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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Rekursschrift des Regierungsrates des Kantons Baselstadt betreffend den Umbau des Centralbahnhofes.

(Vom 21. Juni 1902.)

Tit.

Nachdem wir Ihnen mit unserm Berichte vom 2. Dezember 1901 (Bundesbl. 1901, IV, 1202) über die Rekurseingabe des Kantons Baselstadt betreffend den Umbau des Centralbahnhofes beantragt hatten, auf den Rekurs wegen Inkompetenz nicht einzutreten, sah sich der Regierungsrat veranlaßt, Ihnen unterm 18. Januar 1902 eine Ergänzung seiner Rekursschrift einzureichen.

Gleichzeitig wurden wir von der Kommission das Nationalrates eingeladen, jetzt schon, d. h. bevor sich die Bundesversammlung über ihre Kompetenz, auf den Rekurs einzutreten, ausgesprochen habe, die Gründe darzulegen, welche nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Abweisung verlangen.

Wir beehren uns hiermit, zunächst auf die Ergänzung der Rekursschrift zu erwidern und sodann der Einladung der Kommission des Nationalrates Folge zu leisten.

Aus der ,,Ergänzung der Rekursschrift", die Ihnen seiner Zeit ausgeteilt wurde, heben wir in erster Linie das auf Seite 5

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·enthaltene Zugeständnis hervor, daß der Bundesrat ,,in verschiedenen Richtungen" eine endgültige Entscheidungsbefugnis besitze.

Leider unterläßt der Regierungsrat, die Grenze anzugeben, welche diejenigen Fälle, in denen die Kompetenz des Bundesrates endgültig ist, von denjenigen scheidet, welche auf dem Rekurswege vor die Bundesversammlung gezogen werden können. Wir begreifen indessen ganz gut, daß er eine solche Angabe unterließ, weil eben eine andere Grenze nicht gefunden werden kann als diejenige, die wir schon zu wiederholten Malen namhaft gemacht haben, wonach die Bundesversammlung nur in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen kompetent ist. An dieser Auffassung muß der Bundesrat festhalten, solange nicht das Gegenteil durch eine Verfassungsbestimmung sanktioniert ist. Wir werden Ihnen auch je und je wieder beantragen, sich inkompetent zu erklären, bis Sie die Frage durch einen p r i n z i p i e l l e n Beschluß so oder anders entschieden haben werden.

Man mag aber das Aufsichtsrecht, welches die Bundesverfassung im Artikel 85, Ziffer 11, der Bundesversammlung einräumt, im allgemeinen interpretieren, wie man will, so kann man im vorliegenden besonderen Falle nicht im Unklaren sein darüber, daß der Gesetzgeber die Entscheidung über die Baupläne der Bahnen e n d g ü l t i g in die Hand des Bundesrates legen wollte. Oder wie ließe es sich denn erklären, daß er im dritten Alinea des Artikels 14 des Eisenbahngesetzes das Recht des Rekurses an die Bundesversammlung a u s d r ü c k l i c h statuierte, wenn er der Meinung war, daß die Entscheidungen des Bundesrates überhaupt, also auch diejenigen, die er kraft der Alineas l und 2 getroffen hat, vor die Bundesversammlung gezogen werden können?

Wenn aber die Absicht des Gesetzgebers, dem Bundesrate die e n d g ü l t i g e Entscheidung über die Baupläne der Eisenbahnen zuzuweisen, so deutlich zum Ausdruck gekommen ist, so darf sie auch von der Bundesversammlung nicht einfach ignoriert werden. Wie wir übrigens schon in unserem Berichte vom 2. Dezember 1901 erwähnten, liegen zwei Präjudizien vor. da die Bundesversammlung in zwei ähnlichen Fällen anerkannt hat, daß sie zur Behandlung des Rekurses nicht kompetent sei. Wir hegen die Überzeugung, daß sie sich auch diesmal von den gleichen Fjrwägungen werde leiten lassen.

Die Regierung von Baselstadt will nun freilich einen Unterschied zwischen jenen früheren Fällen und dem heutigen kon-

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straieren, indem sie hervorhebt, daß es sich damals um Privatbahnen gehandelt habe, während im vorliegenden Falle die Bundesbahnen in Frage kommen. Diesen gegenüber sei aber der Bundesrat nicht so unbefangen, da er in Versuchung komme, ihre materiellen Interessen zu ungunsten der öffentlichen und lokalen Interessen zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde müsse den beteiligten Behörden das Recht eingeräumt werden, boi der Bundesversammlung Schute zu suchen.

