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Bundesblatt

96. Jahrgang.

Bern, den 80. März 1944.

Band L

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis HO Franken im Jahr, IO Franken im Salbjahr, znznglich Nachnahme- and Posttestellnngsgebtthr.

JHiitrnclcnngsgebnhr; 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & die. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit.

(Vom 17. März 1944.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über die Notwendigkeit der Verlängerung und der Erweiterung des dringlichen Bundesbeschlusses vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues in der nachfolgenden Botschaft Bericht zu erstatten und den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit vorzulegen.

Die Ergebnisse der bisherigen Bestrebungen.

1. Der vorgenannte Bundesbeschluss vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues wurde im Anschluss an die Verhandlungen und Postulate der eidgenössischen Hate, welche eine Kegulierung der Milchproduktion und zugleich eine bessere Sicherung unserer Landesversorgung zum Ziele hatten, sowie gestützt auf die Ergebnisse der Expertenkommission, die zur Beratung des Postulates Abt vom 22. März 1938 zusammenberufen worden war, gefasst.

Die Botschaft des Bundesrates vom 12. Dezember 1938 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues behandelte in grundlegender Weise die betriebswirtschaftlichen Unzulänglichkeiten der landwirtschaftlichen Produktionsorientierung nach dem letzten Weltkrieg. Darin wurde erstmals die Notwendigkeit einer gewissen allgemeinen Produktionsregelung für die schweizerische Landwirtschaft festgelegt in der Absicht, wiederum jene Ackerfläche von rund 300 000 ha zu erreichen, welche um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts in unserm Lande angebaut war. Das bedeutete die AnhandBundesblatt.

96. Jahrg.

Bd. I.

16

210 nähme einer durchgreifenden Umstellung der schweizerischen Landwirtschaft, für welche die schon genannte Botschaft folgende grundsätzliche Zielsetzung ins Auge fasste: Eine landwirtschaftliche Betriebsumstellung in der Richtung eines tunlichst erweiterten Ackerbaues erweist sich nach betriebs- und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten wie im Hinblick auf die Sicherstellung unserer Landesversorgung als ein Gebot der Gegenwart.

Die geplante Umstellung bezweckt vorab die gebotene Entlastung unserer Vieh- und Milchwirtschaft, deren Erzeugnisse der Inlandsmarkt nicht mehr aufzunehmen vermag. Die sich daher ergebenden Überschüsse können nur mit grossen Schwierigkeiten und auf die Dauer nicht tragbaren Verlusten exportiert werden.

Die Umstellung hat deshalb in der Richtung der Bedürfnisse unserer eigenen Landund Volkswirtschaft zu erfolgen, unter tunlichster Hebung der Qualitätsproduktion für den In- und Auslandsmarkt. Dabei soll vor allem auch die bäuerliche Selbstversorgung in Betrieb und Haushalt in den Vordergrund gerückt und verwirklicht werden.

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Die zeitgemässen Vorschläge fanden nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit nachhaltige Zustimmung und Unterstützung, und der Bundesbeschluss vom 6. April 1939 bildete in unserer Landwirtschaftspolitik einen Markstein besonderer Art. Darin sind neben den preislichen Sicherungen für die Ackerfruchte auch die Voraussetzungen für die Erleichterung der Anschaffung von Landmaschinen und zur wirksamen Ausdehnung der Inlandpferdezucht enthalten. Gleichzeitig wurde der Bundesrat ermächtigt, die allgemeinen Eichtlinien für die landwirtschaftliche Produktion festzulegen und das Ausmass der Umstellung f ü r den einzelnen Betrieb zu bestimmen. Das bedeutete angesichts der geltenden Freiheit in der Betriebsführung der Landwirtschaft eine weitgehende Neuerung. Vom agrarpolitischen Gesichtspunkte aus ist ihr geradezu eine geschichtliche Bedeutung beizumessen, nehmen doch damit die staatlichen Organe erstmals aktiven Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktionsorientierung. Der Bundesrat hat sich mit Eecht der Auffassung der Fachleute angeschlossen, wonach sich eine geordnete, an die Aufnahmefähigkeit des inländischen und ausländischen Marktes angepasste Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte nicht ohne eine gewisse Lenkung vollziehen lässt. Allerdings muss lsich der Bauer zu diesem Zwecke mit einer gewissen Einschränkung seiner Verfügungsrechte in der Einrichtung des Betriebes abfinden; als Äquivalent dafür erhält er jedoch vermehrte ökonomische Sicherheiten.

Für die friedensmässigen Zustände dachte man zunächst, die landwirtschaftliche Umstellung auf den Stand von 200 000 ha offenen Ackerlandes zu bringen, um dann nachher die weitere Stufe von 300 000 ha zu erreichen.

Der Kriegsausbruch im September 1939 brachte jedoch sehr bald die Gewissheit, dass die für normale Verhältnisse vorgesehene Temponahme den Erfordernissen der Landesversorgung nicht genügen konnte. Eine raschere Verwirklichung des Programmes drängte sich nach Massgabe der Verhältnisse gebieterisch auf.

211 Die mit dem Bundesbeschluss vom 6. April 1939 festgelegten finanziellen Unterlagen für die Vergrösserung und Modernisierung des landwirtschaftlichen Maschinenparkes und zur Ausdehnung der Pferdezucht wirkten sich jedoch äusserst segensreich aus. Überhaupt bildete der mehrmals zitierte Erlass und insbesondere die Botschaft vom 12. Dezember 1938 die materielle und die technische Grundlage für das kriegswirtschaftliche Anbauwerk, ganz abgesehen von den psychologischen und volkswirtschaftlichen Voraussetzungen, welche durch sie geschaffen worden sind.

2. Es erscheint uns als nützlich und gegeben, im nachfolgenden eine Zusammenfassung der Ergebnisse der kriegswirtschaftlichen Anstrengungen zur Ausdehnung des Ackerbaues anzufügen: Die Landwirtschaftsbetriebe der Schweiz umfassen rund 1100 000 ha Kulturland. Dazu kommen noch an die 25 000 ha Streuelandereien. In diesen Zahlen nicht inbegriffen sind die Alpweiden, die ebenfalls noch einmal rund 1100 000 ha Fläche ausmachen.

Das landwirtschaftliche Kulturland mit l 100 000 ha ist vor dem Kriege zum weitaus grössten Teil durch Grasbau genutzt worden. Zusammen mit der Alpnutzung gab dies der schweizerischen Landwirtschaft das bekannte ausgesprochen viehwirtschaftliche Gepräge. Während sich -jnser Land in viehwirtschaftlichen Nahrungsmitteln praktisch selbst versorgte und dazu namhafte Exportüberschüsse aufwies, besass es an den pflanzenbaulichen Erzeugnissen und an Fettstoffen bedeutende Importbedurfnisse. Das waren die Ausgangspunkte für die Vermehrung der ackerbaulichen Produktion, wie sie in nachstehender Tabelle dargelegt wird. Bei allen Anstrengungen für die Ausdehnung der Ackerfläche standen jedoch die Gesichtspunkte für eine Erhöhung der Produktivität des gesamten Betriebes, also auch der Viehhaltung im Landwirtschaftsbetrieb, mit an erster Stelle. Wir huldigten also nicht etwa dem Grundsatz: Ackerbau auf Kosten der Viehhaltung, sondern unser Bestreben musste dahin gehen, durch erhöhten Ackerbau mehr pflanzenbauliche Nahrungsmittel und gleichzeitig mehr Futtermittel zur Deckung des Ausfalles an ausländischen Futtermitteln und zur möglichsten Hochhaltung des Viehbestandes zu erlangen. Die Entwicklung der Viehbestände, die durch eine viel schwächere rückläufige Bewegung charakterisiert ist, als ursprünglich erwartet wurde, zeigt, dass dieses Ziel weitgehend erreicht wurde.

