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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Ankauf eines Bauplatzes auf dem Kirchenfeld in Bern zum Zwecke der Erstellung eines Gebäudes für das eidgenössische Staatsarchiv.

(Vom 9. Juni 1892.)

Tit.

Mit Postulat der gesetzgebenden Räthe vom 23. Dezember 1887 wurde der Bundesrath eingeladen, die Frage einer bessern Unterbringung des Staatsarchivs näher zu prüfen und darüber so beförderlich als möglich Vorlage zu machen.

Die Lokalverhältnisse des Archivs, die schon von allem Anfang an viel zu wünschen übrig ließen, haben sich im Laufe der Zeit immer ungünstiger gestaltet. Bereits im Jahre 1861 sprach ein Gutachten dreier Aerzte sieh mit aller Bestimmtheit dahin aus, daß der längere Aufenthalt in diesen feuchten Räumen den Insassen in gesundheitlicher Beziehung Schaden zufügen müsse, und die spätere Erfahrung hat dieser Voraussage nur allzusehr Recht gegeben.

Technische Experten, welche infolge dieses Gutachtens die Mittel zur Beseitigung der Uebelstände ausfindig machen sollten, kamen bei ihrer Untersuchung zu dem Ergebniß, daß gründliche, wirksame Abhülfe einzig durch Verlegung aus dem Souterrain des alten Bundesrathhauses geschaffen werden könne, deuteten übrigens einige bauliche Vorkehren an, die wenigstens eine etwelche Verbesserung herbeizuführen geeignet sein dürften. Als man dann zur Ausführung derselben schritt, blieb die erhoffte Wirkung leider fast gänzlich aus und der hygienische Zustand verschlechterte sich zusehends durch fortwährende Zunahme des Feuchtigkeitsgrades. Das Personal erlitt an seiner Gesundheit sichtlichen Schaden, und wie

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sehr das Aktenmaterial in seiner Substanz bedroht sei, konnte man an den Schimmelansätzen gewahren, die sich immer häufiger und intensiver auf demselben bildeten. Dadurch wurde Jedermann klar, daß ein solcher Zustand auf die Länge unmöglich geduldet werden dürfe, aber die Schwierigkeit der Abhülfe war keine geringe, da im Bundesrathhause bessere und genügende Räume für Unterbringung des Archivs fehlten.

Allerdings war schon frühe die Idee aufgetaucht, für das Archiv ein eigenes Gebäude zu erstellen; aber so lange alle Bureaux der Centralverwaltung im Bundesrathhause vereinigt waren, stieß schon aus Bequemlichkeitsrücksiehten der Gedanke einer Auswärtsverlegung des Archivs auf so starken Widerstand, daß er für einmal ganz aufgegeben werden mußte, wozu übrigens auch die knappen Finanzen der damaligen Zeit das Ihrige beitrugen. So schleppte dann diese unerquickliche Situation unter beständigen Klagen des Archivpersonals sich von Jahr zu Jahr hin, und nun kam noch eine neue Verlegenheit hinzu -- der Raummangel. Dieser würde auch unter den alten Verhältnissen sich bald eingestellt haben; aber die Verfassungsrevision von 1874 mit den vielen neuen Aufgaben, die dem Bunde zugewiesen wurden, hatte die Schaffung neuer Verwaltungszweige und eine erheblich größere Ausdehnung der eidgenössischen Administration im Gefolge, und daraus ergab sich naturgemäß ein progressives Anwachsen des dem Archiv periodisch zugehenden Aktenmaterials und die Beschleunigung des Zeitpunktes, in welchem der Platzmangel sich einstellen mußle. Schon seit längerer Zeit muß zur Aufstellung einzelner Aktenbeslände der hinter dem Archiv sich hinziehende Korridor und selbst wirkliche Kellerräume in Anspruch genommen werden. Ein solcher Sachverhalt durfte unmöglich länger fortbestehen, man stund vor einer absoluten Nothwendigkeit, die kategorisch Abhülfe verlangte.

Nun dachte man zuerst daran, diese dadurch herbeizuführen, daß man das Archiv sei es mit dem Neubau an der Stelle der alten Insel oder mit dem geplanten Parlamentsgebäude in Verbindung bringe. Diese Kombination wurde jedoch nach näherer Prüfung aus verschiedenen Gründen fallen gelassen, und nun bleibt zur Lösung der Aufgabe als einziger Ausweg die Erstellung eines eigenen Gebäudes für das Staatsarchiv übrig. Diese Lösung ist unstreitig die rationellste, weil sie allein die
Möglichkeit gewährt, ohne andere Nebenrücksichten die baulichen Einrichtungen so zu treffen, wie sie den Archivzwecken am besten dienen und durch diese überhaupt bedingt sind.

