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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Unterstützung der Primarschule durch den Bund.

(Vom 11. Dezember 1902.)

Tit.

Nachdem der Bundesbeschluß vom 4. Oktober laufenden Jahres betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund in der Abstimmung am 23. November abhin die Gutheißung des Volkes und der Stände gefunden hat, glauben wir, nicht zögern zu sollen, Ihnen eine Vorlage für die Aufstellung des in diesem Beschlüsse vorgesehenen Gesetzes einzubringen.

Ein solches liegt der Hauptsache nach bereits in dem mit Botschaft vom 18. Juni 1901 vorgelegten Entwurf eines Bundesbeschlusses (Bundesbl. 1901, III, 729), der im November des gleichen Jahres von der Kommission des Nationalrates in Behandlung gezogen und mit einigen Abänderungsanträgen angenommen wurde.

Von jener Botschaft von 1901 fällt heute bloß derjenige Teil außer Betracht, welcher die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Schulsubvention bespricht, da diese Frage durch den Volksentscheid vom 23. November d. J. ihre definitive Lösung gefunden hat. Alle übrigen Ausführungen über die Aufstellung des Grundsatzes der Unterstützung der Primarschule durch den Bund und die zur Durchführung desselben nötigen Maßregeln halten wir aufrecht. Wir haben ihnen weder etwas beizufügen noch etwas davon fallen zu lassen.

812 Wir erlauben uns demnach, Ihnen auch die frühere Botschaft nebst einem neuen Entwurf zu einem Bundesgesetz vorzulegen, der sich seinem Inhalte nach auf unsern, jener Botschaft angeschlossenen Gesetzesentwurf, sowie auf die Volksabstimmung: vom 23. November 1902 gründet, und auch den von der Kommission des Nationalrates im November 1901 aufgestellten Abänderungsvorschlägen Rechnung trägt.

Mit Bezug auf diese Abänderungsvorschläge haben wir zu bemerken, daß der Art. 6 des ursprünglichen bundesrätlichen Entwurfes von den Behörden der Kantone einen vorläufigen Voranschlag über die Verwendung des Beitrages verlangte, während die Kommission des Nationalrates nur die Prüfung und Genehmigung, der Rechnungsausweise, d. h. nach eidgenössischer Ausdrucks.weise, der Staatsrechnung, vorsieht. Wir hätten vorgezogen, die Forderung eines vorläufigen Budgets beizubehalten, wie es für die Beiträge an den kommerziellen und gewerblichen Unterricht verlangt wird ; aber um alle Divergenzen zu beseitigen, treten wir dem System der nationalrätlichen Kommission bei, welches schon dasjenige der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren war.

Indem wir Sie einladen, auf diese Vorlage einzutreten, benutzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 11. Dezember 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates^ Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

NB. Vgl. Anhang S. 816. Tabelle über den Bundesbeitrag auf Grundlage der Ergebnisse der letzten Volkszählung.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 27bi" der Bundesverfassung ; nach Einsicht der Botschaften des Bundesrates vom 18. Juni 1901 und 11. Dezember 1902, beschließt: Art. 1. Den Kantonen werden zur Unterstützung in der Erfüllung der ihnen auf dem Gehiete des Primarunterrichtes obliegenden Pflichten Beiträge geleistet.

Art. 2. Die Bundesbeiträge dürfen nur für die öffentliche staatliche Primarschule (mit Einschluß der Ergänzungsund obligatorischen Fortbildungsschule) verwendet werden und zwar ausschließlich für die folgenden Zwecke : 1. Errichtung neuer Lehrstellen; 2. Bau neuer und wesentlicher Umbau bestehender Schulhäuser ; 3. Errichtung von Turnhallen, Anlage von Turnplätzen und Anschaffung von Turngeräten ; 4. Ausbildung von Lehrkräften; ·

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5. Aufbesserung von Lehrerbesoldungen und Aussetzung von Ruhegehalten ; 6. Erstellung und Anschaffung von allgemeinen Lehrmitteln ; 7. Abgabe von Schulmaterialien und obligatorischen Schulbüchern an die Schulkinder, unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen ; 8. Nachhülfe bei Ernährung und Kleidung armer Schulkinder ; 9. Erziehung schwachsinniger Kinder in den Jahren der Schulpflicht.

