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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Alois Bernhard, Inhaber eines Bankgeschäfts in Zürich, gegen einen Beschluß des Regierungsrathes des Kantons Schwyz vom 29. Dezember 1891 wegen angeblicher Verletzung des Art. 31 B.-V.

durch Verweigerung der Bewilligung zum Verkauf von schweizerischen Anleihensloosen im Kanton Schwyz. · (Vom 9. Juni 1892.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h

hat in Sachen des Rekurses von Alois B e r n h a r d , Inhaber eines Bankgeschäfts in Zürich, gegen einen Beschluß des Regierungsrathes des Kantons Schwyz vom 29. Dezember 1891, wegen angeblicher Verletzung des Art. 31 B. - V. durch Verweigerung der Bewilligung zum Verkauf von schweizerischen Anleihensloosen im Kanton Schwyz; auf dea Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: I. Alois Bernhard ist in Zürich Inhaber eines Bankgeschäftes für Prämienwerthe, das hauptsächlich den Handel mit Anleihensloosen von Staaten und Städten betreibt. Mit Eingabe vom 10. Dezember 1891 stellte er bei dem Regierungsrathe des Kantons Schwyz die Anfrage, ob ihm der Verkauf von schweizerischen Anleihensloosen im Kauton Schwyz bewilligt werde. Der Regierungsrath verneinte mit Beschluß vom 29. Dezember 1891/5. Januar 1892

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die Anfrage gestützt auf den bestimmten Auftrag des Kantonsrathes vom 1. Dezember 1891, demzufolge in Zukunft an keinerlei ausländische und außerkantonale Unternehmen irgendwelcher Art, welche Loose von Waaren- oder Geldlotterien ausgeben, Bewilligungen zum Verkauf, Vertrieb und zur öffentlichen Ankündigung im Kanton Schwyz ertheilt werden sollen.

II. Gegen diesen Beschluß ergriff Herr Theodor Imhoof, Advokat in Zürich, Namens des Alois Bernhard den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrath.

In dem Rekursmemorial vom 24. Februar 1892 wird im Wesentlichen geltend gemacht : Die Auleihensloose seien ein Handelsartikel, welcher mit den gewöhnlichen Lotteriebilleten nicht verwechselt werden dürfe. Sie seien Inhaberpapiere mit bestimmtem immanentem Werth, der im Handel höchstens durch den Kurs nach oben oder unten verschoben werden könne. Ah solche seien sie daher ein Handelspapier gerade so gut wie jede Staats- oder Städte-, Bankoder Eisenbahnobligation. Die Kombination des Forderungstitels mit einer Amortisation auf dein Wege der Verloosung andere hieran nichts. Es gebe verzinsliche und unverzinsliche Anleihensloose.

Der Regierungsrath des Kantons Schwyz unterscheide zwar in seinem Beschlüsse vom 29: Dezember 1891 zwischen Anleihensloosen und Lotterieloosen, mache aber im Uebrigen zwischen verzinslichen und unverzinslichen Anleihensloosen keinen weitern Unterschied.

Der Rekurrent bestreitet nicht, daß der Regierungsrath des Kantons Schwyz Verfügungen über den Verkauf von Anleihensloosen erlassen dürfe, findet aber, daß derselbe mit dem Erlasse eines allgemeinen Verbotes zu weit gegangen sei, indem dadurch die im Art. 31 B.-V. gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit verletzt .werde.

Zum Schlüsse wird vom Rekurrenten noch darauf hingewiesen, daß in allen andern Kantonen der Handel mit Anleihensloosen gestattet sei und es sogar noch schweizerische Kantone und Städte (Freiburg, Neuenburg etc.) gebe, welche solche Loose selbst ausgeben.

Gestützt auf das Angebrachte wird vom Rekurrenten das Begehren gestellt, es sei die angefochtene Schlußnahme aufzuheben.