Die Entwicklung der verschiedenen Ackerkulturen geht aus nachstehender Tabelle hervor:

212 1934 ha Winterweizen . , 57165 Sommerweizen 9608 Winterroggen .

.

. . . . 14242 Sommerroggen .

1400 Dinkel 11 961 7035 Mischel von Brotgetreide Buchweizen, Einkorn, Emmer . . .

53 Total Brotgetreide 101 464

Kulturart :

Wintergerste .

Sommergerste Hafer Mischel v o n Futtergetreide . . . .

Total Futtergetreide .

. . .

1940 ha 46355 31 157 9009 1 275 10415 5900 104 111

1 092 3086 10145

2897 8242 21464

14323

Mais zur Gewinnung der Körner . .

809 Total Getreidefläche 116 596 Kartoffeln dazu Kartoffelfläche der Kleinpflanzer .

. . . .

Runkel- und Halbzuckerrüben, Kohlrüben . . .

Zuckerrüben Rubli als Einsaat Gemüse dazu Flächen der Kleinpflanzer Tabak . . . .

Flachs, Hanf .

Mohn Raps .

. . .

.

Andere Ackergewächse .

. .

Total offenes Ackerland . .

45819

10122 1 501 352 8 171

.

726 10 8

.

.

. 183 300

1942 1943 ha ha 68498 75 109 23268 25 097 12702 14602 1 619 1 605 15767 18 934 9859 11395 52 64 131 765 146 806

32603

8289 13 822 34165 1124 57400

10 852 15614 38230 914 65610

1406 138 120

3177 192 342

4073 216 489

49534

71 159

82 846

4587

5 206

13 072 14578 3 869 4773 1 454 1 500 1 213 1 130 8921 15 361 17 053 4967 5508 650 681 940 158 15 279 1 230 181 2466 48 93 108 212 361 310 186 352 876

10868 3 127 897

3. Aus der Entwicklung der A n b a u f l ä c h e n kann auch die Verbesserung der mengenmässigen Versorgung mit den einzelnen Produkten errechnet werden. Glücklicherweise hatten wir seit 1939 verhältnismässig gute Erntejahre, so dass die Durchschnittserträge sicher erreicht worden sind. Die Vermehrung des Anbaues wurde in bisher fünf Etappen geschaffen. In jeder Stufe ist der Landwirtschaft eine flächenmässige Ausdehnung des Anbaues vorgeschrieben worden, wobei der Bund Pflichtzuteilungen an die Kantone, diese an die Gemeinden und die einzelnen Gemeinden an die Landwirtschaftsbetriebe vornahmen. Die gesetzliche Grundlage hiezu bildet der Bundesratsbeschluss vom, 20. Oktober 1939, ersetzt durch denjenigen vom 1. Oktober 1940 über die Ausdehnung des Ackerbaues, gestützt auf den jeweils zu jeder Anbauetappe eine Departementsverfügung erlassen wurde. Die flächenmässigen Zuteilungen an die Kantone wurden nach den Grundlagen, die uns der l a n d w i r t s c h a f t liche P r o d u k t i o n s k a t a s t e r , der für jede Gemeinde aufgenommen ist,

213 lieferte, sowie nach andern statistischen Grundlagen und nach den Kenntnissen über klimatische und bodenkundliche Eignung der verschiedenen Gebiete, der Fruchtfolgen, Betriebsrichtungen usw. bemessen. Die Wahl der einzelnen Ackerfrüchte wurde im grossen ganzen den Landwirten selbst überlassen. Die Behörden beschränkten sich darauf, die Fläche für das gesamte offene Ackerland festzulegen und Vorschriften für das Verhältnis zwischen einzelnen Kulturen zu geben. Einzig für Gemüse, sowie neuerdings für die Ölpflanzen und Kunstwiesen wurden bestimmte Flächen vorgeschrieben. Es kann als sehr erfreulich gewertet werden, dass am Schlüsse dieser fünf Mehranbauetappen im gesamten die Pflichtmasse erreicht worden sind. Aus naheliegenden Gründen kommen innerhalb der Kantone und innerhalb der Gemeinden Unterschiede vor, d. h. einzelne Betriebe haben ihre Pflichtflächen nicht erreicht oder überschritten; aber im Gesamtergebnis gleichen sich diese Unterschiede aus. Heute haben von den 25 Kantonen 12 ihr Pflichtmass überschritten und 13 sind etwas darunter geblieben. Als sechste Mehranbauetappe für das Jahr 1948/44 ist eine sogenannte Intensivierungsstufe eingeschaltet worden, für die der Landwirtschaft keine flächenmassige Ausdehnung des Ackerbaues vorgeschrieben wurde; sie hat vielmehr die Aufgabe, während dieser Zeit die jetzt angebauten Flächen technisch besser und intensiver zu bebauen, um Ptückschläge in den Erträgen zu verhindern.

Wenn der heutige Ackerbau mit dem Anbauplan des Kriegs-ErnährungsAmtes, der durch den Beauftragten des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes für das Anbauwerk, Herrn Dr. F. T. Wahlen, entworfen wurde, verglichen wird, so stellen wir kurz folgendes fest: Die im Anbauplan für den Fall eines völligen Abschlusses unseres Landes von ausländischer Nahrungsmittelzufuhr vorgesehene Anbaufläche von zirka 500 000 ha ist bei einigen Kulturarten erreicht worden, bei andern dagegen nicht. Die grössten Lücken finden wir noch bei Brotgetreide, Futtergetreide und Zuckerrüben. Immerhin ist auch hier die Produktionsvermehrung sehr bedeutend und im Eahmen der Landesversorgung sehr spürbar. Beim Futtergetreide steht natürlich die Selbstversorgung der landwirtschaftlichen Betriebe mit Hafer und Gerste im Vordergrund, während die Ausfälle hauptsächlich bei den andern Verbrauchergruppen zu
tragen sind.

Dagegen ist der Anbauplan bei Kartoffeln und Gemüse erreicht, bei letzterem sogar überschritten worden. Dieses Ergebnis ist von besonderer Wichtigkeit und erlaubt unserm Lande, den Konsum an Kartoffeln und Gemüse völlig frei zu lassen. Damit wird jedem Bürger eine Ausweichposition in der Ernährung gelassen. Ausserdera sind hier die Konsumentenpreise erträglich.

Bei Kartoffeln wird der inländische Verbrauch vollständig und bei Gemüse bis auf wenige Prozent, welche sich auf die Importe von Primeurs beziehen, aus inländischer Produktion gedeckt.

Bei den Zuckerrüben fehlt als wichtige Voraussetzung für die Erreichung des Anbauplanes die restlose Verarbeitungsmöglichkeit in der Schweiz. Die weitere Vermehrung des Anbaues hat die Schaffung einer zweiten, später eventuell einer dritten Zuckerfabrik zur Voraussetzung.

214 Von den übrigen Ackerfrüchten sind noch die Ölpflanzen erwähnenswert.

Während hier vor dem Krieg die Anbaufläche sozusagen auf Null gesunken war, steht sie heute wieder auf 2450ha. Im vergangenen Herbst sind für die diesjährige Kultur etwa 5000 ha Kapskultur-Verträge abgeschlossen worden, so dass dieses Jahr mit ca. 6000 ha Ölpflanzen im gesamten gerechnet werden kann, also ca. 2/3 der im Anbauplan vorgesehenen Fläche.

