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Schweizerisches Bundesblatt.

54. Jahrgang. V.

Nr. 51.

17. Dezember 1902.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Wil über Weinfelden bis zur Landesgrenze bei Konstanz.

(Vom

11. Dezember 1902.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 15. März/26. April dieses Jahres unterbreitete Herr Dr. von Streng, Gerichtspräsident in Sirnach, namens eines Initiativkomitees, dem Eisenbahndepartement zu Händen der Bundesbehörden ein Konzessionsgesuch für eine Eisenbahn von Wil über Weinfelden nach Konstanz.

Laut dem allgemeinen Berichte verfolgt die Bahn den Zweck, die Stadt Wil, wo die Toggenburger und die St. Galler Linie zusammentreffen, in möglichst nahe Beziehungen zum thurgauischen Marktflecken Weinfelden und zur badischen Grenzstadt Konstanz zu bringen, sowie dem dazwischenliegenden Landesteil durch Aufschließen des Verkehrs zum Aufschwung zu dienen.

Vom Bahnhof Wil ausgehend, kreuze die Bahn die Frauenfeld-Wil-Straßenbahn, die Straßen Wil-Sirnach und Wil-Münchwilen beim "Bild" à niveau und wende sich dann nördlich gegen Bronshofen, Bettwiesen-Tägerschen und Affeltrangen-Tobel. Von hier aus gehe sie in nordöstlicher Richtung gegen Märwil, berühre sodann am Nordwestende Bußnang, überschreite hierauf die Thur, Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. V.

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790 um sich dann an die bestehende Linie Winterthur-Romanshorn anzulehnen und mit ihr die Station Weinfelden zu benutzen. Von da aus ziehe sich die Bahn in nordöstlicher Richtung nach Berg und Mattwil-Birwinken und wende sich dann in nördlicher und nordwestlicher Richtung der Station Illighausen-Siegershausen und von da einer für die ausgedehnte Gemeinde Kreuzungen nötigen Haltestelle Jakobshöhe zu, um in großer Schleife gegen Tägerwilen westlich Konstanz in einen Lokalbahnhof auszumünden.

Da eine Konkurrenzierung der Bundesbahnen durch Mitbenutzung der Strecke Emmishofen-Konstanz vom Bunde nicht zugegeben werden könne, so sei, um einen für die Lokalbahn WilWeinfelden-Konstanz zweckmäßigen Bndpunkt zu erreichen, statt der direkten Einfahrt Emmishofen-Konstanz eine Überführung der Lokalbahn über die Linie Tägerwilen-Emmishofen und Anlage eines L o k a l b a h n h o f e s K o n s t a n z in der Nähe der thurgauischen Kantonsgrenze vorgesehen.

Die inzwischen erfolgte Sicherung des Rickendurchstiches, womit die bisherige Toggenburger Bahn Anschluß gegen die Innerschweiz und den Gotthard erhalte, sowie die in Aussicht stehende Verbindung Romanshorn-St. Gallen-Wattwil erfordern die haldige Erstellung der Lokalbahn Wil-Weinfelden-Konstanz, wenn nicht die betreffende Landesgegend noch für längere Zeit vom Bahnverkehr ausgeschlossen sein solle.

Dem technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben: Es seien mit Einschluß der Gemeinschaftsstationen Wil und Weinfelden im ganzen 8 Stationen und 4 Haltestellen vorgesehen.

Die ganze Strecke Wil-Weinfelden-Konstanz betrage 37,8 Kilometer. Durch die Teilstrecke Wil-Weinfelden (17,2 Kilometer) werde die bisherige Strecke Wil-Frauenfeld-Weinfelden (35 Kilometer) um 17,8 Kilometer und durch die Teilstrecke WeinfeldenKonstanz (20,6 Kilometer), die bisherige Strecke WeinfeldenRomanshorn-Konstanz (43 Kilometer) um 22,4 Kilometer abgekürzt. Die Bahn werde eingeleisig, mit Normalspurweite von 1,435 Meter angelegt ; der Minimalradius betrage 250 Meter.

Die gesamte Länge der Bahn von 37,8 Kilometer verteile sich auf 28,039 Kilometer in Geraden und 9,761 Kilometer in Kurven.

Was die Gefällsverhältnisse antreffe, so kommen 8,510 Kilometer in horizontale Lage und 28,290 Kilometer in Steigungen von 2°/o27,5°/oo5%« zu liegen.

