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Kreisschreiben des

Bundesrathes an die eidgenössischen Stände, betreffend den ununterbrochenen Betrieb der Mühlen und Bierbrauereien und die Unterstellung der kleinen Mühlen unter das Fabrikgesetz.

(Vom 2. September 1886.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

In unserm Kreissehreiben vom 13. April 1886, welches Sie m i t unserm Beschluß, d a ß M ü h l e n u n d B i e r b r a u e r e i e n mit mehr als 5 Arbeitern dem Bundesgesetze betreffend die Arbeit in den Fabriken zu unterstellen seien, bekannt machte, hatten wir schon darauf hingewiesen, daß ein großer Theil der in der Brauerei und Müllerei vorkommenden Arbeiten und chemischen Vorgänge sich nicht innert des 11stündigen Arbeitstages abwickeln könne, und daß diesen besondern Verhältnissen auf Grund der Artikel 11 (Alinea 4), 13 und 14 des erwähnten Gesetzes Rücksicht getragen werden müsse.

Wie zu erwarten war, sind bald nach erfolgter Unterstellung von den Betheiligten beider Industriezweige Gesuche um Bewilligung ununterbrochenen Betriebes eingegangen. Dieselben wurden einer eingehenden Untersuchung unterzogen, und wir sind nunmehr auf Grund derselben und der Anträge der Fabrikinspektoren, welche sich mit den Interessenten verständigt haben , im Falle , dieselben zu entscheiden, und zwar in globo, da die Normen, welche für den ununterbrochenen Betrieb der Mühlen und Brauereien aufzustellen sind, auf alle dem Gesetze unterstellten Etablissemente an-

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wendbar sind. Wir ermächtigen daher auch die letztern, von unsern Beschlüssen Gebrauch zu machen, ohne jeweilen noch speziell um Bewilligung des kontinuirlichen Betriebes einzukommen.

Den hohen Kantonsregierungen empfehlen wir auch aus diesem Grunde dringend, für bestmögliche Bekanntmachung derselben besorgt sein zu wollen.

Wir haben beschlossen : A. Den M e h l m U h I e n ist der ununterbrochene Betrieb in folgender Weise gestattet : 1. R e g e l m ä ß i g e N a c h t a r b e i t i m S i n n e v o n A r t . 13, A l i n e a 3--5, d e s B u n d e s g e s e t z e s b e t r e f f e n d d i e Arbeit in den Fabriken kann stattfinden in der Z e i t z w i s c h e n M o n t a g M o r g e n s 6, r es p. 7 U h r und S o n n t a g Mo r g e n s 6, r es p. 7 U h r .

2 . A n d e n S o n n t a g e n i s t n a c h M a ß g a b e v o n A r t . '14 leg. c i t . e i n e A r b e i t s z e i t v o n 3 S t u n d e n e i n g e räumt für Reinigung und Instandstellung von Maschinen und Böden.

3. Für Nacht- und Sonntagsarbeit dürfen nur männliche A r b e i t e r von über 18 J a h r e n , v o r b e h a l t lich ihrer eigenen Z u s t i m m u n g , verwendet werden und die auf den Einzelnen entfallende Arb e i t s z e i t unter keinen U m s t ä n d e n 11 S t u n d e n w ä h r e n d 24 S t u n d e n überschreiten.

B. Den B i e r b r a u e r e i e n. ist der ununterbrochene Betrieb in folgender Weise gestattet : t. R e g e l m ä ß i g e N a c h t a r b e i t im Sinne von Art. 13, A l i n e a 3--5, d e s B u n d e s g e s e t z e s b e t r e f f e n d d i e Arbeit in den Fabriken kann s t a t t f i n d e n für die A r b e i t e r b e i d e r M a l z d a r r e u n d i m S u d h a u s . Daselbst d a r f auch an den V o r a b e n d e n von Sonnu n d Festtagen eben so lange gearbeitet w e r d e n , wie an den ü b r i g e n Wochentagen.