III. Der Regierungsrath des Kantons Schwyz bemerkt in seinem Vernehmlassungsschreiben an das eidgenössische Justiz- und Polizeideparlement vorn 16./2l. März 1892 gegenüber den Ausführungen des Rekurrenten Folgendes :

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Im Kanton Schwyz besteht seit dem 22. März 1870 eine Gesetzesvorschrift, wonach die Lotterien und Hazardspiele, das Kollektiren für solche Anstalten, sowie die öffentlichen Ankündigungen derselben in Zeitungen u. 9. w. verboten sind. Der Verkauf von Originalloosen aus Staatsanleihen, welche mit Lotterien verbunden sind, sowie die öffentliche Ankündigung derselben bedürfen der Bewilligung des Regierungsrathes.

Zu verschiedenen Malen ist für Anleihensloose der Verkauf und Vertrieb bewilligt worden ; so kürzlich noch an die Firma Beck und Cie. in Zürich hinsichtlich von fünf verschiedenen Anleihensloosen der Kantone Freiburg, Genf und Neuenburg. Allein der Vertrieb solcher Lotterie- und Anleihensloose hat jedes Mal zu Uebelständen und Klagen zwischen Käufern und Verkäufern und zu einer schrankenlosen, intensiven Colportage von Haus zu Haus durch allerlei Agenten und Unterhändler geführt.

Um dem Unfug, der unter dem Deckmantel ,,schweizerischer Anleihensloosea getrieben wurde, endlich wirksam zu steuern, hat der h. Kantonsrath Schwyz den 1. Dezember 1891 bei Berathung des 1890er Rechenschaftsberichtes über die Staatsverwaltung beschlossen : ,,Der Regierungsrath ist eingeladen, dafür zu sorgen, daß das Verbot von Lotterie- und Hasardspielen vom 22. März 1870 bezüglich Ankündigungen von Lotterie- und Anleihensloosen in Zeitungen strengstens vollzogen, und daß Bewilligungen für Verloosungen zu Gunsten wohlthätiger Anstalten nur in wirklich gerechtfertigten Fällen ertheilt werden."

Diesem Beschlüsse gab die Regierung sofort durch den Erlaß der allgemeinen Verfügung vom 29. Dezember 1891 Vollziehung; insbesondere zog sie die bereits an Reck und Cie. ertheilte Bewilligung zurück und lehnte auch die Ertheilung einer Bewilligung an den Rekurrenten Bernhard ab.

In Bezug auf den vom Rekurrenten angerufenen Art. 31 B.-V.

bestreitet die Regierung, daß derselbe auf den Verkauf und Vertrieb von Lotterie- und Anleihensloosen Anwendung finden könne. Nach Bundesrecht, Art. 35 B.-V., könne der Bund in Beziehung auf die Lotterien geeignete Maßnahmen treffen; Alles, was daher im Zusammenhang mit Lotterien dieser oder jener Art stehe, i'alle nicht unter die Vorschriften des Art. 31 der Bundesverfassung. So lange der Bund von seinem Gesetzgebungsrechte nach Maßgabe des letzten Absatzes von Art. 31 B.-V. keinen Gebrauch
mache, sei die bisherige Gesetzgebung der Kantone maßgebend (Berufung auf das Urtheil des Bundesgerichtes vom 22. März 1890, Entscheide Bd. XVI, S. 65, Erwägung 3, und Blumer-Morel, Bundesstaatsrecht, Bd. II, S. 300).

9J8 Wenn somit, wird von dor Regierung weiter bemerkt, in Hinsieht auf Lotterien die Gesetze und Vorschriften der Kantone zu Recht bestehen und anwendbar sind, so liegt es auch allein in der Kompetenz der letztern, zu bestimmen, wie die ebenfalls mit Lotterien verbundenen Anleihensloose inländischer und ausländischer Herkunft zu behandeln seien. Die Annahme des Rekurreuten, ein solches Anleihensloos sei ein Handelsartikel wie jedes andere Inhaberpapier und eine Beschränkung im Verschleiße desselben involvire daher eine Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung, ist haltlos.