4. Selbstverständlich bedurfte es einer Eeihe von Massnahmen für die Ermöglichung der oben dargelegten Anbauvermehrung. Sie waren beispielsweise notwendig für die Beschaffung von Arbeitskräften und für die angemessene und zeitgemässe Beurlaubung der landwirtschaftlichen Wehrmänner, sodann für die Beschaffung der Maschinen und Geräte, für welche naturgemäss durch die Anbauvermehrung der Bedarf stark gesteigert wurde. Besonderer Vorkehren bedurften die Zugmaschinen. Nebst der Rationierung der Brennstoffe wurde eine Aktion für den Umbau landwirtschaftlicher Traktoren auf Ersatztriebstoffe durchgeführt, die bisher etwas über 2000 Maschinen erfasste.

Weitere Massnahmen waren notwendig für die genügende Beschaffung und gerechte Verteilung der Düngemittel, der Schädlingsbekämpfungsmittel usw.

Wenn auch alle diese Betriebsmittel nicht mehr frei zur Verfügung stehen, so konnte doch bisher dank der Anpassungsfähigkeit unserer chemischen Industrie die Versorgung so gestaltet werden, dass Ertragseinbussen ausblieben.

Bei den Düngemitteln ist allerdings, insbesondere was die Phosphorsäure anbetrifft, zu sagen, dass wir stark von den Bodenvorräten zehrten, und dass in den nächsten Jahren, wenn die Zufuhren nicht besser werden, doch mit Ertragsverminderungen gerechnet werden muss.

Im Bestreben, möglichst alle verfügbaren Kräfte an der Ausdehnung des Ackerbaues teilnehmen zu lassen, spannte die staatliche Produktionslenkung von allem Anfang an die Kleinpflanzer zu Stadt und Land, sowie die industriellen U n t e r n e h m u n g e n ebenfalls in diese Aufgabe mit ein. Man bemühte sich, den Kleinpflanzern womöglich bis zu 2 Aren pro Kopf zuzuweisen. Das Land hiezu musste auf alle mögliche Art und Weise beschafft werden. In den Städten wurden Sportanlagen und Ziergärten, Bauland und sonst nicht genutztes Kulturland entlang von Strassen, Plätzen usw. herangezogen. In den Landgemeinden sind
kleinere Grundstücke, die nicht ackerbaulich genutzt werden konnten, den Kleinpflanzern zur Verfügung gestellt worden. Im gesamten nahm dieser Anbau eine erfreuliche Entwicklung. Während wir vor dem Kriege sicher nicht mehr als 100 000 Kleinpflanzer zählten, sind es heute mehr als 400 000 mit einer Fläche von 11 170 ha. Vor dem Kriege mögen es ca. 2000 ha gewesen sein. Die angebaute Fläche entfällt zu ca. der Hälfte auf Kartoffeln und der andern Hälfte auf Gemüse. Praktisch werden wohl mindestens 50 % aller nicht landwirtschaftlichen Familien in der Schweiz einen eigenen Pflanzgarten besitzen, aus dem sie einen beachtlichen Teil ihres Eigenbedarfes an Gemüse und Kartoffeln produzieren können.

Ausser den Kleinpflanzern sind auch die industriellen U n t e r n e h m u n gen zum Mehranbau herangezogen worden. Bis Ende 1943 waren die Betriebe

215 mit 50 und seither solche mit 20 und mehr Arbeitnehmern oder mit einem wehropferpflichtigen Vermögen von Fr. 500 000 und mehr grundsätzlich anbaupflichtig. Die industrielle Anbaupflicht betrug 2 Aren pro angestellte Person oder ca. 5 Aren je Fr. 100 000 wehropferpflichtiges Vermögen. Die Industrien haben die ihnen zugemutete Verpflichtung auf sehr verschiedene Art und Weise erfüllt: durch eigenen Anbau, Anbau im Auftrag an besondere Vereinigungen oder Landwirte, Anbau in Form von kollektivem Zusammenschluss mehrerer Industrien. Das in der Schweiz vorhandene Kulturland wird sozusagen vollständig von der Landwirtschaft bebaut, so dass die Industrien hauptsächlich auf Neuland angewiesen waren.

Der industrielle Mehranbau umfasste im Jahre 1943 8000 ha und soll für das Jahr 1944 auf 10000 ha erweitert werden. Die Kosten, welche der Industrie dadurch entstehen, sind erheblich; sie werden aber im allgemeinen mit grosser Bereitwilligkeit getragen, weil die Industriellen sich darüber Eechenschaft geben, dass damit neben der Verbesserung der Ernährungslage ihrer Arbeitnehmer und Belegschaften auch eine grosse volkswirtschaftliche Aufgabe erfüllt wird, und zwar durch die Schaffung neuer Existenzgrundlagen für zahlreiche ihrer Arbeitskräfte.

Statistisch sind die Flächen des Industrieanbaues in der Gesamttabelle berücksichtigt.

5. Von der betriebswirtschaftlich wohl zutreffenden Überlegung ausgehend, dass der Anbauplan auf der bisherigen Kulturfläche schwerlich zu erreichen sei und deshalb zusätzliches Land beschafft werden müsse, ergriff die Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtscliaftsdepartementes im November 1940 die Initiative zur Aufstellung und Durchführung einesgrosszugigenkriegswirtschaftlichenMeliorationsprogrammes.

Danach sollen innerhalb vier Etappen rund 50 000 ha Boden urbarisiert oder verbessert werden. Dazu sind noch Güterzusammenlegungen im Halte von annähernd 70000 ha beabsichtigt. Für diese Zwecke hat der Bund 180 Millionen Franken bereitgestellt.

Vom 1. Mai 1941 bis 81. Dezember 1943 wurden nachfolgende Projekte subventioniert : Entwässerungen 49027,8 ha Güterzusammenlegungen 66 536,6 » Bedungen 7 744,3 » andere Verbesserungen l 655,2 » Die Anstrengungen sind aus verständlichen Gründen in erster Linie auf die Entwässerungen konzentriert worden in der Absicht,
möglichst viel kultivierbaren Boden zu gewinnen. Bis zum 31. Januar 1944 konnten nach den Angaben der Kantone folgende 3Ieliorationsflächen dem Mehranbau zur Verfügung gestellt werden: Entwässerungen 31 834,3 ha Güterausammenlegungen 20 733,7 » Bedungen 4638,6 » andere Verbesserungen l 411,6 »

216

Es ist erfreulich, dass rund 2/3 der bisher subventionierten Entwässerungen tatsächlich ausgeführt sind, nämlich 32 000 ha von den total vorgesehenen 49 000 ha.

6. Zusammenfassend dürfen wir mit den Ergebnissen des kriegswirtschaftlichen Anbauwerkes zufrieden sein. Wenn die ursprünglich im Anbauplan vorgesehene Anbaitfläche heute auch nicht erreicht ist, so sind dafür eine Eeihe von wichtigen betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Faktoren massgebend. Diese Feststellung schränkt jedoch die gewaltigen Anstrengungen der schweizerischen Landwirtschaft keineswegs ein; im Gegenteil, das Resultat stellt einen eindrücklichen Beweis für die Leistungsfähigkeit, das technische Können und den guten Willen des schweizerischen Bauernstandes zur Sicherung unserer Landesversorgung in schwerer Zeit dar. Behörden und Volk zollen unserer Bauersame für diesen ausschlaggebenden Einsatz Dank und hohe Anerkennung und sind auch bereit, aus den gewonnenen Erkenntnissen die zwingenden Schlussfolgerungen zur Erhaltung eines gesunden und lebensfähigen Bauernstandes für die Nachkriegszeit zu ziehen.

