00.420 Parlamentarische Initiative Vorbereitungshaft bei Asylmissbrauch Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 30. April 2001

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, ihrem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

30. April 2001

Im Namen der Kommission

11455

Der Präsident: Maximilian Reimann

2001-0845

5411

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Vorbereitungshaft bei missbräuchlich nachgeschobenem Asylgesuch (parlamentarische Initiative Hess Hans)

Am 14. Juni 2000 hat Ständerat Hans Hess (FDP/OW) mit einer parlamentarischen Initiative eine Ergänzung der Gesetzgebung verlangt, wodurch illegal aufgegriffene Ausländer bei Gefahr des Untertauchens in Vorbereitungshaft gesetzt werden können, bevor der Wegweisungsentscheid ergeht.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerats hat am 6. November 2000 die Vorprüfung dieser parlamentarischen Initiative vorgenommen. Die Kommission hat festgestellt, dass die heutige Rechtslage nicht befriedigt und im Widerspruch steht zum eigentlichen Willen des Gesetzgebers, wie er sich beim Erlass der «Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht» (Bundesgesetz vom 18. März 1994, angenommen in der Volksabstimmung vom 4. Dezember 1994, AS 1995 146, 151) geäussert hat. Es liegt eine Gesetzeslücke vor, die zu Missbrauch einlädt. Die Kommission beantragte daher ihrem Rat mit 8:0 Stimmen bei drei Enthaltungen, der Initiative sei Folge zu geben. Der Ständerat folgte diesem Antrag am 13. Dezember 2000 mit 22:6 Stimmen (AB 2000 S. 916). Die Kommission erhielt in der Folge den Auftrag, innert der gesetzlichen Frist von zwei Jahren das Anliegen der Initiative gesetzgeberisch umzusetzen.

1.2

Strafbarkeit der Hilfeleistung zur Schliessung von Scheinehen (Mitteilung des Bundesgerichts bzw.

der GPK)

Im Rahmen der Oberaufsicht über das Bundesgericht haben die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) das Bundesgericht gebeten, sie auf Bundesgerichtsentscheide aufmerksam zu machen, die auf einen allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinweisen. Die Subkommission EJPD/Gerichte der GPK des Nationalrates hat den SPK beider Räte mit Schreiben vom 2. November 2000 einen entsprechenden Hinweis weitergeleitet. Es handelt sich um einen Bundesgerichtsentscheid vom 30. April 1999 (BGE 125 IV 148). Die Regesten dieses Entscheides lauten: «Die Vermittlung von Scheinehen mit dem Ziel, Ausländern zu einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz zu verhelfen, fällt weder unter Artikel 23 Absatz 1 Ziffer 5 ANAG noch unter Artikel 23 Absatz 2 ANAG».

Bei der Vorprüfung der parlamentarischen Initiative Hess Hans hat der Berichterstatter der SPK im Ständerat auf diese Frage hingewiesen und angekündigt, dass im Rahmen der weiteren Arbeiten an der Initiative auch diese Gesetzeslücke in demselben Rechtsbereich geschlossen werden könnte.

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1.3

Ausarbeitung einer Vorlage, Verhältnis zur Totalrevision ANAG

Zurzeit befindet sich das neue Ausländergesetz (AuG), das das bisherige Bundesgesetz über Niederlassung und Aufenthalt der Ausländer (ANAG) ablösen soll, in Ausarbeitung. Am 10. November 2000 ist die Vernehmlassungsfrist zum Vorentwurf abgelaufen. Artikel 70 des Vorentwurfs des neuen Gesetzes entspricht dem Inhalt von Artikel 13a ANAG; das Anliegen der Initiative Hess Hans ist also noch nicht berücksichtigt worden. Im Vorentwurf bereits aufgenommen ist hingegen ein Vorschlag, der die «Täuschung der Behörden» und damit auch die Vermittlung oder die Schliessung von Scheinehen unter Strafe stellt (Art. 104). Wie die Verwaltung vor der Kommission aussagte, ist die Botschaft des Bundesrates zu dem neuen Gesetz bis Ende 2001 zu erwarten.

