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Bericht an das

eidgenössische Handels- und Landwirthschafts-Departement betreffend verschiedene Fragen Über Einfuhrung des Erfindungsschutzes. * (Vom 4. Dezember 1886.)

An das eidg, Handels- dt Landwirthschafts-Departement.

Hochgeehrter Herr Bundesrath!

Sie haben die Unterzeichneten beauftragt, folgende Fragen zum Gegenstand eingehender Untersuchung zu machen und über deren Resultate Ihnen einen Bericht zu unterbreiten : Welcher Werth ist, wesentlich vom Standpunkt der Thatsachen aus, den gegen Einführung des Erfindungsschutzes in der Schweiz gerichteten Einwendungen beizumessen?

Untersuchung der Tragweite des vom Nationalrath zum Beschluss erhobenen Amendements Bühler-Honegger.

Aufstellung allgemeiner Grundlagen für ein eventuelles schweizerisches Patentgesetz.

* In der Sitzung des Ständerathes vom 1. Juli 1886 erklärte Herr Bundesrath Dros, den von den Herren Cornaz, Göttisheim und Schoch ausgesprochenen Wünschen betreffend nähere Untersuchung einer Reihe von auf die Einführung des Erfindungsschutzes in der Schweiz bezüglichen Fragen Rechnung zu tragen.

Hiedurch wurde die Abfassung des vorliegenden Berichtes veranlasst, in welchem die Mehrzahl jener Fragen behandelt worden ist.

1179 Um uns diese Arbeit zu erleichtern, haben Sie eine Anzahl offizieller Dokumente zu unserer Verfügung gestellt und das internationale Bureau für gewerbliches Eigenthum beauftragt, sich soweit erforderlich und möglich deren noch weitere zu verschaffen.

Heute sind wir in der angenehmen Lage, Ihnen den verlangten Bericht nebst Beilagen zu übergeben.

Da viele der gegen den Patentschutz erhobenen Einwendungen, welche wir zu prüfen hatten, wesentlich theoretischer und doktrinärer Natur sind, mussten wir dieselben vom nämlichen Standpunkt aus behandeln ; wir haben uns dabei indess kurz gefasst, weil wir dafür halten, dass in dieser Materie den Erfahrungsthatsachen aller Länder, welche den Patentschutz eingeführt haben und weit entfernt sind, denselben abschaffen zu wollen, unendlich mehr Werth beizulegen ist, als der Diskussion zweifelhafter Theorien.

Was die Tragweite des Amendements Bühler-Honegger betrifft, welches vom Nationalrath als Kompromiss der Parteien fast einstimmig angenommen worden ist, so konnten wir uns beim Studium dieser Frage nur theilweise an Thatsachen halten, weil nach Abschaffung des Modellzwangs in den Vereinigten Staaten keine Patentgesetzgebungen ähnlichen Bedingungen unterworfen sind, und weil bis jetzt eine authentische Interpretation jenes Amendements fehlt.

Jndess halten wir dafür, nur solche Folgerungen gezogen zu haben, welche von jedem Unparteiischen acceptirt werden müssen.

Bezüglich der Grundlagen für ein schweizerisches Patentgesetz haben wir uns bemüht, die Sache möglichst vom allgemeinen Standpunkt aus zu behandeln, da unserer innersten Ueberzeugung nach den unterschieden der verschiedenen Systeme ganz übertriebene Bedeutung beigemessen wird, und überdies keinem jener Systeme in der Schweiz unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstehen.

In der Hoffnung, durch vorliegende Arbeit nach Maßgabe unserer bescheidenen Kräfte zur Lösung einer Frage, welche das Gedeihen unseres Vaterlandes so nahe angeht, beigetragen zu haben, ergreifen

1180 wir die Gelegenheit, Sie unserer unwandelbaren Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Dezember 1886.

Maller, Ingenieur.

B. Frey-Godet, Sekretär des internat.

Büreau's für gewerbliches Eigenthum,

Untersuchung der

Einwendungen, welche gegen die Einführung des Erfindungsschutzes in der Schweiz erhoben werden.

Einleitiaiig.

Artikel 31 der Bundesverfassung lautet: ,,Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorbehalten sind: a. Das Salz- und Pulverregal, die eidgenössischen Zölle, die Eingangsgebühren von Wein und andern geistigen Getränken, sowie andere vom Bunde ausdrücklich anerkannte Verbrauchssteuern nach Maßgabe des Artikel 32.

b. Die Fabrikation und der Verkauf gebrannter Wasser nach Maßgabe des Artikel 32bi8.

c. Das Wirthschaftswesen und der Kleinhandel mit geistigen Getränken, in dem Sinne, dass die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirthschaftsgewerbes und desKleinhandels mit geistigen Getränken den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen können.

1181 d. Sanitätspolizeiliche Maßregeln gegen Epidemien und Viehseuchen.

e. Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben, über Besteuerung des Gewerbebetriebes und über die Benutzung der Strassen.

, Diese Verfügungen dürfen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen."

Der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit wird in der Verfassung nirgends definirt. Es ist aber aus dem citirten Artikel 31 ersichtlich, dass Handels- und Gewerbefreiheit, ebenso wenig wie die bürgerliche Freiheit, im Sinne von ,, Schrankenlosigkeit" zu interpretiren ist.

Ausser oben erwähnten Vorbehalten existirt noch eine bedeutende Anzahl direkter und indirekter personen- und sachenrechtlicher Beschränkungen von Handel und Gewerbe (Verkehr und gewisse Branchen der Urproduktion gehören auch zu Handel und Gewerbe).

Derlei Beschränkungen mögen hier citirt werden, ohne dass Anspruch auf Erschöpfung des Thema's gemacht würde.

Ausser dem Münz- und Pulverregal besitzt der Bund das Monopol für Post, Telegraph und Telephon.

Er hat das Expropriationsrecht.

Er hat von seinen Kompetenzen Gebrauch gemacht durch Einführung des schweizerischen Obligationenrechtes.

Er hat die Verfassung ausgebaut durch Erlass: Des Banknotengesetzes.

Des Fabrikgesetzes.

Des Haftpflichtgesetzes.

Des Vesicherungsgesetzes.

Des Gesetzes betreffend Fabrik- und Handelsmarken.

Des Gesetzes betreffend Verkauf von Gold- und Silberabfällen, Des Jagd- und Fischereigesetzes, etc. etc.

In der Kompetenz der Kantone liegen beispielsweise: Stempelgesetze.

Flur- und Forstgesetze, durch welche die Eigenthtimer in Ausübung ihrer Eigenthumsrechte, und in Folge dessen im Handel, wesentlich beeinträchtigt werden können.

Durch Erlass eines Bundesgesetzes betreffend Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst endlich sind persönliche zeitweilige Monopole geschaffen worden.

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Alle vorerwähnten Kompetenzen und Gesetze stehen selbstverständlich auf verfassungsmässigem Boden ; zusammen mit dem Wortlaut des Artikel 31 ordnen sie daher gleichsam, in Ermangelung einer direkten Definition, den schweizerischen Begriff des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit, und beweisen, dass derselbe mit dem Grundsatz der Manchesterschule keineswegs identisch ist.

Das zuletzt citine Gesetz über den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums beweist insbesondere, dass persönliche, zeitlich beschränkte Monopole der schweizerischen Auffassung des Prinzips von Handels- und Gewerbefreiheit nicht widerstreiten.

Es folgt somit, das» der Erfindungsschutz durch Ertheüung von Erfindungspatenten den Artikel 31 der Bundesverfassung nicht verletzen würde.

Anmerkung.

Wenn in den folgenden Auseinandersetzungen schlechthin von Erfindungen gesprochen wird, so sind darunter ausnahmslos gewerbliche Erfindungen zu verstehen.

Kapitel I.

"Beleuchtung der allgemeinen Einwürfe gegen gesetzlichen Schutz der Erfindungen.

i. Die gewerbliche Thätigkeü wird durch den Schutz der Erfindungen nicht gehoben, indem die aus dem Schutz entspringenden Nachtheile den Vortheilen mindestens die Waage halten.

Wie stimmt diese Behauptung mit folgenden Thatsachen: Die industriereichsten Länder der Erde sind jene, welche den Erfindungschutz am ehesten eingeführt haben: U. S. America, England, Frankreich.

Staaten ohne Erfindungsschutz, welche schon vor Jahrtausenden sich einer verhältnissmässig hervorragenden Kultur erfreuten, sind in ihrer industriellen Entwicklung auf jener Kulturstufe verblieben bis in die neueste Zeit hinein (China, Japan).

Ist es nicht eine in die Augen springende Thatsache, dass Deutschlands Industrie seit Einführung eines rationellen Erfindungsschutzes im Jahr 1877 gewaltige Fortschritte aufzuweisen hat?

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2. Die Erfindungen begründen kein geistiges Eigenthum; der Erfinder kann desshalb keinen Anspruch auf gesetzlichen Schutz erheben.

Ueber diesen Gegenstand sind die berufenen Fachmänner getheilter Meinung ; doch ist hervorzuheben, dass die französischen Juristen beinahe einhellig ein geistiges Eigentumsrecht an Erfindungen anerkennen, dass der schweizerische Juristenverein s. Z. die Einführung des Erfindungsschutzes in der Schweiz als wünschenswerth bezeichnet hat, dass die Bundesverfassung durch Schutz des Urheberrechtes an Werken der Literatur und Kunst ein analoges geistiges Eigenthumsrecht anerkennt. In jedem Falle aber hat die erfolgreiche geistige Arbeit auf gewerblichem Gebiet mindestens ebenso viel Lohnberechtigung, als erfolgreiche materielle Arbeit.

3. Da man den Begriff a Erfindung-» nicht einmal definiren kann, ist es unlogisch, gesetzliche Bestimmungen über Erfindungsschutz aufzustellen.

Der Vordersatz ist falsch, womit auch die Folgerung hinfällig wird.

Die Thatsache, dass der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit trotz mangelnder Definition verfassungsmässig geregelt ist, beweist zudem, dass obiger Einwand unhaltbar ist, selbst wenn die Begründung richtig wäre.

Selbst die exakten Wissenschaften, die verkörperte Logik, bauen auf undefinirbaren Begriffen ihre stolzen, unumstösslichen Gebäude auf; so die Physik auf dem Begriff ,,Kraft", die Geometrie auf den Begriffen ,,Gerade", ,,Ebene".

4. Die Mehrzahl der sogenannten Erfindungen hat keinen praktischen Werth, also ist ein Erfindungsschutz nicht gerechtfertigt.

Gewiss gibt es eine grosse Zahl unbedeutender Erfindungen, doch verhältnissmässig wenig ganz werthlose. Eine grosse Reihe an sich wenig bedeutender Erfindungen kann aber ganz wohl einen wesentlichen Fortschritt der Technik bewirken; sie sind also nicht bedeutungslos und damit des Schutzes unwerth.

Und die unstreitig bedeutenden Erfindungen ! Sollten deren Urheber schutzlos sein, weil es viele unbedeutende Erfindungen gibt?

Bundesblatt. 38. Jahrg. IM. III.

83

1184 «

Gewiss nicht ; aber das ist gerade die Aufgabe der Gesetzgebung, einen derartigen Schutz zu gewähren, dass unter sonst gleichen Verhältnissen der Lohn der Leistung proportional sei. Dieser Bedingung genügt im Allgemeinen -- und am zuverlässigsten -- ,,der Patentschutz".

Begüterte Erfinder mögen für Manches den gesetzlichen Schutz verschmähen, was dem kleinen Manne werthvoll genug erscheint, für den eine jährliche Extraeinnahme von wenigen hundert Franken von grösster Wichtigkeit ist.

Wenn einerseits die wenig bedeutenden Erfindungen die Mehrzahl bilden, so steht es anderseits ebenso fest, dass die Mehrzahl der Erfindungen überhaupt von Arbeitern gemacht werden. Für den kleinen Mann, sagt der Amerikaner, ist der Erfindungsschutz, nicht für den Grossen.

5. Der Erfindungsschutz ist überflüssig ; der Erfinder gelangt auch ohne denselben zu dem ihm gebührenden Lohne, a. weil er seine Erfindung im Geheimen ausbeuten kann; b. weil er vor den Konkurrenten die genaue Einsicht in das Wesen der Erfindung voraus hat, wenn dieselbe öffentlich bekannt wird.

Es liegt auf der Hand, dass im günstigsten Falle nur Verfahren, sogenannte Herstellungsprozesse, geheim gehalten werden können.

Ungeschützt kann aber nur der Begüterte sein geheimes Verfahren ausbeuten ; dem kleinen Mann fehlen die Mittel dazu ; welcher Dritte würde ihm unter die Arme greifen, so lange er für die Erfindung kein Verständniss hat, und wie sollte ein Sachverständiger beigezogen werden können ohne Risiko der Entwendung des Geheimnisses ?

MUSS aber -- der Natur der Erfindung nach -- behufs Ausbeutung derselben -- das Geheimniss preisgegeben werden, was in der weit überwiegenden Zahl der Fälle zutrifft, so nützt dem Erfinder seine grössere Vertrautheit mit dem Gegenstande nur gegenüber gleich und weniger befähigten Konkurrenten, nicht aber gegenüber dem geistig und materiell höher Gestellten.

