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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Zürich für die Regelung des Abflusses des Zürichsees.

(Vom 30. April 1886.)

Tit.

Der Regierungsrath des Kantons Zürich hat mit Schreiben vom 24. Oktober 1885 ein Subventionsgesuch eingereicht betreffend Arbeiten, welche am Ausflusse des Zürichsees zum Zwecke der Senkung der Hochwasser dieses letztem ausgeführt werden sollen. Wir haben den eidgenössischen Räthen davon schon unterm 22. Dezember abhin vorläufig Kenntniß gegeben, infolge dessen dieselben auch bereits ihre Kommissionen für diese Angelegenheit bestellt haben.

Das Sehreiben ist begleitet von Plänen und einem Kostenvoranschlage und bezieht sich besonders auf einen ebenfalls beigefügten gedruckten Berieht des dortigen Straßen- und Wasserbauinspektors über "die Bewegung des Wasserstandes des Zürichsees während 70 Jahren und die Mittel zur Senkung seiner Hochwasser".

In dem Schreiben des Regierungsrathes selbst und in diesem Berichte ist die Angelegenheit in Beziehung auf das Bedürfniß der Verbesserung des jetzigen Zustandes, die zur Erzielung derselben anzuwendenden Mittel und den voraussichtlichen Erfolg dieser Mittel in eingehender Weise behandelt.

312 Die Seeregulirung war schon mit den Gewässerkorrektionen des Kantons Zürich, auf welche sich der Subventionsbeschluss vom 28. Juni 1882 bezieht,, angemeldet; aus den in der Botschaft vom 20. August 1881 angegebenen Gründen wurde sie aber in jenen Beschluß nicht einbegriffen, wobei es indessen die Meinung hatte, es der Regierung anheim zu geben, die Angelegenheit zum Gegenstande einer besondern Eingabe zu machen.

Während einer jener Gründe sich darauf bezog, daß es sich um eine eigenartige, wesentlich von den gewöhnlichen bis dahin subventionirten Gewässerkorrektionen abweichende Unternehmung handle und daher der Bewilligung eines Bundesbeitrages für dieselbe eine prinzipielle Bedeutung zukomme, so besteht jetzt in dieser Beziehung in der Subventionirung der Regelung des Abflusses des Genfersees ein Vorgang, durch welchen die prinzipielle Frage, ob derartige Werke auf Bundesbeiträge Anspruch hätten, wohl als in bejahendem Sinne beantwortet angesehen werden darf.

Einen andern Grund bildete der Abgang irgend welcher Vorlage, während in dieser Angelegenheit, ganz besonders das Bedürfniß für Aufschlüsse in den verschiedenen oben erwähnten Beziehungen bestand, und dies zwar um so mehr, als dabei nicht der Kanton Zürich allein interessirt erscheint, sondern ein solches Interesse bezüglich des Sees auch für die Kantone Schwyz und St. Gallen nebst der Linthkorrektions-Unternehmung und bezüglich der Limmat für den Kanton Aargau besteht.

Nachdem nun auch diesem Bedürfnisse entsprochen ist, besteht kein Hinderniß mehr für das Eintreten auf diese Angelegenheit.

An der Hand des vorgenannten Schreibens und Berichtes machen wir die folgenden Mittheilungen über den Gegenstand.

Schon seit Langem wurde der Verbesserung des Abflusses des Zürichsees nicht nur Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch durch Wegräumung von Hindernissen, welche im Laufe der Zeit in demselben entstanden waren, Rechnung getragen. Es ergibt sich dies am besten aus der Vergleichung des jetzigen, im beiliegenden Plane, Tafel II, dargestellten Zustandes mit folgendem im genannten Berichte vom frühern Zustande entworfenen Bilde: ,,Zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte die Limmat durch die Stadt Zürich in mancher Beziehung ein anderes Aussehen als jetzt.

Die Ufer waren unregelmäßiger und innerhalb des Flußbettes waren viel zahlreichere Bauten verschiedener Art vorhanden. Am Ausfluß hei der Bauschanze war ein Palissadenabschluß mit dem

313 sogenannten Grendelgebäude als Theil der Festungswerke vorhanden.