Es stellte sich für die SPK die Frage, ob das Anliegen der Initiative Hess Hans im Rahmen der Totalrevision des Ausländergesetzes oder aber mit einer vorgezogenen separaten Gesetzesrevision realisiert werden soll. Bereits in ihrem Bericht vom 22. November 2000 über die Vorprüfung der parlamentarischen Initiative hat sich eine Mehrheit der SPK vorläufig für den Weg über eine vorgezogene Teilrevision des ANAG ausgesprochen. Dafür spricht, «dass hier ein offensichtlicher Missstand so bald wie möglich behoben werden sollte und dass bei weiten Bevölkerungskreisen wenig Verständnis erwartet werden kann, wenn hier nicht ohne Verzug eingeschritten wird. Zu bedenken ist auch, dass die Beratung des neuen Ausländergesetzes angesichts des Umfanges und der Komplexität dieser Materie längere Zeit beanspruchen wird; eine Neuregelung des gesamten Ausländerrechts enthält derart zahlreiche politisch stark umstrittene Fragen, dass dieses Projekt mit einigen Risiken behaftet ist.» Nachdem der Ständerat der Initiative Folge gegeben hatte, hat die Kommission am 23. Januar 2001 das weitere Vorgehen beraten und mit 7:4 Stimmen beschlossen, den Weg über eine vorgezogene Teilrevision des ANAG zu beschreiten. Als Bestandteile dieser Teilrevision wurden sowohl das Anliegen der Initiative Hess Hans als auch die Einführung der Strafbarkeit der Vermittlung von Scheinehen bestimmt.

Auf Grund dieser Grundsatzbeschlüsse haben die zuständigen Dienststellen der Verwaltung und das Kommissionssekretariat einen Vorentwurf ausgearbeitet, den die Kommission am 30. April 2001 beraten hat. Die Kommission hat ihren Gesetzesentwurf in der Gesamtabstimmung mit 10:0 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

2

Grundzüge der Vorlage

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates hat zwei Lücken im Asylund Ausländerrecht festgestellt, die zu Missbräuchen einladen: 1. Wird eine sich seit längerer Zeit illegal in der Schweiz aufhaltende ausländische Person aufgegriffen und reicht sie sodann nachträglich ein Asylgesuch ein, so erlaubt das geltende Recht nicht, sie zur Sicherstellung der Durchführung des Wegweisungsverfahrens in Vorbereitungshaft zu setzen. Die missbräuchliche Nachreichung eines Asylgesuches zum einzigen Zweck der Vermeidung des drohenden Vollzuges einer Weg- oder Ausweisung begründet zwar gemäss Artikel 33 des Asyl5413

gesetzes einen Nichteintretensentscheid. Im Zeitraum zwischen Einreichung des Asylgesuches und diesem Nichteintretensentscheid, der in der Regel mit dem Wegweisungsentscheid verbunden ist, darf die Person aber nicht festgehalten werden, sofern keine anderen Inhaftierungsgründe vorliegen. Dies erlaubt der betroffenen Person, unterzutauchen und damit ihren illegalen Aufenthalt allenfalls fortzusetzen.

2. Nach geltendem Recht ist es nicht strafbar, durch falsche Angaben ausländerrechtliche Bewilligungen zu erschleichen. Das gilt insbesondere auch für das Eingehen einer Ehe oder die Vermittlung einer Ehe mit dem einzigen Zweck, dadurch einer ausländischen Person ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verschaffen.

Derartige offensichtliche Missbräuche schaden nach Überzeugung der SPK der Glaubwürdigkeit des schweizerischen Rechtsstaates. Weite Bevölkerungskreise können nicht verstehen, dass derartige Missbräuche weiterhin toleriert werden. Die SPK möchte daher diese Gesetzeslücken ohne zeitlichen Verzug schliessen, indem das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) mit folgenden zwei neuen Regelungen ergänzt wird: 1. Wer sich illegal in der Schweiz aufhält, ein Asylgesuch einreicht und damit offensichtlich bezweckt, den drohenden Vollzug einer Weg- oder Ausweisung zu vermeiden, soll zur Sicherstellung der Wegweisung in Vorbereitungshaft gesetzt werden können (siehe dazu im Einzelnen unten Ziff. 3.1).