Gegen diese Darstellung müssen wir uns ganz e n t s c h i e d e n v e r w a h r e n ! Einmal sind die beiden Bundesratsbeschlüsse, deren Aufhebung die Regierung von Baselstadt herbeiführen möchte, am 16. März, beziehungsweise 24. Juli 1900, also zu einer Zeit erfolgt, da die Centralbahn noch eine Privatbahn war, wie jede andere. Denn der Vertrag über ihren Ankauf durch den Bund wurde erst am 5. November 1900 abgeschlossen und erhielt am 14. Dezember gleichen Jahres die Genehmigung der Bundesversammlung. Es war also am 16. Mär/,, beziehungsweise 24. Juli 1900 noch lange nicht entschieden, ob die Mehrkosten, welche nach den Projekten der Basler Regierung für die Centralbalin entstanden wären, von dieser oder dem Rund als Rückkäufer hätten getragen werden müssen.

Sodann entbehrt der Verdacht, daß sich der Bundesrat zum Hüter der finanziellen Interessen der Bundesbahnen aufwerfen körinte, jeder Begründung.

Welcher Anteil kommt ihm denn zu au dem guten oder schlechten Betriebsresultat? Nicht der geringste! Hat man doch die Bundesbahnvcrwaltung von Anfang an auf sich selbst gestellt und sie als besondere Abteilung der Bundesverwaltung erklärt (Art. 12 des Rückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897). Damit soll freilich nicht gesagt sein, daß dem Bundesrat Wohl und Wehe der Bundesbahnen gleichgültig seien ; aber sind sie es vielleicht der Bundesversammlung? Oder läge es dieser Behörde, die in den Finanzangelegenheiten der Bundesbahnen, so namentlich beim Budget, das letzte Wort hat, nicht näher, die Interessen der Bundesbahnen zu wahren? Wenn also die Regierung von Baselstadt der Bundesversammlung des Zutrauen schenkt, daß sie sich auf einen höheren Standpunkt stellen und nur die öffentlichen Interessen im Auge behalten würde, so muß sie das gleiche Zutrauen auch dem Bundesrat entgegenbringen. Es wird uns nie einfallen, zuzugeben, daß die Bundesbahnen b e s s e r e n Rechtes seien als die Privatbahnen ; ebensowenig können wir

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aber dazu Hand bieten, ihnen ein s c h l e c h t e r e s Recht zu bescheiden.

Was nun die materielle Seite der Rekursbeschwerde betrifft, so ist hierüber folgendes zu bemerken:

I. Überführung der Bruderholzstrasse.

Der für die zukünftige Gestaltung des Personenbahnhofes grundlegende Bundesratsbeschluß vom 25. Januar 1898 lautete im wesentlichen : Der Personenbahnhof ist in B e z u g auf d i e G e l e i s ea n l a g e grundsätzlich im Sinne des Projektes der Schweizerischen Centralbahn vom März 1895, d. h. in der Hauptsache unter Festhaltung der d u r c h g e h e n d e n G e l e i s e an O r d n u n g umzubauen. Bei der Ausarbeitung des Ausführungsprojektes sind einige Erweiterungen vorzusehen, und es ist namentlich darauf Bedacht zu nehmen, im Interesse des Lokalverkehrs am östlichen Ende des Aufnahmsgebäudes Kopfgeleise anzubringen. Dem Begehren der Regierung von Baselstadt um Tieferlegung des ganzen Bahnhofes ist soweit zu entsprechen, daß die Überführungen der St. Margarethen- und der Pfeffingerstraße annehmbar gestaltet werden können. Das Maß der Tieferlegung wird der Bundesrat auf Grund einer Planvorlage mit vergleichenden Kostenberechnungen definitiv bestimmen.

Aus diesem Beschluß geht ohne weiteres hervor, daß das im Rekurs mehrmals erwähnte Projekt vom März 1895 für die Beurteilung der vorliegenden Frage nicht in Betracht fallen kann.