Thatsache ist, daß solche Anleihensloose auf dem Wege der Lotterie realisirt werden. Lotterien, und was dazu gehurt, sind aber nach schwyzerischem Rechte verbotene Institute.

Die Regierung beantragt aus den angeführten Gründen Abweisung der Rekursbeschwerde; i n E rw ägung:

1. Durch seine Behauptung, der Verkauf von Prämienanleihensloosen sei nicht aus dem Gesichtspunkt von Art. 31, litt, e, sondern als kantonales" Lotterieverbot anzuerkennen, bestreitet der Regierungsrath des Kantons Schwyz die Kompetenz des Bundesrathes, auf den Rekurs einzutreten; denn sind die Anleihensloose wirklieh Lotteriebillete, dann haben allerdings, in Ermangelung der in Art. 35, Abs. 3, der Bundesverfassung in Beziehung auf die Lotterien vorgesehenen Maßnahmen des Bundes, die kantonalen Behörden in dieser Richtung freie Hand.

2. Bis jetzt sind die Bundesbehörden nicht von einer Gleichstellung der Anleihensloose mit gewöhnlichen Lotteriebilleten ausgegangen; in den seltenen Fallen, in denen sie sich mit derartigen Papieren zu beschäftigen hatten, wurde vielmehr vorausgesetzt, daß Anleihensloose als Wertpapiere zu betrachten seien und der Handel mit denselben auf den verfassungsmäßigen Schutz der in Art. 3l der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit Anspruch machen könne.

In diesem Sinne hat sich z. B. der Bundesrath in seinem Bericht an die Bundesversammlung über die Motion des Herrn Nationalrath Joos, betreffend Lotterieofferten vom 6. Dezember 1881 (Bundesbl.

1881, IV, 946) ausgesprochen. Als Motiv gegen die Anregung, den vom Ausland her mit der Post nach der Schweiz versandten Lotterieanpreisuugen den Transport und die Distribution zu versagen, wird dort angeführt : ,,3. Die Poststellen sind im Allgemeinen nicht in der Lage, zwischen eigentlichen Lotterieloosen und den An l ei h u ngs(sicl)-

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i o os e n , wie deren sehr viele in Zirkulation sind (Neuenburg, Mailand etc.), und d e r e n Zulässigkeit man n i c h t in F r a g e « t e i l e n w i r d , zu unterscheiden, und es müßte dieser Mangel in der Praxis notwendigerweise zu unliebsamen Anständen führen."

Vorn gleichen Gedanken geleitet, hat der Bundesruth im Jahre 1888 einen Rekurs des heutigen Beschwerdeführers gegen dessen Verurtheilung durch das baslerische Polizeigericht wegen Verkaufs von Anleihensloosen ohne Besitzübertragung im Sinne von Art. 31 der Bundesverfassung behandelt und denselben nicht etwa aus dem Gesichtspunkte des Lotterieverbots, sondern aus dem Motive abgewiesen : ,,daß zu den in Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung gegenüber der Handels- und Gewerbefreiheit vorbehaltenen ,,Verfügungen" der Behörden unzweifelhaft solche . . . . Erlasse gehören, welche den Zweck haben, das Publikum im Handelsverkehr vor Prellerei zu schützen. . .

(Bundesbl. 1888, IV, S. 93).

3. Mit dieser Auffassung steht allerdings der rein civilrechtliche Begriff des Lotterieanleihens in einem gewissen Widerspruch.