2. Wer die mit dem Vollzug des ANAG betrauten Behörden durch falsche Angaben täuscht und dadurch die Erteilung einer Bewilligung für sich oder andere erschleicht, soll bestraft werden, insbesondere auch im Falle des Eingehens oder der Vermittlung einer Scheinehe (siehe dazu im Einzelnen unten Ziff. 3.2).

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Einführung eines neuen Tatbestands für die Vorbereitungshaft

3.1.1

Ausgangslage

Ausgangspunkt für die Einführung eines neuen Tatbestandes für die Vorbereitungshaft sind zwei Bundesgerichtsentscheide vom 27. April 2000 (2A.142/2000 und 2A.147/2000). Sie beziehen sich auf zwei Personen, die sich illegal in der Schweiz aufgehalten und Schwarzarbeit geleistet haben. Laut Darstellung des Sachverhalts in den Bundesgerichtsentscheiden haben polizeiliche Abklärungen bei den deutschen Behörden ergeben, dass ein Asylgesuch der einen Person im Juli 1996 abgewiesen wurde und dass sie seit 17. November 1997 als verschwunden galt. Die Behörde durfte deshalb davon ausgehen, dass sich die Person seither in der Schweiz befand.

Das Asylgesuch in der Schweiz hat die Person aber erst am 28. März 2000 eingereicht, als sie von der Polizei aufgegriffen wurde.

Am 31. März 2000 überprüfte die zuständige Behörde die angeordnete Vorbereitungshaft. Sie stellte fest, dass zwar kein Haftgrund im Sinne von Artikel 13a des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) vorliege, doch sei das Asylgesuch offensichtlich rechtsmissbräuchlich, weshalb nicht die Voraussetzungen der Vorbereitungshaft, sondern jene der Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG) zu prüfen seien. Bei den betroffenen 5414

Personen bestehe Untertauchensgefahr im Sinne von Artikel 13b Absatz 1 Buchstabe c ANAG, da sie mit Hilfe von Schleppern in die Schweiz eingereist seien, falsche Angaben zu ihrer Person gemacht und hier illegal gearbeitet hätten.

Das Bundesgericht hat in diesen beiden Urteilen Folgendes festgestellt: «Artikel 13a ANAG nennt die Untertauchensgefahr nicht als Haftgrund; es kann deshalb gestützt darauf keine Vorbereitungshaft verfügt werden. Dem Gesetzgeber hätte es freigestanden, den umfassenderen Haftgrund der Untertauchensgefahr auch für die Vorbereitungshaft einzuführen. Er hat hiervon indessen abgesehen, weshalb Artikel 13a Buchstabe a ANAG nicht im Sinne von Artikel 13b Absatz 1 Buchstabe c ANAG ausgeweitet werden darf. Sollte der Gesetzgeber nicht an Fälle wie den vorliegenden gedacht haben, kann die entsprechende Lücke nicht durch den Richter gefüllt werden. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob insofern überhaupt eine echte planwidrige Unvollständigkeit besteht: Der Ausländer, der keine Bewilligung besitzt, keine solche erhalten hat oder der wegen Ablaufs, Widerrufs oder Entzugs über keine solche mehr verfügt, kann weggewiesen werden. Die Wegweisung konkretisiert seine Verpflichtung zur Ausreise und greift grundsätzlich nicht in das Bewilligungsverhältnis selber ein (...), weshalb sie auch formlos erfolgen kann (...); ihr Vollzug kann in diesem Fall aber, soweit die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, unmittelbar durch Ausschaffungshaft sichergestellt werden, weshalb keine eigentliche Gesetzeslücke bestehen dürfte. Soweit zwischen den Haftgründen von Artikel 13a ANAG und dem am 1. Oktober 1999 in Kraft getretenen Artikel 33 AsylG ein gewisser Koordinationsbedarf besteht, liegt es allenfalls am Gesetzgeber, hier tätig zu werden» (Erwägung 3b bb in 2A.142/2000).

Auf Grund dieser Bundesgerichtsentscheide hat Ständerat Hans Hess in seiner parlamentarischen Initiative die Aufnahme dieses neuen Vorbereitungshaftgrunds begehrt.

