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Bericht der

standeräthlichen .kommission über den Rekurs von J. B.

^ Bernard, betreffend Gerichtsstand.

(Vom .^. Juli 1872.)

Der Rekurs des Herrn Bernard richtet stch gegen ein Urtheit des Handelsgerichtes in Freiburg, wonach erkannt wurde, es habe der Rekurrent sowohl in eigenem Ramen als im Ramen des Hauses Dord u. Eomp. in New-York für bestellte und efsektuirte Warensendungen, welche diesem Hause von Seite eines Herrn Thedy-Gremion in Frei.burg zugegangen seien, die Summe von Fr. 48,325 zu bezahlen.

Das Urtheil erfolgte m contumaciam, da der Beklagte Bernard zu der Verhandlung nicht erschienen ist. Die freiburgisehe. Brozei..Ordnung ^ 47^ ermächtigt den Richter, in solchen Fällen auf einseitigen Vertrag des Klägers demselben naeh Untersuchung der Aetenstücke seine Forderung zuzusprechen.

Das Haus Dord u. Eomp., welches pon diesem Urtheil faktisch .mit betrossen wird, hat sieh über dasselbe nicht vernehmen lassen und tritt auch nicht als. Rekurrent auf ; wir haben daher ausschließlich die Verson des Bernard , seine Rechtsstellung und feine vorgebrachte.....

Gründe zu prüsen.

Bunesblatt. JAhrg. XXIV. Bd.III.

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^8 ...diesem Urtheile sind folgende Umstände vorausgegangen.

1. .^ach der Behauptung des Thed.^Gremion wurden ihm di^ legten Warensendungen nicht mehr bezahlt und seine Forderung bildet

den Saldo desstattgehabten..^es...häftsverkehre....

^

2. Ra.h der weiteren Behauptung des gleichen Herr.. Thed^ wäre Bernard nicht blos der Hauptagent, sondern auch de.. Assoei^ der genannten Firma, wosür freilich nichts weiter vorzuliegen scheint als ein Brief des Hauses aus einer früheren Zeit, in welchem es heisst, Herr Thed.^ solle keine Waare mehr schicken, da unser Herr Bernard sich personlich einsinden wird ^e. .^., aus welcher Bezeichnung (notre sieur) die Solidarität abgeleitet werden will.

3. D.. auf wiederholte Begehren keine Zahlungen erfolgten, so belangte Thed... die Firma Dord u. Eomp. in Baris, woselbst sie Domieil. haben sollte. Allein aus die von Bernard Ramens des Hauses Dord vor dem Handelsgericht der Seine angehobene Bestreitung des

Domizils lehnte dieses Tribunal die Beurtheilung ab, indem es steh inkompetent erklärte und mithin annahm, es ei.isti...e ein solches Domizii in Baris nicht.

4. Bernard hatte in Baris selbst ein eigenes Geschäft, allein da.

er dort nicht persönlich, sondern blos das genannte Haus, das er pertrat, belangt wurde, so fand ihm gegenüber von den französischen Gerichten keine weitere Verhandlung statt und Bernard trat dann wenige^ Monate nach dem oben eitirten Urtheil des Handelsgerichtes der Seine (27. September 1.^9) sein Geschäft in Baris an seinen Sohn ab (Februar 1870), womit sein Domizil in Baris ..ushörte und nur noch in Frage kommen kann, ob er überhaupt gar keinen Wohnsi^ oder dann einen solchen in Rew-^ork habe.

5. Thedr^Gremion erblickt in dieser Gesehäftsabtretung ..ediglieh eine Manipulation, um sieh gegen die Folgen einer di.eet gegen ihn in Baris anzuhebenden .^lage sicher zu stellen und es mag sein, dass dies^ Vermuthung nieht ganz unbegründet ist.

6. Das Freiburger Gerieht^ geht von der Vorausse^un^ aus, Bernard sei französischer Staatsangehöriger und zur Zeit ohne Domizil, und beruft sieh neben feiner eigenen Gesetzgebung aus den Artikel 1 des franzosischen Staatspertrags, welcher in solchen Fällen ein Broeedere wie das in Frage liegende moglieh maehe.