Zwischen der Bauschanze und der Wasserkirche stand der Welleubergthurm mitten im Flusse: vom Helmhaus führte ein Steg mit vielen Jochen, mit welchen Fangdämme und ein Wasserwerk verbunden waren, an das linke Ufer. An der untern Brücke beim Rathhaus waren gleichfalls Fangdämme und Wasserrad angebracht. In der Schipfe stand das Pumpwerk mit Wasserfassung, deren letzte Reste erst in jüngster Zeit beseitigt wurden. An den beiden Mühlestegen war gleichsam die ganze Flußöffnung der Willkür der Wasserwerkbesitzer preisgegeben. An der Spitze des Papiererwerd führte der lange Steg mit zahlreichen Jochen über den Bluß. Am rechten Ufer standen vom untern Mühlesteg bis Neumühle drei Mühlen mit langen Fangarmen in dem Flußbett.

Die Sihl mündete etwas weiter oberhalb in die Limmat und vermehrte die Stauung. Ueberdies war die ganze Strecke von der Bauschanze abwärts mit allerlei Fischereivorrichtungen verrammelt."

Einen Anstoß zur Anhandnahme von Verbesserungen gab die Unternehmung der Linthkorrektion, indem man, wie es scheint, der zurückhaltenden Wirkung des Wallensees nicht genügend Rechnung trug und daher befürchtete, durch den abgekürzten Lauf der Linth im neuen Kanal könnte dem Zürichsee zeitweise eine größere Wassermasse zugeführt werden, als bei dem früheren Zustande.

Es geschah daher auf Veranlaßung von Escher von der Linth, daß die Regierung von Zürich im Jahre 1807 eine besondere Wasserbaukommission niedersetzte, in deren Aufgabe es lag, Aenderungen am Ausflusse des Sees zu dem Zwecke in Vorschlag zu bringen, letztern möglichst auf einem Mittelstande zu erhalten und damit sowohl die flachen Ufer am Obersee als die Stadt Zürich selbst vor den Nachtheilen hoher Wasserstände zu bewahren.

Infolge dessen kamen successive sehr wesentliche Verbesserungen zur Ausführung; so die Abwärtsverlegung der Sihlmündung, dann eine sehr gründliche Räumung des Limmatbettes vom untern Mühlesteg abwärts, infolge dessen ein großer Theil der dortigen Schwellungsanstalten entbehrlieh wurde. Diesen im zweiten Dezennium des gegenwärtigen Jahrhunderts ausgeführten Arbeiten folgten in den Zwanzigerjahren erstlich die Entfernung des oben genannten, die ohnedem schmälste Stelle des Limmatbettes bei der untern Brücke noch weiter verengenden Wasserrades sammt
verschiedenem Zubehör, sodann die Sprengung eines großen Steines ebendaselbst, die Begulirung der Joche dieser Brücke und die Errichtung einer Doppelschleuse für die Schifffahrt am untern Mühlesteg.

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lu die Mitte der Dreißigerjahre fallen sodann die Erbauung der neuen Munsterbrücke mit Entfernung der vielen Pfeiler der alten Brücke und des daran liegenden Pumpwerkes sammt Fangdämmen, ferner die Beseitigung der Palissaden und des Grendelgebäudes, sowie des Wellenbergthurmes, Austiefung dor Sohle daselbst, endlich die Erstellung der Quais von der abgetragenen Spitalmühle nach der Neumühle mit Kanal, Ueberfall- und Freischleusen und eine beträchtliche Austiefung des Limmatbettes bei der Neumühle.

Io ein neues Stadium trat sodann die Regulirung des Seeabflusses bei Anlaß der Schleifung der Schanzen und der damit verbundenen Aenderungen am Schanzengraben. Kommissionaluntersuchungen ergaben, daß das Hauptübel nunmehr am obern Mühlesteg liege und zur Beseitigung desselben dort eine Erweiterung des Abflußprofiles nöthig sei. Nachdem im Jahre 1842 drei Mühlen abgebrannt waren, kam 1845 einGroßrathsbeschlußß HU Stande, zufolge welchem gegen Leistungen derMühlebesitzerr und der Stadtgemeinde Zürich vom Staate unter Beseitigung einer Mühle fünf Freischleusen, drei am rechten Ufer und zwei zwischen der ersten und zweiten Mühle, von der rechten Seite gerechnet, sowie auf gleicher Seite eine Kammerschleuse für die Schifffahrt ausgeführt wurden, unter gleichzeitiger Beauftragung des Regierungsrathes mit der Aufsicht nicht nur über die Ausführung des Baues der Schleusen, sondernauchh über die spätere Besorgung derselben und alle auf denWasserstandd sich beziehenden Vorkehren im Limmatbett.