Letzteres wurde lediglich gegenüber den Studien für einen Kopfbahnhof als Wegleitung für die Projektierung eines liefer gelegten Durchgangsbahnhofes gutgeheißen, während der Umriss des Bahnhofes um so weniger als feststehend angesehen werden konnte, als der Bundesratsbeschluß von 1898 in Unterstützung der Begehren der Regierung ausdrücklich gewisse Erweiterungen verlangte, welche eben die Verlängerung des Objektes für die Bruderholzstraße zur Folge haben mussten.

Wie aus dem Resumé der während der Jahre 1895--1897 stattgefundenen Verhandlungen, Expertisen und Konferenzen ersichtlich ist (vergleiche den als Manuskript gedruckten Vortrag des Eisenbahndepartements vom 3. Dezember 1897), muß nämlich das Projekt von 1898 als ein Kompromiß zwischen dem von der Centralbahn im Jahr 1895 stets befürworteten reinen Durch-

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gangsbahnhof und dem von der Regierung gewünschten tiefer gelegten Kopfbahnhof angesehen werden. Das Entstehen der Kopfgeleise für Lokalzüge östlich des Aufnahmsgebäudes ist daher zunächst auf die Forderung der Regierung zu gunsten einer Kopfbahnhofanlage zurückzuführen. Die Anlage dieser Kopfgeleise, verbunden mit der ebenfalls von der-Regierung verlangten Tieferlegung des Bahnhofes, machte nun eine Verlegung des Eilgutbahnhofes nach Osten und folglich auch diejenige der Depotanlagen in der gleichen Richtung jenseits des von der kassierten frühern Bruderholzstraße verbleibenden Allmendstreifens d. h. gleichzeitig die Verlängerung der Bruderholzpasserelle, beziehungsweise der eventuellen spätem Überführung dieser Straße bis zur Nauenstraße notwendig. Mit ändern Worten, es verschwand mit den auf die Begehren der Regierung zurückzuführenden, im Bundesratsbeschluß vom 25. Januar 1898 verlangten Erweiterungen des frühern Planes vom März 1895 jede Möglichkeit, die auf der Planbeilagc l des Rekurses dargestellte Überführung der Bruderholzstraße mit nur zirka 70 Meter Länge und Zufahrtsrampen von 4°/o y.u bewerkstelligen, welche Anordnung übrigens auch nur bei einer auf der Planbeilage l seltsamerweise gar nicht angedeuteten Tieferlegung der Geleiseanlage von 1895 um 2,7 Meter tunlich gewesen wäre. Es darf nun durchaus nicht angenommen werden, daß diese Konsequenzen von der Kantonsregierung während der bis Ende 1897 stattgefiindenen Verhandlungen nicht eingesehen worden seien.

Die Frage der Überführung der Bruderliolzstraße wurde allerdings erst diskutiert, nachdem die Tieferlegung des Balmhofes beschlossene Sache war. Es ist nichtsdestoweniger unbegreiflich, daß die Regierung zur Begründung ihrer Forderung dem definitiven Bahnhofprojekt vom 15. Juli 1899 dasjenige vom März 1895 für einen Durchgangsbahnhof im alten Niveau gegenüberstellt (Seite 10 und 13 des Rekurses). Im fernem ist ausdrücklich festzustellen, daß die Regierung sich auf das im Sinne des vorerwähnten Beschlusses ausgearbeitete Erweiterungsprojekt vom 24. März 1898 bezog, als sie unterm 6. April 1898, ohne die Frage einer Korrektion der Nauenstraße in irgend einer Weise aufzuwerfen, erklärte, sie sei mit der im Projekt vorgesehenen Passerelle einverstanden, wünsche aber die Zusicherung zu erhalten, daß sie jederzeit berechtigt sei, auf
ihre Kosten die Bruderholzstraße über die Bahn zu führen (Seite 9). Nach diesem Projekt reicht aber die Passerelle, wie gesagt, bis an die Nauenstraße, und letztere begrenzt in unzweideutiger Weise auf der

879 Ostseite der Bruderholzstraße die ins Bachofensche Gut verlegte Depotanlage, auf der Westseite das Eilgut und die für eine spätere Erweiterung der Depotanlage vorgesehenen Geleise. Es kann daher, entgegen der -Annahme der Regierung (Seite 10), keinem Zweifel unterliegen, daß schon damals das Stück der frühern Bruderholzstraße zwischen der Bahngrenze und der Nauenstraße als in das Areal der Bahn fallend angesehen werden mußte und somit nicht mit einer Brücke von nur 70 Meter Länge, sondern mit einer den ganzen Raum zwischen der Hochstraße und der Nauenstraße überspannenden Brücke zu rechnen war.