7.. Bernard seinerseits behauptet, er sei Amerikaner, bes^e als solcher einen Bass, d.m ex aus Verlangen zu den Aete.i einsenden wolle, müsse zufolge des Staatspertrages mit Amerika an seinem wirklichen Domieil. Rew^ork belangt werden. Er vertrete allerdings die ^irma, aber gehe die Forderung nun gegen ihn persönlich oder gegen d^s ^ertretene Haus Dord, so seien die Freibur^er Geriete inkompetent ,

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39 diesen Streitsall zu beurteilen, denn wenn auch der angerufene Staatsvertrag das nicht gerade wortlich vorschreibe, so sei es doch eine volker.^ rechtliche Eonse.^tenz, dass man den Angehörigen eines Staates, mit welchem die Schweiz in so naher Beziehung stehe, w.e das dnreh den Freundsehasts^ nnd Handelsvertrag der Fall, doch wenigstens die Wohlthaf des Axt. 50 der Bundesverfassung zu Theil werde und sie nicht einem solchen ausnahmsweisen Versahren aussehen lasse.

8. Uebrigens sei Bernard nicht bloss in Bezug auf das Forum einem aussergewohuliehen und unstatthaften Broeedere ausgesät worden, sondern aueh in Bezug auf die Formen. Er habe gar keine Eitation erhalten und habe sich daher nicht verteidigen können, weil er nicht gewusst habe, wann Tagsahrt stattfinde und sich zu jener Zeit ans einer Geschäftsreise in Jtalien befunden habe.

Mit dieser E.tation verhält es sieh nun aber so. Thedr^Gremion erhielt ^enntniss davon, dass Bernard sieh alljährlich ..^esehäftshalber einige Z^it in Wohlen im Danton Aarga^n aushalte. Er sorgte dafür, dass ihm der Zeitpunkt seiner Ankunst mitgetheilt wurde und liess nun die Citation dorthin ergehen. Aus dem Jnsinuationsdoeument, welches am 20. Juli 1870 von Freiburg abging, dessen Zustellung das Geriehtspräsidium Bremgarten am 29. Juli versüße , bescheinigt nun der Geriehtsweibel, dass Bernard sich am 25. Juli in Wohlen aufgehalten, am gleichen Tage aber abgereist sei.

Eine Eitation war daher nicht möglich. Ob Bernard vielleicht mdireete von der Ankunst der Vorladung unterrichtet war nnd sich derselben durch die Abreise entzog, wie Thed^ zu verstehen gibt, vermögen wix nieht ^u entscheiden.

9. Der Bundesrath wies den Reeurs gegen das Freiburger Urtheil ab, weil dasselbe weder eine Verlegung der Bundesverfassung noch eine solehe der bestehenden Staatsverträge enthalte ; sobald das nicht der ^all sei, müssen die Kantone in Justizsachen als souverain betrachtet werden und stehe den Bundesbehörden eine Einmischung in dieselbe nicht zu.

Die Anschauungen der kommission in dex Sache sind ungefähr folgende : I. Die Vorausbedungen des Freiburger Urtheils, dass Bernard Franzose und ohn.^ Domizil sei, können süglich ansser Erörterung fallen, da die von Bernard selbst ausgestellte Behauptung, er sei Amerikaner und domleilirt in .....ew-.^ork, zur Entscheidung hinreicht. Entweder

ist die letztere Angabe richti g ^und in diesem Falle sührt das zu ent-

wickelnde Raisonnement, das also auf der von Bernard selbst auf-

40 Bestellten Voraussetzung fusst, doch zur Abweisung des Rekurses, --- oder Bernard hat überhaupt kein Domizil.

l1. Ebenso werden wir die Frage nicht zu prüsen haben, welche Rechtswirkungen ans dem Urtheil dem Hause Dord u. Eomp. in Rew^ork erwachsen werden. Beiläufig bemerkt, betrachten wir dasselbe ihm gegenüber nicht als ....ollziehbar, es wird übrigens Sache derjenigen Behorden sein, darüber zu entscheiden, vor welchen die Ex^eention über.^ haupt verlangt wird.