Da im Hinblick auf das Eingangs erwähnte Postulat anzunehmen ist, daß die gesetzgebenden Räthe mit dieser Erledigung

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der nachgerade unaufschiebbar gewordenen Archivangelegenheit sich einverstanden erklären, muß nun zunächst die Bauplatzfrage ins Auge gefaßt werden. Die Auswahl der Baustelle ist von der größten Wichtigkeit und es sind dabei namentlich die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen : 1. trockener Grund, 2. sonnige Situation, 3. Abseitslage von staubiger und feuersgefährlicher.Nachbarschaft, 4. thunlichste Nähe bei dea verschiedenen Verwaltungen und der gesammten Administration.

Ein Terrain, das allen diesen Postulaten in genügendem Maaße und ohne zu große Anforderungen an das Staatsärar zu entsprechen vermöchte, ist in nächster Nähe der Bundesrathhäuser nicht zur Verfügung; man muß den Fuß schon etwas weiter setzen. Zwar besitzt die Eidgenossenschaft bekanntlich einen größern Bauplatz neben dem Bernerhof, der sich als Emplacement für das Staatsarchiv eignen würde. Aber wie wir schon bei früherm Anlaß zu erklären in der Lage waren, muß derselbe als Tauschobjekt gegen das Casino aufgespart bleiben. Ebenso mußte auch noch auf eine andere Baustelle, die in Frage hätte kommen können, aus mehrfachen Gründen verzichtet werden, nämlich das eventuell frei werdende Areal zwischen dem neuen Bundesralhhaus und der Amthausgasse, vom Inselgäßchen aufwärts bis zur evangelischen Kapelle, besonders anch deßwegen, weil späterhin dieses Terrain für dringendere, mit der Gesammtadministration in intimerem Konnex stehende Bedürfnisse resp. Dienstzweige reservirt werden sollte.

In unserer Botschaft vom 22. März 1889 betreffend Terrainkauf für die Telegraphenverwaltung ist auf einen Bauplatz an der sog. Schütte hingewiesen worden, der sich zwar für die damals in Frage stehende Zweckbestimmung nicht, wohl aber für das Staatsarchiv vortrefflich eignen würde. Da aber eine seither vorgenommene genauere Untersuchung dessen Unzulänglichkeit ergeben hat, kann davon weiter nicht mehr die Rede sein, und es bleibt jetzt nur noch das Kirchenfeld verfügbar, das übrigens schon von allem Anfang an hiefür ins Auge gefaßt worden war.

Wir traten denn auch mit der Besitzerin desselben, der BerneLand-Company, behufs Erwerbung eines geeigneten Terrains in Unterhandlung und sind nun im Falle, bei Ihnen um die Genehmigung des abgeschlossenen Kaufes und Bewilligung des erforderlichen Kredites nachzusuchen. Für jetzt handelt es sich lediglich um den Bauplatz; die Vorlage für das Gebäude selbst können wir erst in der nächsten Uezembersession machen, bis zu

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welchem Zeitpunkte die Pläne und Devise ausgearbeitet sein werden.

Die gegenwärtig bei den Akten liegendeu Gebäudezeichnungen sind lediglich erst Skizzen zu vorläufiger Orientirung, wogegen der Situationsplan die ungefähre Stellung und Grundfläche des Baues darstellt und zugleich auch über die Lage und Konfiguration des in Aussicht genommenen Terrains Aufschluß gibt. Es bildet dasselbe einen in sich abgerundeten Komplex von circa 4800 m 2 Halt, dessen isolirte und von den Bundesrathhäusern, bei Benutzung der untern Aarebrllcke, nicht allzu entfernte Lage sich für Aufnahme des Archivs bestens eignet. Der Kaufpreis beträgt pro m 2 Fr. 14, für das ganze Grundstück also Fr. 67,200, wozu für Stipulationsgebühren und sonstige Unkosten circa Fr. 600 hinzugeschlagen werden müssen. Es bleibt zu bemerken, daß für das zunächst zu erstellende Gebäude ein Bauterrain von circa 2000 m 2 genügt hätte; aber die Rücksichtnahme auf das Bedürt'niß späterer Erweiterung durch Anbauten, sowie das Bestreben, den Archivbau möglichst von aller feuersgefährlichen Nachbarschaft fern zu halten, ließ die Erwerbung eines größern, abgeschlossenen Areals als dringend wünschenswert!! erscheinen, und der nicht zu hohe Kaufpreis kam dieser Absicht sehr zu Statten.