Der arme Erfinder endlich, welcher in der Regel die Mittel^zu selbstständiger Ausbeutung seiner Idee nicht findet, ist ohne gesetzlichen Schutz dem Industriellen auf Gnade und Ungnade überliefert.

1185

ö. Das Verdienst des Erfinders um das Zustandekommen einer Erfindung ist im Allgemeinen so geringfügig, dass dasselbe überhaupt des Schutzes nicht werth ist ; denn ohne die vorangegangenen Entdeckungen, wissenschaftlichen Prinzipe und Erfindungen, welche Gemeingut der civüisirten Welt sind, wäre der schliessliche Erfindungsakt nicht möglich gewesen.

Wenn das Bedürfniss dazu vorhanden ist, macht sich die Erfindung unabhängig vom Individuum; sie ist überhaupt ein Werk des Zufalls.

Dem gegenüber ist entschieden festzustellen, dass die Erfindungen äusserst selten ein Produkt des Zufalls sind; es liegt hier eine Verwechslung der Begriffe Erfindung und Entdeckung vor.

Letztere allerdings sind öfter Kinder des Zufalls, vorab in der Chemie. Erstere dagegen sind beinahe stets Produkte bedeutender geistiger Arbeit, sehr oft auch zum grossen Theil Resultate kostspieliger und angestrengter materieller Arbeit, welche den Erfinder gegenüber seinen Konkurrenten schwächt.

Allerdings fussen alle Erfindungen auf Entdeckungen, Prinzipien und Erfindungen, welche mehr oder weniger Gemeingut sind ; dies erkennt der Erfinder dadurch an, dass er nicht ewige Eigenthumsrechte für seine Erfindung beansprucht.

Kein Mensch bestreitet z. B. einem Ingenieur das Recht auf Lohn für die gelungene Ausarbeitung des Plans einer Entwässerungsanlage. Dieselbe gründet sich doch auf Prinzipien, welche Gemeingut sind, und ist das Resultat geistiger Arbeit. Warum also zweierlei Maß?

Eine Erfindung macht sich nie von selbst; immer ist sie an ein Individuum gebunden, wenn auch nicht an ein spezielles.

Schon längst wird beispielsweise das lebhafte Bedürfniss nach einer Flugmaschine empfunden. Viel ist an dieser Erfindung herumlaborirt worden, doch ohne Erfolg. Tritt dieser einmal ein, so wird's auch heissen : Wie lächerlich ! Man konnte die Sache ja einfach den Vögeln abgucken!

Der ganze oben citirte Einwurf beweist also Nichts, als die angeborne menschliche Sucht, fremdes Verdienst zu verkleinern.

7. Interessen der Erfinder und Interessen der Industrie stehen sich diametral gegenüber.

Welches sind die Interessen des Erfinders? Offenbar die, möglichsten Nutzen aus seiner Erfindung zu ziehen.

1186 Wie wird dieser möglichste Nutzen erreicht? Durch ausgedehnteste industrielle Ausbeutung.

Selten wird ein Erfinder die Ausbeutung in ausgedehntestem Maß allein vornehmen können ; er wird daher in den meisten Fällen auch Dritten die Ausbeutung überlassen, allerdings gegen entsprechende Entschädigung.

Hierin nun liegt der Kern der Sache : Gar manche Industrielle möchten gerne eine Erfindung ausbeuten ; die Ausrichtung einer Entschädigung liegt aber nicht in ihrem Privatinteresse. Privatinteressen eines Industriellen und Interessen der Industrie sind jedoch bekanntlich zweierlei.

8. Es ist ungerecht, den Erfinder schützen zu wollen, dem Entdecker dagegen den wohlverdienten Lohn zu verweigern.

Darauf ist zu erwidern, dass die Erfinder die Ersten sind, welche dem Entdecker gesetzlichen Schutz gönnen würden.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass die wissenschaftlichen Entdecker meist dem Gelehrtenstand angehören und als Professoren der höchsten Schulen gesucht sind, wobei sie hohe Gehalte beziehen.

Dafür erwartet man von denselben mit Recht selbstständige wissenschaftliche Forschung. Wenn es sich nur darum handeln würde, dem Lehrplan der Hochschule zu genügen, würden weit geringer besoldete Leute dieser Aufgabe entsprechen können.

9. Der Erfinderschutz ist nicht nothwendig, indem durch eine gute Schulung für den Einzelnen genug gethan wird.

Der Staat schult seine Angehörigen, uni deren Wohl und damit sein eigenes Gedeihen zu fördern; es ist also richtiger, folgende Konsequenzen zu ziehen: Wenn der Staat viel leistet für Volkserziehung, muss er sein Möglichstes thun, Früchte für das Gemeinwohl zu zeitigen. Je höher er die industrielle Schulung treibt, um so grösseres Interesse hat er daran, alle Zweige industrieller Thätigkeit, also auch den Erfindungstrieb, nach Kräften zu fördern ; hiefür ist das geeignetste Mittel die Einführung des Schutzes.

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ÌO. Der Erfindungsschutz verleitet viele kleine Leute zu unnützem Grübeln, Verschwendung von Geld und Zeit, wodurch der Ruin ihrer Familien bedingt wird.

Sehr wahr! Aber ebenso richtig ist auch, dass er viele kleine Leute vom Wirthshauslaufen, daheriger Zeit- und Geldverschwendung und Familienruin abhalten wird. Endlich wird das Grübeln über Erfindungen für Viele von Erfolg begleitet sein und Wesentliches beitragen zur Hebung ihrer ökonomischen Lage.

Es handelt sich nicht sowohl darum, dass zur Seltenheit einmal ein Arbeiter durch eine gute Erfindung zum reichen Mann werde, sondern vielmehr, dass Viele durch massigen Gewinn (wenn auch nur weniger Hundert Franken jährlich) ihr Wohl gefordert sehen.

Kapitel II.

Beleuchtung der allgemeinen Einwürfe gegen den Erfindungsschutz in Form des sogenannten Patentschutzes.* 4. Der Patentschutz hebt die Industrie nicht; sondern das beste Mittel zu ihrer Hebung ist das Bestreben, die Konkurrenz mit andern Ländern aushalten zu können.

Der zweite Satz ist richtig ; doch gilt er nur für die Geschäftsinhaber, die Meister ; denn, wodurch sollte beim Arbeiter dieses Bestreben hervorgerufen werden ?

Der zweite Satz begründet aber den ersten nicht. Da bis anhin der Patentschutz überall die einzige Form des Erfindungsschutzes ist, muss zur Vermeidung von Wiederholungen darauf hingewiesen werden, was zu Kapitel I, l gesagt worden ist.

Es ist Thatsache, dass die Industrie durch Erfindungen gehoben wird ; es bedarf keines Beweises, dass durch einen geeigneten Schutz das Zustandekommen von Erfindungen gefördert wird; der Patentschutz wird also von gegnerischer Seite nicht als eine geeignete Form des Schutzes angesehen. Darüber geben einige weitere Einwendungen Aufschluss.

* Bis zum heutigen Tag hat sich der Patentschutz als einzige praktische Form des Erfindungsschutzes erwiesen. Er besteht darin, dass, gegen eine zu zahlende Gebühr, dem Erfinder für eine bestimmte Reihe von Jahren seine Erfindung als mehr oder weniger beschränktes Eigenthum garantirti wird.

Diese Beschränkungen sind: Expropriationsrecht des Staates, Ansübungszwang (zeitlich und örtlich), Lizenzzwang.

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2. Das Patentmonopol belohnt in der Regel nicht den Erfinder, sondern Denjenigen, welcher fremde Erfindungen auszubeuten versteht.

Sprechen wir nur von den Fällen, wo Geheimhaltung der Erfindung nicht möglich ist, da durch ein Patentgesetz Niemand gezwungen ist, seine Erfindung patentiren zu lassen.

Da ist es denn doch klar, dass eine ungeschützte Erfindung von einem Dritten leichter ausgebeutet werden kann, als eine, wenn auch noch so mangelhaft, geschützte.

Unter einer Patentgesetzgebung kann eine unbefugte Ausnützung ungestraft nicht stattfinden. Man muss schon zu dem Mittel greifen, die Erfindung abzuändern. Für Abänderungen mögen wohl Patente ertheilt werden. Im Fall von Kollision von Interessen wird aber überall, wo Schutz ist, ein gerichtliches Urtheil provozirt werden können ; und dieses Urtheil wird in der Regel zu Gunsten des wirklichen Erfinders ausfallen müssen. Der Einwand 2 hat also nur etwa in folgender Form eine gewisse Berechtigung: ,,Das Patentmonopol belohnt nicht immer den Erfinder, sondern zuweilen Denjenigen, der fremde Erfindungen ausbeutet."

3. Die Erfindungspatente bringen dem Erfinder Ganzen mehr Nachtheile als Vortheile.

im

Hierüber muss man doch billigerweise die Erfinder selbst urtheilen lassen. Wenn die Mehrzahl derselben dieser Ansicht wäre, so würde wohl kaum in irgend einem Lande ein Patentschutzgesetz existiren.

4. Patente hemmen die rasche allgemeine Anwendung nützlicher Erfindungen.

Die Erfahrung lehrt das Gegentheil dieses a priori plausibeln Satzes.

In Ländern mit Patentschutz kommt eine Erfindung schneller zur allgemeinen Kenntniss, als in Ländern ohne Schutz, weil dort wenig Grund zu Geheimnisskrämerei vorliegt.

Sie kommt dort auch schneller zu ausgedehnter Verwendung, weil der Erfinder sich dafür grosse Mühe gibt, und eine Erfindung, deren Ausbeutung etwas kostet, genauerer Prüfung auf Werth oder Unwerth unterzogen wird, als wenn sie nichts kostet.

1189 Die Nachahmung einer Erfindung kostet oft so viel Mühe, dass die Sache unvollendet aufgegeben wird, während sie Nutzen bringen würde, wenn durch Zahlung einer Entschädigung der Erfinder bewogen wtirde, die Ausbeutung vorzubereiten.

Die englische Enquetekommission berichtete 1872 Folgendes: Die Erfindung spatente befördern den Fortschritt der Industrie, da viele Erfindungen rascher eingeführt und entwickelt werden (siehe Beilage Seite 1215).

5. Patente hindern den Fortschritt der Industrie, weil Verbesserungen von Erfindungen erst nach Ablauf der Patentdauer dieser zur Geltung kommen können.

dass nicht nach kehr

Das kann ausnahmsweise vorkommen. Die Erfahrung zeigt aber, in der Regel der Erfinder sein Interesse zu gut versteht, um mit dem Verbesserer einen Modus vivendi zu vereinbaren, wozu beiderseitigein Nutzen die verbesserte Erfindung in den Vereingeführt wird.

6. Die Patente legen der Ausübung der Gewerbe einen unerträglichen Zwang auf. Es ist sehr schwierig, von allen -Patenten Kenntniss zu nehmen, und so kann man unversehens in Fall kommen, als unbefugter Nachahmer angegriffen zu werden.

Man kann in Deutschland bald keinen Strich mehr auf dem Zeichenbrett machen, ohne Gefahr zu laufen, ein Patent zu verletzen.

Letztere Phrase wird nur erwähnt, weil mancher nicht Gewerbetreibende sich durch dieselbe schon hat imponiren lassen. Deutschland hat gegenwärtig etwas über 11,000 (elftausend) gültige Patente, Amerika (U. S.) ertheilt jährlich um 20,000 (zwanzigtausend) mit 17jähriger Gültigkeit; trotzdem ist es bewiesen, dass man in Amerika noch ungehindert konstruiren kann.

Es ist bei Weitem nicht so schwierig, als man gemeinhin glaubt, von den existirenden Patenten Kenntniss zu nehmen, immer vorausgesetzt, dass staatlich gut vorgesorgt wird für Veröffentlichung, was keinen Schwierigkeiten unterliegt.

Der einzelne Gewerbetreibende wird sich eben nur um die Patente seiner Spezialität zu kümmern haben. Je umfangreicher das Patentwesen, um so ausgebildeter die Arbeitstheilung, also auch um so genauer begrenzt die Branche, innert welcher die Patente den Einzelnen interessiren.

1190

Der Einzelne braucht desswegen jährlich nicht Tausende von Patenten kennen zu lernen, selten Hunderte, in den meisten Branchen und Ländern wenige Zehne.

Neue Patente hindern den Gewerbetreibenden in keiner Weise, das im Beruf Gelernte, das vorher Vorhandene anzuwenden ; dagegen hindern sie ihn, neue Erfindungen ohne billige Entschädigung an den Erfinder auszubeuten. Sollte diese, billiger Weise eigentlich selbstverständliche, Forderung den ,,unerträglichen Zwang" auferlegen ?

7. Der Patentschutz gibt zu vielen und endlosen Prozessen Anlass.

Es ist klar, dass durch Schaffung neuer eigenthumsrechtlicher Begriffe auch neuen Eingriffen in die Rechte gerufen wird. Uebrigens ruft jedes neue Gesetz neuen Uebertretungen ; doch ist man nicht gewohnt, dieser wegen von der Einführung des Gesetzes abzusehen.