Das Schreiben der Regierung vom 6. April 1898 wurde vom Eisenbahndepartement unterm 22. gleichen Monats vorläufig dahin beantwortet, daß das Recht der Stadt, die Bruderholzstraße auf eigene Kosten über den Bahnhof zu führen, durch Art. 15 des Eisenbahngesetzes garantiert sei ; immerhin müsse für den Fall der Ausführung die Genehmigung einer bezüglichen Planvorlage durch die Aufsichtsbehörde vorbehalten bleiben. Mit Bezug auf das weitere Begehren um etwelche Senkung der zunächst der Hochstraße liegenden Gütergeleise seien noch Untersuchungen vorzunehmen. Der Bundesratsbeschluß vom 24. Januar 181)9, womit die Centralbahn eingeladen wurde, für den Bahnhof umbau auf Grundlage des generellen Projektes vom 24. März 1898 mit Tieferlegung des Bahnniveaus um 2,70 m.

ein definitives Projekt zur Genehmigung einzureichen, bestätigte dann diese Antwort in dem Sinne, daß der Bahnverwaltung auferlegt wurde, die Frage der Ermöglichung einer spätem Überführung der Bruderholzstraße auf Kosten der Stadt und entsprechender etwelcher Senkung der Gütergeleise daselbst einer genauen Prüfung zu unterwerfen und dem Eisenbahndepartement bezügliche Vorschläge zu unterbreiten.

Die Centralbahn äußerte sich hierüber unterm (». Juni 1899, indem sie an Hand einer Projektskizze nachwies, daß eine spätere Überführung der Bruderholzstraße auch ohne Senkung der Bahnhofgeleise ganz wohl möglich ist. Aus diesem Projekt ergeben sich in der That durchaus annehmbare Verhältnisse, nämlich für die Südseite eine kurze Anschlußrampe mit entsprechender Hebung der Hochstraße: auf der Nordseite ist die Nauenstraße mit mäßigen Steigungen von l ,21 beziehungsweise l,or> % gegen die Überführung zu heben, welche Steigungen durch Verlegung der Nauenstraße natürlich noch ermäßigt Die o" werden können.

gewünschte Senkung der südlichen Geleise wurde mit Recht als

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untunlich bezeichnet, einmal weil es sich nicht mehr um die Gütergeleise der Elsaß-Lothringer-Bahn handle, sondern um dio nach der Südgrenze des Bahnhoi'es zu verlegenden Personengeleise der Jura-Simplon-Bahn, und dann, weil eine Senkung der Geleiso dio Anbringung von zweckmäßigen Weichenverbindungen verunmöglichen würde.

Damit war der hierseits einzunehmende Standpunkt ein gegebener, um so mehr, als das unterm 15. Juli 1899 eingelangte definitive Umbauprojekt gegenüber dem generellen Projekt vorn 24. März 1898 hinsichtlich der Verhältnisse an der Nauenstraßc keine wesentlichen Änderungen brachte. Auch im definitiven Projekt bildet die Nauenstraße die Nordgrenze des Bahnhofareals, das nun allerdings bis dicht an die Straße von den Geleisen und Gebäuden der Depotanlage in Anspruch genommen wird, so daß für eine Überführungsbrücke das Lichtraumprofil auf ihrer ganzen Länge eingehalten werden nmß. Auf letzterer Annahme beruht übrigens die vorerwähnte Projektskizze der Centralbalm vom 6. Juni 1899, die nach unserer Ansicht den Beweis leistet, daß die Bahnhofanlage kein Hindernis bildet für eine befriedigende Lösung der Überführuugsfrage.

Als nach weiteren fruchtlosen Unterhandlungen die Basler Regierung unterm 21. Februar 1900 n a c h t r ä g l i c h auch die Frage der Kostenbeteiligung aufwarf und das bestimmte Begehren stellte, es sei die Centralbahn anzuhalten, entweder den Streifen der alten Bruderholzstraße freizulassen, oder an die Kosten der Verlegung der Nauenstraße einen angemessenen Beitrag zu leisten und mit der Regierung hierüber ein definitives Abkommen zu treffen, wurde bei der am 16. März 1900 ausgesprochenen Genehmigung des Umbauprojektes der Entscheid über diese Frage noch ausgestellt, das Verlangen um Senkung der südlichen Geleise aber definitiv abgewiesen.