Vorstehende Anlagen wurden im Jahre 1846 vollendet, abgesehen davon, daß die Kammerschleuse ersi- 1878 mittelst Aubringung eines Fallenaufzuges zwischen den beiden Thoren für die Reglung des Wasserabflusses handlicher gemacht wurde, nachdem sich beim Hochwasser von 1876 in dieser Beziehung ein Mangel ergeben hatte.

Nachdem seit, 1846 au Leerläufen und Gerinnen der Wasserwerke am obern Mühlestege noch Umänderungen in verbesserndem Sinne vorgenommen worden sind, besteht dort nun der gegenwärtige Zustand. Die hier unten beigefügte Tafel I enthält den Situationsplan dos obern Mühlesteges mit der daselbst projektirten Aenderung.

Die nach genanntem Großrathsbeschlusse hier erzielte Erweiterung des Durchflußprofiles wird zu 36,23' (10,87m.)) angegeben, die Gesammtbreite aber zu 129,19' (38,75 m.), da die Breite der Leerläufe und Gerinne auf den der vollen Wirksamkeit entsprechenden Werth reduzirt wurde.

315 Die Höhenlage der Grundschwellen wurde beim Bau der Freischleusen 0,21 m. tiefer gelegt als die Gerinnschwellen der Gewerbe. Der Werth der Freischleusen hat sich aber noch besonders dadurch gesteigert, daß ihre Handhabung früher, soweit sie vor 1845 bestanden, in der Hand der Wasserwerkbesitzer lag und seither an den Staat übergegangen ist.

Zur Vergleichung ist noch anzuführen, daß am untern Mühleateg, nachdem, wie schon erwähnt, dort auch Verbesserungen vorgenommen worden sind, eine im gleichen Sinne wie am obern Stege bestimmte, für den Abfluß wirksame Weite von 196,81' (59,04 m.) besteht, also um 67,62' (20,28 m.) mehr als au letzterm.

Sofern diese Weite gegenüber allen Verbesserungen, um welche es sich am obern Mühlesteg noch handeln k a n n , genügt, kann bei der weitern Besprechung der in Rede stehenden Angelegenheit vom untern Mühlesteg abgesehen werden.

Was nun den Erfolg der in den Jahren 1845 und 1846 am obern Mühlesteg vorgenommenen Verbesserungen betrifft, so erschien derselbe nach den Vorkommnissen in den nächstfolgenden Jahren nicht befriedigend, da sich 1846, 1847, 1849, 1850 und 1851 sehr hohe Seestände einstellten. Dafür trat nachher eine lange Periode ein, in welcher der See nur selten einen Mittelstand überstieg, wogegen besonders das Jahr 1876 und in etwas geringerein Maße 1877 und 1878 wieder außerordentliche Hochwasser brachten.

Wenn dies einen weitem Beweis dafür liefert, daß solche Ereignisse nicht durch mangelhafte Abfluß Verhältnisse allein veranlaßt werden, sondern außergewöhnliche Witterungserscheinungen hinzukommen müssen, so war immerhin damit bewiesen, daß den von hohen Seeständen herrührenden Uebelsläuden noch nicht vollkommen abgeholfen sei. Indem sich damit aber das Bedürfniß weiterer Abhülfe ergab und die Frage der Mittel zur Erxielung derselben neuerdings stellte, lag es nahe, sich zuerst genauere Rechenschaft darüber zu geben, was in Wirklichkeit mit den bisherigen Maßregeln erreicht worden sei.

Hiefür lag in den Wasserstandsbeobachtungen, welche an dem im Jahre 1810 am Seeaustlusse bei der Bauschanze errichteten Pegel seither ununterbrochen gemacht worden sind, ein sehr werthvolles Material vor. Dieses Material lindet sich im oben genannten .Sierichte au Vergleichung der beiden gleich langen Perioden von 1811 bis 1845 uud 1846 bis 1880 in Rücksicht
auf die verschiedenen, für die vorliegende Angelegenheit sich ergebenden Fragen bearbeitet. Wir können dieser weitläufigen Bearbeitung nicht im Einzelnen folgen, dagegen mögen einige Ergebnisse derselben hier ihr« Stelle finden.

316 Der 1876 stattgehabte höchste Wasserstand der zweiten Periode blieb 0,28 m. unter dem 1817 stattgehabten höchsten Stande der ersten Periode, sodann kamen gleich hohe und höhere Wasserstände wie der von 1876 in der ersten Periode drei vor.