Gar gross muss übrigens die Zahl der aussergewöhnlichen, endlosen Prozesse nicht gewesen sein, weil sonst die Gegner nicht genöthigt wären, in allen Streitschriften stets dieselben Prozessbeispiele aufzuwärmen.

Leider gibt uns die Statistik nicht genügende Mittel an die Hand, um diesen Einwand aus dem Bereich der Vermuthungen in denjenigen der Thatsachen hinüberzuziehen. Immerhin dürfte folgender Auszug aus einem Brief des Präsidenten des kaiserlieh deutschen Patentamts namentlich für Juristen einige Anhaltspunkte bieten: . . . ,,Was die Zahl der Prozesse wegen Patentverletzungen anlangt, ,,so liisst sich diejenige der Civilprozesse nicht -angeben. Die ,,Kriminalstatistik ergibt ebenfalls nicht die Zahl der Strafsachen ,,wegen Patentverletzung für sich allein, sondern nur mit den Straf,,sachen wegen Verletzung des Urheberrechts an Mustern und Mogellen in einer ungetrennten Summe. Danach waren die Zahlen in ,,Betreff beider Kategorien von Sachen für das ganze Reichsgebiet : Strafbare Handlungen überhaupt

Angeklagte Personen

solche, welchen Verurtheilungen folgten

' überhaupt (

1882 ;

41

28

55

1883 ;

52

26

74

;

67

27

88

1884

!

I

1

; !

Ver

Erthsilte Patents

Deponirte Muster und ftlodslle

29

4131

ca.50,000 !

28

4848

ca. 50,000 '

31

4459

nrtheilte

67,889

119 J

8. Durch den Patentschutz wird das Publikum ausgebeutet, weil die Patente den Preis der Patentobjekte vertheuern.

Patente betreffend Herstellungsverfahren bekannter Artikel können diese offenbar nicht vertheuern, weil die Konkurrenz nach alten Verfahren stets noch da ist.

Ebenso wenig werden Patente für Werkzeuge oder Werkzeugmaschinen zur Herstellung bekannter Artikel diese vertheuern können, wenn auch solche Werkzeuge vom Fabrikanten oft theuer bezahlt werden müssen.

Wie verhält es sich nun mit Patenten für neue Artikel ?

Gewöhnlich wird sich die Herstellung neuer Artikel auf zweierlei Arten betreiben lassen : Unvortheilhaft ohne Spezialeinrichtungen. Vortheilhaft mit solchen.

Ohne Schutz risquirt der unbeschränkten Konkurrenz wegen kaum Jemand die Kosten einer Spezialeinrichtung ; dann werden die Selbstkosten des erzeugten Artikels hoch und derselbe bleibt trotz der Konkurrenz theuer.

Unter Schutz rentirt sich die Herstellung von Spezialeinrichtungen ; die Selbstkosten reduziren sich so, dass der Patentinhaber oft ohne Erhöhung des Kaufpreises gegenüber dein ersten Fall schönen Gewinn machen kann.

In andern Fällen mag der Patentschutz den Artikel vertheuern ; jedoch nie beträchtlich, da der Preis schliesslich durch das Bedürfniss des Publikums regliert wird; und dies um so mehr, da der Artikel neu ist und dcsswegen nicht zu den unbedingt notwendigen Bedürfnissen gehören kann.

Hieraus ergibt sich klar, dass das Publikum selbst Macht genug hat, sich gegen Ausbeutung zu wehren.

9. Der Nachahmungstrieb ist angeboren, also ein unveräusserliches Menschenrecht, unantastbar durch Patentschutz.

Es werden oft unglaubliche Einwendungen gegen den Patentschutz gemacht. Es schadet nicht, auch solche zu erwähnen. Hierauf fassen wir uns kurz : Der Trieb zur Rache ist auch angeboren und wird doch nicht als unveräusserliches Menschenrecht anerkannt.

1192

10. Viele Autoritäten sprechen sich gegen den Patentschutz aus.

Wir halten dafür, dass in Dingen, worüber man sich eine selbstständige Meinung bilden kann und soll, indem man die einschlägige Literatur unbefangen studirt, der Autoritätsglaube vom TJebel ist.

Uebrigens sprechen sich auch viele Autoritäten für den Patentschutz aus.

^Kapitel III.

Beleuchtung der Einwendungen gegen Einführung des Patentschutzes in der Schweiz.

1. Der Erfindungsgeist bedarf bei dem gegenwärtigen Standpunkt der Industrie einer Anregung durch Patente nicht mehr.

Der menschliche Egoismus bleibt in allen Ländern und zu allen Zeiten sich gleich. Der Erfindungsgeist wird mehr Früchte tragen mit Schutz als ohne Schutz. Nun könnte man freilich die Ansicht vertheidigen, dass es für das Allgemeinwohl besser wäre, wenn die Fortschritte auf gewerblichem Gebiet sich langsamer vollziehen würden.

Von diesem Standpunkt aus müsste man wünschen, den Patentschutz auf der ganzen Welt abzuschaffen.

So weit sind wir indess nicht, dass eine solche Anregung auf guten Boden fiele ; wir haben uns an die Thatsachen zu halten und müssen mitmarschiren, wenn alle zivilisirten Länder den industriellen Fortschritt mit allen Mitteln zu heben suchen.

Genau obigen Ausspruch that anno 1863 der oberschlesische Berg- und Hüttenmännerverein; wenige Jahre später lautete das fachmännische Urtheil Über die Erzeugnisse der deutschen Industrie : ,,Schlecht und billig".

Wie sehr hat sich das nun geändert, seit Deutschland ein zweckmässiges Patentgesetz besitzt!

Die in den sechziger Jahren in Deutschland herrschende volkswirthschaftliche Schule sagte auch : ,,Das Fortbestehen der Patente ist sehr zweifelhaft geworden."

Wie hat dieser Ausspruch sich bewahrheitet ? Holland allerdings hat sein Patentgesetz anno 1870 aufgehoben; jetzt aber, nach nur 16 Jahren, denkt man dort wieder lebhaft an Einführutig.

1193 Das Deutsche Reich hat sich 1877 ein Patentgesetz geschaffen.

England hat nach Enqueten, die schon 1862 begannen, 1883 sein Patentgesetz dahin modifizirt, dass die Patententnahme wesentlich erleichtert worden ist.

Länder, die in kultureller Beziehung kaum den Kinderschuhen entwachsen sind, haben den Patentschutz innert der beiden letzten Jahrzehnte eingeführt. Wie dürften wir im Angesicht dieser Thatsachen glauben, der Patentschutz habe sich überlebt?

2. Die Schweiz ist zu klein; für kleine Länder eignet sieh der Schutz nicht; Holland hal^das eingesehen und desshalb sein Patentgesetz abgeschafft.

Es ist merkwürdig, dass man mit Holland exemplifiziren will, welches erstens mit Einschluss seiner Kolonien kein kleines Land ist und zweitens verhältnissmässig wenig Industrie hat. In der That geben die Hübner'schen geographisch-statistischen Tabellen, welche durchaus objektiv zusammengestellt sind, als industrielle Ausfuhrartikel nur Branntwein, Oele, Thonwaaren, Papier, Zucker an. Warum wird nicht mit dem industriereichen Belgien exemplifizirt, das -- nur doppelt so bevölkert wie die Schweiz -- viel mehr Anknüpfungspunkte zum Vergleich darbieten würde?

TJebrigens ist -- industriell genommen -- die Schweiz nicht so klein. Unter ihr rangiren in dieser Hinsicht Schweden, Norwegen, Dänemark, Portugal etc., welche sämmtlich den Patentschutz haben.

3. Der Patentschutz ist für die Schweiz insbesondere ihrer Zollverhältnisse wegen nicht geeignet.

Es ist bekannt, dass mehrere Staaten sich sehr darüber aufhalten, dass die Schweiz keinen Erfindungsschutz gewährt, da dieselben wünschen müssen, dass ihre Bürger in der Schweiz die gleichen · Eigentumsrechte geniessen, wie die Schweizer bei ihnen. (Kongress der internationalen Patentunion, Korn.)

Es ist daher wahrscheinlich, dass nach Einführung des Patentschutzes in der Schweiz betreffende Staaten uns bei Abschluss von Handelsverträgen mehr Entgegenkommen beweisen würden als bisher.

Man sagt, es gebe in der Schweiz Industrien, welche bei den gegenwärtigen Zollverhältnissen auch nicht die geringste Mehrbelastung

1194 zu ertragen vermöchten. Angenommen nun, unter diesen Industrien seien ausnahmsweise solche, welche durch den Uehergang vom patentlosen Zustand zum Patentschutz in der Uebergangsperiode mehr belastet als unterstützt werden, so müssen sie also zu Grund gehen.

Sie würden aber auch bei der geringsten Zollerhöhung von Seite der Konsumenten zu Grunde gehen müssen. Ihre Lage ist also eine so prekäre, dass es vom grössten volkswirthschaftlichen Interesse ist, zu andern Industrien überzugehen, was durch Nichts so sehr erleichtert wird, als durch Einführung des Patentschutzes, weil dieser, mehr als irgend eine andere Institution, gestattet, Spezialitäten zu kultiviren.

Vor Allem aus fürchtet man, es werde dem ausländischen Inhaber eines schweizerischen Patentes durch unsre eigenthürnlichen internen Zollverhältnisse die Einfuhr des auswärts fabrizirten Artikels derart erleichtert, dass wir zum Schaden unsrer einheimischen Industrie wahrhafte Ueberschwemmungen zu gewärtigen hätten.

Diesem Uebelstand wird auf einfachste Weise begegnet, indem in ein zu schaffendes Piitentgesetz der örtliche Ansübungszwaug eingeführt wird. Dieser besteht in der an die Patentertheilung geknüpften Bedingung, dass die Erfindung in der Eegel dem inländischen Bedürfniss entsprechend im Inland technisch ausgebeutet wird.

Ohne einen analogen Paragraphen würden einem schweizerischen Patentgesetz gewiss die Hälfte der jetzigen Patentschutzfreunde ihre Zustimmung verweigern.

4. Ein schweizerisches Patentgesetz kommt in erster Linie den fremden Erfindern zu gui, welche die Schweiz bald mit Patenten luahrhaft überschwemmen würden. Wegen der schweizerischen Erfinder dürfte es nicht der Mühe werth sein, den grossen Apparat eines Patentgesetzes in Funktion zu setzen.

Ein Patentgesetz wird wesentlich der Industrie halber gewünscht, erst in zweiter Linie der Erfinder wegen.

Wie viele Inländer im Fall sein würden, Erfmduugspatente zu nehmen, lässt sich nicht voraussehen; immerhin lässt sich aus den folgenden Tabellen schliessen, dass in der Schweiz so viele Erfindungen gemacht werden, dass es doch der Mühe werth wäre, von diesem Gesichtspunkt aus ein Patentgesetz zu schaffen.

1195 Erfindungspatente welche

in den Jahren 1884 und 1885 den Staatsangehörigen verschiedener Industrieländer in den Staaten : Oesterreich- Ungarn, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Grossbritannien, Italien, Deutschland ausgestellt worden sind.

Länder. ,,

1884

ISSG

Ausge- Einwohner per stellte Patent.

Patente.

Ausge- Einwohner per stellte Patent.

Patente.

I. Oesterreich-Ungarn.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Oesterreich-Ungarn Deutschland . .

Schweiz . . . .

Grossbritannien Belgien . . . .

Prankreich . .

Vereinigte Staaten Dänemark . . .

Schweden u. Norwegen . . . .

1 0 . Italien . . . .

11. Russland . . .

1 2 . Spanien . . . .

1,031

779 44 224 35 232 147 4

36,800 58,000

66,000 156,000 163,000 172,000 360,000 500,000

12 583,000 15 1,933,000 29 3,000,000 5 5,200,000

964

783 42 201 29 213 131 5

39,400 57,000 69,000 170,000 200,000 188,000 412,000 400,000

23 300,000 14 2,000,000 26 3,400,000 6 4,333,000

II. Vereinigte Staaten von Nordamerika.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Vereinigte Staaten 19,013 2,800 Grossbritannien 463 75,600 Schweiz . . . .

36 83,300 Deutschland 253 178,000 Belgien . . . .

25 228,000 Frankreich . . .

161 248,000 Dänemark . .

6 333,000 Schweden u. Norwegen . . . .

10 700,000 9. Oesterreich-Ungarn 31 1,226,000 10. Russland . . .

15 5,860,000 1 1 . Spanien . . . .

4 6,500,000 1 2 . Italien . . . .

2 14,500,000

22,555 592 44| 298 24 138 20

2,350 59,000 66,000 151,000 237,000 290,000 100,000

26 270,000 44 864,000 8 11,000,000 8 3,250,000 5 5,800,000

1884

Länder.

Ausgestellte Patente

Einwohner per Patent.

188É5 Ausgestellte Patente.

Einwohner per Patent.

LU. Grossbritannieu.