In dem darauffolgenden Schriftenwechsel, welcher mit dem ablehnenden Entscheid des Bundesrates vom 24. Juli 1900 seinen Abschluß fand, wurden der Regierung im wesentlichen folgende Argumente entgegengehalten : Die Beteiligung der Centralbahn an den Kosten einer eventuellen künftigen Überführung der Bruderholzstraße und der damit im Zusammenhang stehenden Straßenkorrektionen ist abzulehnen, n a c h d e m die R e g i e r u n g u n t e r m 6. A p r i l 1898 a u s d r ü c k l i c h e r k l ä r t hat, s i e w o l l e d i e s e Straße a u f i h r e K o s t e n ü b e r f ü h r e n . Das daherige Begehren der

881 Regierung bedeutet eine Veränderung ihrer Stellungnahme, welche, wie oben bewiesen, keineswegs durch die Abänderung des Projektes von 1895 motiviert werden kann. Daß das laut Plan von 189Ì) für die Depotanlagen vorgesehene Land, einschließlich des Streifens der alten Bruderholzstraße, in die Bahnhoferweiterung einbezogen werde, mußte der Regierung schon aus den Verhandlungen bekannt sein, welche im September 1897 zwischen dem kantonalen Baudepartement und dem Direktorium der Centralbahn geführt wurden, und das Projekt vom März 1898, auf welches sich die Erklärung der Regierung direkt stützt, verfügt über das in Frage stehende Terrain genau so, wie dies im definitiven Projekt vorgesehen ist.

Aus der Inanspruchnahme der alten Bruderholzstraße kann nachträglich eine Pflicht zur Beitragsleistung an eine künftige Straßenüberführung nicht abgeleitet werden, nachdem jenes Terrain auf Grund des Expropriationsgesetzes nach stattgehabter Planauflage (15. März bis 13. April 1899) erworben worden ist, wobei die Abtretungspflicht seitens der Regierung nicht bestritten wurde.

Eine solche Bestreitung hätte übrigens den Schutz des Bundesrates nicht finden können, weil die Intaktlassung des betreffenden schmalen, die Hälfte der Bahnhofbreite durchschneidenden Terrainstreifens ein unerträgliches Hindernis für rationelle Bahnhofanlagen au dieser Stelle bilden würde.

Aus den Plänen ergiebt sich, daß eine allfällige spätere Überführung der Bruderholzstraße auch ohne Verlegung der Nauonstraße unter annehmbaren Bedingungen möglich ist, indem das Maximum der Steigung bei der westlichen Zufahrtsrampe nur 1,05% betragen würde. Die von der Regierung von Anfang an gestellte Bedingung, daß die Möglichkeit einer späteren Überführung auf Kosten der Stadt gewahrt bleiben solle, ist damit augenscheinlich erfüllt, und die Befriedigung weitergehender Ansprüche hinsichtlich der Gefällsverhältnisse zukünftiger Straßenzüge kann daher der Bahnverwaltimg weder rechtlich noch aus Gründen der Billigkeit übeibunden werden.

II. Beseitigung der Passerelle bei der Solothurnerstrasse.

Wie von der Regierung von Baselstadt im Rekurs erwähnt, ist im Bahnhofumbauprojekt vom 15. Juli 1899 der Ersatz der Unterführung der Pfeffingerstraße durch eine Überführung vorgesehen, dagegen die Passerelle bei der Solothurnerstraße weggelassen.

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Es ist hier darauf aufmerksam zu machen, daß die Bahnverwaltung nicht die gleichen Verrichtungen hatte, die bestehende Pfeffingerstraßenunterführung, welche seiner Zeit im Einverständnis mit der Stadt ausgeführt worden ist, durch eine viel günstigere Überführung 'm ersetzen, wie wenn es sich um die Beseitigung eines stark frequentierten Niveauüberganges gehandelt hätte.