7. Da im Bundesbeschluss vom 6. April 1939 die Förderung der einheimischen Pferdezucht besondere Berücksichtigung fand, ist auch ein Hinweis auf die Entwicklung dieses Produktionszweiges der schweizerischen Landwirtschaft geboten.

Vor dem Kriege betrug der mittlere Pferdeimport jährlich rund 7000 Stück, davon etwa 5000 Arbeitspferde und 2000 Kavallerie- und Reitpferde. Während des Krieges sind diese Einfuhrmöglichkeiten auf ein Minimum zusammengeschrumpft. So konnten im Jahre 1942 beispielsweise nur noch 1228 Pferde importiert werden. Vor 1939 resultierten aus der inländischen Pferdezucht etwa 5000 Fohlen. Mit der Einfuhr stellte sich somit das vorkriegszeitliche Remontenbedürfnis für Arbeitspferde auf rund 10 000 Stück. Aus den nachfolgenden Angaben geht hervor, dass es der inländischen Zucht gelungen ist, die durch den Importausfall entstandene Lücke einigermassen auszufüllen.

Die schweizerische Pferdezucht entwickelte sich wie folgt: Anzahl belegte Stuten Stück

1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

Anzahl geworfene Fohlen Stück

11 986 5989 13276 6125 15244 7647 15661 7391 18 910 Schätzung 9455 21500 noch nicht ermittelt

trächtig somit %

50,8 46,8 49,9 48,05 ca. 50 --

Bei den im Jahre 1943 belegten 21 500 Stuten handelt es sich um 12 500 Zuchtbuchstuten, 5000 Vormerkregisterstuten und 4000 andere Stuten.

Im Hinblick auf die durch den Mehranbau und den Benzinmangel bedingte Erweiterung der tierischen Zugkräfte kann das Inland die Bedürfnisse

217

nur knapp erfüllen. Immerhin sind die Eesultate beachtlich. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der heutige Stand der Eemontierung aus eigenen Mitteln für die Nachkriegszeit nicht aufrechterhalten werden kann, weil eine grosse Anzahl der jetzt belegten Stuten -wiederum vom Zuchtgeschäft zurückgezogen werden dürfte.

Künftige Zielsetzungen.

A. Derzeitige Rechtsgrundlagen.

I.

Die gegenwärtige Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft findet auf eidgenössischem Gebiet ihre gesetzliche Ordnung, teils in der ordentlichen, zum grösseren Teil aber in der ausserordentlichen Gesetzgebung des Bundes.

Der ordentlichen Bundesgesetzgebung gehören an das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1893 b e t r e f f e n d die F ö r d e r u n g der Landwirtschaft durch den B u n d , abgeändert am 5. Oktober 1929, und das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der L a n d e s v e r s o r g u n g mit lebenswichtigen Gütern. Dieses Gesetz wurde gestützt auf Art. 85, Ziff. 6, der Bundesverfassung erlassen. Nach Art. l dieses Gesetzes gilt es «für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges.» Art. 4 des Gesetzes lautet: Als weitere Massnahmen kann der Bundesrat für Erzeugnisse der Land- und Porstwirtschaft eine vermehrte Produktion oder Nutzung anordnen. An die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile leistet der Bund angemessene Beiträge.

Zu diesem Bundesgesetz gehören zwei Verordnungen, eine Verordnung I vom 30. Dezember 1938, welche die Bestandesaufnahme und Vorratshaltung, und eine Verordnung II vom 20. September 1939, welche das Verfahren zur Erledigung der vermögensrechtlichen Ansprüche regelt.

Die beiden Bundesgesetze vom 7. Juli 1932 über die Getreide versorgung des Landes und vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz) regeln in Ausführung der Art. 23bls und 32Ms B V zwei wichtige Spezialgebiete. Sie sind für die Landwirtschaft auf dem Gebiete des Brotgetreidebaues sowie des Kartoffel- und Obstbaues von namhafter Bedeutung.

II.

Neben diese vier Bundesgesetze treten auf den verschiedenen Gebieten der landwirtschaftlichen Produktion, nämlich des Ackerbaues, der Milchwirtschaft und der Versorgung mit Tieren und Fleisch besondere Bundesbeschlüsse dringlicher Natur, die hiernach im einzelnen angeführt werden sollen. Diese Bundesbeschlüsse wurden durch Verordnungen und Beschlüsse des Bundesrates weiter ausgebaut, die ihrerseits durch Verfügungen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes eine detaillierte Eegelung erfahren haben. Auch diese Erlasse des Bundesrates müssen, hier genannt werden.

218 1. In Anlehnung an das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, an das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1893 betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund, mit Abänderung vom 5. Oktober 1929, und an das Getreidegesetz vom 7. Juli 1932 hat die Bundesversammlung am 6. April 1939 den Bundesbeschluss zur weitern F ö r d e r u n g des A c k e r b a u e s erlassen.

Dieser Bundesbeschluss ist dringlich erklärt und gemäss Art. 89 BV auf fünf Jahre, d. h. bis zum 6. April 1944, befristet.

Eine erste Vollziehungsverordnung zu diesem Bundesbeschluss vom 23. Mai 1939 wurde aufgehoben und ersetzt durch die Vollziehungsverordnung vom 12. März 1940. Ebenso wurde der Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober 1939 über die Ausdehnung des Ackerbaues ersetzt durch denjenigen vom 1. Oktober 1940. Weiter ist noch zu erwähnen die Verordnung vom 20. Oktober 1939 über eine zusätzliche Förderung der Pferdezucht. Seither hat der Bundesrat gestützt auf die ihm erteilten ausserordentlichen Vollmachten noch folgende Beschlüsse gefasst, die mit dem Bundesbeschluss vom 6. April 1939 im Zusammenhang stehen: a. den Bundesratsbeschluss vom 21. März 1941 über die Erweiterung des Ackerbaues und die Ersatzleistungen für Waldrodungen, heute überholt und ersetzt durch b. den Bundesratsbeschluss vom 11. Februar 1941 über ausserordentliche Bodenverbesserungen zur Vermehrung der Lebensmittelerzeugung, mit Abänderung vom 25. März 1942.

2. Auf dem Gebiete der Milchwirtschaft ist an folgende Gesetze zu erinnern : Am 13. April 1933 hat die Bundesversammlung den Bundesbeschluss über die F o r t s e t z u n g der B u n d e s h i l f e für die schweizerischen M i l c h p r o d u z e n t e n und für die Linderung der l a n d w i r t s c h a f t lichen N o t l a g e erlassen. Dieser Bundesbeschluss wurde dringlich erklärt, ist aber nach alter Ordnung nicht befristet. Er ist auch heute noch in Kraft.

Am 28. März 1934 wurde ein Bundesbeschluss über eine F o r t s e t z u n g der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die L i n d e r u n g der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Notlage g e f a s s t .

Dieser Bundesbeschluss wurde dringlich erklärt und seine Geltung, vorbehält'lich Art. l, 2 und 9, auf zwei Jahre festgesetzt. Die Art. 8 bis 6 dieses
Bundesbeschlusses sind durch Bundesbeschlüsse vom 25. April 1936, 18. März 1937 und 22. Juni 1939 und zuletzt durch Bundesratsbeschluss vom 19. April 1940 gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten weiterhin in Kraft erklärt worden.

Nach Massgabe der soeben erwähnten Bundesbeschlüsse hat der Bundesrat am 25. April 1938 die Verordnung über die Begelung der Milchproduktion erlassen.

219

Durch den eben erwähnten Bundesratsbeschluss vom 19. April 1940 über die Milchproduktion und Milchversorgung sind auch die Verordnungen des Bundesrates vom 23. April 1937 über die Erhebung von Abgaben auf Konsummilch und vom 30. April 1937 über die Milchproduktion und Milchversorgung als weiterhin anwendbar erklärt worden.