Das Lotterieanleihen ist eine Art der sog. ,,gemischten Lotterien"; dasselbe enthält nämlich : a. ein Darlehensgeschäft: der Käufer eines Looses gibt eine Summe, den Nominalwerth des Looses, hin, die der Anleiher mit «der ohne Zins zurückzuerstatten sich verpflichtet; b. ein Lotteriegeschäft: der Unternehmer der Anleihenslotterie (Ausgeber der Loose) gewinnt den Zins der empfangenen Summe ganz (bei den unverzinslichen Lotterieanleihung oder theilweise (hei den verzinslichen Lotterieanleihen) und gewährt dafür den Käufern der Loose eine Hoffnung auf den planmäßig zu ermittelnden Gewinn.

Dieses zweite im Kauf eines Prämienantheilscheines enthaltene Rechtsgeschäft ist unstreitig ein Lotteriegeschäft im eigentlichen Sinne des Wortes: es fehlen ihm weder die unbedingte Leistung dies Spielers (Hingabe des Zinses seiner Einzahlung), noch die bedingte und nach ihrer Höhe unbestimmte Verpflichtung des Unternehmers (Prämie), noch das charakteristische Merkmal, daß die Frage, ob dem einzelnen Spieler gegenüber eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausrichtung einer Prämie überhaupt entstehen und welches der Betrag dieser Prämie sein werde, dem Zufall nuheimgegeben ist; c. daß über Prämienobligationen an der Börse gehandelt wird und daher der Unternehmer, ganz besonders aber der Vermittler zwischen ihm und dem Publikum, der Bankier, Makler u. dgl., auf

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die Kursschwankungen dieser Papiere spekulirt, ist mehr für die nationalökonomische Bedeutung als für die juristische Natur des Geschäfts entscheidend.

Aus der civilrechtllichen Betrachtung der Rechtsgeschäfte, die der Handel mit Prämienobligationen umfaßt, ergibt sich somit,' daß sie zwar uutstreitig ein Lotterieelement enthalten, daß aber doch der Regierungsrath von Schwyz mit Unrecht behauptet, Anleihensloose seien bestimmt, ,,auf dem Weg der Lotterie realisirttt zu werden ; denn die Verpflichtung des Unternehmers zur Rückzahlung des Nominalwerthes der Obligation (bei verzinslichen Lotterieanleihen auch eines -- zwar geringen -- Zinses) ist, wie der Rekurrent mit Recht geltend macht, unbedingt, und nur der Zins ist (ganz oder theilweise) als -Lotterieeinsatz zu betrachten, der möglicherweise verloren gehen kann.

Daraus folgt dann auch, daß der Handel mit Prämienobligationen nicht schlechthin dem kantonalen Lotterieverbot unterworfen werden kann. Damit ist aber auch die Kompetenz des Bundesrathes gegeben, zu prüfen, ob Beschränkungen dieses Handels mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit verträglich seien oder nicht.

e. Der Handel mit Prämienlosen hat nun allerdings zu einer Menge von Mißbräuchen gef'iihrt.

a. Von den Bankhäusern, die sieh mit diesem Handel befassen, werden jeweilen Agenten, Kollekteure etc. angestellt, die die Bürger, und zwar vorwiegend die auf dem Lande wohnenden, mit Geldgeschäften wenig vertrauten Leute in ihren Wohnungen aufsuchen, sie durch glänzende Vorspiegelungen und nicht immer der Wahrheit entsprechende Angaben zur Uebernahme von Antheilscheinen zu bewegen trachten.

b. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus besonders bedenklich wird der Handel mit Prämienwerthen, wenn er sich in die Form des Ratenloosgeschäftes kleidet. Um den Handel mit Prämienobligationen auch in den Schichten der wenig bemittelten Bevölkerung zu verbreiten, wird nämlich der Kaufpreis in Raten zahlbar erklärt, so, daß zwar der Gewinnanspruch sofort, das Eigenthum am Anteilschein jedoch erst nach vollständiger Abzahlung des Preises auf den Käufer übergellt. Hier fallen dem Bankier alle nicht bis zu Ende geleisteten Anzahlungen ohne Weiteres zu ; das Recht, die Antheilscheine bis zur völligen Abzahlung zu behalten, setzt ihn sogar der Versuchung aus, Scheine zu verkaufen, über die er nicht verfügen kann, oder gegen faustpfändliche Uebergabe der verkauften Scheine dritten Orts für sich Darleihen zu er-