3.1.2

Grundsätzliches zur Vorbereitungshaft

Die Vorbereitungshaft wurde mit dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (AS 1995 146 151; BBl 1994 I 305) eingeführt. Das Gesetz ist seit 1. Februar 1995 in Kraft. Mit der Vorbereitungshaft ist eine Inhaftierung einer ausländischen Person bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bereits während des laufenden Verfahrens zur Abklärung der Aufenthaltsberechtigung ­ namentlich noch vor dem erstinstanzlichen Entscheid im Asylverfahren ­ für maximal drei Monate möglich.

Unter «bestimmten Voraussetzungen» ist erstens die Erfüllung des Haftzwecks zu verstehen. Der Zweck der Vorbereitungshaft ist gemäss Gesetzeswortlaut «die Sicherstellung der Durchführung eines Wegweisungsverfahrens». Eine weitere «bestimmte Voraussetzung» ist die Erfüllung eines Haftgrundes. Die Haftgründe werden im Gesetz abschliessend genannt. Sie unterstehen zudem bestimmten Schranken.

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3.1.2.1

Völkerrechtliche Schranken

Die Flüchtlingskonvention verbietet die Inhaftierung von Asylsuchenden während des Asylverfahrens nicht, sofern dies notwendig und gesetzlich vorgesehen ist. Nach Artikel 5 Ziffer 1 Buchstabe f EMRK ist die Ausschaffungshaft ausdrücklich zugelassen. Die Voraussetzungen ihrer Anordnung sind dabei weit umschrieben. In materieller Hinsicht muss, entsprechend dem Wortlaut, eine Abschiebung beabsichtigt sein. Ausschaffungshaft ist also immer schon dann und so lange zulässig, als sich die zuständigen Behörden ernsthaft und mit entsprechender Dringlichkeit um die Ausoder Wegweisung bemühen. Dies bedeutet, dass die Ausschaffungshaft bereits angeordnet werden kann, bevor der Aus- oder Wegweisungsentscheid ergangen ist, also noch während die Behörden Abklärungen vornehmen, welche diesen Entscheid erst ermöglichen sollen. Die Haft wird gemäss der Rechtsprechung der Konventionsorgane zudem nicht dadurch unrechtmässig, dass allenfalls kein Aus- oder Wegweisungsentscheid gefällt wird.

Mit dieser Begründung lässt sich auch die Einführung eines neuen Haftgrundes für die Vorbereitungshaft rechtfertigen.

3.1.2.2

Landesrechtliche Schranken

Jede Haftanordnung tangiert das verfassungsmässige Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV). Ein Freiheitsentzug darf zudem nur unter den Voraussetzungen von Artikel 31 BV angeordnet werden. Diese Voraussetzungen mussten bereits mit der Einführung des Instituts der Vorbereitungshaft erfüllt werden. Mit der Einführung eines neuen Vorbereitungshaftgrunds muss jedoch das in Artikel 36 BV verbriefte Verhältnismässigkeitsprinzip neu geprüft werden (vgl. Ziff. 3.1.3).

3.1.3

Tatbestandsmerkmale des neuen Vorbereitungshaftgrundes

Jeder Vorbereitungshaftgrund umschreibt einen schweren Unrechtsgehalt, der eine Haft zur Sicherstellung der Durchführung eines Wegweisungsverfahrens rechtfertigt. Der Unrechtsgehalt in der vorliegenden Fallkonstellation liegt nicht allein in der Gefahr des Untertauchens, sondern vielmehr in der Täuschung der Behörden. Diese Täuschung lässt sich zum einen aus dem vorangehenden, illegalen Aufenthalt in der Schweiz entnehmen. Während dieser Zeit hat die ausländische Person trotz bestehender Möglichkeit den Behörden nie erklärt, dass sie Schutz vor Verfolgung suche.

Erst wenn die ausländische Person von den Behörden aufgegriffen wird, gibt sie bekannt, dass sie sich in der Schweiz aufhält, um Schutz vor Verfolgung zu suchen.