1. Grossbritannien 13,511 2,600 12,367 2,830 2 . Schweiz . . . .

67 43,30056 51,800 3. Vereinigte Staaten 1,181 45,000 1,382 38,300 4. Belgien . . .

114 50,000 121 47,100 !

5. Deutschland 890 50,600 869 51,800 6. Frankreich . .

788 51,000 701 57,000 : 7. Dänemark . . .

25 80,000 24 83,300 8. Schweden u. Norwegen 50 140,000 49 143,000 9. Oesterreich-Ungarn 151 251,600 156 244,000 1 0 . Italien . . . .

38 763,200 36 872,000 1 1 . Spanien . . . .

17 1,530^000 23 1,130,000 12. Russland . . .

38 2,316,000 41 2,146,000

IV. Italien.l 1 . Italien . . . .

2 . Schweiz . . . .

3. Frankreich . . .

4. Belgien . .

5. Deutschland . .

6. Grossbritannien 7. Oesterreich-Ungarn 8. Dänemark . . .

9. Vereinigte Staaten 10. Schweden u.Norwegen 1 1 . Spanien . . . .

12. Russland . .

67,440 430 35 83,000 209 191,000 211,000 27 168 270,000 289,000 121 613,000 62 666,000 3 62 855,000 6 1,170,000 3 8,700,000 6 14,666,000

65,300 444 78,400 37 170,000 239 219,000 26 195,000 231 241,000 145 810,000 47 4 500,000 76 700,000 15 466,000 16 1,620,000 5 17,600,000

V. Deutschland.

1

Total der ausgestellten Patente: 4459.

An Schweizer ausgestellte Patente: 62 oder 1 Patent auf 46,800 Einwohner.

( Total der ausgestellten Patente: 4018.

1885 < An Schweizer ausgestellte Patente: 64 oder 1 Patent ( auf 45,300 Einwohner.

11 y?

Wie man sieht, nimmt die Schweiz verhältnissmässig zu ihrer Bevölkerung unter den an Ausländer ertheilten Patenten den ersten bis zweiten Rang ein, absolut genommen rangirt sie sich in die Mitte.

Am Zürcher Patentkongress 1883 wurde von hervorragender gegnerischer Seite die Befürchtung ausgesprochen, nach Einführung des Patentschutzes möchte die Schweiz jährlich durch 30,000 (dreissigtausend) Patente überschwemmt werden. Die Patentschutzfreunde sehen nicht Gefahr, sondern Gewinn filr die inländische Industrie im reichen Zuströmen ausländischer Erfindungen. Gleichwohl reichen unsre Erwartungen in dieser Beziehung lange nicht an die Befürchtungen der Gegner, weil wir uns an statistische Erfahrungen halten, wie sie uns die folgende kleine Zusammenstellung darbietet.

Ertheilte Patente

Jahr.

Länder.

im Ganzen.

an Inländer.

au Ausländer.

<^

1884 1885

4,459 4,018

2,912 2,621

1,547 1,397

. . . . < !

1884 1885

1,350 1,540

476 523

874 1,017

1884 1885

17,110 16,101

13,511 12,367

3,599 3,734

1885 1884

24,104

22,555

1,549

Frankreich . . . .

6,724

6,556

168

Belgien

1884

3,665

1,124

Oesterreich-Ungarn

1885

2,471

Deutschland .

Italien

England .

.

.

.

.

.

1

Vereinigte Staaten . .

964

i |

2,541 1,507

In der Rubrik ,,England" stehen die Patentbegehren, statt der Patentertheilungen; in der Rubrik ,,Vereinigte Staaten" sind auchdie Muster inbegriffen. Für Muster wurden 1885 862 Patente begehrt.

Die Schweiz wird auf keinen Fall so viele Patente ertheilen können, wie Belgien ; die oben erwähnte patentgegnerische Befürchtung stellt sich also als circa zehnfach übertrieben heraus. An Hand der vorliegenden Tabelle lassen sich auch die Bedenken zerstreuen, der Schutz in der Schweiz würde weit überwiegend den ausländischen Erfindern zu Theil werden.

1198 Von den grossen Ländern weisen nur diejenigen eine bedeutende Mehrzahl von Patenten an Ausländer auf, welche noch keine hervorragende industrielle Entwicklung besitzen.

Das kleine industriereiche Belgien ertheilt allerdings doppelt so viele Patente an Ausländer, wie an Inländer. Der Grund dieser Thatsache dürfte darin liegen, dass Belgien nicht allein eine der liberalsten Patentgesetzgebungen besitzt, sondern sein Gesetz auch am weitsinnigsten interpretirt, namentlich was die Ausbeutung fremder Patente anbetrifft. In unserm Land der Kompromisse haben die Gegner keinesfalls die liberalste Patentgesetzgebung zu befürchten.

Um deren Bedenken nicht nur vor alljährlicher, sondern auch bleibender Patentüberfluthung zu zerstreuen, diene schliesslich noch die statistische Erfahrung, dass in den Ländern mit jährlicher Taxenzahlung, wo das Gesetz mindestens so lange schon in Kraft ist, als die längste Patentdauer beträgt, die Zahl der überhaupt gültigen Patente ungefähr gleich der Summe der in den vorausgegangenen 3 Jahren im Ganzen ertlieilten Patente ist.

Mit andern Worten: Im Beharrungszustand ist die Anzahl der gültigen Patente das Dreifache der im letzten Jahr ertheilten Patente.

5. Es ist unmöglich, ein gutes Patentgesetz zu schaffen, d. h. ein solches, das den Anforderungen aller Derer entspricht, in welcher Interesse man den Patentschutz verlangt.

Dieser Uebelstand haftet mehr oder weniger nicht nur Patentgesetzen , sondern allen und jeden Gesetzen an. Wäre dieser Grund genügend, um von einem Patentsgesetz zu abstrahiren, so dürften konsequenterweise überhaupt keine Gesetze mehr gemacht werden.

Ein bestes Patentgesetz kann nicht gemacht werden, ein gutes dagegen wohl ; das beweisen z. B. die Patentgesetzgebungen von Deutschland, Belgien etc.

Es können zwei Freunde des Patentschutzes gar wohl darüber streiten, ob der eine oder andere Detailpunkt besser in diesem oder jenem Sinn geregelt werde; das involvirt noch lange nicht, dass der Unterliegende desshalb auf den Schutz überhaupt Verzicht leiste.

Die Gegner weisen höhnisch darauf hin, dass das noch nicht 10 Jahre alte deutsche Patentgesetz einer Enquête unterworfen werde.

Mögen sie die Motive studiren; dann werden sie finden, dass sie nur auf Vervollkommnung hinzielen, ohne Grundsätze in Frage zu stellen, ausgenommen einen, von dem weiter unten noch die Rede sein wird.

119;) Soll das Ürtheil Hollands, welches anno 1870 sein Patentgesetz angeblich mit dem Motive, es sei nicht möglich, ein gutes zu machen, abgeschafft hat, mehr gelten, als dasjenige der industriereichsten Staaten der Welt, welche nicht nur ihre Gesetze über Erfindungsschutz behalten, sondern dieselben noch in liberalem Sinne ausbauen ?

Warum sollten diese Staaten schlechte Gesetze behalten wollen oder gar behalten müssen ?

Man soll uns nicht entgegnen, sie schrecken vor der Abschaffung derselben wegen der erworbenen Rechte zurück. Leichtern Herzens, als s. Z. bei uns das Gesetz über Phosphorzündhölzchen, könnten dort die Patentgesetze aufgehoben werden ; denn es liegt im Wesen des Patentschutzes, nur vorübergehende Eigenthunisreohte zu schaffen, nicht bleibende, so dass keine erworbenen Rechte verletzt würden, wenn ein Patentgesetz plötzlich abgeschafft würde mit der Uebergangsbestimtnung : Die im Moment der Gesetzaufhebung noch gültigen Patente laufen nach den Bestimmungen des aufgehobenen Gesetzes aus.

6. Das Anmeldeverfahren kann für die Schweiz nicht in Frage kommen, weil dasselbe zuPatentübersdhwemmung führen würde.

Belgien hat trotz Anmeldeverfahren blos 3 -- 4000 jährliche Patenterteilungen ; in der Schweiz würden in keinem Fall so viele Anmeldungen vorkommen (vergi, statistische Tabelle Seite 1197).

7. Das Prüfungsverfahren erfordert einen Apparat, der für die Schweiz zu gross ist. Wir würden bei uns die für dieses Verfahren befähigten Männer nicht finden.

Für die Richtigkeit der letztern Einwendung liegen keine Gründe vor ; wir bestreiten sie.

Was den ersten Punkt betrifft, so handelt es sich um eine approximative Kostenberechnung, wozu wiederum die Statistik Daten liefert.

Die Kosten des Patentamts betragen für ein ertheiltes deutsches Patent durchschnittlich 160 Mark. In Staaten mit progressiver Taxerhöhung von Jahr zu Jahr um den Betrag der ersten Jahrestaxe bezahlt ein Patent durchschnittlich im Ganzen die achtfache erste Jahrestaxe (im Beharrungszustand). Deutschland darf daher, einmal in BumlesblaM. 38. Jahrg.

Bd. II].

84

1200 Beharrungszustand gelangt, seine Taxen von gegenwärtig 30, 50, 100, 150, 200 etc. Mark auf 20, 40, 60, 80, 100 etc. Mark heruntersetzen, ohne das Reichsbüdget zu belasten.

Man darf Menadi wohl schliessen, dass die Schweiz mit Taxen von 30, 60, 90, 120, 150 etc. Franken ohne Büdgetbelastung das deutsche Verfahren (Prüfung mit Aufgebot) einführen könnte.

8. Die Existenz einer auch die Schweiz umfassenden internationalen Union zum Schutz des geistigen Eigenthums, sowie das Bestehen des Erfindungsschutzes in allen Kulturländern der Welt sind nicht als zwingend anzusehen für Einführung -des Palentschutzes in der Schweiz.

Der Einfluss der internationalen Union auf das Verhalten der Schweiz in der Patentfrage hat kürzlieh von kompetenter Seite seine Beurtheilung erfahren.

Bezüglich des zweiten Punktes citiren wir an dieser Stelle nur noch die Thatsache, dass die schon erwähnte deutsche Patentenquete u. A. auch die Frage zu untersuchen hat, ob betreffend Patentverleihung an Ausländer nicht der Grundsatz der Reziprozität in Anwendung zu bringen sei.

Wie nun, wenn diese Frage bejahend ausfallen würde? wie, wenn das deutsche Patentgesetz eine diesbezügliche Aenderung erleiden sollte? Würde nicht grosse Gefahr des Vorgehens in gleichem Sinne von Seite anderer Staaten entstehen ? Würde alsdann die Schweiz, deren Erfinder, so lange sie nicht auswanderten, überall schutzlos wären, nicht gezwungen sein, den Patentschutz bei sich einzuführen ?

Ist es der Schweiz würdig, sich zwingen zu lassen ? !

1201

Beleuchtung der

Tragweite des Tom Nationalrathe angenommenen Verfassungszusatzes betreffend Einführung des Erfindungsschutzes.

In der Junisession 1886 hat der Nationalrath gemäss Antrag des Herrn Bühler-Honegger folgenden Zusatz zu Artikel 64 der Bunderverfassung angenommen : Dem Bund steht die Gesetzgebung zu über den Schutz neuer Muster und Modelle, sowie solcher Erfindungen, welche durch Modelle dargestellt und gewerblich verwerthbar sind.

Wir stellen gleich hier fest, dass uns nur der Beisatz : «welche durch Modelle dargestellt sind» zu Kommentaren Veranlassung gibt.

Diese Redaktion hat die beabsichtigte Wirkung, die gewerblichen Erfindungen in zwei Klassen zu theilen, nämlich in patentfällige und nicht patentfähige ; sie geht aber noch weiter, indem sie die Patentberechtigung einer patentfähigen Erfindung an eine bestimmte Bedingung knüpft.

Nach dem Nationalrathsbeschluss sind: Patentfähig, alle gewerblich verwerthbaren Erfindungen, welche durch Modelle darstellbar sind, das heisst, welche eine charakteristische plastische Form besitzen.

Patentberechtigt dagegen nur diejenigen patentfähigen Erfindungen, welche durch Modelle dargestellt sind.

Wir werden die Frage der Patentfähigkeit in ihren Wirkungen auf die inländischen industriellen Verhältnisse zuerst in Betracht ziehen und erst nachher auf die Bedingung der Patentberechtigung nebst Folgen eintreten.

I.

Alle zur Zeit existirenden Patentgesetze schützen drei Hauptkategorien von Erfindungen, welche zum Gegenstand haben: 1) Die Substanz oder Zusammensetzung neuer Produkte.

2) Die charakteristische Form neuer Produkte.

3) Herstellungsarten oder Fabrikationsverfahren.

1202 Wenn der Patentschutz an die Bedingung der Darstellbarkeit durch Modelle geknüpft wird, so ist die erste Kategorie ganz, die dritte im Wesentlichen vom Schutz ausgeschlossen.