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heben. Außerdem ist meist der Gesammtbetrag der zu leistenden Ratenzahlungen bedeutend höher als der Kurswerth des Papiers,, und dieser Kurswerth selbst dem Durchschnittsklienten des Ratenlooshändlers nicht bekannt und nicht leicht erkennbar.

c. Zu diesen Gefahren mehr allgemeiner Natur tritt nun Doch, ein Faktor, der volkswirtschaftlich von der größten Bedeutung ist und überdies auch vom juristischen Standpunkte aus dem Katenloosgeschäfte häufig den Charakter einer wirklichen Prellerei verleiht. Seine hauptsächliche Klientel sucht der Ratenlooshändler nämlich nicht etwa im Handelsstande, sondern im Kreise der kleinen Gewerbsleute, der Bauern, kurz der Leute, die in Geldgeschäften nicht erfahren und nicht in der Lage sind, die glänzenden Vorspiegelungen des Prospektus auf ihren wahren Werth zu prüfen.

Diesen ,,kleinen Mann a , dem stets eine gewisse Neigung zum Glücksspiel innewohnt, verleiten die unverantwortlichen Agenten des entfernt wohnenden Bankiers, sein Erspartes auf Prämienanleihensloose anzulegen: der Nominalwerth geht ja nicht verloren, schlimmsten Falls der Zins. Schon beim redlichen Geschäfte besteht jedoch die große Gefahr, daß die Ratenzahlungen nach einiger Zeit aus diesem oder jenem Grunde eingestellt werden müssen, womit alle Anzahlungen verloren sind. Ist überdies der Bankier unsolid oder wird er auch nur das Opfer einer Krisis, so steht der Ratenkäufer wehrlos da, weil er das Originalloos nicht in die Hand bekommt, bevor der Kaufpreis ganz abgetragen ist. Die Mittel aber, zu kontroliren, was für Garantien ihm sein Mitkoutrahent bietet, fehlen dem Ratenlooskäufer in der Regel ganz, und jeder eventuelle Versuch zur gerichtlichen Geltendmachung von Rechten wird durch die Kantonsgrenzen erschwert und hei der komplizirten Natur des Rechtsgeschäfts für den weniger Bemittelten thatsächlich unmöglich sein.

Aus diesen Verhältnissen folgt, daß der Handel mit Prämienwerthen und ganz besonders das Ratenloosgeschäft wohl geeignet sind, das Auge einer um das allgemeine Wohl besorgten Staatsbehörde auf sich zu ziehen. So hat denn z. B. die österreichische Gesetzgebung eine Reihe von Bestimmungen aufgestellt, die dazu dienen sollen, derartigen Geschäften ihren für das Publikum gefährlichen Charakter zu nehmen und Garantien gegen betrügerische Machenschaften zu bieten.

Auch in mehreren
schweizerischen Kantonen sind Vorschriften über Anleihensloosgeschäfte zum gleichen Zwecke erlassen worden oder sollen demnächst erlassen werden.

5. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Handel mit Prämienwerthen ohne Verletzung des Grundsatzes der Handels-

322 und Gewerbefreiheit in zwei Richtungen durch die Behörden beschränkt werden kaon: a. Durch ein strenges Aufsichtsrecht, indem zum Handel mit Prämienwerthen eine obrigkeitliche Bewilligung gefordert und diese bl nach Prüfung der persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Potenten, seiner für das Kantonsgebiet zu bestellenden Agenten und des Geschäftsplanes ertheilt wird. Diese Aufsicht kann sich auf dea Ausweis erstrecken, daß die verkauften Originalloose wirklich im Besitze des Verkäufers sind und bleiben, daß also kein ,,Promessen- oder Heuergeschäft" entsteht; ferner kann sie wirksamer gemacht werden durch Ausbedingen einer Kaution, eines Rechtsdomizils im Kanton und periodischer Erneuerung der Konaession.