Wer die Schweiz um Schutz vor Verfolgung ersuchen will, hat dieses Begehren an der Grenze oder unmittelbar nach der Einreise zu stellen und sich nicht erst in die Illegalität zu begeben.

In diesem täuschenden Verhalten ist eine grobe Pflichtverletzung zu sehen. Der Bundesrat hat in der Botschaft zum Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht vom 22. Dezember 1993 bereits ausgeführt, dass bestimmte grobe Pflichtverletzungen mit der Anordnung der Vorbereitungshaft sanktioniert werden 5416

können. Zu den groben Pflichtverletzungen zählte er explizit die Weigerung, die wahre Identität bekannt zu geben, die Einreichung mehrerer Asylgesuche unter verschiedenen Identitäten oder die Nichtfolgeleistung von Vorladungen zu Anhörungen oder zu anderen behördlichen Terminen ohne plausible Gründe. Mit diesen Verhaltensweisen zeigt die ausländische Person, dass sie kaum bereit sein wird, mit den Behörden in erforderlicher Weise zu kooperieren.

Typischerweise wird der neue Vorbereitungshafttatbestand bei Personen zur Anwendung kommen, welche durch die Einreichung eines Asylgesuchs eine Wegweisung zu verzögern bzw. zu verhindern versuchen. Dies trifft dann zu, wenn das Asylgesuch in einem engen Zusammenhang mit einer Verhaftung oder mit der Einleitung eines Strafverfahrens eingereicht wird. Bei diesen Beispielen hätte die betroffene Person grundsätzlich längst die Möglichkeit gehabt, ein Asylgesuch einzureichen oder sich um eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung zu kümmern. Die Absicht der ausländischen Person ist somit nicht das Ersuchen um Schutz vor Verfolgung, sondern die Abwendung einer drohenden Wegweisung. Dieses Verhalten stellt eine grobe Pflichtverletzung dar und die ausländische Person demonstriert damit, dass sie kaum bereit sein wird, mit den Behörden in erforderlicher Weise zu kooperieren. Angesichts der Schwere dieser Pflichtverletzung, die zudem regelmässig eine erhebliche Erschwerung des Vollzugs der Wegweisung zur Folge hat, ist die Anordnung der Vorbereitungshaft auch im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinizips gerechtfertigt.

Nicht erfasst von dieser Regelung werden Personen, welche die Schweiz effektiv um Asyl oder Schutz ersuchen wollen. Die haftanordnende Behörde hat die Pflicht zu prüfen, ob entschuldbare Gründe für die verspätete Einreichung des Asylgesuchs vorliegen. Liegen nämlich entschuldbare Gründe für die verspätete Einreichung des Asylgesuchs vor, kann keine Haft gestützt auf diesen neuen Haftgrund angeordnet werden. Entschuldbare Gründe für das verspätete Einreichen des Asylgesuches liegen vor, wenn eine polizeiliche Kontrolle unmittelbar nach dem illegalen Grenzübertritt oder im grenznahen Raum erfolgt, wenn eine Empfangsstelle vorübergehend geschlossen ist, wenn eine kranke Person sich vor der Einreichung des Asylgesuchs zuerst bei Bekannten erholt
oder wenn die betroffene Person offensichtlich traumatisiert ist. Diese Ausnahmen ergeben sich aus Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention: «Die vertragsschliessenden Staaten ergreifen wegen illegaler Einreise oder unrechtmässigen Aufenthalts keine Strafmassnahmen gegen Flüchtlinge (gemeint sind Asylsuchende), die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht war und sofern sie sich unverzüglich den Behörden stellen und triftige Gründe für ihre illegale Einreise oder Anwesenheit darlegen.»

3.1.4

Notwendigkeit eines neuen Vorbereitungshaftgrundes

Das Bundesgericht hat im Entscheid 2A.142/2000 festgestellt, dass es dem Gesetzgeber freigestanden hätte, den umfassenderen Haftgrund der Untertauchensgefahr auch für die Vorbereitungshaft einzuführen. Insbesondere führte es aus, dass es allenfalls am Gesetzgeber liege, tätig zu werden, falls zwischen den Haftgründen von Artikel 13a ANAG und dem Nichteintretensgrund im Falle des missbräuchlichen 5417

Nachreichens eines Asylgesuchs (Art. 33 AsylG) ein Koordinationsbedarf bestehe.