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes, sowie der Tatsache, daß die mit der Solothurnerstraße direkt mittelst einer mäßigen Rampe verbundene Pfeffingcrstraßenüberführung für den Verkehr eine sehr bequeme Verbindung ist, kann sehr wohl der Standpunkt vertreten werden, daß durch die Pfeffingerstraßenüborführung auch die in gleicher Höhe liegende und nur 70 Meter von derselben entfernte Solothurnerpasserelle ersetzt werde.

Für die Beseitigung dieser Passerelle sprachen übrigens auch von der Centralbahn geltend gemachte Bahnbetriebsrücksichten, deren Wichtigkeit entgegen der Ansicht der Kantonsregierung vom Bundesrat vollauf anerkannt werden mußte.

Es ist aber hier auf einen wichtigen Umstand zu verweisen, welcher im Rekurs unbegreiflicherweise mit keinem Wort erwähnt wurde, nämlich, daß außer der Passerelle bei der Solothurnerstraße die Regierung von Baselstadt noch eine weitere neue Passerelle in der Verlängerung der Frobenstraße verlangt hat, welche das Gundoldingerquartier mit dem Aufnahmsgebäude auf der Elsässerseite verbinden sollte. Der Bundesrat hat mit Beschluß vom 16. März 1900, mit welchem das definitive Bahnhofumbauprojekt vom 15. Juli 1899 genehmigt wurde, den Entscheid betreffend Erstellung der Frobenpasserelle verschoben, dann aber mit Beschluß vom 24. Juli 1900 die Centralbahn eingeladen, ein Projekt für eine eventuell zu erstellende Frobenpasserelle vorzulegen. Diese Vorlage wurde am 20. November von der Centralbahn eingereicht und darauf mit Beschluß des Bundesrates vom 15. Februar 1901 die Erstellung der Frobenpasserelle definitiv verlangt. Dieselbe wird zwischen der Pfefflngerstraßenüberführung und der St. Margarethenstraßenüberfuhrung erstellt, und zwar in einer Entfernung von zirka 420 Meter von der erstem und zirka 200 Meter von der letztern, und mündet auf der Westseite des Bahnhofes unmittelbar neben dem Aufnahmsgebäude in die Centralbahnstraße ein. Die in der Planbeilage 3 gar nicht eingezeichnete
Frobenpasserelle gestattet somit infolge ihrer günstigen Lage die Verbindung zwischen dem Gundoldingerquartier und dem Bahnhof auf dem kürzesten Wege und ersetzt daher in Verbindung mit der verbesserten Pfeffingerstraßenüberführung vollständig die Passerelle bei der Solothurnerstraße.

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Die Verbindungen des Gundoldingerquartiers mit dem Aufnahmsgebäude werden durch die Erstellung der Pfeffiogerstraßenüberführung, der St. Margarethenstraßenüberführung und der Frobenpasserelle gegenüber dem bisherigen Zustand in der Weise verbessert, daß damit den weitgehendsten gerechtfertigten Forderungen entsprochen wird und daher die Ablehnung des weitern Begehrens betreffend Erstellung einer Passerelle bei der Solothurnerstraße zu beantragen ist.

III. Allgemeine Bemerkungen.

Außer den obigen Einzelausführungen, welche unserer Ansicht nach schon vollauf genügen dürften, um die materielle Unbegründetheit des Rekursbegehrens der Kantonsregierung zu beweisen, erlauben wir uns5 noch die folgenden Bemerkungen allgemeiner Natur anzubringen.

Das definitive Projekt vom 15. Juli 1899 für den Umbau des Bahnhofes Basel ist, wie aus dem geschichtlichen Teil des Rekurses hervorgeht, das Resultat langjähriger und schwieriger Verhandlungen, bei welchen von den Interessenten gegenseitig Konzessionen gemacht worden sind. Es ist daher durchaus unzulässig, einzelne Teile dieses Projektes herauszugreifen und für sich zu beanstanden.

