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Schweizerische Bundesversammlung,

In der Sitzung vom 6. Oktober 1902 widmete Herr Ständeratspräsident v. Arx dem verstorbenen Ständerat Chappaz in Sitten folgenden Nachruf: Meine Herren Ständeräte!

Heute vor 8 Tagen erst hatte ich von dieser Stelle aus den Hinscheid eines verdienstvollen Mitgliedes des Nationalrates zu beklagen, und schon wieder wölbt sich das Grab über einen lieben und geschätzten Kollegen. Gestern Sonntag Vormittag starb in Sitten Herr Staatsrat Achilles C h a p p a z , Mitglied unseres Rates.

Herr Chappaz, geboren in Monthey im Jahre 1854, erreichte ein Alter von nur 48 Jahren. Nach vortrefflich absolvierten Studien im Gymnasium zu St. Moritz, dem Leyzum und der Rechtsschule in Sitten etablierte sich der intelligente junge Mann zunächst als Anwalt in seiner Heimatgemeinde, um dann später während einigen Jahren dem Bezirksgericht von Martinach als Präsident vorzustehen. Anfang der 90er Jahre berief ihn der Staatsrat des Kantons Wallis als Professor der Rechtsschule nach Sitten, und im Jahre 1897 erfolgte seine Wahl zum Staatsrat, in welcher Eigenschaft ihm die Vorsteherschaft des Erziehungsdepartementes übertragen war. Wohin ihn auch das Vertrauen seiner Mitbürger berief, überall hat er seinen ganzen Mann gestellt.

Herr Chappaz ist im Jahre 1898 in den Ständerat eingetreten und erfreute sich bald allgemeiner Beliebtheit. Wenn auch aus voller Überzeugung der föderalistisch-konservativen Partei angehörend, so verstand er es doch vortrefflich, mit seinen Kollegen anderer politischer Richtung auf freundschaftlichstem Fuße zu verkehren. Im Rate griff er nur selten in die Diskussion ein, d. h. in der Regel nur dann, wenn er als Kommissionsmitglied ein Geschäft zu vertreten hatte oder wenn die Interessen seines Heimatkantons in Frage stunden. Seine Reden atmeten aber Wärme und steigerten sich oft bis zur edeln Begeisterung.

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Ich erinnere speziell an seine im letzten Juni gehaltene Rede über die Nationalratewahlkreise. Mit vor Erregung zitternder Stimme und mit seltener Meisterschaft versuchte er seinen Standpunkt mit der historischen Entwicklung seines Kantons zu begründen ; eine unbegrenzte Anhänglichkeit an seine engere Heimat sprach aus allen seinen Worten. Leider war diese Rede sein Schwanengesang, das fühlte er selbst, indem er am Schluß der Sitzung dem Sprechenden sagte : Vous avez entendu le discours d'un mourant. Sie haben die Rede eines Sterbenden gehört.

Eine schwere, unheilbare Krankheit nagte schon seit längerer Zeit am Marke dieses ausgezeichneten Mannes und ließ seine Kollegen einen baldigen schlimmen Ausgang ahnen.

Mit Ständerat Chappaz ist wiederum ein Mann von besonderer Eigenart von uns geschieden, ein Mann, ausgerüstet mit seltenen Gaben des Geistes, des Gemütes und des Charakters, ein Mann aber auch, der mit allen Fibern -seiner treuen Seele an unserem schweizerischen Vaterlande gehangen hat.

Meine Herren Ständeräte ! Ich ersuche Sie, zum Zeichen der Trauer und der Anteilnahme am Hinschiede unseres lieben Kollegen, sich von Ihren Sitzen zu erheben.

Zu Beginn der Sitzung vom 7. Oktober gedachte Herr Nationalratspräsident Dr. Iten des Verstorbenen mit folgenden Worten : Meine Herren Nationalräte!

Letzten Sonntag ist in Sitten Herr C h a p p a z , Ständerat und Staatsrat des Kantons Wallis, im Alter von nur 48 Jahren, verstorben.

Herr Chappaz hat sich anfänglich, nachdem er eingehende juristische Studien in England und Frankreich absolviert hatte, der Advokatür gewidmet.

Schon in frühen Jahren wurde er Gerichtspräsident des Bezirkes Martigny, und später übernahm er die Professur an der Rechtsschule in Sitten.

Als er im Jahre 1897 in den Staatsrat des Kantons Wallis gewählt wurde, trat er an die Spitze des Departements des öffentlichen Unterrichts, auf welchem Gebiete er eine segens-

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reiche Tätigkeit entwickelte. Ihm verdankt der Kanton Wallis die Reorganisation des Schulwesens, und die Stadt Sitten die Gründung einer Gewerbeschule, die heute in hoher Blüte steht.

Dem Ständerat gehörte der Verstorbene seit 1898 an. Seine Kollegen rühmen an ihm sein oratorisches Talent, seine gründlichen juristischen Kenntnisse, sein frohmütiges und liebenswürdiges Wesen, das er mit prinzipieller Festigkeit in politischen ·wie religiösen Fragen zu vereinigen wußte.

Ich bitte Sie, das Andenken des Verstorbenen zu ehren, indem Sie sich von Ihren Sitzen erheben.

Die Session ist am 11. Oktober geschlossen worden.

Die Übersicht der Verhandlungen wird nächstens dem Bundesblatte beigelegt werden.

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15.10.1902

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