Wesentlicher für die Vergleichung und Beurtheilung ist indessen, daß das Mittel der jährlichen, eine bestimmte unschädliche Mittelwasserhöhe übersteigenden hohem Stände sich in der aweiten Periode ungefähr 9 Centimeter tiefer stellt, als in der erstem.

Wenn darin kaum ein befriedigendes Ergebniß der vorgenommenen Verbesserungen erblickt werden kann, so ist hinwider hervorzuheben, daß die Große der Wasserstandsschwankungen und besonders, daß die Dauer der Hochwasser sich vermindert hat. Die Dauer der mittlern Wasserstände bis zu l,20 m.

über Null des genannten Pegels hat durchschnittlich per Jahr um 57 Tage zugenommen und diejenige der Hoch- und Niederwasser zusammen, annähernd zu gleichen Theilen, um ebenso viel abgenommen, und es wird daher im mehrerwähnten Berichte wohl mit Recht bemerkt, die Abkürzung der Hochwasserzeit von 95 auf 66 Tage oder um 30 % sei sehr bemerkenswert!) und stelle (leu Erfolg dei- Verbesserungen an den Abflußverhältnissen in ein besseres Licht als bloß die Vergleichung der Höhenmaße, da nämlich der Hochwasserschaden wesentlich mit von der Dauer der Anschwellungen abhängt.

Immerhin kann nach vorstehenden Erfahrungen nicht bezweifelt werden, daß noch ein Bedurfniß für weitere Verbesserung der Abflußverhältnisse bestehe.

Es ist nämlich zu bemerken, daß Wasserstände von 1,80 m.

über dem Nullpunkte des genannten Pegels an vielen Orten schon sehr lästig und schädlich werden, diese Höhe aber seit 1846 schon 15 Mal erreicht oder überstiegen wurde, im Jahr 1876 sogar um 0,49 m. Damals wurde in Zürich der Sonnenquai bespült und ein großer Theil der Aulagen beim Stadthause überschwemmt, längs beiden Seeufern aber zahlreiche Landanlagen und Kellerräume unter Wasser gesetzt.

Welche große Summe von Uebelständen ein solches Ereigniß mit sich bringen muß, läßt sich in Vergegenwärtigung des Kulturzustandes jener mit Gebäuden, werthvollen Grundstücken, Straßen und öffentlichen Anlagen bedeckten Ufer annähernd ermessen.

Der näheren Besprechung der Verbesserungen, wie sie von Zürich laut gegenwärtiger Vorlage nun beabsichtigt sind, schicken wir folgende Angaben über das Abfluß-Regime der Zürichsees voran.

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Den Hauptabfluß bildet die bei der Bauschanze dem See entströmende Limmat. Dieselbe nimmt kaum 1800 m. von hier in der Sihl einen verhältnismäßig sehr starken Zufluß auf, dessen durch keinen See gemäßigte Hochwasser einen wesentlichen Stau auf die Limmat ausüben können, wiewohl in dieser Beziehung die erwähnte Abwärtsverlegung der Sihl eine Verbesserung bildet. Das Gefäll der Limmat ist auf der hier in Betracht kommenden Strecke vom Seeausflusse bis zur Sihlmündung an zwei Stellen, nämlich durch die Wasserwerksanlagen des obern und des untern Mühlesteges, gebrochen (die Grundschwellen der beiden Wehre liegen 0,75 m.

bis 0,90 m. über dem ausgeglichenen Sohlgefälle).

Einen weitern, zwar viel geringern, aber gleichwohl in Betracht kommenden Abfluß des Sees bildet der sog. Schanzengraben.

Derselbe mündete früher zunächst unterhalb dem untern Mühlesteg in die Limmat und ist jetzt oberhalb der Eisenbahnbrücke in die Sihl ausgeleitet.

Infolge dessen würde ohne eine angebrachte Schleuse die Möglichkeit bestehen, daß die Sihlhochwasser durch den Schanzengraben in den See flössen, wie es 1876 in Wirklichkeit, bevor die Schleusen geschlossen waren, kurze Zeit geschehen ist.

Bin früher in dem sog. Fröschengraben bestandener dritter Seeabfluß ist eingegangen, wurde aber durch am Schanzengraben vorgenommene Verbesserungen mehr als ersetzt.

Wie oben bemerkt, macht sich ein Wasserstand von 1,80 m.

schon lästig ; dem Eintreten desselben vorzubeugen, ist daher der Zweck der neuerdings in Aussicht genommeneu und im Schreiben der Regierung von Zürich in folgender Weise besprochenen Maßregeln : ,,Die Mittel, durch welche künftig verhütet werden soll, daß der See den bisherigen mittlern Hochwasserstand von annähernd 58 Zoll (1,74 m.) am alten Zürcherpegel nicht beträchtlich überschreite, bestehen in Folgendem : 1) Austiefung des Limmatbettes vom See bis '/,ur Einmündung der Sihl.