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Es sei jedoch in Aussicht genommen, das allgemeine Bauprojekt seinerzeit derart zu erstellen, daß als Maximalsteigung 25 °/oo nicht überschritten werde. Der Betrieb solle mit gewöhnlichen Adhäsionslokomotiven und dem für bestehende Normalbahnen üblichen Wagenmaterial stattfinden.

Bezüglich der Tarife wünschte das Initiativkomitee die irn Bundesgesetze betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen vom 27. Juni 1901 enthaltenen Maximaltaxen anzuwenden.

Der Kosten Voranschlag enthält folgende Hauptposten : a. Expropriation Fr. 802,000 b. unterbau ,, 1,739,800 c. Oberbau . . ,, 985,890 d. Hochbauten ,, 156,600 e. Betriebsmaterial ,, 664,000 /'. Inventar ,, 58,000 g. Telegraph ,, 20,000 li. Verschiedenes ,, 105,000 i. Geldbeschaffung und Kapitalzinse während des Baues ,, 228,710 Total-Anlagekosten

Fr. 4,760,000

Die Regierungen der Kantone Thurgau und St. Gallen erhoben in ihren Vernehmlassungen vom 9. und 23. Mai keine Einwendungen.

Die Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen wurde mit Rücksicht darauf, daß die projektierte Bahn die Bundesbahnen teilweise konkurrenziert, ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladen.

In eingehendem Berichte, d. d. 13. Oktober 1902 gelangte die Generaldirektion zu dem Schlüsse, es sei gegen die Erteilung der Konzession keine Einsprache zu erheben.

Wir heben aus diesem Berichte die hauptsächlichsten Punkte hervor : I. Unter der Voraussetzung, daß die projektierte Bahn als L o k a l b a h n mit einem eigenen Lokalbahnhof in Konstanz ausgeführt werde, werde die Einwirkung derselben auf den Verkehr der Bundesbahnen nur ein geringer sein. Der ganze Güterverkehr, der von Deutschland her in Konstanz und Romanshorn eingehe und umgekehrt, werde von ihr nicht tangiert, verbleibe also den Bundesbahnen. Ebenso werde sie den betreffenden

792 Personenverkehr nur zum kleinem Teil an sich zu ziehen vermögen. Auch der Einfluß der neuen Linie auf die Taxen der Bundesbahnen werde weder im Personen- noch im Güterverkehre hohe Beträge erreichen. Mit Rücksicht auf ihre starken Steigungen (27 °/oo beziehungsweise 25 %o auf längere Strecken) werde sie, falls sie auf die Einheitstaxen der Bundesbahnen heruntergehe, dafür Zuschläge zu ihren effektiven Distanzen machen müssen, so daß die Bundesbahnen, auch wo ihre Konkurrenzstrecken länger seien, in einem gewissen Umfange doch taxbildend bleiben.

Abgesehen davon, daß die finanzielle Einbuße der Bundesbahnen nur eine geringe sein werde, erhebe die Generaldirektion hauptsächlich deswegen keine Einsprache gegen die Erteilung der Konzession, weil die neue Linie ein Gebiet aufschließe, dessen tätiger und strebsamer Bevölkerung bessere Eisenbahnverbindungen wohl zu gönnen seien. Die Strecke Wil-Weinfelden und insbesondere diejenige Weinfelden-Konstanz füllen beträchtliche Lücken im schweizerischen Eisenbahnnetze aus. Es lasse sich nicht bestreiten, daß die projektierten Linien einem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis entsprechen.

II. Die Situation würde nun allerdings in ihren finanziellen Konsequenzen für die Bundeshahnen geändert, wenn die projektierte Bahn an den Hau p t b ahn ho f K o n s t a n z anschließen und auf Mitbedienung des großen Verkehrs Anspruch erheben würde. Es würden sieh ganz erhebliche Distanzkürzungen nach dem Innern der Schweiz und damit Taxreduktionen für die Bundesbahnen ergeben, falls letztere die Konkurrenz aufnehmen wollten.

Sie -würden also entweder eine bedeutende Taxeinbuße erleiden oder beim Verzicht auf die Konkurrenzaufnahme einen erheblichen Verkehr verlieren.