3. Auf dem Gebiete der Viehwirtschaft hat der Bundesrat gestützt auf die vorstehend unter Ziff. 2 erwähnten beiden Bundesbeschlüsse vom 13. April 1933 und 28. März 1934 die Verordnung vom 6. August 1935 über die Einschränkung der viehwirtschaftlichen Produktion erlassen. Diese Verordnung regelt insbesondere die Einschränkung der Schweinehaltung, der Kindviehhaltung und der Geflügelhaltung. Die Verordnung wurde am 27. Januar 1936 ergänzt und am 3. Oktober 1939 den kriegswirtschaftlichen Verhältnissen angepasst.

Gestützt auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 iiber wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande in der Fassung vom 22. Juni 1939 hat der Bundesrat am 13. Oktober 1942 den Beschluss über die Beschränkung der Einfuhr (Einfuhr von Tieren und Fleisch) erlassen.

Durch diesen Erlass wurde die Einfuhr von Zucht-, Nutz- und Schlachttieren, sowie von Fleisch, Schweineschmalz, Blasen und Därmen der Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes unterstellt.

Er enthält überdies den wichtigen Grundsatz, dass bei der Erteilung von Einfuhrbewilligungen den Interessen der einheimischen Zucht und Produktion unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Landesversorgung Eechnung zu tragen sei. Der Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande in der Fassung vom 22. Juni 1939 wurde durch Bundesbeschluss vom 28. September 1942 bis zum 81. Dezember 1945 verlängert, ist also heute noch in Kraft.

Ein weiterer Bundesratsbeschluss vom 9. Mai 1941 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Tieren, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten ermächtigt das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, die im Interesse der Sicherstellung der Versorgung des Landes mit Tieren jeder Art, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten erforderlichen Vorschriften zu erlassen.

4. Endlich ist noch zu erwähnen, der Bundesratsbeschluss vom 10. Januar 1941 betreffend Herstellung und Vertrieb von landwirtschaftlichen Hilfsstoffen,
der gestützt auf das Landwirtschaftsgesetz und die ausserordentlichen Vollmachten erlassen wurde. Dieser Beschluss gibt die rechtliche Basis zur Überwachung der Herstellung und des Vertriebes von Dünge- und Futtermitteln, von Pflanzenschutzmitteln und von andern Hilfsstoffen, die zur Hebung der Lebensmittelproduktion des Landes geeignet sind. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wurde ermächtigt, die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen und die landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsanstalten mit der Ausübung der Kontrollfunktionen zu beauftragen.

Auch dieser Beschluss ist für die Landwirtschaft von erheblicher Bedeutung.

220 B. Wirtschaftliche Voraussetzungen.

Auf Grund der genannten Gesetze und Beschlüsse des Bundesrates ist, wie schon dargelegt, eine ganz erhebliche Vermehrung und Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt. Sie hat es ermöglicht, bis anhin unser Land trotz allen Zufuhrschwierigkeiten ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Die gegenwärtigen Produktionsbedingungen dürfen aber nicht nur bis zur Beendigung des Krieges bestehen bleiben, sondern es muss auch für die anschliessende Nachkriegszeit eine ausreichende Versorgung des Landes mit landwirtschaftlichen Produkten aller Art gesichert werden. Man darf nicht damit rechnen, dass sich die Weltwirtschaft schon in den ersten Nachkriegsjahren wieder völlig normalisiert und die Bedarfsdeckung auf dem gesamten Ernährungssektor sicherzustellen vermag. Die durch den Krieg in denumliegendenLändern verursachten schweren Störungen auf allen Gebieten der Wirtschaft werden sich nicht so schnell beseitigen lassen. Deshalb gilt es, rechtzeitig vorzusorgen und die infolge des Krieges eingeführte Vermehrung der landwirtschaftlichen Produktion auch in der anschliessenden Nachkriegszeit fortzusetzen. Die Landwirtschaft selbst hat an einer gewissen Kontinuität der eingeführten Bewirtschaftung ein nachhaltiges Interesse. Eine plötzliche Rückumstellung auf die vorkriegszeitliche, sehr einseitige Betriebsorientierung hätte schädliche Folgen und muss im allgemeinen Interesse tunlichst verhütet werden.

Die Lenkung des Absatzes der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, so wie sie sich bis anhin bewährt hat und für die Zukunft als nützlich erscheint, soll im Eahmen der wirtschaftlichen Notwendigkeiten auch fernerhin beibehalten werden. Dafür sprechen wichtige Gründe ökonomischer und agrarpolitischer Natur. Die Notwendigkeit der Absatzlenkung ist schon in der Vorkriegszeit erhärtet worden und hat sich insbesondere während der Dauer der Kriegswirtschaft als unerlässlich und für alle Teile als befriedigend erwiesen. Man kann deshalb auf die Absatz- und Marktregelung auch in der Nachkriegszeit keinesfalls verzichten, wenn man nicht sehr ernsthafte Störungen in der Verteilung und in der Versorgung riskieren will, die erfahrungsgemäss nur wieder unter Mitwirkung des Staates und mit einem erheblichen Aufwand an finanziellen und andern Mitteln behoben werden können. Die gelenkte Produktion und der geregelte
Absatz ist auch das wirksamste Instrument zur Preissteuerung, das einerseits einen unnötigen Zerfall und andererseits unnatürliche Ausschläge nach oben zu beheben vermag. Nur so kann eine Preisbildung angestrebt werden, die bei einer sachgemässen und rationellen Betriebsführung die Produktionskostendeckung in der Landwirtschaft erreicht.

C. Massnahmen zu einer Übergangslösung.

Am 26. Februar 1943 hat der Bundesrat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, im Einvernehmen mit dem eidgenössischer} Volkswirtschaftsdepartement die gesetzgeberischen Massnahmen zur Erhaltung und Förderung des schweizerischen Bauernstandes in der Nachkriegszeit vor-

221 zubereiten. Obwohl die Aufgabe von den zuständigen Dienststellen und Fachabteilungen des Bundes ungesäumt in Angriff genommen und die Eevision und Ergänzung der bestehenden Gesetzgebung in ihren wichtigen Disziplinen schon an die Hand genommen worden ist, erfordert die definitive Ausarbeitung noch einige Zeit. Vor allem muss vorerst die verfassungsrechtliche Grundlage für eine zeitgemässe und umfassende Landwirtschaftsgesetzgebung geschaffen werden. Auch diese Bestrebungen wurden tunlichst gefördert; sie müssen aber zunächst die parlamentarische Beratung und sodann die Volksabstimmung passieren. Aus diesem Grunde kann kaum damit gerechnet werden, dass die neue Landwirtschaftsgesetzgebung vor Kriegsende praktische Gestalt annehmen wird.

Es kommt dazu, dass diese Eechtsgrundlagen in erster Linie für normale Verhältnisse bestimmt sind und demzufolge für die erste Nachkriegszeit, die voraussichtlich noch ausgesprochen krisenhafte Zuge tragen dürfte, nicht ohne weiteres zweckdienliche Voraussetzungen zu schaffen vermögen. Auch aus diesem Grunde erscheint es uns als angemessen, die entstehende Lücke auszufüllen und sinngemäss zu überbrücken.