Dieser bundesgerichtlichen Aufforderung kommt die Kommission hiermit nach. Sie berücksichtigt dabei, dass weitere, bisher nicht in Artikel 13a ANAG aufgeführte grobe Verletzungen der Mitwirkungspflicht bestehen, die eine Vorbereitungshaft zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs notwendig machen (BBl 1994 I 322). Ausländerinnen und Ausländer sollen neu in Vorbereitungshaft genommen werden können, wenn sie nach einem längeren illegalen Aufenthalt ein Asylgesuch stellen, das offensichtlich nur noch dazu dient, eine drohende Rückführung zu verhindern. Dieses Verhalten weist auch auf eine Untertauchensgefahr hin, die hier bereits vor Erlass einer Wegweisungsverfügung besteht. Der vorgeschlagene neue Vorbereitungshaftgrund dient somit ausschliesslich der Sicherstellung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens im Sinne von Artikel 5 EMRK.

3.2

Neuer Straftatbestand der Täuschung der Behörden in ausländerrechtlichen Verfahren

3.2.1

Ausgangslage

Die Bestimmungen über den Familiennachzug sehen im Vergleich zu den übrigen ausländerrechtlichen Zulassungsbestimmungen wesentliche Erleichterungen vor (Art. 7 Abs. 1 und 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung; ANAG, SR 142.20; Art. 38 und 39 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer; BVO, SR 823.21). Sie ermöglichen Ausländerinnen und Ausländern unter gewissen Bedingungen die Weiterführung oder die Aufnahme des Familienlebens in der Schweiz. Damit ist leider ­ wie die Praxis auch in anderen Ländern zeigt ­ eine gewisse Missbrauchsgefahr verbunden. Es wird versucht, mit einer Scheinehe den Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu erreichen, oder es werden beispielsweise minderjährige Kinder anderer Eltern als eigene Kinder ausgegeben.

Werden solche Missbräuche erkannt, ist eine Verweigerung des Familiennachzugs möglich. Bereits erteilte Bewilligungen können widerrufen oder nicht verlängert werden (Art. 7 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 Bst. a und Abs. 4 Bst. a ANAG).

Von einer Scheinehe oder Umgehungsehe wird dann gesprochen, wenn die Ehe lediglich zum Zweck der Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften eingegangen worden ist oder an ihr mit diesem Ziel festgehalten wird. Es fehlt damit am Ehewillen. Dies ist eine innere Tatsache, die in der Regel nur indirekt durch Indizien nachgewiesen werden kann. Solche Indizien sind etwa die Schliessung einer Ehe kurz vor Ablauf der Ausreisefrist; die Dauer und die Umstände der Bekanntschaft vor der Eheschliessung; getrennte Wohnungen nach der Eheschliessung ohne nachvollziehbare Gründe; ein sehr grosser, eher unüblicher Altersunterschied sowie finanzielle Leistungen an den Ehepartner in der Schweiz (BGE 122 II 289 ff., 121 II 1 ff, 121 II 97 ff.; Peter Kottusch, Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, ZBl 84/1983, S. 423 f.).

Der Nachweis stichhaltiger Indizien ist für die zuständigen Fremdenpolizeibehörden indessen nur sehr schwierig und mit grossem Aufwand zu erbringen. Oft kann das Vorliegen einer Scheinehe erst im Nachhinein festgestellt werden.

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In der Kommission herrschte Einigkeit darüber, dass diese Missbräuche im Interesse einer glaubwürdigen und von der Bevölkerung auch mitgetragenen Ausländerpolitik konsequent unterbunden werden müssen.

3.2.2

Erwägungen des Bundesgerichts zur Strafbarkeit gemäss geltendem Recht

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt bis zum Widerruf oder der Nichtverlängerung der ausländerrechtlichen Bewilligung ein Aufenthalt im Zusammenhang mit einer Heirat selbst dann als rechtmässig, wenn die Ehe lediglich zur Umgehung der Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer eingegangen wurde. Es handelt sich also nicht um einen rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz, der unter den Straftatbestand von Artikel 23 Absatz 1 Satz 4 ANAG fallen würde. Demzufolge kann auch die Eingehung, die Vermittlung oder die Organisation einer Scheinehe nicht als Erleichtern oder Vorbereiten eines unerlaubten Aufenthalts in unserem Lande gelten (was nach Art. 23 Abs. 1 Satz 5 ANAG strafbar wäre).