Aber selbst in diesem Falle könnte sich die Generaldirektion nicht entschließen, einem Projekt entgegenzutreten, das unzweifelhaft der beteiligten Landesgegend große volkswirtschaftliche. Vorteile sichere, III. Was die weitere Frage betreffe, ob die Bundesbahnen die Erstellung der Linie für sich reservieren sollen, so müsse dieselbe für das vorliegende Projekt verneinend beantwortet werden. Es handle sich um eine Lokalbahn, die zwar in südlicher Richtung für die Mitbedienung eines größeren Gebietes in Betracht kommen könne, aber doch nicht um eine nationale Hauptlinie, noch weniger um eine Linie von internationaler Be-

793 deutung. Letzteres könne sie, auch wenn später der Anschluß in Emmishofen oder Konstanz gesucht werden sollte, wegen ihrer ganzen Anlage (starke Steigungen und Kurven) doch nicht werden; sie werde auch dann den Charakter einer bloßen Nebenbahn behalten.

Die vorliegende Konzession ist die erste, bei der die unterm 25. Juni dieses Jahres von der Eisenbahnkommission des Nationalrates zu Protokoll gegebene Anregung: ,,Es sollte inskünftig in der Konzession selbst gesagt werden, daß die Einteilung in Klassen sich nach der Warenklassifikation der Bundesbahnen richten solle, dies namentlich, soweit es Linien mit voraussichtlich namhaftem Warenverkehr betrifft11, eventuell hätte berücksichtigt werden können.

Wir sind jedoch der Ansicht, daß dieser Anregung sowohl für diese als für spätere Konzessionen keine Folge gegeben werden kann.

Durch die beantragte Konzessionsbcstimmung würde für die Mehrzahl der jetzt zur Konzessionierung gelangenden Linien eine weit kompliziertere Betriebsorganisation geschaffen, als für die praktischen Bedürfnisse der Linie notwendig wäre. Dadurch würden die durch das Nebenbahnengesetz gewährten Erleichterungen teilweise wiederum aufgehoben. Eine kleine Linie könnte schwer geschädigt werden, wenn sie gezwungen würde, die Klassifikation der Bundesbahnen ohne weiteres anzuwenden.

Nebenbahnen haben vielfach einen Güterverkehr, der sich in der Hauptsache auf einige wenige Artikel bezieht. Wird einer dieser Hauptartikel auf den Bundesbahnen bereits in die niedrigste Tarifklasse eingereiht, so kann daraus für die Nebenbahnen eine so geringe Einnahme aus dem Güterverkehr resultieren, daß das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens gefährdet würde. Dasselbe müßte auch eintreten, wenn auf den Bundesbahnen ein Artikel deklassifiziert, also aus einer höhern in eine niedrigere Tarifklasse versetzt wird. Müßte die Nebenbahn diese Versetzung, für welche bei ihr ein Bedürfnis vielleicht nicht einmal vorläge, ebenfalls vornehmen, so könnte sie wiederum stark geschädigt werden. Da der Einfluß einer solchen Deklassifikation auf den finanziellen Ertrag einer Unternehmung vielfach weit bedeutender ist, als es im allgemeinen den Anschein hat, so würde die angeregte Konzessionsvorschrift für die neu zu konzessionierenden Unternehmungen eine große Gefährdung bedeuten und ihnen zudem das Selbstbestimmungsrecht in weitgehendstem Maße einschränken.

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Eine solche Bestimmung ist aber auch nicht notwendig, weil das Eisenbahndepartement, beziehungsweise der ßundesrat Eisenbahnen, welche einen bedeutenden Güterverkehr aufweisen, so daß die Einrichtung eines direkten Verkehrs erforderlich ist, zur Einführung der Vorschriften der Hauptbahnen über die Behandlung und Tarifierung der Güter veranlassen kann. Es wurde dies bisher von den betreffenden Bahnen immer selbst angeregt, so daß ein Zwang in dieser Hinsicht seitens der Aufsichtsorgane überhaupt nicht ausgeübt werden mußte.

Bei den Rückkaufsbestimmungen wurde im Art. 30, lit. c, eine Frist bis 1. J a n u a r 1940 gesetzt, während welcher der 25fache Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen, als Rückkaufsentschädigung geleistet wird, während sonst in der Regel in den neuern Konzessionen nur eine Frist bis 1. J a n u a r 1935 gewährt wurde. Die Änderung dieser Frist, sowie der Jahrzahl»1950 in 1955 ist notwendig, weil die Bahn voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 1907 eröffnet werden kann und der Rückkauf frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes erfolgen darf.