2. S o n n t a g s a r b e i t i m S i n n e von A r t . 14 leg. cit. k a n n stattfinden für dieArbeiter in der Mälzerei, die Gährführer und die Arbeiter beim Maschinendienst, sowie für das zur S p e d i t i o n v e r w e n d e t e Personal.

Das Putzen der Maschinen darf S o n n t a g Vormittags vorgenommen werden.

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3. F ü r N a c h t - und S o n n t a g s a r b e i t d u r fé n n u r m ä n n liche A r b e i t e r von ü b e r 18 J a h r e n , v o r b e h a l t l i c h ih rei' e i g e n e n Z u s t i m m u n g , v e r w e n d e t w e r den und die auf den Einzelnen entfallende Ar-' beitszeit unter keinen Umständen 11 S t u n d e n w ä hcr e n d 2 4 S t u n d e n ü b e r s c h r e i t e n .

4. Die B e s t i m m u n g e n des A r t . 11 leg. cit. f i n d e n im S i n n e von Art. 12 ib. a u ß e r auf H u i fs a r h e i t e r , wie H e i z e r , M a s c h i n i s t , S p e d i t i o n s p e r s o n a l , auch keine A n w e n d u n g a u f Mälzer, G ä h r f ü h r e r , u n d solche B r a u b u r s c h e n , die zum S peditions dienst v e r w e n d e t werden, i m m e r h i n m i t d e r Beschränkung, daß für die drei letztgenannten Kategorien die gesammte e f f e k t i v e A r b e i t s z e i t l l S t u n den w ä h r e n d 24 S t u n d e n n i c h t ü b e r s c h r e i t e n darf.

C. Wir kommen noch auf ein in der Kollektiveingabe der Müller enthaltenes und von denselben eindringlich empfohlenes Desideratum, nämlich die Unterstellung unter das Fabrikgesetz auf alle Mühlen m i t m e h r a l s 2 A r b e i t e r n auszudehnen, zurück.

In unserm oben erwähnten Kreisschreiben vom 13. April 1886 hatten wir verfügt, es seien Mühlen mit mehr als 5 Arbeitern dem Bundesgesetze betreifend die Arbeit in den Fabriken zu unterstellen.

Jene Eingabe weist nun nach, 1) daß von diesem Beschlüsse nur eine Minderzahl von Arbeitgebern und Arbeitern betroffen würde, nämlich von circa 290 für Handelsmüllerei eingerichteten schweizerischen Mühlen mit circa 1288 Arbeitern nur 32 mit circa 256 Arbeitern (Mühlen mit nur l--2 Arbeitern fallen für diese Berechnung weg) ; 2) daß die Arbeiter der unterstellten größern Mühlen ohnedies besser gehalten werden, als in den meisten --· nicht unterstellten -- kleinen, indem sich für Mühlen mit 3 Arbeitern per Mann und während 7 Tagen in der Woche eine tägliche Nettoarbeitszeit von 14 Stunden, solche mit 6 Arbeitern von 11,47, und solche mit 8 Arbeitern von 11,07 ergebe, abgesehen von den sanitarischen Uebelständen und der größern Gefahr in kleinen Geschäften; 3) daß Lehrlinge fast nur in Mühlen mit weniger als 5 Arbeitern vorkommen und dort Gefahren für Gesundheit und Leben

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ausgesetzt seien, welche man nur gesunde, erwachsene Männer bestehen lassen dürfe; 4) daß beim Fortbestehen des erwähnten Grundsatzes für die Unterstellung ein namhafter Theil der unterstellten Geschäfte sich durch Reduktion der Arbeiterzahl auf 5 dem Gesetze entziehen werde.