Wir hätten uns darüber Rechenschaft zu geben, in welchem Verhältniss in der Schweiz zu patentirende Erfindungen von dieser Ausschliessung betroffen werden könnten. Der Natur der Stiche nach ist dies aber unmöglich und wir müssen uns darauf beschränken, zu untersuchen, in welchem Umfang schweizerische Erfindungen ungeschützt bleiben müssten. Da uns aus guten Gründen keine schweizerische Erfindungstatistik zu Gebot steht, sind wir gezwungen, diese Untersuchung auf dem Wege der Analogie zu führen, und nehmen demnach als Basis die in der schweizerischen Industriezeitung veröffentliche Patentliste, welche die 407, vom 26. Januar 1885 bis 19. Juli 1886 in verschiedenen Ländern erworbenen Patente für schweizerische Erfindungen enthält.

Wir kommen zu folgendem Resultat: Durch Modelle nicht darstellbare Erfindungen

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407

1203 Ilienach würden etwa neun Zehntel der schweizerischen Erfindungen patentfähig sein, was, verglichen mit dem gegenwärtigen Zustand,0 einen grossen Fortschritt bedeuten würde. Die Bedingung der Darstellbarkeit durch Modelle dürfte von den meisten, am Erfindungsschutz direkt interessirten, Gewerbetreibenden hingenommen werden.

Auch wir finden, man müsse weitergehende Wünsche zu beschränken wissen, wenn die Einführung jener Bedingung in die Verfassung den einzigen Boden bildet, auf welchem sich die Freunde und Gegner des Erfindungsschutzes verständigen und von dem aus auch die bisherigen Gegner dem Volk gegenüber die Aufnahme des Erfindungsschutzes in die Verfassung vertheidigen können. Ohne diese absolute Nothwendigkeit sollte man indess die Möglichkeit nicht opfern, auch andere, als im weitern Sinn mechanische, Produkte, wie z. B. Legirungen, Zündstoffe, Kältemischungen, Löschmittel, Kunstdünger etc., sowie Fabrikationsverfahren, deren fortschreitende Entwicklung für das Gedeihen der Industrie von so immenser Bedeutung ist, der Wohlthat des Patentschutzes theilhaft werden zu lassen.

Die Bedingung der Darstellbarkeit durch Modelle erreicht den Zweck, gewissen Industriezweigen, welche durchweg Nichts vom Patentschatz wissen wollen, Satisfaktion zu geben, ohne dass sie namhaft gemacht werden müssten.

Manche, die es mit ihrem Mandat nicht vereinbar halten, einhellig widerstrebende Industrien unter den Patentschutz zu zwingen, denen es aber daran gelegen ist, die Bundesverfassung nicht mit Details zu belasten, mag dieser formale Umstand zu einer Verständigung bewegen haben.

Wir könnten uns mit diesem Standpunkt befreunden, wenn nicht gleichzeitig andern Industrien, mindestens grossentheils gegen ihren Willen, der Patentschutz durch dieses Vorgehen vorenthalten würde.

Wir halten es nicht für nützlich, recht und billig, dass einer Formsache vitale Interessen von Industrien und Erfindern geopfert werden, und glauben namentlich, es sei derselben im Hinblick auf andere Verfassungsartikel, welche, wie z. B. Art. 32bis, sehr in's Detail gehen, nicht allzu viel Bedeutung beizumessen.

Wir würden daher lieber sehen, wenn die Industrien einzeln namhaft gemacht würden, welche nicht unter Patentschutz stehen sollen, weil sie es einstimmig nicht wollen.

Diese sind : Farbenindustrie, Bleicherei, Zeugfiirberei und Zeugdruckerei.

1204 II.

Während die im Nationalrathsbeschluss implicite enthaltene Bedingung der Patentfähigkeit eindeutig ist, lässt die Bedingung der Patentberechtigung : ,, . . . . E r f i n d u n g e n , w e l c h e d u r c h M o d e l l e d a r g e s t e l l t s i n d . . . . " verschiedene Interpretationen zu.

Leider fehlt die authentische Interpretation. Wir sehen uns daher gezwungen, selbst zu interpretiren, und thun dies, um unserer Aufgabe möglichst gerecht zu werden, auf zweierlei Arten, nämlich das eine Mal vom weitherzigsten, das andere Mal vom engherzigsten Standpunkt aus.

A. Weitherzige Interpretation der Bedingung der Patentberechtigung.

Das Verlangen, eine patentberechtigte Erfindung- müsse durch ein Modell dargestellt sein, besagt nur, es sollen zur Patentirung keine andern Erfindungen zugelassen werden, als solche, von deren.

Ausführbarkeit der Erfinder sich selbst und nöthigenfalls Dritte durch wirkliche einmalige Ausführung, sei es in Natura oder im Modoll, überzeugen könne.

Der zu patentirende Gegenstand muss in der Regel in Natura oder im Modell dem Patentamt eingereicht werden; jedoch nicht, um dauernd dort behalten zu werden, da auch diese erste Ausführung Eigenthum des Erlinders bleibt. Handelt es sich um Patentirung von Sachen, die nur im Grossen ausgeführt sind, sich also nicht zur Einsendung an das Patentamt eignen, so können die Patentamtsorgane auf Kosten des Erfinders an den Erstellungsort reisen, um sich vom Vorhandensein einer ersten Ausführung zu Überzeugen. Es steht dem Patentamt frei, vom Erfinder Zeichnungen und geschriebene Erläuterungen zu verlangen.

Gemäss dieser Interpretation bezweckt die nationalräthliche Bedingung der Patentberechtigung für das Interesse des Erfinders nur so viel, dass er nicht in Versuchung komme, Unmöglichkeiten patentiren lassen zu wollen; und etwa noch, dass der des Zeichnens ungewohnte Erfinder eine graphische Darstellung der Erfindung vermeiden kann. Im Uebrigen stellt sie sich als eine Konzession an die Gegner des Erfindungsschutzes dar.

Von der wahrscheinlichen Vertheuerung der Patenterlangung wollen wir schweigen ; wir müssen aber auf die enorme Schwierigkeit hinweisen, bei Herstellung eines Modells die Erfindung geheim zu halten, was doch unbedingt nothwendig ist, um sich gegen illoyale

1205 Ausbeutung zu sichern, da ja das Patent erst nach der Herstellung des Modells erhältlich ist. Wir müssen darauf hinweisen, wie viel ,,umständlicher im Allgemeinen die Herstellung eines Modells ist, als die Anfertigung einer Zeichnung, um wie viel schmerzlicher also die Enttäuschung des Patentsuchers, wenn der Schutz wegen Mangel an Neuheit verweigert werden muss. Wie herb muss besonders der unbemittelte Erfinder diese Schwierigkeiten und ungünstigen Eventualitäten empfinden !

Man gebe sich nicht etwa dem Wahn hin, die Bedingung der Modellanfertigung erleichtere den Verkehr des Erfinders mit dem Finanzmann ; denn vor der Patenterteilung wird ein solcher mit dem Erfinder Überhaupt nicht in Beziehung treten und nach der Patentirung ist ein eventuell zu diesem Zweck wünschbares Modell viel leichter herzustellen als -vorher.

Man glaube auch nicht, dass in Fällen von Patentanfechtungen im Allgemeinen ein Vortheil im Vorhandensein von Modellen liege; in der Mehrzahl der Fälle werden Zeichnungen dein Sachverständigen viel besser dienen, als Modelle, weil bei jenen nichts Wesentliches versteckt sein kann, bei diesen aber wohl.

Die nationalräthliche Bedingung der Patentberechtigung stellt sich daher selbst bei weitherzigster Interpretation immer noch als eine ganz wesentliche Beschränkung des Erfindungsschutzes dar.

Wenn wir gleichwohl glauben, einsichtige Freunde des Patentschutzes dürfen im Falle äusserster Notwendigkeit die Bedingung des nationalräthlichen Beschlusses (in obiger Weise interprerirt) acceptiren, so geschieht das im Vertrauen darauf, ein auf demselben basirtes, im Uebrigen zweckmässig formulirtes Patentgesetz werde binnen kurzer Zeit die Bedenken der jetzigen Patentgegner derart entkräften, dass alsdann dem Erlass eines neuen, weit angelegten, den Erfordernissen der Industrie-Entwicklung gut angepassten Patentgesetzes keine erheblichen Hindernisse mehr entgegenstehen werden.

B. Engherzige Interpretation der Bedingung der Patentberechtigung.

Die Bedingung der Patentberechtigung verlangt : Anlässlich der Patentbewerbung muss jede Erfindung in Natura oder im Modell beim Patentamt eingereicht werden. Letztere Form ist unerlässlich, wenn der Gegenstand der Erfindung in Natura die durch das Patentamt vorgeschriebenen Dimensionen überschreitet,.

1206 oder so klein ist, dass dessen Eigenthümlichkeiten mit unbewaffnetem Auge nicht gut wahrgenommen werden können.

Die Modelle gehen nach der Patentertheilung ohne Entschädigung an die Erfinder in's Eigenthum des Patentamtes über.

Da die Modelle im Fall von Patentanfechtungen und Patentstreiten als erste Beweismittel gelten sollen, müssen sie sorgfältig und dauernd aufbewahrt bleiben.

Wenn diese Interpretation richtig ist, so gesellen sich den vordem erwähnten Einschränkungen noch folgende schwerwiegende Uebelstände bei: Eine so bedeutende Vermehrung der privaten Kosten einer Pateuterwerbung, dass der unbemittelte Erfinder in der Regel von vornherein darauf verzichten muss. Also faktische Schutzlosigkeit der kleinen Leute.

Mit der Zunahme der Patentertheilungen das Erforderniss, für die Ordnung der Modelle geeignete Lokalitäten zu schaffen, welche bei nur massigem Patentzufluss vom In- und Ausland innert kurzer Zeit unerwartet grosse Ausdehnung verlangen.

In Folge dessen das Bedürfniss, der Patentverwaltung mit Staatsmitteln beizuspringen, oder aber bedeutende Erhöhung der PatentTaxen, d. h. eine weitere Inanspruchnahme der Erlinder.

Die grosse Masse des Volks würde ein unter diesen Auspizien erlassenes Gesetz bald als eine Einrichtung betrachten, welche nur den ,,Herren" Vortheil bringe, und deshalb die erste beste Gelegenheit ergreifen, dasselbe abzuschaffen. -- Dann wäre bei unsern konstitutionellen Einrichtungen der Erlass eines neuen Patentgesetzes auf jeder, also auch auf liberaler Grundlage in unabsehbare Ferne gerückt.

Hieraus erhellt, dass überzeugte, einsichtsvolle Freunde de» Erfindungsschutzes die nationalräthliche Fassung des Patentschutzartikels, falls die engherzige Interpretirung desselben der authentischen nahe kommen sollte, nicht acceptiren können.

120T

Grundlagen für

ein schweizerisches Patentgesetz.

Der Patentschutz bezweckt die Regelung der Wechselbeziehungen zwischen den die Industrie fördernden Erfindern und den Konsumenten zum Wohl des Ganzen.

Die gewerblichen Interessen eines Landes leiden sowohl, wenn der Erfinder gar nicht, als auch, wenn er zu einseitig geschützt wird.

(Die höchste Potenz des einseitigen Erfinderschutzes würde darin bestehen , dem Erfinder seine Erfindung als auf ewige Zeiten unbeschränldes Eigenthurn zu garantirei).) Der zweckmässige Schutz muss also zwischen beiden Extremen liegen ; über das genaue Wo gibt es naturgemäss Meinungsverschiedenheiten. Die verschiedenen Volksstärnme sind ungleich in Kultur, Lebensart, Rechtsanschaimng, industrieller Entwicklung etc. ; wäre es nicht mehr als überraschend, wenn trotzdem die Patentgesetze aller Länder nach derselben Schablone zugeschnitten wären ?

Die Verschiedenheit der Patentgesetze in verschiedenen Ländern ist also weit davon entfernt, für die Behauptung Beweismittel zuliefern, es sei unmöglich, ein gutes Patentgesetz zu machen ; noch weniger bieten die individuellen Meinungsverschiedenheiten über Ausbau von Patentgesetzen solche Beweismittel; allüberall heisst es: ,,Viel Köpf, viel Sinn'." AVarum nicht auch in diesem Gebiet?

Offenbar ist man nicht berechtigt, von einem bestimmten Patentgesetüi zu sagen : Dieses ist das allein zweckmässige. Vielmehr kann jedes Gesetz gut sein, wenn es in richtiger Würdigung der einschlagenden Verhältnisse des betreifenden Landes aufgestellt worden ist; unfehlbar jedoch wird auch das beste Patentgesetz nicht sein, und ganz besonders wird es nicht für alle Zukunft unantastbare Geltung haben können, weil eben die Verhältnisse, denen es angepasst war, sich, wenn auch langsam, immerfort ändern.

Bei aller Verschiedenheit des Ausbaues haben die Patentgcsetze das Prinzip gemeinsam, dass durch das Patent die Erfindung zu einer Sache gestempelt wird, welche geeignet ist, Jemandem als Eigenthum anzugehören.