Bei den am 27. November abhin abgehaltenen üblichen konferenziellen Verhandlungen wurden seitens der Konzessionsbewerber zu den Artikeln 4, 12 und 14 einige Ergänzungen beziehungsweise Abänderungen gewünscht. Nach den ihnen seitens der Delegierten des Eisenbahndepartementes erteilten Aufschlüssen erklärten sie sich jedoch mit dem vom Departemente vorgelegten Entwurfe vollständig einverstanden.

Indem wir Ihnen beantragen, die Konzession durch Annahme des nachstehenden Beschlußentwurfes zu erteilen, benutzen wir gerne auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 11. Dezember 1902.

Irn Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Riiigier.

795 (Entwurf.)

ßundesbeschluß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Wil über Weinfelden bis zur Landesgrenze bei Konstanz.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Herrn Dr. von Streng in Sirnach, namens eines Initiativkomitees, vom 26. April 1902 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 11. Dezember 1902, beschließt: Dem Herrn Dr. von S t r e n g , Gerichtspräsident in Sirnach, handelnd namens eines Initiativkomitees, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Eisenbahn von Wil über W e i n f e l d e n bis zur Landesgrenze bei K o n s t a n z unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des ßundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Wil.

796 Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessiorisaktes an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganzo konzessionierte Linie zu vollenden und dem Botriebe zu übergeben.

*o^ Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundcsrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von 1,435 Meter und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Buedesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Fuiik-

tionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt, der Bahn zum andern und mit Anhalten auf allen Stationen erfolgen.

Dia Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. "13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit zwei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

*'T Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, daß alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Ai't. 15. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen : in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse -5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfce der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

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Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillete zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 16. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen .Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen; untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck darf eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung dei' Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über 2 Rappen und deren niedrigste nicht über l Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stüeksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 % des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe un i Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Geld und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens l Rappen zu erheben.

799 Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch iu besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen,"^insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülserifrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln u. s. w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen sind Taxen zu beziehen, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 16 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 3 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen.

Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 °/o erhoben werden.

Art. 23. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen beträgt höchstens 40 Rappen.

Art. 23 a. Für Steigungen von über 12 °/oo kann eine Erhöhung der Taxen im Sinne der Botschaft des Bundesrates vom 18. September 1873 eintreten.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestiminungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten, zu treffen (Camionnagedienst).

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungs-

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gutem, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Sendungen in Eilfracht und in gewöhnlicher Fracht bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg. ; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer dei- gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Best durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der- Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahmmternebmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann (Lesfalls eine V erst indienne; zwischen dein Bundesrat und der Gesellschaft nicht O O erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solehe Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneucrungs- und Roservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

801 Art. 30. Für dio Ausübung des Rückkaui'srechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone St. Gallen und Thurgau, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterei1 bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25i'aehen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und 1. Januar 1955 erfolgt, den 22'/2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 201'acheii \Vert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder

802 der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 31. Haben die Kantone St. Gallen und Thurgau den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche sofort in Kraft tritt, beauftragt.

-$«>-E--

80.1

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Aarau nach Schöftland.

(Vom 11. Dezember 1902.)

Tit.

Durch Bundesbeschluß vom 24. April 1902 wurde Art. 18, Absatz l, der unterm 23. Dezember 1896 (E. A. S. XIV, 278) erteilten und durch Bundesbeschluß vom 29. Juni 1899 (E. A. S.

XV, 508) abgeänderten Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Straßenbahn von Aarau über den Distelberg nach.

Schöftland in der Weise abgeändert, daß im Tarif für den Transport von Waren in der höchsten Klasse die Maximaltaxe von 2 auf 3 Rappen und in der niedrigsten Klasse von l auf 1,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer erhöht wurde. Damit wurde bezüglich der Maximaltaxen für den Giltertransport eine Gleichstellung mit den Maximaltaxen der gleichartige Bau- und Betriebsverhältnisse aufweisenden Wynentalbahn (Aarau-Menziken) erzielt.

Mittelst Eingabe vom 19. September abhin stellte nun die Direktion der elektrischen Straßenbahn Aarau-Schöftland das Gesuch um nochmalige Abänderung der Konzession in dem Sinne, daß auch für die Beförderung lebender Tiere die gleichen Taxen gewährt werden, welche in der Konzession der Wynentalbahn

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Wil über Weinfelden bis zur Landesgrenze bei Konstanz. (Vom 11.

Dezember 1902.)

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1902

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5

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51

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.12.1902

Date Data Seite

789-803

Page Pagina Ref. No

10 020 359

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