1. Angesichts der Ungewissen Verhältnisse, die sich nach Kriegsende bis zum endgültigen Inkrafttreten der neuen Landwirtschaftsgesetzgebung herausbilden können, sah sich der Schweizerische Bauernverband veranlasst, am 9. November 1948 in einer Eingabe an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement darauf hinzuweisen, dass es unumgänglich sei, die erforderlichen Massnahmen für die Nachkriegs-Kmenzeit zu treffen. Mit Eecht wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Kodifikation der legislatorischen Vorbereitungen und die Beratung der Entwürfe zum Landwirtschaftsgesetz noch viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Man hat deshalb den Vorschlag eingebracht, auf dem Wege eines Bundesbeschlusses die Grundlagen für die wirtschaftliche Förderung und den Schutz der landwirtschaftlichen Produktion zu schaffen.

Die Eingabe ist der Expertenkommission zur Ausarbeitung der landwirtschaftlichen Gesetzgebung vorgelegt worden.

Da der dringliche Bundesbeschluss vom G.April 1939 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues auf fünf Jahre beschränkt ist und im Hinblick auf seine grundlegende Bedeutung ohnehin verlängert werden muss, hat die Kommission im Einvernehmen
mit der Abteilung für Landwirtschaf t bzw.

dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement dem Bundesrat empfohlen, die erforderlichen Voraussetzungen wirtschaftlicher Art damit zu verbinden.

Es sollen namentlich die vom Bundesrat gestützt auf die Bundesbeschlüsse auf dem Gebiete des Ackerbaues, der Milchwirtschaft und der Vieh- und Fleischproduktion erlassenen Verordnungen und Bestimmungen auch für die erste Nachkriegszeit weiterhin Gültigkeit behalten, wobei naturgemäss die Kautelen für eine vernünftige Markt- und Absatzregelung mit einbezogen werden müssen.

2. Der Bundesrat kann sich dieser Auffassung nicht verschliessen, und er unterbreitet den eidgenössischen Eäten anmit einen Bundesbeschluss, der geeignet sein dürfte, als Überleitung zwischen den Verhältnissen der Kriegszeit

222 zu der Nachkriegsperiode und der anschliessenden landwirtschaftlichen Gesetzgebung zu dienen. Wir müssen zweifellos damit rechnen, dass im Hinblick auf die durch den Krieg verursachten gewaltigen Zerstörungen an Substanz und Produktionsmitteln in den kontinentalen Staaten und auch anderwärts die Mangelerscheinungen und Versorgungsschwierigkeiten auch nach dem Abschluss der militärischen Auseinandersetzungen noch längere Zeit andauern werden. Deshalb bleiben wir auf eine leistungsfähige Inlandproduktion und insbesondere auf eine zweckdienliche Verteilung angewiesen. Es liegt im Landesinteresse, diese wertvollen Sicherungen intakt zu erhalten.

Aus diesen Gründen, aber auch gestützt auf die Erfahrungen der Vorkriegszeit hat der Bundesrat grundsätzlich in Aussicht genommen, nach dem Kriege wenigstens 300 000 ha der heute umgebrochenen Ackerfläche unter dem Pflug zu halten. Ausschlaggebend dafür war vorab die Erwägung, unsere Landwirtschaft in erster Linie in den Dienst der eigenen Landesversorgung zu stellen. Das ist eine unerlässliche Sicherungsmassnahme und damit eine selbstverständliche nationale Forderung. Diese neue Zielsetzung macht es dem Bund zur Pflicht, für die Nachkriegszeit eine aktive l a n d w i r t s c h a f t liche Produktionspolitik in Aussicht zu nehmen.

Bis anhin beschränkte sich unsere Landwirtschaftsgesetzgebung in der Hauptsache auf die Hebung des Bildungswesens, die Verbesserung der Technik und den Schutz gegen die Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen. Dazu kamen noch die Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit den bäuerlichen Organisationen. Diese bestehenden Grundlagen wurden aber schon in der Vorkriegszeit den Bedürfnissen unserer Landwirtschaft nicht mehr gerecht, handelt es sich doch um eine ausschliessliche Subventionsgesetzgebung.

Im vorausgehenden Abschnitt über die derzeitigen Eechtsgrundlagen ist schon darauf verwiesen worden, dass sich im Hinblick auf die andauernde Krisenlage seit dem Jahre 1922 weitere Massnahmen aufdrängten. So sind am 3. März 1929 die Änderung des Art. 23Ms der Bundesverfassung vom Volke beschlossen und am 7. Juli 1932 das Bundesgesetz über die Getreideversorgung des Landes (Getreidegesetz) angenommen worden. Sodann hat auch die Alkoholordnung eine Neuerung erfahren durch die Änderung des Art. 32Ms durch die
Volksabstimmung vom 6. April 1930 und den Erlass des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz). Beide gesetzgeberischen Erlasse weichen von den reinen Subventionsmassnahmen offensichtlich ab und gehen zu den allgemeinen Pörderungsmassnahmen des Bundes unter Einschluss von Preis- und Absatzgarantien über.

Mit der Verschärfung der Landwirtschaftskrise vom Jahre 1930 an und der damit einhergehenden Schwierigkeiten für den Absatz von Milch, Milchprodukten und Vieh waren weitere Stützungsmassnahmen des Bundes notwendig, welche durch jährlich sich wiederholende Bundesbeschlüsse betreffend eine vorübergehende Milderung der Notlage der schweizerischen Landwirtschaft und insbesondere über die Burideshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten bis zum Jahr 1939 jeweils vom Parlament genehmigt wurden.

223 Dazu kamen die Bundesbeschlüsse vom 30. September 1932 über eine vorübergehende Kredithilfe für notleidende Bauern und vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern.

Diese Eechtsgrundlagen wurden ergänzt durch zahlreiche Bundesratsbeschlüsse, sowie durch Verfügungen und Verordnungen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes zum Schutze der Milchwirtschaft und zur Förderung des Absatzes von Nutz- und Zuchtvieh. Darin war auch die Belastung der Einfuhr fremder Futtermittel, deren Erträgnisse zur Stützung der vieh- und milchwirtschaftlichen Produktion Verwendung fanden, enthalten.

3. Weitere sichtbare Marksteine im Zuge der agrarpolitischen Flurbereinigung sind das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen, sowie der Bundesratsbeschluss vom 19. Januar 1940 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter, ergänzt durch die Novelle vom 7. November 1941. Sodann ist in diesem Zusammenhang der Bundesratsbeschluss Nr. 56 vom 13. Oktober 1942 über die Beschränkung der Einfuhr (Einfuhr von Tieren und Fleisch) zu erwähnen, welcher die Erteilung von Einfuhrbewilligungen den Interessen der inländischen Zucht und Produktion und den Bedürfnissen der Landesversorgung unterstellt. Das bedeutet die geradlinige Fortsetzung der Politik zum Schutze der nationalen Produktion und kommt einem Postulat entgegen, das seit dem Jahre 1922 vom Schweizerischen Bauernverband immer wieder aufgestellt worden ist. Bemerkenswert ist überdies der Grundsatz, dass in Abweichung vom früheren Modus die Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes als Aufsichtsbehörde über die Ein- und Ausfuhr von Gross- und Kleinvieh, sowie von Pferden und frischem Fleisch gestellt wurde, in Ergänzung und Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 7. April 1936 über die Einfuhr von Vieh und frischem Fleisch aus dem Ausland und des Bundesratsbeschlusses vom 23. Juni 1937 über die Einfuhr von Gebrauchspferden aus dem Ausland. Diese Ordnung gilt selbstverständlich und automatisch auch für den gesamten Viehabsatz im Inland. Damit ist man den Begehren des Postulates Troillet vom Jahre 1940 sinngemäss entgegengekommen, das eine administrative Konzentration sämtlicher Dienstzweige
des Bundes, die sich mit landwirtschaftlichen Fragen vom technischen und wirtschaftlichen Standpunkte aus befassen und nicht ausgesprochen mit fiskalischen oder andern Belangen im Zusammenhang stehen, beim eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und insbesondere bei der Abteilung für Landwirtschaft verlangt.