2} Erweiterung des Durchflußprofiles am obern Mühlesteg und Errichtung neuer Freischleusen oder eines entsprechenden freien Ueberfalls.

3} Austiefung des Schanzengrabens von den Schleusen abwärts und Trennung desselben von der Sihl bis zur Eisenbalmbrücke.

318 "Die Vertiefung des Limmatbettes vom See bis au den obera Mühlesteg hat den Zweck, das Gefäll dieser Strecke, welches bei Hochwasser über 0,50 m. betragen kann, auf 0,20 in. bis 0,25 in., also auf wenigstens die Hälfte, zu reduziren. Bei einem entsprechend geringem Seestande könnte dadurch beim obern Steg die gleiche Wassermenge abfließen und für die höchsten Wasserstände 0,25 m. bis 0,30 m. gewonnen werden.

"In Folge der dadurch verminderten Rétention des Sees würde jedoch dieses Ergebniss je nach dem mehr oder weniger raschen Austeigen beeinträchtigt, wenn nicht zugleich für einen stärkeren Abfluß gesorgt würde.

"Diese Vermehrung ist um so notwendiger, als eine größere Senkung der Hochwasser als mittelst der genannten Gefällsreduktion »u erzielen ist, sich als Bedürfniß herausstellt. Der stärkste Zufluß zum See pro Sekunde beträgt etwa das Doppelte des größten Abflusses bei gegenwärtigem Zustand der Limmat und zeigt sieh deßhalb bei starken Niederschlagen ein sehr starkes Ansteigen des Sees. -Jenes Verhältniß sollte nun zu Gunsten der Abflußmenge geändert werden, oder, was auf dasselbe Resultat führt, es sollte das Limmatbett so umgestaltet werden, daß künftig bei dem beabsichtigten niedrigem Maximalwasserstand so viel Wasser abfließen kann, als bei dem bisherigen höbern Stand und zur Ausgleichung der verminderten Retention nothwendig ist.

,,Durch den Ankauf und Abbruch einer Mühle ani obern Steg würde ein neuer freier Raum von 15 m., oder nach Abrechnung der bestehenden Mühlegerinne von wenigstens 11 m. gewonnen was circa 20 °/o der gegenwärtigen Gesammtöffnung ausmacht, in welchem Verhältnisse annähernd auch die abfließende Wassermenge, vermehrt werden könnte.

"Die zu gewinnende Oeffnung kann aber nur in einem beschränkten Grade freigehalten werden, um den weiter bestehenden Wasserwerken das erforderliche Wasser zu siehern. Dieselbe muß deßhalb mit Schleusen versehen oder auf eine andere Weise so abgeschlossen werden, daß bei Niederwasser den Gewerben das nöthige Wasser zukommt, bei Hochwasser aber der beabsichtigte Mehrabfluß nicht gehemmt wird. Dies kann bewerkstelligt werden durch einen freien Ueberfall von der Höhe des vorhandenen Ueberfalls nach der Sommerdurchfahrt, von etwa 36 Zoll (1,08 m.)

über den Grundschwellen der Gewerbegerinne und von einer Länge, welche hinreicht, die
Wirkung der gezogenen Schleusen bei Hochwasser zu ersetzen. Diese Einrichtung dürfte, weil selbst wirkend, den Schleusen vorzuziehen sein. Da jedoch bezüglich der Wasser-

319 rechte noch Einsprachen möglich sind, so dürfte abschließlich die geeignete Einrichtung von weitern Unterhandlungen und der Genehmigung des Bundesrathes abhängig gemacht werden.

"Der projektirte Ueberfall von 50 m. Länge (in der im Plan -- Tafel I -- angegebenen Bogenlinie verstanden), welcher übrigens noch zwei der alten Freischleusen ersetzen würde, wäre bei Niederwasser von 36 Zoll (1,08 m.) über den Gewerbegrundschwellen am obern Steg wirkungslos; bei einer Wasserdicke von 72 Zoll (2,16 m.) daselbst, welche einem künftigen Seestand von 55 Zoll (1,65 m.) am alten Bauschanzenpegel entspricht, könnte aber unter gleichzeitiger Oeffnung der Schifffahrtsschleuse so viel Wasser durch die Limmat abfließen, als bei dem Seestand von 76,5 Zoll (2,29 m.)

im Jahre 1876, vorausgesetzt, daß das Unterwasser entsprechend gesenkt würde. Unter dieser Voraussetzung würde also die Limmat künftig bei einem um circa 0,60 m. (2,29 minus 1,65) tiefern Seestand als beim Hochwasser von 1876 die gleiche Wassermenge abführen können, wie damals, und ungeachtet der Verminderung der Retention in ähnliehen Fällen ein um circa 0,50 m. geringeres Ansteigen des Seespiegels verursachen.