1208

Hierauf gestützt erlauben wir uns in Folgendem dio Erörterungderjenigen Grundlagen, auf denen nach unserm Dafürhalten ein .schweizerisches Patentschutzgesetz ruhen sollte: 1. Eine Erfindung soll in der Kegel spätestens 20 Jahre nach ihrer Patentirung Gemeingut werden.

2. Ein gültiges Patent kann nur für eine neue, gewerblich verwerthbare Erfindung erworben werden.

3. Nur der Erfinder resp. sein Bevollmächtigter oder Rechtsnachfolger kann ein gültiges Patent erwerben.

4. Die ertheilten Patente müssen in Jedermann leicht zugänglicher Weise veröffentlicht werden.

5. Die Patente werden einer jährlichen Taxe unterworfen.

8. Die patentirten Erfindungen müssen im Inland ausgebeutet werden.

,, 7. Die industrielle Ausbeutung im Inland hat nach einer bestimmten Frist (von der Patentertheilung an gerechnet) zu erfolgen.

8. Ein eventueller Lizenzzwang darf nur vom Bund und von diesem nur im öffentlichen Interesse ausgeübt werden.

9. Der Bund hat gegenüber patentirten Erfindungen das Expropriationsrecht.

Ad 1. Für die meisten Erfindungen kommt die Grosse des Maximums der Gültigkeitsdauer eines Patentes nicht in Betracht; es handelt sich hier also nur darum, wirklich bewährte Erfindungen in's Auge zu fassen und solche, deren Ausbeutung einen aussergewöhnlichen Apparat erfordert.

Bis zu einer gewissen Gültigkeitsdauer geht das Interesse (IciIndustrie mit demjenigen des Erfinders Hand in Hand, weil in der Regel Niemand so sehr, wie der Erfinder, befähigt ist, die Erfindung zur Geltung zu bringen, oder weil sie unter Schutz überhaupt leichter der Entwicklung fähig ist, als ohne einen solchen.

In einer weitern Periode hat die Industrie kein Interesse mehr am Fortbestand des Schutzes und noch später würde sie in demselben ein wirkliches Hemmniss erblicken müssen. Das Interesse des Erfinders hingegen erheischt immerhin möglichst lange Dauer des Schutzes, so dass bei jeder bedeutenden geschlitzten Erfindung der Zeitpunkt erscheint*, wo die gegenseitigen Interessen gegen einander abzuwägen sind, wobei der Erfinder noch denVortheill hat, dasBilligkeitsgefühll für sich in Anspruch nehmen zu können.

* D. h. theoretisch genommen, wenn die Dauer des Schutzes unbegrenzt wäre.

1209 Da es nun in der Praxis viel zu weit führen würde, in jedem ·einzelnen Falle die Interessen gegenseitig abzuwägen und zu bestimmen, welcher Einrluss der Billigkeit einzuräumen sei, so ist man notbgedrungen dazu gekommen, in jeder Gesetzgebung ein Maximum der Gültigkeitsdauer aufzustellen. Dasselbe variirt in den hauptsächlichsten Industrieländern zwischen 14 und 20 Jahren.

Liegt es in der Absicht des Gesetzgebers, ein für alle Fälle ausnahmslos bindendes Maximum zu bestimmen, so ist es empfehlenswerth, dasselbe hoch zu bemessen ; will man dagegen der kompetenten Behörde das Recht zuerkennen, Ausnahmefälle ausnahmsweise zu beurthcilen, so ist kein plausibler Grund vorhanden, das Maximum der Gültigkeitsdauer auf mehr als 15 Jahre festzusetzen.

Ad 2, Die Bestimmung ,,gewerblich venverthbar" hat den Sinn, dass die zu schützende Erfindung nicht in einer unverarbeiteten Idee bestehen darf, sondern dass sie eine bestimmte Form angenommen haben muss, nach welcher die technische Ausnutzung oder Herstellung direkt möglich ist.

Es würde beispielsweise s. Z. nicht genügt haben, zu erklären, man wolle mittelst einer Drahtleitung1 auf elektrischem Wege die Stimme, auf grosse Entfernung fortpflanzen, um das Telephon patentiren zu lassen; sondern es bedurfte zu diesem Zweck Angabe und Beschreibung der konkreten Mittel, wodurch jene Idee in's Leben gerufen werden konnte.

Betreffend die Bedingung ,,Neuheit der Erfindung" ist Folgendes zu sagen : N. N. kann Etwas erfunden haben, was andern Orts schon bekannt ist. Für diese seine subjektive Erfindung kann er kein gültiges Patent erlangen, denn er hat damit dem Gemeinwohl keinen Dienst geleistet, hat überhaupt objektiv nicht mit Erfolg gearbeitet.

Es liegt also Nichts vor, womit er seine Ansprüche materiell begründen könnte.

Eine andere Frage ist die, ob eine früher bekannte, jetzt aber verschollene Sache gewerblicher Natur Gegenstand eines Patentes sein könnte. Wir müssen sie verneinen, einmal aus Gründen der Opportunität, hauptsächlich aber desshalb, weil dem betreffenden Patentbewerber jeder Anspruch auf ein spezielles Vorzugsrecht fehlt.

Ad .1 Der hier ausgesprochene Grundsatz bedarf wohl keiner Auseinandersetzung, er ist eiu direkter Ausfluss des öffentlichen Kechtsbewusstseins.

Dagegen dürfte es angezeigt sein, an dieser Stelle dem möglichen Einwarf zu begegnen, dass die Grundsätze sub 2 und 3 die Einführung

1210 des Vorprüfungsverfahrens in eine eventuelle schweizerische Patentgesetzgebung bedingen.

Dieser Einwarf wäre gerechtfertigt, wenn dort schlechthin von Patenten die Eede wäre. Dies ist aber nicht der Fall, denn beide Sätze handeln von ,,gültigen" Patenten ; sie besagen, dass für nicht neue Erfindungen und an Andere als die Erfinder ortheilte Patente ungültig sein werden, sobald die betreffenden Beweise erbracht sind.

Ueber das Wie und Wann der Beweisführung (welches Formsachen sind) sprechen sie nicht und präjudiziren desshalb die Frage des Verfahrens bei der Patenterteilung keineswegs.

Dieser Frage wird von vielen Seiten so grosso, Wichtigkeit beigelegt (wir glauben zwar, mit Unrecht), dass es nicht schaden dürfte, wenigstens die zwei hauptsächlich in Anwendung kommenden Verfahren, nämlich das Anmeldeverfahren und das Vorprüfungsverfahren, einer kurzen Besprechung zu unterziehen.

Beim Anmeldeverfahren werden die Eingaben nur daraufhin untersucht, ob sie der büreaukratisch geforderten Form entsprechen ; ist dies der Fall, so wird das Patent ertheilt.

Vortheile: Rascher Geschäftsgang.

Geringe Verwaltungskosten.

Eventuell geringe Patenttaxen, falls man sich auf don Boden stellt, dass die Taxen nur so hoch bemessen werden sollen, um die Verwaltungskosten des Patentamts zu decken.

Nachtheile: Belästigung der Industie und rechtmässiger Patentinhaber durch Patente für Sachen, welche schon Gemeingut geworden oder früher einem Andern patentirt worden sind.

Verhältnissmässig viele Patentprozesse.

Beim Vorprüfungsverfahren werden die Eingaben wesentlich in Bezug auf Neuheit der Erfindung geprüft und darnach ihre .Patentfähigkeit beurtheit. Die Identität des Patentsuchers mit dem Erfinder wird durch eidliches Zeugniss festgestellt (Vereinigte Staaten von Nordamerika), auch wohl auf dem sog. Aufgebotsweg zu ermitteln gesucht, oder endlich im Fall von Klageführung richterlichem Urtheil anheimgestellt (Deutsehland).

Vortheile: Reduktion der Belästigung von Industrie und rechtmässigen Patentinhabern durch Patentirung alter oder schon patentirter Sachen auf ein Minimum.

Verhältnissmässig wenige Patentprozesse.

Nachtheile : Schleppender Geschäftsgang.

Bedeutende Verwaltungskosten.

Eventuell höhere Patenttaxeu.

Genau genommen, werden die Erfindungen nach beiden Verfahren auf Neuheit geprüft; im einen Fall aber nach der Patentortheilung durch die Gerichtsbehörden, im andern Fall dagegen vor der Patentertheilung durch eine Verwaltungsbehörde.

Im letzten Fall werden alle Patente geprüft, im ersten nur die eingeklagten, also nur ein Bruchtheil.

Dieser letzte Umstand spricht zu Gunsten des Anmeldesystems, zu seinen Ungunsten aber, dass für jede Prüfung ein Prozess angehoben werden muss.

Es ist liier nicht der Ort, über die Wahl des für die Schweiz vortheilhaftern Systems ein Urtheil abzugeben ; um so weniger, als auch noch Modifikationen der Systeme in Betracht zu ziehen wären.

Dagegen müssen wir darauf hinweisen, dass unsere inländischen Verhältnisse die Einführung sowohl des einen wie des andern Verfahrens gestatten würden.

Für das Anmeldeverfahren bedarf es keines Beweises.

Wohl aber haben sieh gegen Einführung des Prüfungsverfahrens Einwände geltend gemacht. Sehen wir uns daher die Ausübung desselben in Deutschland näher an.

Wenn man alle Verwaltungskosten des deutschen Patentamtes pro Jahr durch die Anzahl der jährlich ertheilten Patente dividirt, so entfallen pro Patent circa 160 Mark.

Die Statistik zeigt, dass bei längerer Dauer eines Patentgosetzes, welches jährliche, um die erste Jahrestaxe progressiv wachsende Taxen vorsieht, ein Patent durchschnittlich die achtfache erste Taxe bezahlt.

Daraus folgt, dass Deutschland, ohne Belastung des Reichsbüdgets durch die Patentamtsverwaltung, folgendes Taxensystem aufstellen könnte.

1.

2.

3.

4 15. Jahr.

20 40 60 80 300 Mark.

So viel über die finanzielle Seite des deutschen Patentertheilungsverfahrens.

Ueber die Wirksamkeit desselben geben folgende Zahlen Aufschluss: Von 100 Patentanmeldungen passiren 62 die Prüfung, 4 fallen im Aufgebot, so dass 58 rechtskräftige Patente ertheilt werden.

Von 100 rechtskräftigen Patenten werden 2,4 angegriffen, wovon die Hälfte mit ganzem oder theil weisem Erfolg.

1212 Aus all' diesen durch die Statistik gelieferten Zahlen folgt, dass das deutsche Verfahren ganz gut funktionirt und eine sehr erhebliche Taxverminderung zulassen würde.

Auch in Deutschland wurden seiner Zeit, wie jetzt bei uns., Bedenken darüber geäussert, ob es auch möglich sein würde, geeignete Examinatoren zu finden. Der Erfolg hat gezeigt, dass jene Bedenken unbegründet waren, woraus mit grosser Sicherheit gefolgert werden kann, dass sie es auch bei uns sind.

Ad 4. Nach heutiger Auffassung reimt sich Patentschutz mit Geheimhaltung nicht mehr zusammen. Der Schutz wird als staatliche Gegenleistung für die Veröffentlichung der Erfindung betrachtet.

Das Eine bedingt das Andere.

Wenn die Patente den Erfindungen schnelleren Eingang in die Industrie schaffen sollen, so ist Veröffentlichung derselben unerlässlich.

Nicht nur sollen andere Erfinder durch Veröffentlichung des Patentes vor der vergeblichen Arbeit des nochmaligen Erfindens behütet werden ; sondern es sollen auch möglichst viele fähige Köpfe durch Verbesserungen mitarbeiten können, um eine Erfindung rasch zu vervollkommnen.

Wie könnte zudem Jemand, dem die Möglichkeit fehlt, zu wissen,, was patentirt worden ist, wegen unbefugter Nachahmung gesetzlicher Bestrafung verfallen?

Als Muster von Patentveröffentlichungen können die in Deutschland, England und den Vereinigten Staaten gebräuchlichen Systeme gelten.

Ad 5. In allen bestehenden Patentgesetzen ist die Anschauung zum Ausdruck gebracht, dass die Patentbewerber zur Bezahlung einer staatlichen Taxe verpflichtet seien, deren Gesammtertrag mindestens die Verwaltungskosten des Patentamtes deckt.

In der Schweiz wird die Patentertheilung sicher nicht als fiskalische Einnahmequelle angesehen werden ; anderseits werden wir uns kaum mit der idealen Anschauung befreunden, dass die Erfinder als Wohlthäter der Menschheit nicht mit Extrataxen belastet werden sollten.

Da also ohne Frage das Budget der Patentamtverwaltung den Patentnehmern aufgebürdet werden wird, so kann es sich hier nur um die zweckmässigste Art der Taxentrichtung handeln.

Wir sind der Ansicht, dass die Vertheilung der Taxe auf jährliche Raten das beste System ist. Jährliche Taxen fallen mit dem Interesse der unbemittelten Erfinder zusammen. Wenn die Gültigkeit eines Patentes an die Zahlung der jährlichen Taxe gebunden ist.

