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Kreisschreiben des

schweizerischen Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend das Vollziehungsreglement über Vorkehrungen gegen die Reblaus.

(Vom 29. Januar 1886.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Mit Rücksieht auf den Umstand, daß mehrere Bestimmungen des Vollziehungsreglements vom 6. Februar 1880 (Amtl. Samml. D. F., Bd. V, S. 10) mit der inzwischen in Kraft getretenen internationalen Phylloxeraübereinkunft vom 3. November 1881 (A. S. n. P. VI, 228) in Widerspruch stehen, und daß Art. 10 des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884, betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund (A. S. n. F. VII, 605), den Bundesrath beauftrag!;, die Bedingungen festzustellen, unter denen die Kantone, welche sich genöthigt sehen, Maßnahmen gegen die Reblaus zu treffen, vom Bunde Entschädigungen beanspruchen können, haben wir das eingangs erwähnte Reglement einer Revision unterworfen und unter heutigem Datum ein neues Reglement aufgestellt, welches alle dieeinigen Modifikationen enthält, die durch die internationale Phylloxerakonvention bedingt sind. Es ist dadurch für die kantonalen, mit der Vollziehung der phylloxerapolizeilichen Vorschriften beauftragten Organe die Erleichterung geschaffen, daß sie in Zukunft nicht mehr unseren Erlaß und den Staatsvertrag zu konsultiren haben, um zu erfahren, was in einem gegebenen Falle zu thun ist, sondern einzig und allein das neue Reglement. Nur für gewisse

1(57 Verhältnisse des Grenzverkehrs gelten Vorschriften, die, weil aie nicht allgemeiner Natur sind, in dem Réglemente keine Aufnahme gefunden haben, jedoch in den Artikeln 9 und 16 angezogen sind.

Es sind dies : 1) die Bundesrathsbeschlüsse vom 8. und 26. Februar 1884, betreffend die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Produkten nach den zollfreien Zonen von Hochsavoyen und der Landschaft Gex (A. S. n. F. VII, 352); 2) der Bundesrathsbeschluß vom 21. April 1885, betreffend den Verkehr mit Erzeugnissen und Geräthschaften des Weinbaues zwischen der Schweiz und den zollfreien Zonen von Hochsavoyen und der Landschaft Gex (A. S. n. F. VIII, 61) ; U) der Bundesrathsbeschluss vom 25. September 1884, betreffend den Verkehr mit Pflanzen, Erzeugnissen undGeräthschaftenn des Weinbaues zwischen der Schweiz und Deutschland (A. H.

n. F. VII, 547), und 4) der Bundesrathsbeschluss vom 20. Oktober 1885, betreffend den Verkehr mit Pflanzen zwischen der Schweiz und dem Großherzogthum Baden (A. 8. u. F. VIII, 191).

Wie das Reglement vom 6. Februar 1880, so haben wir auch die Bestimmungen, welche in unserem an sämmtliche Kantonsregierungen unter dem gleichen Datum gerichteten Kreisschreiben enthalten sind (Bundesblatt 1880, I, 348 u. ff.), einer Revision unterzogen. In jenem Kreisschreiben haben wir, in Ausführung vom Artikel 4 des nunmehr aufgehobenen Réglementes, den Umfang der von der Reblaus heimgesuchten Zonen in den Kantonen Neuenburg und Genf, den einzigen, in denen damals und auch bis heute noch der Schädling aufgetreten ist, durch einen Umkreis von 1500 Metern, von den Grenzen der jüngsten anerkannten Angriffspunkt an gerechnet, bestimmt und die Grenzen der bloss verdächtigen Zone mit den Grenzen der Kantono Neuenburg; und Genf zusammenfallen lassen. Aus der ersteren Zone, durften weder die bloß verdächtigen Erzeugnisse, wie Obstbäume, Gesträuche und alle anderen mit der Rebe nicht verwandten Pflanzen, noch die im höchsten Grade gefährlichen Erzeugnisse und Geräthschaften des Weinbaues, nämlich : Wurzelreben, Rebenschösslinge,Rebholz,, Rebblätter "und Rebenabgänge, gekelterte oder nicht gekelterte steeken, Dünger und Düngererde, ausgeführt werdet), während ans den übrigen Theilen der beiden Kantone die Erzeugnisse der eitleren, Art ausgeführt werden konnten.