,,Da am untern Mühlesteg die wirksame Oeffnung gegenwärtig um 20 m. größer ist als am obern Steg, so sind dort keine Umänderungen nothwendig.

,,Um eine größere Rückstauung an den Ueberfällen bei den Mühlestegen bei der vermehrten Abflußmenge zu vermeiden, ist die Sohle der Limmat bis zum städtischen Nadelwehr am Limmatspitz auszugleichen and entsprechend zu vertiefen.

,,Ein Theil des Seeabflusses findet durch den Schanzengraben statt im Betrage von circa 15 °/o der Gesammtabflußmenge. Damit dieser Abfluß bei dem künftigen niedrigem Seestand nicht vermindert und d e r durch d i e Limmat z u erreichende Gewinn vorzunehmen.

,,Die projektirten bezüglichen Arbeiten bestehen in einer Austiefung der Sohle von den Schleusen beim botanischen Garten abwärts und der Trennung dieses Abflüssen von der Sihl bis zur Eisenbahnbrücke für eine mittlere Wasserhöhe. Mit dieser Ausscheidung des Schanzengrabens und dar Sihl wird mit der theilweisen Verhinderung der Rückstauung durch das Sihlwasser zugleich eine Vertiefung des zu hohen Sihlbettes auf der betreffenden Strecke bezweckt, um das zu niedere Durchflußprofil bei der Bahn-

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brücke zu vergrößern und der drohenden Gefahr einer möglichen Verstopfung bei großem Eisgang entgegenzuwirken.

,,Die Unwahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der höchsten Wasserstände der Sihl und der Limmat und- die Möglichkeit, den Abfluß durch den Schanzengraben und einen Theil der Limmat vermittelst der weiter fortbestehenden Schleusen zeitweise zu sperren, sowie die geringe Steigerung der Abflußmenge im Verhältniß der Gesammtwassermasse von der Limmat und der Sihl, lassen für das Limmatthal schädliche Wirkungen in Folge der beabsichtigten Aenderungen an den Ausfluß Verhältnissen des Sees in erheblichem Maße nicht voraussehen. Dagegen müßte die voraussichtliche Senkung des höchsten Seestandes um circa 0,5 m. für die Stadt Zürich, die Seeufer sowohl in den Kautonen St. Gallen und Schwyz als im Kanton Zürich und die Linthunternehmung, von segensreichen Folgen sein."

Aus vorstehenden Mittheilungen der Regierung von Zürich ist also ersichtlich, mit welchen Mitteln und in welchem Muße eine Senkung der Hochwasser des Zürichsees bewirkt werden will. An anderer Stelle ihres Schreibens hebt dieselbe auch ausdrücklich hervor, daß eine Senkung der Niederwasser nicht beabsichtigt sei, wie sie auch wegen der großen Nachtheile und Gefahren, dio eine solche mit sich brächte, nicht stattfinden dürfte. Es versteht; sich dies wohl schon wegen der Erhaltung der Wasserkräfte ani obern Mühlestege, welche eine auch ans anderen Gründen unzuläßige Herabsetzung des Niederwasserstandes des Zürichsees ausschließt.

Unter solchen Umständen erachtet die Regierung von Zürich, das Einverständnis der andern am See betheiligten Kantone mit den in Rede stehenden Maßregeln als selbstverständlich ansehen »u dürfen, zumal sie unter Anderm ein Interesse an der Senkung der Seehochwasser auch wegen der etwas beschränkten Höhe der Durchfahrten am Seedamm Rapperschwyl-Hurden haben.