1213 so ist es ganz in das Ermessen des Erfinders gestellt, welche Dauer innerLaib des Maximums der Gültigkeitsfrist er seinem Patent geben will.

Nicht rentirende Patente werden also bei diesem Taxsystem baldigst über Bord geworfen und nicht durch die ganze Maximaldauer als unnützer Ballast mitgeschleppt.

Auf die Höhe der Patenttaxen, sowie auf die Frage, ob sie von Jahr zu Jahr konstant oder veränderlich sein sollen, kann an dieser Stelle nicht eingetreten werden; dagegen erlauben wir uns, noch auf eine Erleichterung hinzuweisen, welche dem unbemittelten Erfinder geboten werden kann durch Stundung der Patentgebühren der ersten Jahre auf eine bestimmte Frist.

Ad 0. Dieser Grundsatz enthält eine Bedingung für Gültigkeit, der Patente, welche von den schweizerischen Verfechtern des Patentschutzes jederzeit in den Vordergrund gestellt worden ist, und zwar, wie uns scheint, mit vollstem Eecht. Da die Schweiz nicht nur an Inländer, sondern auch an Ausländer Patente abzugeben haben wird,, so ist die inländische industrielle Ausbeutung nicht selbstverständlich..

Bei dem der Schweiz eigentümlichen Zollsystem, in Mitte schützzöllnerischer Staaten, würde uns ein Ersatz jener Bedingung durch Reziprozitätsverträge nicht geboten werden können. Einestheils könnten die Vortheile der Reziprozität von Unberechtigten mit leichter Mühe erschlichen werden ; anderntheils kann jeder Schutzzollstaat die Reziprozität illusorisch machen, indem er die Einfuhr bei uns erzeugter und bei ihm patentirter Artikel mit Zollerhöhung belegt.

Die Chancen eines Zollkampfes der Schweiz mit ihren mächtigen Nachbarn sind aber bis anhin stets sehr niedrig angeschlagen worden.

Die inländische Ausbeutung stellt sich daher als ,,conditio sine qua non" heraus.

Ad 7. Der hier enthaltenen Bedingung bedarf es nach der Meinung vieler Patentschutzfreunde nicht, weil der Patentinhaber durch sein eigenstes Interesse dazu gedrängt werde, die Ausbeutung des Ehesten zu beginnen.

Gut! es mag dies sich so verhalten; dann aber schadet diese Bedingung keinem Patentinhaber und dient doch ängstlichen Seelen zur Beruhigung. Hauptsächlich dieser wegen ist jene in die Grundsätze aufgenommen worden. Uebrigens dürfte sie doch hin und wider in vereinzelten Fällen gute Dienste leisten, denn im öffentlichen Interesse liegt die baldigste Patentausbeutung sicherlich.

Es ist übrigens nicht zu verkennen, dass Grundsatz 7 eine logische Folge von Grundsatz G und eine praktische Ergänzung desselben ist.

1214 Ad S. Einen unbedingten Lizenzzwang fordert wohl kein Patentschutzfreund ernstlich, denn einer der grössten Vortheile für die Industrie, welche mau im Patentschutz erblickt, nämlich Hebung derselben durch Arbeitsteilung, würde illusorisch, wenn jeder Konkurrent die Macht hätte, vom Erfinder die Erlaubniss zu erzwingen, dessen Patent ·-- allerdings gegen Entschädigung -- auszubeuten.

Der absolute Lizenzzwang, geeignet, den Patentschutz in seinen Grundvesten zu erschüttern, bietet übrigens ein unverhältnissmässig theures Mittel zur Verbreitung von Erfindungen, weil bei einer Unzahl erzwungener Lizenzen Prozesse über den Betrag der Lizenzgebühr angehoben würden.

Viele Patentschutzfreunde bekämpfen auch den bedingten Lizenzzwang, und zwar ungefähr mit denselben Motiven, wie den zeitlichen Ausbeutungszwang.

In der milden Form, worin wir ihn sub 7 andeuten, dürfte er indess ängstlichen Gemüthern gegenüber wenigstens als Palliativ wirken ; zudem sind in der That Ausnahmefälle denkbar, wo man liber das Recht der Bundesbehörden zur Ergreifung strenger Maßnahmen gegen ungebührlich renitente Erfinder froh sein dürfte.

Ad 9. Hiezu ist weiter nichts zu bemerken, es ist wohl selbstverständlich , dass der Bund von seinem Expropriationsrecht nur Gebrauch machen wird, wenn es sich um das Gemeinwohl handelt.

1215

13 e i 1 a sr e n.

I. Ergebniss der in England und Deutschland veranstalteten Enqueten über die Nützlichkeit des Patentschutzes.

Auszug aus dem Bericht der Spezialkommission des englischen Unterhauses, welche 1871 beauftragt wurde, eingehend zu prüfen, wie das englische Patentgesetz funktionire.* ,,Ihre Kommission hat die während der letzten Session begonnene Enquête betreffend das Patentgesetz, das ihm eigenthümliche Verfahren und den Einfluss der Patente fortgesetzt; sie hat die sachbezüglichen Depositionen hervorragender Rechtsgelehrter, Patentanwälte, Erfinder und Industrieller des In- und Auslandes ernster Würdigung unterzogen und ist zu den in folgenden Resolutionen niedergelegten Endresultaten gelangt: 1. Die durch Patente gewährten Privilegien begünstigen den Fortschritt der Industrie, indem sie die Einführung vieler wichtiger Erfindungen veranlassen, welche sich viel schneller entwickeln, als es ohne Patente der Fall sein würde.

2. Die Patente führen zur Veröffentlichung und Anwendung zahlreicher Verbesserungen, von denen jede von sekundärer Bedeutung sein mag, welche aber in ihrer Gesammtheit mächtig auf den industriellen Fortschritt einwirken.

3. Auch ohne den Patentschutz würde die gegenseitige Konkurrenz der Industriellen zweifellos der Einführung verbesserter Verfahren und Werkzeuge rufen ; wahrscheinlich aber würde sich dieselbe ohne den mächtigen Ansporn, den Patente geben, langsamer machen.

* Obige Resolutionen verdienen um so mehr Beachtung, als die mit der Enquête betraute Kommission dieselbe mit der grössten Unparteilichkeit durchführte und sogar Herrn Schneider vom Creuzot (Frankreich) hören wollte, der als einer der entschiedensten Patentgegner bekannt ist.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

85

1216 4. Es scheint unwahrscheinlich, dass die durch Patentertheilung gewährten zeitlich beschränkten Privilegien mit Vortheil flir das Gemeinwohl durch Gewährung von Belohnungen in Baar ersetzt werden könnten.

8. Alle Patente sollten der Bedingung unterworfen werden, dass ihre industrielle Ausbeutung im Gebiet der vereinigten Königreiche stattfinde, und zwar in einem Umfang, wie ihn das Publikum vernünftigerweise und den vorhandenen Interessen Rechnung tragend verlangen kann.

9. Das Patent für eine Erfindung, welche in einem fremden Land ausgebeutet worden ist, soll nur dann gültig sein, wenn die Erfindung dortselbst auch patentirt ist, und wenn das Patent in den vereinigten Königreichen dem Erfinder, seinem Rechtsnachfolger oder Bevollmächtigten ausgestellt worden ist.

10. Die Patenttaxen sollten so bemessen werden, dass die Erfinder möglichst ermuthigt werden, ihre Erfindungen zu veröffentlichen.

Ihr Ertrag sollte in erster Linie dazu Verwendung finden, eine vollständige, gut organisante Statistik des industriellen Portschrittes in's Leben zu rufen und die bestehende Organisation der Patentangelegenheiten zu verbessern.

19. Die Kommission ist der Ansicht, dass man dazu gelangen sollte, die Patentgesetze und Verfahren der verschiedenen Länder in gewissem Maße zu unih'ziren ; und dass die Regierung Ihrer Majestät eingeladen werden sollte, sich bei den fremden Staaten und den Kolonien zu erkundigen, in wie weit deren Regierungen geneigt wären, auf eine internationale Regelung der Materie einzutreten."

Auszug aus den Motiven zum deutschen Patentgesetze.

,,Als die Verfassung des Norddeutschen Bundes ins Leben getreten und mit der Bestimmung des Artikels 4 derselben der Boden für eine deutsche Gesetzgebung gewonnen war, veranlasste die preussisehe Regierung im Bundesrathe eine Prüfung der Frage, ob die Beseitigung des Patentschutzes für Deutschland als zweckmässig zu erachten sei.

,,Noch ehe die Erwägungen hierüber beendigt waren, machte sich indessen in dem öffentlichen Meinungsaustausche zwischen den Freunden und Gegnern des Patentschutzes ein Umschwung bemerkbar.

1217 Während die Stimmen, welche bis dahin für die Beseitigung der Patente hervorgetreten waren, zurückhaltender wurden, erlangten die entgegengesetzten Anschauungen einen immer grösseren Anhang.

Ihre Verbreitung stieg mit der Organisation eines besonderen Patentschutzvereins, welcher, theilweise aus hervorragenden Männern der Wissenschaft und Industrie gebildet, sich den Erlass eines Reichspatentgesetzes zum Ziele setzte. Die dem Patentschutz günstige Meinung gewann endlich noch an Bedeutung, als auf Veranlassung der Kegierung Oesterreichs bei Gelegenheit der Wiener Weltausstellung 1873 ein internationaler Kongress zur Erörterung der Frage des Patentschutzes zusammentrat, welcher über die Fortbildung des Patentrechtes im Sinne einer Ausgleichung der nationalen Kechtsbestimmungen berieth. Auf der andern Seite verloren die Bestrebungen für die Beseitigung des Patentschutzes um so mehr an Boden, als in den beiden grössten Industriestaaten der Erde die öffentliche Meinung und die Gesetzgebung sich der entgegengesetzten Auffassung zuwandten. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde im Jahre 1870 der Patentschutz durch ein neues Gesetz geregelt und im weitesten Umfange anerkannt. In Grossbritannien hatte eine sehr umfassende Enquête über die einschlagenden Fragen ein dem Patentschutze günstiges Ergebniss. Die britische Regierung, weit enfernt davon, dem Gedanken an die Beseitigung des Patentschutzes Folge zu geben, legte vielmehr zur Verbesserung des bestehenden Rechtes die Hand an.

,,In Deutschland war inzwischen das Keich an die Stelle des Norddeutschen Bundes getreten und die Reiohsverfassung bezeichnete ebenso, wie die Verfassung des Norddeutschen Bundes es gethan hatte, die Erfindungspatente als Gegenstand der Gesetzgebung und der Beaufsichtigung des Reiches.

,,Zunächst kam dann die Frage des Patentschutzes im Jahre 1872 aus Anlass einer Petition im Eeichstage wieder zur Sprache. Der Reichstag vermied es damals, zur Sache selbst eine entschiedene Stellung einzunehmen; er lehnte die auf völlige Beseitigung des Patentschutzes gerichteten Wünsche ab und betonte nur das Bedürfniss nach einer einheitlichen Regelung 'für das Reich, indem er unter dem 10. Mai 1872 beschloss, den Reichskanzler zu ersuchen, auf einheitliche Regelung des Patentwesens durch die Reichsgesetzgebung hinzuwirken.

,,Die Frage,
ob der Patentschutz für die Entwickelung des Gewerbefleisses in der That von so erheblicher Bedeutung ist, wie es heutzutage vielfach angenommen wird, kann zur Zeit auf sich beruhen bleiben. Selbst wenn man das Urtheil darüber durch den

1218 derzeitigen Ausspruch der öffentlichen Meinung noch nicht für abgeschlossen ansieht, wird die reichsgesetzliche Regelung des Patentschutzes gegenwärtig um so weniger Bedenken erregen können, als die grossen Industriestaaten Europas den Patentschutz schwerlich in absehbarer Zeit aufgeben werden. Deutschland würde, zur Beseitigung desselben entschlossen, vielleicht in der Lage sein, mit einer darauf gerichteten Eeform voranzugehen, wenn die Aussicht vorläge, unter den übrigen Industriestaaten demnächst Nachfolger zu finden. Ob es aber gerathen, ob es überhaupt möglich wäre, einen solchen Schritt zu thun, wenn die Gewissheit dauernder Isolirung für Deutschland gegeben ist, erscheint mehr als fraglich."

II. Frequenz der Patentprozesse in verschiedenen Ländern.

Auszug eines Briefes vom belgischen Direktor der Abtheilung fUr gewerbliches Eigenthum an Herrn B. Frey-Godet.

,,Es erhellt aus den mir zugekommenen sachbezüglichen Mittheilungen, dass die belgischen Gerichte jährlich im Mittel nur 4--5 Patente vernichten.

,,Die durch gerichtlichen Spruch in Kraft der Art. 24 und 25 des belgischen Patentgesetzes vom 24. Mai 1854 verfügte Annullirung von Patenten ist daher fast,ebenso selten, wie die von der Administrativbehörde in Kraft des Art. 23 desselben Gesetzes ausgesprochenen Verfall-Erklärungen wegen fehlender Ausbeutung."

(5.r'November 1886.)