Die Regierung anerkennt selbst (Seite 3 des Rekurses), daß der Zweck des Bahnhofumbaues sowohl in der Befriedigung der Bedürfnisse des stets wachsenden Eisenbahnverkehrs, als in der Verbesserung der Kommunikationen mit den südlich der Bahn gelegenen Quartieren bestand. Für die Aufsichtsbehörde war es nun keine leichte Arbeit, bei der Behandlung der zahlreichen Planvarianten und Bauprojekte die durch diese beiden oft entgegengesetzten Interessen hervorgerufenen Bogehren tunlichst zu berücksichtigen und in den Fällen, wo keine Verständigung erzielt werden konnte, die nötigen Entscheide nach reiflicher Erwägung der in Betracht kommenden Verhältnisse in möglichst rationeller und billiger Weise zu treffen. Es liegt nun in der Natur der Sache, daß diese Beschlüsse die beiden Parteien nicht immer gleich befriedigen konnten und hie und da mit gewissem Unmut aufgenommen werden mußten. Darin besteht aber offenbar kein Grund, die volle Objektivität des Bundesrates in seinen Entscheiden zu bezweifeln und ihm sogar vorzuwerfen, die Berücksichtigung wichtiger städtischer Verkehrsinteressen mit Rücksicht auf eine wohl eher nur befürchtete als in Wirklichkeit eintretende

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kleine Unannehmlichkeit für den Bahnbetrieb hintan zu setzen (Seite 20 des Rekurses) oder sich bei der Ausübung seiner gesetzlichen Hoheitsrechte von den fiskalischen Interessen der Bundesbahnen beeinflussen zu lassen (Seite 10 der Ergänzung der Rekursschrift).

Es geht ferner wohl nicht an, statt gegen die Art der Erledigung des ganzen Umbauprojektcs zu protestieren, nur gegen einzelne Teile desselben, ohne Beachtung der übrigen befriedigten Forderungen der Lokalbehörden, den Rekurs an die Bundesversammlung zu ergreifen. Zieht man nämlich die nach dem definitiven Umbauprojekt geschaffenen Straßenverhältnisse in ihrer Gesamtheit in Betracht, so muß zweifelsohne anerkannt werden, daß dieselben als vollauf genügend und sogar, im Vergleich mit den übrigen größern schweizerischen Bahnhöfen, wie z. B. Zürich.

Bern und Genf, als recht günstig zu betrachten sind. Auf eine Länge von rund 1300 Metern werden nämlich nach Vollendung der Bahnhofumbauten nicht weniger als 4 bequeme Straßenüberführungen und 3 Fußgängerpasserellen (inkl. die in der Planbeilage 3 nicht eingetragenen Passerellen in der Richtung der Frobenstraße und bei der alten Güterstraße) die Kommunikationen zwischen der Stadt und dem Gundoldingerquartier vermitteln.

Indem wir zum Schlüsse ausdrücklich wiederholen, daß wir die Kompetenz der Bundesversammlung, auf derartige Rekursbegehren einzutreten, bestreiten müssen, ersuchen wir Sie für den Fall, daß Sie trotzdem Eintreten beschließen sollten, die beiden Begehren der Regierung von Baselstadt als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Juni 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zenip.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

=-0-=$.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung verurteilten Heinrich Metzger, gewesenen Lokomotivführers der schweizerischen Nordostbahn, in Seebach bei Zürich.

(Vom 21. Juni 1902.)

Tit.

1. Am 4. Juni 1899, nachts 11 Uhr 57 Minuten, fuhr der Nachtschnellzug Zürich-Genf bei seiner Einfahrt in den Bahnhof A a r a u über die vorgeschriebene Haltestelle hinaus, und stieß dabei auf zwei am Westende des Bahnhofes bei Km. 49,541 zur Übernahme des Zuges 26 auf dem gleichen Geleise bereit stehende Centralbahn-Lokomotiven, was einen schweren Unfall zur Folge hatte. Infolge des Anpralles des Zuges 26 auf die beiden Centralbahn-Lokomotiven, welcher in einem einmaligen heftigen Krachen sich äußerte, wurde das hintere Ende des Packwagens von den Rädern abgehoben und schob sich in das vordere Ende des darauf folgenden Paris-Lyon-MéditerranéeWagens hinein ; der freigewordene Radsatz stand, die Achse in der Längsrichtung des Geleises, bei Km. 49,56O mitten zwischen den Schienen. Der Paris-Lyon-Méditerranée-Wagen war mit der Mittelachse entgleist. Ein abgebrochener Puffer flog bei Km. 49,552 nach links in einen Garten hinein, an Bundesblatt

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Rekursschrift des Regierungsrates des Kantons Baselstadt betreffend den Umbau des Centralbahnhofes.

(Vom 21. Juni 1902.)

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25.06.1902

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