Sobald man dazu schreitet, das Staatsarchiv in räumlicher Beziehung von der Administration zu trennen, so kann das ohne erheblichen Nachtheil für letztere nur durch eine eingreifende Umgestaltung der jetzigen Archivordnung geschehen. Es muß daher auch diese Seite der Frage an dieser Stelle mit einigen Worten berührt werden.

Gemäß dem zur Zeit in Kraft bestehenden Archivreglement sollen die Departemente ihre Akten während 6 Jahren selbst aufbewahren und dann jeweilen die 3 altern Jahrgänge an das Staatsarchiv abliefern. Sie sind also bezüglich alles weiter zurückliegenden Materials ganz auf dieses letztere angewiesen.

Obschon dieser Sachverhalt zwischen dem Archiv und den Verwaltungsbüreaux einen sehr regen, sozusagen täglichen Geschäftsverkehr mit sich brachte (es wurden im Durchschnitt jährlich circa 4000 Aktenstücke zu vorübergehender Benutzung dem Archiv entnommen), so ergab sich gleichwohl daraus kein irgend fühlbarer Uebelstand, weil der Hauptsache nach Archiv und Verwaltung sich unter dem gleichen Dache befanden. Mit dem Zeitpunkte aber, wo die räumliche Trennung
eintritt, wäre der Fortbestand des gleichen Zustandes für die Administration mit großen Inkonvenienzen begleitet, die nur dadurch vermieden werden können, daß der Termin der periodischen Aktenablieferung an's Archiv verlängert und damit auch die Nöthigung zu häufiger Inanspruchnahme des letztern beseitigt wird.

650 Nach Ausweis der Archivkontrole waren 9 /io aller dem Archiv enthobenen Akten nicht älter als circa 15 Jahre. Würden nun die Departemente ihr Material, anstatt schon nach 6, erst nach 15 Jahren ans Archiv abgeben, so kämen sie nur selten in die Lage, für ihre Bedürfnisse sich an dieses wenden zu müssen, und für diese wenigen Fälle würde die räumliche Entfernung nicht stark ins Gewicht fallen. Freilich muß den Departementen bei einer in diesem Sinne durchgeführten Neuordnung der Arthivverhältnisse mehr Platz, als ihnen bisher für die Aktenaufbewahrung zur Verfügung stund, eingeräumt werden. Das kann nun im alten Bundesrathhause dadurch geschehen, daß den dortigen Dikasterien die verlassenen, als bloß zeitweilige Depots ohne Bureaux durchaus genügenden Archivlokale übergeben würden, während in den Neubauten auf das Mehrbedürfniß jederzeit die nöthige Rücksicht au nehmen wäre oder schon genommen worden ist, wie z. B. bei Erstellung des neuen Bundesrathhauses und des Parlamentsgebäudes.

Es wäre überflüssig, hier auf eine präzisere Formulirung des Revisionsgedankens einzutreten, der sich an die Verlegung des Staatsarchivs in ein eigenes Gebäude anknüpft; an dieser Stelle und für den gegenwärtigen Zweck genügt der Nachweis, daß und in welcher Weise dieselbe ohne Schädigung der Verwaltungsinteressen geschehen kann.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Annahme empfehlen, benutzen wir im Weitern den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B un d e sp r ä si d en t : Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

651 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Ankauf eines Bauplatzes auf dem Kirchenfeld in Bern zum Zwecke der Erstellung eines Gebäudes fUr das eidgenössische Staatsarchiv.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes des Bundesrathes vom 9. Juni 1892, beschließt: 1. Der Bundesrath ist ermächtigt, zum Zwecke der Erstellung eines Gebäudes für das eidgenössische Staatsarchiv den vorgeschlagenen Bauplatz auf dem Kirchenfeld in Bern zu erwerben und es wird ihm hiefür die Summe von Fr. 67,800 bewilligt.

2. Dieser Beschluß tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

3. Der Bundesrath ist mit der Ausführung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Ankauf eines Bauplatzes auf dem Kirchenfeld in Bern zum Zwecke der Erstellung eines Gebäudes für das eidgenössische Staatsarchiv. (Vom 9. Juni 1892.)

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15.06.1892

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