Auszug eines Briefes des Präsidenten des kaiserlich deutschen Patentamtes an Herrn B. Frey-Godet.

,, . . . . Was die Zahl der Prozesse wegen Patentverletzungen anlangt, so lässt sich diejenige der Civilprozesse nicht angeben. Die Kriminalstatistik ergibt ebenfalls nicht die Zahl der Strafsachen wegen Patentverletzung für sich a l l e i n , sondern nur mit den Straf-

1219

Sachen wegen Verletzung des Urheberrechts an Mustern und Modellen in einer ungetrennten Summe. Danach waren die Zahlen in Betreff beider Kategorien von Sachen für das ganze Reich: Strafbare Handlungen überhaupt

Angeklagte Personen

solche, wegen deren Verurtheilung erfolgt ist

überhaupt

Verurtheilte

1882

41

28

55

29

1883

52

26

74

28

1884

67

27

88

31

,,Ueber die im Nichtigkeitsverfahren behandelten Patente enthält die alljährlich im Patentblatt (vergi, zuletzt 1886 Nr. 4) veröffentlichte Statistik das Nähere. Die Gesammtzahl der auf Vernichtung von Patenten lautenden rechtskräftigen Entscheidungen für die Jahre 1877--1885 inkl. beträgt darnach 154 ... . ."

(November 1886.)

Auszug eines Briefes des englischen Patentkommissärs J an Herrn B. Frey-Godet.

,,Ihre Fragen beantwortend, mache ich Ihnen die Mittheilung, dass die Anzahl der von den Gerichtshöfen des vereinigten Königreiches angehörten Fälle von Patentübertretungen in den Jahren 1884 und 1885 je 21 resp. 26 betrug.

,,Patente werden auf Grund ihrer Ungültigkeit sehr selten zurückgezogen, weil Jedermann ohne Risiko einer Schadenersatzklage solche benützen kann.

,,Patente, welche durch die Gerichte oft als ,,theilweise schlecht" erklärt werden, können gemäss Art. 18 des Patentaktes durch Widerrufung amendirt werden; dann werden solche Patente für das Uebrigbleibende gültig.

,, . . . . Ich glaube, dass gegenwärtig die öffentliche Meinung gewiss mehr zu Gunsten des Erfindungschutzes durch Verleihung zeitweiliger Monopole hinneigt, als vor einigen Jahren . . . . " (22. November 1886.)

1220

Auszug eines Briefes vom Direktor der Innern Handelsangelegenheiten in Frankreich an Herrn B. Frey-Godet.

,,Was die Vernichtungs- und Verfallerklärungen von Patenten anbetrifft, so werden der Handelsabtheilung nur diejenigen mitgetheilt, welche in absoluter Weise ausgesprochen worden sind, d. h.

auf Verlangen der Staatsanwaltschaft.

,,Die Handelsabtheilung hat seit langen Jahren keine derartigen Mittheilungen erhalten."

(18. November 1886.)

m. Wirkung der obligatorischen Hinterlegung von Modellen.

Auszug eines Briefes des Patentkommissärs in Washington an den Sekretär des Innern.

,, Laut Kongressbeschluss vom 4. Juli 1836 war jeder Bewerber eines Patentes genöthigt, sein daheriges Gesuch in Begleitung eines Modelles einzureichen ,,in allen Fällen, wo es thunlich war, die Erfindung mittelst eines Modelles in schicklicher Grosse darzustellen, zum Zwecke dessen Bestandtheile besser zur Anschauung zu bringen " (siehe Sektion 6, Pag. 119, Vol. 5 der Bundesgesetze, Statutes at Large).

,, Diese Bestimmung blieb in Kraft und wurde befolgt bis am 8. Juli 1870 ein Gesetz ,,zur Revision, Konsolidirung und Ergänzung der Bestimmungen betreffs Patent- und Verlagsrecht" Gültigkeit erhielt.

,,Sektion 29 dieses Gesetzeserlasses von 1870, welcher seither und jetzt noch in Kraft ist, verfügt, dass in denjenigen Fällen, welche eine Darstellung durch Modell zulassen ,,der Bewerber nur dann gehalten ist, ein solches einzureichen, wenn es vom Commissioner (Vorsteher des Patentamts) verlangt wird" (siehe Sektion 29, Pag. 201, Vol. 16 der Bundesgesetze, Statutes at Large).

1221 ,,Die Gesetzesbestimmung von 1836 sowohl als auch diejenige von 1870 fordern gleichfalls die Einreichüng einer Zeichnung, insofern die Erfindung auf solche Weise darstellbar ist.

,, Die Beschränkung des Gesetzes hinsichtlich der Modelle ist wahrscheinlich grösstentheils auf folgende Thatsachen zurückzuführen: ,, Erstens. Der Raum, welchen die bereits gelieferten Modelle beanspruchten, wurde schon sehr gross und es vermehrten sich dieselben mit Schnelligkeit so sehr, dass dieser Umstand bald zu Bedenken Veranlassung gab, und man sich fragen musste, was mit denselben anzufangen sei.

,, Zweitens. Die Erstellungs-, Auf bewahrungs- und Vervielfältigungsweisen der Zeichnungen hatte sich inzwischen wesentlich vervollkommnet, so dass in der grossen Mehrzahl der Fälle gar kein Modell mehr erforderlich war.

^Drittens. Die Erstellung des Modells veranlasste gewönlich die grössten Auslagen für den Patentbewerber.

,,Viertens. Der Vorsteher des Patentamtes, in seinem Jahresbericht für 1869 an den Kongress, deutete auf diese Sachlage hin und empfahl im Wesentlichen, dass von Modellen Umgang zu nehmen sei, mit einziger Ausnahme derjenigen Fälle ,,für welche der Vorsteher des Patentamtes solche zur Erläuterung unumgänglich nothwendig erachtet."

,, Schliesslich erlaube ich mir noch beizufügen, dass sich die gegenwärtige Gesetzesbestimmung als in jeder Hinsicht zweckentsprechend zu erwiesen scheint.

,, Es steht nunmehr dem Patentamt in jedem Falle frei, ein Modell zu verlangen, sobald er ein solches zur Erläuterung der Erfindung nothwendig erachtet. Dieses kommt aber nur in seltenen Ausnahmsfcillen vor, und es verbleiben daher der grossen Mehrzahl der Erfinder und Bewerber die Umständlichkeiten und Kosten, welche die Erstellung der Modelle mit sich führt, erspart."

(9. August 1886.)

Dem Schreiben, womit die schweizerische Gesandtschaft in Washington eine Abschrift obigen Briefes dem eidg. Handels- und Landwirthschaftsdepartement übermittelte, entnehmen wir folgende Stellen : ,, . . . . Die Erfahrung lehrt genugsam, dass Prozesse keineswegs durch Darstellung der Erfindung mittelst Modellen vermieden werden..

1222 ,,Betreffend der Bedenken, welche der Vorsteher des Patentamtes über die Beschaffung der zur Aufbewahrung der Modelle nüthigen Räumlichkeiten äussert, so hat es damit allerdings eine grössere Tragweite, als man von vornherein vermnthen könnte. Obgleich nämlich das hiesige Patentamt wohl doppelt so viel Raum bietet, als der Bundespalast in Bern, so wäre es doch längst unzureichend, würde nicht davon Umgang genommen worden sein, die Einreichungr von Modellen zu fordern. Man entledigte sich in erster Linie aller weniger wichtigen abgelaufenen Patentmodelle durch Verschenkung an technische Institute, und als dieses Mittel nicht genügte, schritt man zum Verkauf; schliesslich kam dann Ende der siebziger Jahre ein grosser Brand, welcher noch gründlich mit dem Rest aufräumte.

Seitdem werden Modelle, wie angeführt, nur ausnahmsweise verlangt, und trotzdem sind deren in den Tausenden vorhanden."

(21. August 1886.)

IV. Statistik.

Verhältniss zwischen der Anzahl der ertheilten und nicht abgelaufenen Patente und derjenigen der in Kraft gebliebenen Patente.

I3elg-ieii.

Von 1854 bis 1883 ertheilte Erfindungs-Patente . . . . 29,213 Von 1854 bis 1883 ertheilte Verbesserungs-Patente . . 26,247 Summa 55,460 Von dieser Summe sind verfallen wegen Nichtbezahlung der 2. Jahresrate 20,457 Patente oder 36,9 Prozent 3.

,, 11,599 ,, ,, 20,9 ,, 5.

,,· 2,69o ,, ,, 4,9 ,, 10.

,, 292 ,, ,, 0,53 ,, 20.

,, 23 ,, ,, 0,04 ,,

1223 Deutschland.

Von 1877 bis 1885 ertheilte Patente Von dieser Summe haben bezahlt: 31,234 Patente oder 90 Prozent 19,300 . ,, ,, 56 ,, 10,008 ,, ,, 29 ,, 5,625 ,, ,, 16 ,, 3,484 ,, ,, 10 ,, 2,196 ,, ,, 6 ,, 1,368 ,, ,, 4 ,, 805 ,, ,, 2 ,, 411 ,, ,, l ,, Auf 34,561

34,561 die ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

1. Jahresrate 2.

3.

4.

5.

6.

7.

,, 8.

9.

1885 g

31,234

o

90 die 1.

,,

30,543

|

1884 J

19,300

|

63

-,,

26,084

,,

1883 .jf

10,008

» ,,

38 ,, 3. J

1882 |

,,

21,236

£

,,

17,105

|

,, ,,

12,766 8,800

g 1880 l 1879 S

1881 ^

,, 2.

5,625

| | 26

3,484

^ ^

2,196 g i;368 ^

20

Jahrgang deiPatente

17 ,, 6.

16 ,, 7.

Im Ende 1884 in Ende 1884 in Kraft bleibende Kraft betreffenden Patente auf bleibende Jahre ertheilte 100 ertheilte Patente Patente Patente

*

1870

15.

3029

85

2,8

1875

10.

4663

314

6,7

1880

5.

6057

1191

19,7

1882

3.

6269

2310

36,8

1883

2.

6573

3954

60,2

,, 4.

,, 5.

ITi-anlsreieli.

Ertheilungsjahr der Patente

%

|

|

1224 Italien.

Ertheilungsjahr der '.

Patente

Jahrgang der Patente

Ende 1885 in Ende 1885 in Im Kraft bleibende Kraft betreffenden Patente auf bleibende Jahre ertheilte 100 ertheilte Patente Patente Patente

1871

15.

478

3

0,6

1876

10.

637

25

3,9

1881

5.

1222

196

16,0

1883

3.

1280

340

26,6

1884

2.

1350

699

51,8

Oesterreich-Ung'arii.

Von 1852 bis 1869 ertheilte Patente

10,479

Hievon haben das 15. Jahr erreicht 98 Patente oder 0,93 auf 100 ertheilte Patente.

Vergleichende Tabelle der während der Maximalschutzdauer ertheilten und der bei Ablauf dieser Dauer in Kraft bleibenden Patente.

Länder

Schutzdauer

Während der Schutzdauer ertheilte Patente

Am Ende der Schutzdauer in Kraft bleibende Patente Absolut

Per 1 00 ertheilte Patente

Deutschland * . .

1877 bis 1885

34,561

11,046

31,96

Prankreich .

. .

1870 bis 1884

77,863

20,257

26,02

. . . .

1871 bis 1885

13,687

3,374

24,65

Oesterreich-Ungarn

1870 bis 1884

24,090

6,422

26,66

Italien

* Da das deutsche Gesetz vom Jahre 1877 datirt, so beträgt die angegebene Dauer nur 9 Jahre, statt der Maximalschutzdauer von 15 Jahren.

1225

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung von vier Verfassungsgesetzen des Kantons Genf.

(Vom 10. Dezember 1886.)

Tit.

Mit Schreiben vom 3. Dezember d. J. übermachte uns der Staatsrath des Kantons Genf vier Verfassungsgesetze, nämlich : 1) Verfassungsgesetz betreffend die Einführung von gewerblichen Schiedsgerichten, vom 29. Oktober 1882; 2) Verfassungsgesetz über die Abändernng der Art. 32 und 33 der Kantonsverfassung vom 24. Mai 1847 betreffend die Zahl der Mitglieder des Großen Rathes, vom gleichen Tage; 3) Verfassungsgesetz betreffend die Abänderung der Art. 27, 30 und 30Ma der Verfassung, vom 26. September 1886, und 4) Veri'assungsgesetz betreffend die Abänderung der Art. 4 und 5 des Verfassungsgesetzes vom 26. August 1868 über die Errichtung eines allgemeinen Spitals, vom 28. November 1886, mit dem Ersuchen, behufs Einholung der eidgenössischen Gewährleistung im Sinne von Art. 6 der Bundesverfassung das Erforderliche veranlassen zu wollen.

Wir haben unserm bezüglichen Antrage nur wenige Bemerkungen vorauszuschicken :

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht an das eidgenössische Handels- und Landwirthschafts-Departement betreffend verschiedene Fragen Über Einführung des Erfindungsschutzes. * (Vom 4. Dezember 1886.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1886

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1886

Date Data Seite

1178-1225

Page Pagina Ref. No

10 013 334

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Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

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