Mit diesem summarischen Überblick über die Entwicklung der Agrarpolitik des Bundes ist auch gleichzeitig die erfolgte Wandlung in der Auffassung vom reinen Subventionsstandpunkte zur allgemeinen Förderung und Anpassung unserer Landwirtschaftsstruktur und Produktionsgestaltung durch die zentralen Organe miteingeschlossen worden. Aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen müssen die zwangsläufigen Schlussfolgerungen für die Agrarpolitik der Nachkriegszeit gezogen werden.

224

D. Erläuterungen zur neuen Vorlage.

Zu den verschiedenen Artikeln ist folgendes zu bemerken:

Zu Art. 1.

Der Bundesbeschluss vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitem Förderung des Ackerbaues ist auf fünf Jahre befristet. Nach unsern Darlegungen drängt sich eine Verlängerung dieser in der friedens- und kriegs wirtschaftlichen Praxis bewährten Massnahmen auch für die Zukunft ohne weiteres auf. Da der Beschluss am 6. April 1944 abläuft, haben wir heute durch einen Vollmachtenbeschluss seine Verlängerung bis zum Inkrafttreten unserer Vorlage beschlossen.

Aus Gründen der bessern Anpassung an die bestehenden und kommenden Verhältnisse hat es sich als notwendig erwiesen, die in Art. 3 des Bundesbeschlusses genannten festen Ansätze der Anbauprämien und die nach Art. 6 und 8, Abs. 2, auszuscheidenden Beträge in den Ausgleichsfonds als variabel zu gestalten. Ferner soll die Ausrichtung von Anbauprämien nur nach Massgabe der bestehenden Notwendigkeit erfolgen. Sodann kann die Ablieferung der Körnererträge des einheimischen Brot- und Futtergetreidebaues auch dann von den Produzenten verlangt werden, wenn keine Bundesbeiträge ausgerichtet worden sind. Diese Änderung trägt der derzeitigen Praxis sinngemäss Eechnung.

Im übrigen erfährt der Bundesbeschluss vom 6. April 1939 keine weiteren Änderungen.

Zu Art. 2.

Art. 2 ermächtigt den Bundesrat, die von ihm gestützt auf den zu verlängernden Bundesbeschluss und die andern noch geltenden Bundesbeschlüsse oder im Zusammenhang damit erlassenen Verordnungen und Beschlüsse auch weiterhin in Kraft zu belassen oder sie durch Abänderung, Ergänzung oder Aufhebung und Ersetzung durch neue Verordnungen den Verhältnissen anzupassen. Der Vollzug und Ausbau der genannten Bundesbeschlüsse erfordern diese Ermächtigung. Nicht nur die noch bevorstehende Kriegszeit, sondern auch die anschliessende Nachkriegszeit machen bei Änderung der Verhältnisse eine rasche Anpassung notwendig. Daher rechtfertigt sich die Erteilung dieser besondern Befugnisse an den Bundesrat.

Wohl stützen sich einige der angeführten Beschlüsse auf die ausserordentlichen Vollmachten; sie stehen aber mit den genannten Bundesbeschlüssen in engem Zusammenhang.

Die Aufzählung der wichtigsten Erlasse ist im Interesse der Eechtssicherheit, der Klarheit und der raschen Orientierung erfolgt. Andere damit im Zusammenhang stehende Verordnungen und Verfügungen dürfen aber deshalb nicht als ausser Kraft stehend betrachtet werden.

225

Zu Art. 3.

Wenn die Landwirtschaft die vermehrten Produktionslasten auf sich nimmt, darf sie billigerweise erwarten, dass der Absatz der von ihr erzeugten Produkte gewährleistet wird. Die Sicherung des Absatzes zu Preisen, die den Produktionskosten bei rationeller Betriebsführung entsprechen, ist ein Postulat der wirtschaftlichen Gerechtigkeit, aber auch eine Voraussetzung für die Existenz der schweizerischen Landwirtschaft. Wenn ihr vom Staate die Produktionslenkung in grossen Zügen, gegebenenfalls bis in den Einzelbetrieb, vorgeschrieben wird, ist eine gewisse Absatz- und Preissicherung das unerlässliche Korrelat dazu. Der Bund soll daher das Bechi erhalten, an die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte und an die Ausfuhr von Erzeugnissen der inländischen Landwirtschaft geeignete Bedingungen zum Schutze der Inlandsproduktion zu knüpfen.

Es ist ganz selbstverständlich, dass alle diese Massnahmen nicht einseitig unter dem Gesichtswinkel der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Interessen, sondern ebensosehr u n t e r Mitberücksichtigung der Lebens- und Tragfähigkeit der übrigen W i r t s c h a f t s g r u p p e n get r o f f e n werden müssen. Für die Bauersame ergibt sich die Pflicht, durch vermehrte Selbsthilfe, sowie durch rationelle Betriebsweise und Betriebsintensität ihre Produktionskosten so zu gestalten, dass die angemessenen Preise für die andern Volkskreise nicht zu einer unerträglichen Belastung werden.

Der Vollständigkeit halber möchten wir hier noch ausdrücklich feststellen, dass sich der Bundesrat das Becht über die geeignete Kontrolle der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n B e n t a b i l i t ä t s - und K o s t e n b e r e c h n u n g e n vorbehält.

Zu Art. 4.

Es steht ausser jedem Zweifel, dass auch in der Nachkriegszeit im Hinblick auf die schon dargelegten Gründe eine Absatzlenkung für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowohl aus inner- wie ausserwirtschaftlichen Gründen nicht zu umgehen ist. Im Anschluss an die seit Jahrzehnten in der Schweiz wie im Auslande gemachten Erfahrungen müssen künftighin sowohl die landwirtschaftlichen als auch die andern interessierten Wirtschaftsverbände und Firmen zur Verwertung der Inlandsproduktion herangezogen werden, die sich übrigens schon in der Vorkriegszeit mit der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse befasst haben. Auf
dem Gebiete der Milchwirtschaft bestehen diese Verbände schon seit Anfang dieses Jahrhunderts. Der Absatz des Obstes und des Weines ist unter Heranziehung sämtlicher Produzenten- und Verwertergruppen heute in befriedigender Weise organisiert. Sodann hat die Fettindustrie freiwillig oder auf Veranlassung des Bundes in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten seit dem Jahre 1935 zur Verwertung der Butterüberschüsse beigetragen. Weil auch in Zukunft die Fettfrage das grosse landwirtschaftliche Zentralproblem bleiben dürfte, sind ähnliche Massnahmen auch weiterhin in Erwägung zu ziehen.

Bundesblatt. 96. Jahrg.

Bd. I.

17

226

In Anbetracht der starken und für unsere Landesversorgung ausschlaggebenden Ausdehnung der Gemüsebaufläche während des Krieges werden sich die Organisationen und Firmen nach wie vor in den Dienst der rationellen Verwertung stellen müssen. Das gleiche gilt auch für eine Eeihe weiterer Erzeugnisse unserer Landwirtschaft. Die Aufgabe wird durch handelspolitische Massnahmen auf dem Wege der Kompensation, des Preisausgleichsverfahrens und des Leistungsprinzipes zu erleichtern und durchführbar zu gestalten sein.

Zu Art. 5.

Die in Art. 2 angeführten Bundesbeschlüsse enthalten bereits Strafbestimmungen. Die Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements wurde für die Verfolgung und Beurteilung zuständig erklärt. Das Verfahren ist in Art. 321 bis 326 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege geordnet.