Dieses Verhalten, Ausländerinnen und Ausländern bei der Täuschung der Behörden zu helfen, ist auch nach der Auffassung des Bundesgerichts verwerflich. Im ANAG fehlt aber eine dem Artikel 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) vergleichbare Vorschrift, wonach sich derjenige strafbar macht, der die Verwaltung durch Vorspiegelung von Tatsachen arglistig irreführt und so für sich oder einen anderen unrechtmässig eine Bewilligung erschleicht (BGE 125 IV 148 ff.). Das Verwaltungsstrafrecht ist nur anwendbar, wenn die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen wurde. Dies ist im Ausländerrecht nicht der Fall.

Die Kommission ist zur Auffassung gelangt, dass diese Lücke zusammen mit der Umsetzung der Forderungen der Parlamentarischen Initiative Hess ebenfalls so rasch als möglich geschlossen werden muss. Sie nimmt damit einen Vorschlag der Expertenkommission zur Totalrevision des ANAG auf, die eine entsprechende Bestimmung in den Vernehmlassungsentwurf zum neuen Ausländergesetz eingefügt hat (Art. 104 AuG). Die Kommission verspricht sich mit einer solchen Bestimmung insbesondere mit Bezug auf die Vermittlung und Eingehung von Scheinehen eine präventive Wirkung.

3.2.3

Vorschlag für eine neue Strafbestimmung

Mit ihrem Verhalten täuschen die beteiligten Personen die Bewilligungsbehörden, da diese in Kenntnis der wahren Gegebenheiten keine Bewilligung erteilen würden.

Nach Artikel 3 Absatz 2 ANAG sind die am Verfahren beteiligten Personen verpflichtet, wahrheitsgetreue Angaben zu machen. Weiter sind die gesuchstellenden Personen nach Artikel 13 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) gehalten, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Dieser Mitwirkungspflicht kommt im Ausländerrecht eine zentrale Bedeutung zu, da die Behörden auf wahrheitsgetreue Angaben der Gesuchsteller angewiesen sind.

Dies gilt vorab für Tatsachen, die die betroffenen Personen besser kennen und wel5419

che ohne ihre Mitwirkung nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand ermittelt werden können (siehe auch BGE 124 II 361 E. 2b S. 365). Täuschungen im Rahmen von ausländerrechtlichen Gesuchsverfahren werden indessen nicht nur im Zusammenhang mit Scheinehen festgestellt. Beim Familiennachzug wird zum Beispiel auch versucht, Kinder von Drittpersonen als eigene Kinder auszugeben, oder es werden im Zusammenhang mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorsätzlich falsche Angaben über die für den Bewilligungsentscheid massgeblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemacht (Art. 9 BVO).

Die täuschenden Handlungen können dabei auch ein Unterdrücken von Tatsachen umfassen, indem für das Bewilligungsverfahren wesentliche Umstände verschwiegen werden. Dies ist bei einer Scheinehe regelmässig der Fall, da hier der fehlende Ehewille verschwiegen oder vielmehr der Ehewille nur vorgespielt wird. Selbstverständlich muss zwischen der Täuschung und der Bewilligungserteilung ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Das täuschende Verhalten muss für die Aufenthaltsregelung ausschlaggebend gewesen sein.

Die Kommission ist daher zur Auffassung gelangt, dass mit gewissen Anpassungen grundsätzlich die von der Expertenkommission zur Totalrevision des ANAG im Vernehmlassungsentwurf zum neuen Ausländergesetz vorgeschlagene neue Strafbestimmung (Art. 104 AuG) übernommen werden soll. Sie lautet wie folgt: Art. 104 AuG

Täuschung der Behörden

1

Wer die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Behörden durch falsche Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen täuscht und dadurch die Erteilung einer Bewilligung für sich oder andere erschleicht oder bewirkt, dass der Entzug einer Bewilligung unterbleibt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 20 000 Franken bestraft.