Hl. Wir halten strenge auseinander die Grundsä^e unseres bestehenden Bundesstaatsrechtes und die eivilprozessnalischen Rormen.

Es mag absurd sein, dass Jemand von einem Gerichte beurtheilt wird, welches sieh nieht einmal vergewissert hat, dass der Beklagte überhaupt vorgeladen wurde . es mag in Zweifel gezogen werden, ob Frei.^urg als forum contracta zuständig war ; es mag faktisch oder rechtlich ein unrichtiger Entscheid sein , wenn Bernard für sich und Ramens seines Hauses zur Zahlung verurtheilt wird ; --- in alle diese Dinge , welche eine materielle Brüsung des Brozesses voraussehen , mischen wir uns nieht. Weder der Bundesrath noch die Bundesversammlung sind eine Art von Obertribunal, vor welches solche unrichtige Brozessentscheidungen gezogen werden konnen.

IV. Etwas Anderes wird es sein, wenn einmal die Vollziehung derselben irgendwo in der übrigen Schweiz verlangt wird. Dann wird es sich zeigen, ob das fragliche Urtheil auch von andern Behorden als ein rechtskräftiges und vollziehbares anerkannt wird, und dann kann an der Hand. des .^lrt. 49 der Bundesverfassung die Frage auftauchen, ob wir eine bnndesstaatsrechtliche Frage vor uns haben oder nicht.

So lange das nieht versucht wird, e^istirt eben eine Sentenz, deren Gültigkeit sich aus den Kanton Freiburg beschränkt und deren Anerkennung anderwärts möglicherweise verweigert wird.

V.

Die Verlegung der Bundesverfassung ist zur Zeit gar nicht in Frage. Der Art. 50 ist offenbar hier nnr anwendbar, wenn der.

angerufene amerikanis.he Staatsvertrag den Sinn hätte, dass auch die nicht in der Schweiz lebenden und niedergelassenen Amerikaner die gleichen Rechte wie die Schweizer beanspruchen konnen. Wir finden nun mit dem Bundesrath, dass dieses nicht der Fall fe^ Sowohl die grammatische wie die logische Jnterpretation des Ver.trages führen zu diesem Schlusse.

Der Vertrag enthält
feinem Wortlaute naeh nichts, was einer Regulirung der Forumsfrage gleich sieht. Allerdings gilt die grosso .Regel, dass personliche Klagen am Wohnort anzuheben sind. Wenn

41 aber einzelne kantonale Gesetzgebungen auch das koi.nm cont.r^ctns zulassen, so erleidet dieses Brineip nur Schweizern und allsällig sremden .Niedergelassenen gegenüber, welche hier Domizil haben, eine Modifikation, nicht aber gegenüber Angehörigen der Vereinigten Staaten, bei welchen keines von beiden der Fall ist.

Uebrigens sind wir der Meinung, dass wenn der Staatsvertrag die Regulirung solcher Verhältnisse hätte bezwecken wollen, er das dann expreß verbi... enthalten hätte, wie das z. B. der Fall ist bezüglich der Erbschaftsverhältnisse.

VI.

Es kommt nun allerdings noch das Volkerrecht in Frage.

Allein wir konnen uns nicht überzeugen, dass die vorwürsige Frage einen völkerrechtlichen Eharakter habe. Es sind vielmehr Alles nur rivilprozessualische Streitpunkte, ob Bernard ein Domizil habe , ob er richtig vorgeladen sei, ob die .......eurtheilung m contumaciam zulässig sei, ob .Bernard passiv legitimst war u. s. w. - Von diesem Gesichtspunkte ausgehend gelangen wir zu dem Schlusse, es sei der Rekurs abzu^ weisen.

.^ern, den 9. Juli 1872.

Für. die kommission :

^el. .

^^te.

Oblger Rekurs wurde ^om Ständerath am 9. Juli abgewiesen.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Rekurs von J. B. Bernard, betreffend Gerichtsstand. (Vom 9. Juli 1872.)

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10.08.1872

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