= Der Bericht unserer Fabrikinspektoren bestätigt diese Sätze in ihrem vollen Umfange. Wir können selbst konstatiren, daß die Zahl der auf Grund des mehrerwähnten Kreisschreibens erfolgten Unterstellungen von Mühlen eine auffallend minime war. Es ist auch sehr zu befürchten, daß diese Zahl eher ab- als zunehme, und in den Mühlen mit reduzirtem Personal eine große Ueberanstrengung der Zurückbleibenden und eine Vermehrung der Unfälle bei den abgematteten Arbeitern die Folge sein werde.

Eine Behandlung der Mühlen, wie die von den Müllern selbst vorgeschlagene, würde allerdings von der bisher beobachteten Praxis, in der Regel (Ausnahmen sind vorhanden, s. z. B. Bundesblatt 1886, I, 277) nur Etablissemente mit mehr als 5 Arbeitern dem Gesetze zu unterstellen, erheblich abweichen, aber gegen keine Bestimmung des Gesetzes verstoßen. Sie muß daher als zuläßig und rnit Rücksicht auf die angeführten Gründe auch als nothwendig und durch die Gerechtigkeit geboten angesehen werden. Die Mühlen können um so eher einem von dem gewöhnlichen abweichenden Regime unterworfen werden, als dieselben, wie nicht gerade eine Gruppe von industriellen Etablissementen, dazu gelangt sind mit einer kleinen Arbeiterzahl eine verhältnißmäliig sehr große Produktion zu erreichen, so daß Mühlen mit mehr als 2 Arbeitern in der Regel schon als Handelsmühlen und unter den gleichen Bedingungen wie die größten Etablissemente arbeitend zu betrachten sind.

Wir verfügen daher: Die in u n s e r r n K r e i s s c h r e i b e n vom 13. A p r i l 1886 a u s g e s p r o c h e n e U n t e r s t e l l u n g v o n M ü h l e n m i t mehr als 5 Arbeitern unter das Bundesgesetz b e t r e f f e n d die Arbeit in den Fabriken wird auf alle Mühlen mit m e h r a l s 2 A r b e i t e r n a u s g e d e h n t , w e l c h e n i c h t ausschließlich F a m i l i e n g l i e d e r d e s B e s i t z e r s b e s c h ä f tigen.

Es mag noch bemerkt werden, daß der eigentliche Sonntagsbetrieb der Mühlen durch vorstehende Maßnahme entbehrlich gemacht wird, welcher Vortheil im Interesse des in unserer Verfassung proklamirten Schutzes der Arbeiter nicht gering anzuschlagen ist.

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Wir ersuchen Sie, für strikte Vollziehung unserer Beschlüsse besorgt sein zu wollen. Die Anzeigen betreffend die Unterstellung der Mühlen mit mehr als 2 Arbeitern sind, mit den üblichen ausgefüllten Fragenschema begleitet, direkt an unser Handels- und Landwirthschaftsdepartements zu richten.

Wir benutzen diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 2. September 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes.

Der Vizepräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 2. September 1886.)

Unterm 7. August abbin hat die kais. Deutsche Gesandtschaft in Bern dem Bundesrathe den Entwurf einer Uebereinkunft betreffend die Organisation, resp. Reorganisation, der internationalen Erdmessung, welche namentlich die Einrichtung des ständigen Centralbüreau in Berlin und die Dotirung der permanenten Kommission durch die betheiligten Staaten zum Gegenstand hat, zur Annahme vorgelegt. Gleichzeitig ist die Schweiz zur Beschickung einer Konferenz der europäischen Gradmessung eingeladen worden, die zum Zwecke der Ausführung der in dem Projekte vorgesehenen Maßregeln am 20. Oktober nächsthin in Berlin zusammentreten soll.

Diese Einladung aunehmend, hat der Bundesrath zum Vertreter der Schweiz an der genannten Konferenz den Hrn. Professor Dr.

Ad. H i r s c h in Neuenburg ernannt.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an die eidgenössischen Stände, betreffend den ununterbrochenen Betrieb der Mühlen und Bierbrauereien und die Unterstellung der kleinen Mühlen unter das Fabrikgesetz. (Vom 2. September 1886.)

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04.09.1886

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77-81

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