2

Handelt der Täter in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Jahr und Busse bis zu 100 000 Franken.

Nach Auskunft des Bundesamts für Ausländerfragen wurde diese Bestimmung im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum AuG von einer Mehrheit der Vernehmlasser, insbesondere auch von den Kantonen, ausdrücklich begrüsst. In einigen Stellungnahmen (unter anderem in derjenigen des Bundesgerichts) wurden indessen Zweifel geäussert, ob mit der gewählten Formulierung tatsächlich die Vermittlung, die Eingehung und die Aufrechterhaltung von Scheinehen unter Strafe gestellt wird.

Diese Handlungen stehen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vollzug des Ausländerrechts und mit den dafür zuständigen Behörden. Die Kommission schlägt daher in Ergänzung zum Vernehmlassungsentwurf vor, den Bereich der Scheinehe als besondere Form der Täuschung ausdrücklich zu erwähnen. Zudem hat die Kommission die Strafandrohungen an den im Vergleich mit dem AuGEntwurf allgemein tieferen Strafrahmen des ANAG angepasst. Die gleichen Strafandrohungen wie im Entwurf der Kommission gelten gemäss ANAG für die rechtswidrige Ein- oder Ausreise und das rechtswidrige Verweilen im Land oder für denjenigen, der die rechtswidrige Ein- oder Ausreise erleichtert oder vorbereiten hilft (Art. 23 Abs. 1 und 2 ANAG).

5420

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund können durch die Einführung eines neuen Haftgrundes für die Vorbereitungshaft (Art. 13a Abs. 1 Bst. f ANAG) entstehen, weil der Bund den Kantonen für den Vollzug der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft gemäss Artikel 15 der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen (VVWA; SR 142.281) ab einer Haftdauer von zwölf Stunden einen Pauschalbetrag von 130 Franken pro Tag ausrichtet. Die Anwendung dieses neuen Hafttatbestandes in voraussichtlich wenigen Fällen wird aber kaum zu einem statistisch erheblichen Anstieg der Haftabgeltungskosten führen.

Den Kantonen werden aus denselben Gründen kaum finanzielle Auswirkungen erwachsen.

Es darf erwartet werden, dass die präventive Wirkung der Einführung der Strafbarkeit der Täuschung von Behörden gewisse, nicht bezifferbare Kosteneinsparungen zur Folge haben wird.

Direkte personelle Auswirkungen sind mit den vorgeschlagenen Änderungen des ANAG nicht verbunden.

4.2

Vollzugstauglichkeit

Mit ihren Vorschlägen möchte die Kommission in zwei Bereichen bundesgerichtlichen Anregungen zur Gesetzgebung im Ausländerrecht nachkommen. Der neue Vorbereitungshaftgrund wird in den Erwägungen des Bundesgerichts bereits klar umrissen. Der im Verwaltungsstrafrecht des Bundes bestehende, ähnlich lautende Straftatbestand der Täuschung von Behörden hat sich bewährt. Zudem entspricht diese Bestimmung einem ausdrücklichen Wunsch der mit dem Vollzug des ANAG betrauten Kantone.

5

Verhältnis zum bilateralen Abkommen über die Freizügigkeit

Nach dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz über die Freizügigkeit wird die Problematik der Scheinehen in erster Linie Personen aus Ländern ausserhalb der EU betreffen. Nach Ablauf der Übergangsfristen werden Angehörige eines EU-Mitgliedstaates in der Schweiz ein Anwesenheitsrecht besitzen, wenn sie hier erwerbstätig sind oder wenn sie über die notwendigen finanziellen Mittel für den Lebensunterhalt verfügen.

Die Entschliessung des Rates der Europäischen Union vom 4. Dezember 1997 über Massnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (97/C382/01) weist im Übrigen darauf hin, dass auch die Europäische Union Scheinehen verstärkt bekämpfen will.

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6

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 121 Absatz 1 BV ist die Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern sowie über die Gewährung von Asyl Sache des Bundes. Dies gilt auch für den Bereich des Strafrechts (Art. 123 BV).

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