten aufhören konnte und dass sogar unsere Fabriken ihre Tätigkeit einschränken oder ganz einstellen müssten; wir haben deshalb unser Gesundheitsamt ermächtigt, eine Reserve von unentbehrlichen Medika-

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menten und Desinfektionsmitteln anzulegen und ihm zu diesem Zwecke die notwendigen Kredite zur Verfügung gestellt.

Wir fügen noch bei, dass das obenerwähnte Abkommen mit Deutsehland gewisse Abänderungen erfahren hat, die zum Zwecke haben, die darin vorgesehenen Formalitäten, die zurzeit sehr langwierig sind, etwas abzukürzen.

G. Post- und Eisenljahndepartement.

Eisenbahnabteilung.

Da die Kohlenversorgung unseres Landes, namentlich diejenige der schweizerischen Bundesbahnen, für den nächsten Winter nicht genügend gesichert erscheint, haben wir durch zwei Bundesratsbeschlüsse, beide vom 28. Juli 1917 (A. S., Bd. XXXIII, S. 576 und 577), zum Zwecke einer Verminderung des Kohlenverbrauchs und der hierdurch notwendig werdenden Einschränkung des Personenverkehrs auf den schweizerischen Eisenbahnen und Dampfschiffen folgende Massnahmen getroffen: 1. Einstellung der Ausgabe von Generalabonnements mit Ausnahme derjenigen für 3 Monate, vom 28. Juli an ; 2. Ausserkraftsetzung des Tarifes für die Beförderung von Gesellschaften und Schulen für die mit Dampf betriebenen Strecken, vom 1. September an.

3. Verbot der Annahme von Bestellungen auf Extrazuge und Extraschiffe zur Fahrt auf den mit Dampf betriebenen Strecken, vom 1. August an.

4. Durchführung einer weitern Einschränkung der Fahrleistungen für alle Eisenbahn- und Schiffahrtsverwaltungen, bei deren Betrieb Kohle zur Verwendung gelangt, gegenüber den Fahrplänen vom 20. Februar 1917 und den auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 4. April 1917 vorsorglich aufgestellten Entwürfen. Den Kantonsregierungen wurde Gelegenheit gegeben, ihre Begehren bei den Verwaltungen geltend zu machen. Der neue Fahrplan, dessen endgültige Genehmigung wir dem Eisenbahndepartement übertragen haben, tritt am 15. Oktober 1917, mit Gültigkeit bis auf weiteres, in Kraft.

Auf diesen Zeitpunkt werden, ausser den vorstehend erwähnten, noch weitere Massnahmen ergriffen werden müssen, um eine genugende Verminderung des Personenverkehrs zu bewirken. Die Untersuchungen hierüber sind im Gange.

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Nachdem verschiedene Schiffahrtsunternehmungen und Saisonbahnen Gesuche um Bewilligung von Ausnahmen vom Verbot der Ausgabe von Gesellschaftsbillets gestellt hatten, haben wir mit Beschluss vom 30. August dieses Jahres bezüglich der vorstehenden Ziffer 2 verfügt, dass der Tarif für die Beförderung von Gesellschaften und Schulen ausnahmsweise bis auf weiteres in Kraft bleibt für die Schiffahrtsunternehmungen sowie bis Jahresschluss für die Saisonbahnen mit Inbegriff der Rigibahn.

Es hat sich ergeben, dass einzelne Transportunternehmungen die Fassung des vorstehend unter Ziffer 3 erwähnten Verbotes betreffend Extrafahrten : ,, B e s t e l l u n g e n dürfen nicht angenommen werden" benützten, um von sieh aus unbestelltermassen solche Extrafahrten auszuführen. Es erschien daher notwendig, das Verbot, im Sinne der Verschärfung, anders zu formulieren.

Die frühere Fassung der Ziffer 3 haben wir durch den vorstehend erwähnten Bundesratsbeschluss vom 30. August dieses Jahres durch folgende neue Ziffer 3 ersetzt: ,,Vom 3. September 1917 an dürfen auf den mit Dampf betriebenen Strecken der Bahn- und der Schiffahrtsunternehmungen keine Züge oder Fahrten mehr ausgeführt werden, die nicht in den genehmigten Fahrplänen festgelegt sind.

Vorbehalten bleiben Notfalle und militärische Anordnungen".

Postabteilung.

Im Jahre 1916 dehnten die französischen Militärbehörden die Z e n s u r sogar auf die postdienstlichen Sendungen der Zentralpostverwaltungen neutraler Länder an die schweizerische Oberpostdirektion und umgekehrt aus. Gegen diesen durch nichts gerechtfertigten Eingriff in den amtlichen Verkehr staatlicher Verwaltungen neutraler Länder wurde sofort und nachher zu wiederholten Malen erneut Einspruch erhoben. Nach langen Unterhandlungen sicherte endlich die französische Regierung Abhülfe zu. Trotzdem kamen, wenn auch weniger zahlreich als vorher, neue Fälle vor. Erst auf das Dazwischentreten des Betriebsdirektors des französischen Postministeriums hin, hörte das für unser Land verletzende Verfahren gänzlich auf.

Wie in unserm Bericht über die Geschäftsführung der Postverwaltung im Jahre 1916 (Bundesblatt 1917, II, s, 640, Ziffer 4) erwähnt ist, wurde am 17. Juni 1916 im grossen Rat von Genf wegen zwei Fällen von angeblicher Verletzung des P o s t g e h e i m n i s s e s zugunsten einer fremden Macht interpelliert. Die

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Untersuchung ergab die völlige Haltlosigkeit des gegen das schweizerische Postpersonal erhobenen Vorwurfs. Daraufhin brachte der Interpellant, Herr Grossrat Guinand, neue Anschuldigungen vor.

Auch in bezug auf diese Fälle erwies sich nach eingehender Untersuchung die Unterschiebung einer Verletzung des Postgeheimnisses durch Organe der schweizerischen Postverwaltung als unbegründet.

Die Vermittlung des K r i e g s g e f a n g e n e n v e r k e h r s bedeutet für die schweizerische Postverwaltung andauernd eine starke. Belastung. Dag Nähere ergibt sich aus der nachstehenden Zusammenstellung.

Umgeleitete Sendungen.

Von Von Kriegsgefangenen Kriegsgefangenen usw. im Ausland an An Kriegsgefangene Pakete bis Briefe, Karten Hilfsbureaux usw.

Briefe, Karten und Päckchen 5 kg in der Schweiz 1917 und Päckchen Mai

6 884 558

Juni

6 398 553

Juli

6 039 344

2 526 545 1 931 119 1 913 419

5 422 483 5 595 229 5 681 916

272 586 176338 292 229

Umgeschriebene Postanweisungen.

Zahl Betrag

Fr.

,, ,, Genehmigen Sie die Versicherung Hochachtung.

Mai .

Juni .

Juli .

. . 301 977 . . 215 081 . . 198128

4 891 221 3446973 3081670 unserer vorzüglichen

B e r n , den 10. September 1917.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

VIII. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen. (Vom 10. September 1917.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1917

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

575

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.09.1917

Date Data Seite

55-144

Page Pagina Ref. No

10 026 489

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