Den Interessen, welche sich an die Wasserstände des Sees knüpfen , stellen sich diejenigen an der Limmat gegenüber. Die Regierung findet aber, wie aus Obigem ersichtlich, daß auch diese durch die beabsichtigte Regulirung des Seeabflusses nicht wesentlich benachtheiligt würden, weil die Vermehrung der maximalen Abflußmengen jedenfalls verhältnißmäßig gering und daneben das Zusammentreffen des höchsten Seestandes und entsprechenden Abflusses mit den
Hochwassern der Sihl erfahrungsgemäß nicht wahrscheinlich sei und man außerdem für außerordentliche Fälle in den Schleusen an der Limmat und am Schanzengraben das Mittel besitze, den Seeausfluß zu beschränken. An jenem müssen ja

321 die Schleusen bei außerordentlichen Hochwassern der Sihl schon geschlossen werden, um die Ausströmung des Wassers der letztern in den See zu verhindern, wie auch unter solchen Umständen der durch die Sihl bewirkte Stau an sich den Seeausfluß modifizirt.

Uebrigens ist der Kanton Zürich selbst, als in erster Linie an See und Li tu mat betheiligt, darauf angewiesen, nach Möglichkeit den beiderseitigen Interessen gerecht zu werden.

Immerhin glaubten wir, den Regierungen von Schwyz, St. Gallen und Aargau, sowie der eidgenössischen Linthkommission, Anlaß geben zu sollen, sich über die Angelegenheit zu äußern, was dann von St. Gallen, unter der Voraussetzung, daß es sich nicht um Senkung der Niederwasser handle, und von der Linthkommission in zustimmendem Sinne geschah. Die Regierung von Schwyz erklärte, da noch keine Verhandlungen über den Gegenstand stattgefunden hatten, vorläufig nicht in der Lage zu sein, sich auszusprechen; diejenige von Aargau that dies dagegen dahin, daß nach Ansicht der dortigen Techniker, soweit sich eine solche, nach dem, was über das Projekt vorliege, bilden lasso, die Möglichkeit einer Vermehrung der Wassermasse der Limmat und einer daherigen Erhöhung ihres Wasserstandes bestehe, welche in diesem Kanton stellenweise und namentlich zu Baden wesentliche Nachtheile veranlaßen könnte, und daß sie daher, wenn es sich so verhielte, dagegen Einsprache erheben müßte.

Nun kommt nicht allein in dieser Beziehung, sondern bezüglich der mit dem in Rede stehenden Projekte überhaupt erzielbaren Wirkung in Betracht, daß dasselbe bezüglich der am obern Mühlesteg zu treffenden Einrichtungen noch nicht definitiv festgestellt und zum Theil von dem mit den dortigen Wasserwerkbesitzern noch zu treffenden Einverständnisse abhängig ist. Selbstverständlich übt aber die Art und Weise dieser neuen Einrichtungen, zu denen vielleicht auch Modifikationen der schon bestehenden zu kommen haben, in quantitativer Beziehung einen möglicherweise ganz bedeutenden Einfluß auf das Resultat der Seeregulirung aus. Aus diesem Grunde ist auch die genauere Beurtheilung dieses Resultates jetzt nicht thunlich, sondern kann erst auf Grund des dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegenden definitiven Projektes stattfinden. Für Ertheilung derselben wird dann als Erforderniß anzusehen sein, daß es die Bedingungen für
ein quantitativ befriedigendes Ergebniß für den See erfülle und zwar ohne Nachtheile nach anderer Seite hin. Dabei sind wir auch der Ansicht, daß durch eine Subventionszusicherung des Bundes einem sonst bestehenden Einspruchsrecht des einen oder andern Kantons wederpräjudizirt werden solle oder noch könne.

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Uebrigens hängt die Gestaltung der Abflußverhältnisse mit von der Art und Weise der Handhabung der beweglichen Theile der betreffenden Einrichtungen ab, und daher ist dem Bundcsrathc auch die Genehmigung der bezüglichen Réglemente und die Koutrolirungihrer Beobachtung vorzubehalten.

Bezüglich des auf Fr. 330,000 sich belaufenden Kostenvoranschlages ergibt es sich zum Theil schon aus der Natur der Arbeiten, wie dann daraus, daß dieselben theilweise in alternativer Weise vorgesehen sind, daß derselbe als mehr oder weniger approximativ aufzufassen ist. Bezüglich der Austiefung des Limmatbettes bedingt, die Beschaffenheit des Bodens und der Transport des Aushubmaterials einen hohen Preis, wie man dies aus der Erfahrung weiß,, welche vor einigen Jahren bei der anläßlich des Umbaues der Rathhausbrücke daselbst vorgenommenen Ausgrabung des Bettes gemacht worden ist. Uebrigens stützt sich laut erhaltener Mittheilung der angenommene Preis auf eine Offerte der Quaibauunternehmung.