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Die Bestimmungen der internationalen Phylloxerakonvention vom 3. November 1881 gestatten nunmehr, dio Abgrenzung, von der im Artikel 7 des neuen Réglementes die Rede ist, einfacher au gestalten. Diese Konvention gestattet nämlich, im Gegensätze zu derjenigen vom 17. September 1878, den Vorkehr in mit der Robe nicht verwandten Pflanzen, ob dieselben uns einer von der Reblaus heimgesuchten oder von derselben verschonten Gegend kommen, vorausgesetzt nur, 1) daß das Grundstück, auf welchem sie gewachsen, von jedem Rebstock wenigstens 20 Meter entfernt oder von den Wurzeln eines solchen durch ein von der kompetenten Behörde für genügend erachtetes Hinderniss getrennt sei; 2) daß dieses Grundstück selbst keinen liebsto enthalte; 3) daß auf demselben keine; Rebstöcke abgelagert seien ; 4) daß, wenn mit der Heblaus behaftete Hoben sich in demselben befunden haben, die Ausrodung der Wurzeln, wiederholte Desinfektionen und während drei Jahren Untersuchungen stattgefunden haben, die eine vollständige Vernichtung des Insekts und der Wurzeln verbürgen.

Es folgt hieraus, daß die Ausfuhr von mit der Rebe nicht verwandten Pflanzen aus den Kantonen Neuen bürg und Genf keinem anderen Regime zu unterworfen ist, als die Ausfuhr solcher Pflanzen aus anderen Kantonen.

In Ausführung von Artikel 7 des neuen Reglements haben wir beschlossen, es sollen die Grenzen der von der Reblaus heimgesuchten Bodenflächen mit den Greuzen der Gemeinden zusammen fallen, auf deren Gebiet der Schädling aufgetreten ist; d. h. tritt die Reblaus in dem Weinberge einer Gemeinde auf, so soll das ganze Territorium der Gemeinde als infizirt gelten ; als Grenzen des wegen der Nähe von Ansteckungsherden als verdächtig erscheinenden Gebietes sollen die Grenzen der Kantone betrachtet werden, in welchen die Landplage aufgetreten ist.

Demgemäß dürfen weder aus den Kantonen Neuenburg und Genf naeh anderen Kantonen, oder nach den der internationalen Phylloxerakonvention beigetretenen Staaten, noch aus den infizirten Gemeinden jener beiden Kantone nach anderen Gemeinden desselben Kantons :Rebenpflänzlinge,,Rebholz,, Rebstöcke, Rebblätter undRebenabgänge,, nicht gekelterte Weinlese!rauben und Trester, schon gebrauchte Schutzpfähle undRebsteckenn, Kompost und Düngererde ausgeführt werden. Im Interesse desGrenzverkehrss ist indessen unser Landwirthschaftsdepartement ermächtigt, Bewilligungen zu ertheilen, welche von diesem Ausfuhrverbote abweichen.

169 Nachdem wir dergestalt die eidgenössischen Vorschriften mit der mehrgenannten Konvention in Einklang gebracht haben, bitten wir Sie, nun auch Ihrerseits dafür besorgt sein zu wollen, daß die von den kompetenten Behörden Ihres Kantons zum Schutz gegen das Eindringen und die Verbreitung der Reblaus erlassenen Gesetze und Verordnungen von heute an nur insofern zur Anwendung gelangen, als dieselben mit den Bestimmungen unsers Reglements nicht in Widerspruch stehen, und daß an jenen Gesetzen und Verordnungen diejenigen Modifikationen vorgenommen werden, welche durch das Inkrafttreten des neuen Reglements geboten erscheinen.

Schließlich machen wir Sie noch speziell auf die Bestimmungen des ersten Abschnittes und auf Artikel '24 des Reglements aufmerksam, deren Vollziehung größtentheils den Kantonen obliegt oder von ihnen überwacht werden soll, und laden Sie ein, unserem Landwirthschaftsdepartement mitzutheilen, welche Behörde Ihres Kantons die Anzeige der Uebertretungen, von denen im Artikel 24 des Reglements die Rede ist, entgegenzunehmen kompetent sei.

Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 29. Januar 1886.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft, Ringier.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. I.

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Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend das Vollziehungsreglement über Vorkehrungen gegen die Reblaus. (Vom 29.

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06.02.1886

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