Art. 3. Die Beiträge des Bundes dürfen keine Verminderung der durchschnittlichen ordentlichen Leistungen der Kantone (Staats- und Gemeindeausgaben zusammengerechnet) in den letzten fünf Jahren zur Folge haben.

Art. 4. Als Grundlage zur Bestimmung der Jahresbeiträge für die Kantone wird die Wohnbevölkerung derselben nach der letzten eidgenössischen Volkszählung angenommen.

Der Einheitssatz zur Berechnung des Jahresbeitrages beträgt'für jeden Kanton sechzig Rappen auf den Kopf der Wohnbevölkerung.

* In Berücksichtigung der besondern Schwierigkeiten ihrer Lage wird den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Appenzell I.-Rh., Graubünden, Tessin und Wallis eine Zulage von 20 Rappen auf den Kopf der Wohnbevölkerung gewährt.

Art. 5. Die Organisation, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens bleibt Sache der Kantone, vorbehalten die Bestimmungen des Art. 27 der Bundesverfassung.

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Art. 6. Dem Ermessen der Kantone ist es anheimgestel.lt, für welchen oder welche der in Art. 2 genannten Zwecke sie den Bundesbeitrag bestimmen wollen: Die Verwendung des Bundesbeitrages zur Ansammlung von Fonds und die Übertragung eines Subventionskredites auf ein folgendes Jahr sind unzulässig.

Die Ausrichtung der Subventionen erfolgt je im folgenden Jahr auf Grundlage der von den Kantonen einzureichenden Rechnungsausweise, nach deren Genehmigung durch den Bundesrat.

Art. 7. Der Bundesrat erläßt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

Art. 8. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

·<3S~

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Anhang.

Bundesbeitrag an die schweizerische Primarschule.

(Berechnet nach dem Maßstabe von 60 Cts. auf den Kopf der Wohnbevölkerung.)

Kantone

WohnJahresbeitrag Zulage von 20 Cts. auf bevölkerung nach den Kopf auf 1 . Dez.dem Ansatz von der Be1900 60 Cts.

völkerung Fr.

Zürich Bern . . . .

Luzern . . . .

Uri .

.

.

Schwvz Obwalden . . . .

Nidwaldeu . . . .

Glarus Zug .

Frc'iburg . . . .

Solothurn . . . .

Baselstadt . . . .

Baselland . . . .

Schaffhausen . . .

Appenzell A.-Eh.

Appenzell I.-Rh. . .

S t . Gallen . . . .

Graubünden . . .

Aargau .

Thurgau . . . .

Tessin . . .

Waadt Wallis Neuenburg . . . .

Genf Schweiz

431,036 589,433 146,519 19,700 55,385 15,260 13,070 32,349 25,093 127,951 100,762 112,227 68,497 41,614 55,281 13,499 250,285 104,520 206,498 113,221 138 638 281,379 114,438 126,279 132,609

258,621. 60 353,659 80 37,911 40 11,820 -- 33,231 -- 9,156.-- 7,842. -- 19,409 40 15,055 80 76,770. 60 60,457. 20 67,336. 20 41,098. 20 24,908. 40 33,168. 60 8,099. 40 150,171.-- 62,712. -- ] 23 898 80 67,932. 60 83 182 80 168,827. 40 68,662 80 75,767. 40 79,565 40

Fr.

3,940 -- 11,077 -- 3,052. -- 2,614. --

2,699. 80 20,904. -- 27,727 60 22,887.60

Total des Beitrages Fr.

258,621. 60 353,659. 80 87,911. 40 15,760. -- 44,308. -- 12,208. -- 10,456. -- 19,409. 40 15,055. 80 76,770. 60 60,457. 20 67,336. 20 41,098. 20 24,908. 40 33,168. 60 10,799. 20 150,171.-- 83,616. -- 123,898. 80 67,932. 60 110,910.40 168,827. 40 91,550. 40 75,767. 40 79,565. 40

3,315,443 1,989,265. 80 94,902. -- 2,084,167. 80

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