Im Schanzengraben ist das Graben leichter, aber der Transport ebenfalls schwierig.

Für den projektirten Ueberfall am obern Mühlesteg und die Scheidewand an der Sihl liegen Spezialdevise vor. Allfällig an Stelle der erstem zu setzende Schleusen würden wohl kaum weniger kosten.

Der Ankauf einer Mühle ist für die Erweiterung des Durchflußprofiles nothwendig, und wir finden daher, es habe, zumal der Bundesbeitrag schließlich nur nach den wirklichen Kosten verabfolgt wird, keinen Anstand, diese Voranschlagssumme als Maßstab für das Maximum des Bundesbeitrages anzunehmen, welcher sich danach mit Zugrundelegung des Dritttheilsverhältnisses auf Fr. 110,000 berechnet.

Nachdem es aus den in der Botschaft vom 24. März 1885 angeführten Gründen angemessen erachtet worden ist, die Bewilligung eines Beitrages für die Regelung der Wasserstande des Genfersees auf Art. 23 der Bundesverfassung (im Gegensatze zu Art. 24 und Wasserbaupolizeigesetz) zu stützen, so verlangt die Konsequenz, daß es auch im vorliegenden Falle so gehalten werde.

Wir erlauben uns daher, dea eidgenössischen Käthen auf Grund der vorstehenden Mittheilungen den beifolgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

323 Wir benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. April 1886.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Ringier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

einen Bundesbeitrag an den Kanton Zürich für die Regelung der Wasserstände des Zürichsees.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Schreibens der Regierung des Kantons Zürich vom 24. Oktober 1885 und einer Botschaft des Bundesrathes vorn 30. April 1886; auf Grund des Artikels 23 der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. Dem Kanton Zürich wird für die Arbeiten, welche er am Ausflusse des Zürichsees zum Zwecke der

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Regelung der Wasserstände desselben ausführen wird, ein Bundesbeitrag zugesichert. Dieser Beitrag wird im Verhältnisse eines Dritttheils der wirklichen Kosten festgesetzt, jedoch mit Beschränkung auf Fr. 110,000, als dein Dritttheil der Voranschlagssumme von Fr. 330,000.

Art. 2. Das definitive Ausführungsprojekt bedarf der Genehmigung des Bundesrathes. In demselben sind die für die Wasserstandsverhältnisse maßgebenden, auf versicherte Fixpunkte bezogenen Höhenbestimmungen in zur Kontrolirung geeigneter Weise einzutragen.

Die Ausführung der Arbeiten, auf welche die gegenwärtige Beitragszusicherung.sich bezieht, hat innert zwei Jahren, vom Inkrafttreten der letztern an gerechnet, stattzufinden.

Art. 3. Die Ausbezahlung des Bundesbeitrages erfolgt auf Grund von der Kantonsregierung eingereichter und vom Bundesrathe genehmigter Abrechnungen in Jahresraten von im Maximum Fr. 55,000, erstmals im Jahre 1888.

In diese Abrechnungen sind nur die eigentlichen Baukosten nebst denjenigen des definitiven Projektes und der unmittelbaren Bauleitung aufzunehmen.

Art. 4. Der Kanton Zürich ist verpflichtet, die ausgeführten Arbeiten und überhaupt die verbesserten AbflußVerhältnisse des Zürichsees künftig in gutem, beziehungsweise unverändertem Zustande zu erhalten und die Schleusen in zweck- und reglementsgemäßer Weise besorgen zu lassen.

Art. 5. Dem Bundesrathe steht die Oberaufsicht und Kon troie über die Herstellung und künftige Erhaltung der verbesserten Abflußverhältnisse, wie auch über die reglementarische Besorgung der Schleusen zu.

üas Schleusenreglement unterliegt bei seiner ersten Aufstellung und bei den, je nach erfahrungsgemäßem Erforderniß, vorzunehmenden Revisionen der Genehmigung des Bundesrathes.

325 Art. 6. Die Zusicherung dieses Bundesbeitrages tritt in Kraft, nachdem der Kanton Zürich die Annahme des letztern unter den Bedingungen des gegenwärtigen Beschlusses erkläii hat.

Für die Einreichung dieser Erklärung wird demselben eine Frist von sechs Monaten, vom Datum gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Art. 7. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 8. Der Bundesrath ist mit Vollziehung desselben beauftragt.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Zürich für die Regelung des Abflusses des Zürichsees.

(Vom 30. April 1886.)

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