b. Die kantonalen Behörden haben aber nach dem mehrerwähnten Entscheid des Bundesrathes vom Jahr 1888 mehr als ein bloßes Aufsichtsrecht: sie können gewisse, besonders zu Prellereien Anlaß bietende Formen des Handels mit Prämienwerthen geradezu verbieten und unter Strafe stellen; z. B.: den Ratenloosverkauf ohne Uebertragung des Originaltitels, oder die Aufnahme von Bestellungen durch Agenten, und zwar allgemein oder nur, wenn kein Plan vorgelegt worden ist; die Verbindung des Prämienwerthhandels mit andern Rechtsgeschäften ; dia Festsetzung eines höhern oder wesentlich hohem Preises als des Tageskurses; -- oder wenigstens den Verkauf ohne Vorlage eines authentischen Kurszettels.

Derartige Bestimmungen haben den Zweck, das an sich erlaub Geweihe soweit zu beschränken, dass Mißbrauche unerlaubter Art möglichst ferne gehalten werden, und sind daher mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit wohl verträglich.

6. Anders verhält es sich dagegen mit dein absoluten Verbot des Verkaufs von Anleihensloosen wie es in der Bekanntmachung des Regierungsrathe von Schwyz vom 29. Dezember 1891 ausgesprochen ist. Als Lotterieverbot kann diese Bestimmung nicht aufrecht erhalten werden, weil der Handel mit Prämienwerthen kein reines Lotteriegeschäft ist. Muß aber Art. 31 Bundesverfassung zur Anwendung gebracht werden, dann ist sofort klar, daß der Inhalt der Bekanntmachung über die in litt, e des genannten Artikels erwähnten Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben hinausgeht und den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit .selbst beeinträchtigt.

923 Daran ändert der Umstand nichts, daß ,,spezielle ausnahmsweise Bewilligungen vorbehalten"1 werden ; durch diesen Beisatz wird das Verbot als allgemeine Regel nur noch schärfer hervorgehoben.

Während sich daher der schwvzerische Gesetzgeber in seinem Erlasse vom 22. März 1870, wonach der Verkauf von OriginalJoosen aus Staatsanleihen, welche mit Lotterien verbunden sind, und deren öffentliche Ankündigung der Bewilligung des Regierungsrathes bedürfen, und auch der Regierungsrath, wenn er die Bewilligung wegen ungenügender Garantien gegen Ausbeutung des Publikums verweigert, durchaus auf verfassungsmäßiger Grundlage befinden, sind dagegen durch das allgemeine, unterschiedslose Verbot des Handels mit Anleihensloosen die verfassungsmäßigen Grenzen der Einschränkung des Handels- und Gewerbebetriebs überschritten worden, beschlossen: 1. Der Rekurs wird insoweit begründet erklärt, als er gegen das in der Verfügung des Regierungsrathes von Schwyz d. d. 29. Deaember 1891 enthaltene allgemeine Verbot des Verkaufs von An.leihensloosen gerichtet ist.

2. Die erwähnte regierungsräthliche Verfügung wird nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen aufgehoben und der Regierungsrath eingeladen, auf seinen Beschluß betreffend Abweisung des Rekurrenten im Sinne dieser Erwägungen zurückzukommen.

3. Mittheilung dieses Beschlusses an den Regierungsrath des Kantons Schwyz und an den Potenten.

B e r n , den 9. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Alois Bernhard, Inhaber eines Bankgeschäfts in Zürich, gegen einen Beschluß des Regierungsrathes des Kantons Schwyz vom 29. Dezember 1891 wegen angeblicher Verletzung des Art. 31 B.-V. durch Verweigerung der Be...

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22.06.1892

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