Da die Art. 3 und 4 nur Ermächtigungen enthalten und erst in den Vollziehungsverordnungen des Bundesrates eine nähere Umschreibung erfahren werden, ist es geboten, dem Bundesrat die Ermächtigung zu erteilen, in diesen Verordnungen Strafbestimmungen aufzustellen.

Zu Art. 6.

Im Hinblick auf die Dringlichkeit der Vorlage wäre die Überlegung nahe gewesen, den Bundesbeschluss wie im Jahre 1939 als dringlich zu erklären.

In Würdigung der grundsätzlichen Bedeutung und der rechtlichen Gesichtspunkte sind wir jedoch der Auffassung, der Erlass sei dem Eeferendum zu unterstellen.

Ähnlich wie der Bundesbeschluss vom 23. Juni 1939 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland soll auch die Vorlage für die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegsund Nachkriegszeit für drei Jahre Gültigkeit besitzen, wobei die eidgenössischen Eäte den Beschluss nach Ablauf dieser Frist um drei weitere Jahre verlängern können, sofern inzwischen die neue landwirtschaftliche Gesetzgebung noch nicht Tatsache geworden ist oder andere Gründe dafür sprechen.

Im Hinblick auf die noch nicht absehbare Zukunftsentwicklung ist es trotzdem ein Gebot der vorausschauenden Politik, an die nächsten Nachwirkungen des Krieges auf unser Land zu denken und die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen.

Der vorliegende Entwurf zu einem Bundesbeschluss stellt unseres Erachtens dieses unerlässliche Mittel dar und lehnt sich an die Erfahrungen
der Produktions- und Absatzlenkung vor und während des Krieges an. Er zieht aber gleichzeitig auch die Möglichkeit der Anpassung an die sich ändernden Verhältnisse in Betracht und gibt dem Bundesrate die Ermächtigung, auf dem Verordnungswege die erforderlichen Massnahmen zu treffen.

227

Aus den vorausgehenden Darlegungen geht zweifellos hervor, dass es sich um eine sehr wichtige Vorlage handelt, die keinen Aufschub ertragt. Wir ersuchen die eidgenössischen Eate deshalb, die Kommissionen ungesäumt zu bestellen, damit das Geschäft in der Junisession zur Behandlung kommen kann.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Anreicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 17. März 1944.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Stampfli.

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

228

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft fiir die Kriegs- und die Nachkriegszeit.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Art. 85, Ziff. 6, der Bundesverfassung, das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1893/5. Oktober 1929 betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund, das Bundesgesetz vom 7. Juli 1932 über die Getreideversorgung des Landes und das Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz), nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. März 1944, beschliesst:

Art. 1.

Der durch den Bundesratsbeschluss vom 17. März 1944 verlängerte Bundesbeschluss vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitern Forderung des Ackerbaues wird für die Geltungsdauer der vorliegenden Bestimmungen weiterhin in Kraft erklärt.

Die in Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 6. April 1939 genannten Anbauprämien werden nur ausgerichtet, sofern dazu eine Notwendigkeit besteht.

Von den im Bundesbeschluss festgelegten Ansätzen der Anbauprämien und der aus den Preis- und Zollzuschlägen zur Finanzierung der Aufwendungen des Bundes ausgeschiedenen Beträge kann nach Bedürfnis abgewichen werden.

Der Bundesrat ist gemäss Art. 7, lit. o, des Bundesbeschlusses vom 6. April 1939 ermächtigt, sofern das Landesinteresse es gebietet, die Ablieferung der über die Selbstversorgung hinausgehenden Körnererträge von den Produzenten zu verlangen, auch wenn keine Bundesbeiträge ausgerichtet werden.

Art. 2.

Der Bundesrat wird ermächtigt, die von ihm gestützt auf die folgenden Bundesbeschlüsse : a. vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues,

229 6. vom 13. April 1933 über die Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage, c. vom 28. März 1934 über eine Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage, d. vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande, in der Fassung vom 22. Juni 1939 oder im Zusammenhang damit erlassenen Verordnungen und Beschlüsse, soweit sie noch in Kraft sind, auch weiterhin in Kraft zu belassen oder sie den Verhältnissen anzupassen und zu diesem Zwecke abzuändern, zu ergänzen oder aufzuheben und, wenn notwendig, durch neue Verordnungen zu ersetzen.

Es betrifft dies namentlich folgende Erlasse des Bundesrates: 1. Vollziehungsverordnung vom 12. März 1940 zum Bundesbeschluss vorn 6. April 1939 über die weitere Förderung des Ackerbaues.

2. Bundesratsbeschluss vorn 1. Oktober 1940 über die Ausdehnung des Ackerbaues.

8. Bundesratsbeschluss vorn 11. Februar 1941 über die ausserordentlichen Bodenverbesserungen zur Vermehrung der Lebensmittelerzeugung mit Abänderung vom 24. März 1942.

4. Verordnung des Bundesrates vorn 25. April 1938 über die Eegelung der Milchproduktion.

5. Bundesratsbeschluss vom 19. April 1940 über die Milchproduktion und die Milchversorgung.

6. Verordnung vom 6. August 1935 über die Einschränkung der viehwirtschaftlichen Produktion mit Ergänzung vom 27. Januar 1936 und Abänderung vom 3. Oktober 1939.

7. Bundesratsbeschluss vom 20. Oktober 1939 über eine zusätzliche Förderung der Pferdezucht.

8. Bundesratsbeschluss vom 13. Oktober 1942 über die Beschränkung der Einfuhr von Tieren und Fleisch.

9. Bundesratsbeschluss vom 9. Mai 1941 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Tieren, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten.

10. Bundesratsbeschluss vom 10. Januar 1941 betreffend Herstellung und Vertrieb von landwirtschaftlichen Hilfsstoffen.

Art. 3.

Zur Sicherstellung des Absatzes der einheimischen landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu Preisen, die den Produktionskosten bei rationeller Betriebsführung entsprechen, kann der Bund an die Ein- und Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte geeignete Bedingungen knüpfen.

Dabei ist auf die Interessen der Gesamtwirtschaft und auf die ökonomische Lage der übrigen Bevölkerungsgruppen Bücksicht zu nehmen.

230 Art. 4.

Der Bundesrat kann die landwirtschaftlichen Spitzenorganisationen, sowie andere Wirtschaftsverbände und die Firmen, die sich mit der Verarbeitung, der Verwertung und dem Handel von landwirtschaftlichen Produkten und Hilfsstoffen befassen, zur Verwertung von Marktüberschüssen zu angemessenen Preisen heranziehen und die Schaffung von Preisausgleichskassen anordnen.

Art. 5.

Der Bundesrat ist ermächtigt, in den Vollziehungsvorschriften zu Art. 8 und 4 die erforderlichen Strafbestimruungen aufzustellen. Die Widerhandlungen werden durch die Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Vblkswirtscbaftsdepartementes verfolgt und beurteilt. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen in Art. 321 bis 326 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege.

Art. 6.

Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranlassen.

Er setzt den Zeitpunkt dea Inkrafttretens des Bundesbeschlusses fest, der für drei Jahre gelten wird und von der Bundesversammlung um drei weitere Jahre verlängert werden kann.

Der Bundesrat wird mit seinem Vollzüge beauftragt. Er kann für die Durchführung die Mitwirkung der Kantone und die beteiligten Wirtschaftsverbände in Anspruch nehmen.

Mit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses ist der Bundesratsbeschluss vom 17. März 1944 über die weitere Förderung des Ackerbaues aufgehoben.

E022

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit. (Vom 17. März 1944.)

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1944

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