615

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Fortsetzung der Straßenbahn St. Gallen-Gais nach Appenzell.

(Vom 9. Oktober 1902.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 22. März dieses Jahres stellte die Appenzeller Straßenbahn das Gesuch, es möchte ihr die Konzession für die Fortsetzung ihrer Linie 8t. Gallen-Gais von Gais nach Appenzell erteilt werden.

Laut dem allgemeinen Berichte wird mit dem Ausbau der Straßenbahn St. Gallen-Gais nach Appenzell die kürzeste Verbindung zwischen St. Gallen und Appenzell mit einer Geleiselänge von 19,6 Kilometer hergestellt. Die Fahrt über Winkeln nach Appenzell schließe 32 Kilometer in sich und werde nach heutigen Verhältnissen, inklusive kürzester Umschlagszeit in Winkeln in 104--110 Minuten zurückgelegt, während die Fahrt nach Appenzell via Gais nur 95 Minuten benötige. Auch die Taxen stellen sich auf der Straßenbahn niedriger. Die Fahrt von St. Gallen nach Appenzell via Gais könnte nicht nur in kürzerer Zeit zurückgelegt werden, sie wäre zudem noch billiger. Es sei nicht daran zu zweifeln, daß mit der Verlängerung der Linie von Gais nach Appenzell die Betriebsüberschüsse sich ganz erheblich steigern werden. Die Vorteile, welche die neue Bahn der Landesgegend bringen würde, seien evident; die Verkehrsbedeutung sei eine große, und es werde mit dem Ausbau der Linie einem längst gefühlten Bedürfnisse nachgekommen.

616 Dem technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben : Die Linie werde auf eigenem Trace gebaut, sofern nicht mit dem Staate Innerrhoden über die Benutzung der Straße eine Verständigung möglich werde. Vermittelst Kehrkurve werde in Gais direkt Anschluß an die Stammlinie gebildet, wodurch ein Umspannen der Lokomotive oder eine Spitzkehre vermieden werde. Die Baulänge Gais-Appenzell (Mitte Stationsgebäude) betrage rund 5600 Meter. Von dieser Strecke liegen auf außerrhodischem Gebiete, Gais-Kantonsgrenze 1200 Meter, während 4400 Meter der Geleisestrecke auf innerrhodisches Territorium zu liegen kommen. Vermittelst Überbrückung der Sitter werde die Bahn in den Bahnhof der Appenzellerbahn eingeführt. Bei Meistersrütti, Kilometer 2,4, sei 'eine Haltestelle vorgesehen. Bei Steigungen über 45 °/oo werde eine Zahnstange eingelegt, und zwar von Meistersrütti bis an die Sitter, d. h. auf eine Länge von zirka 2300 Meter. Die Steigungsverhältnisse seien günstige, indem nur auf eine kurze Distanz die maximale Steigung von 78 °/oo nötig werde, während die mittlere Steigung nur 60 °/oo betrage. Die Spurweite sei l Meter, der Minimalradius 40 Meter.

Es werde der gleiche Oberbau wie bei der Stammlinie zur Verwendung kommen.

Der Betrieb erfolge mit dem Rollmaterial der Straßenbahn, und es sei, soweit nötig, die Vermehrung des Rollmaterialparkes vorgesehen.

Der Kosten veranschlag enthält folgende Hauptposten: A. Allgemeine Verwaltung, Projektierung und BauFr.

leitung 50,000 B. Verzinsung des Baukapitals 19,400 C. Grunderwerb 80,400 D. Bahnbau : 1. Unterbau: ET.

Fr.

a . Erdarbeiten . . . .

58,100 b. Brücken und Durchlässe 92,000 c. Stütz- und Futtermauern 73,800 d. Wegbauten und Beschotterung 35,600 e. Verschiedenes und zur Aufrundung . . . .

13,700 Total Unterbau 273,200 Übertrag

273,200

149,800

617 Übertrag Fr.

2. Oberbau : 76,340 a. Adhäsionsgeleise . . .

&. Zahnstangengeleise .

125,400 c. Zuschlag für Weichen und Kreuzungen »9,600 d. Verschiedenes und zur Aufrundung . . . .

14,660 Tritai

Ohßvhon

Fr.

Ff.

273,200 149,800

226,000

3. Hochbau ' 23,000 4. Telephon und Signale 3,000 5. Abgrenzung und Einfriedung der Bahn 6,000 Total Bahnanlagen und feste Einrichtungen E. Rollmaterial : 1. Eine Lokomotive 2. Sechs Güterwagen

531,200

65,000 34,000 99,000 2,000

F. Mobiliar und Gerätschaften Total

782,000

Kosten per Bahnkilometer Fr. 139,642.

Für die neue Strecke Gais-Appenzell würden gemäß den Berechnungen der Appenzellerbahn die Einnahmen Fr. 81,688 und die Ausgaben Fr. 32,997 betragen.

Dem Konzessionsgesuche hat die Appenzellerbahn einen Konzessionsentwurf beigelegt, der im wesentlichen die Bestimmungen der Konzession für die Linie St. Gallen-Gais vom 25. Juni 1885 (E. A. S. VIII, 167) auf die neue Strecke Gais-Appenzell zur Anwendung bringt.

In ihren Vernehmlassungen vom 23. Mai und 10. Juni dieses Jahres erklärten sich die Regierungen der Kantone Appenzell Innerrhoden und Außerrhoden mit der Fortsetzung der Appenzellerbahn nach Gais prinzipiell einverstanden.

Da das Eisenbahndepartement es für angezeigt hielt, die unterm 25. Juni 1885 der Appenzeller Straßenbahn erteilte Konzession mit einigen, den Bestimmungen der neuern Konzessionen entsprechenden Änderungen auf die Strecke Gais-Appenzell anzuwenden, so stellte es den Entwurf zu einem solchen BundesBundesblatt. 54. Jahrg. Bd. IV.

44

618

beschlusse auf, und teilte denselben der Verwaltung der Bahn, sowie den Regierungen von Außer- und Innerrhoden und mit Rücksicht darauf, daß die ursprüngliche Konzession St. GallenGais einige Veränderungen erfahren mußte, auch der Regierung von St. Gallen zur Vernehmlassung mit.

Die 3 beteiligten Kantonsregierungen und die Bahnverwaltung erklärten sich mit dem Beschlußentwurfe im allgemeinen einverstanden.

Die Regierung des Kantons Innerrhoden bemerkte in ihrer Vernehmlassung vom 8. Juli, sie halte es für selbstverständlich, daß die Linie in Appenzell in den Bahnhof der Appenzellerbahn einmünde, worauf der Regierung geantwortet wurde, es sei dies auch die Auffassung des Departementes. Ihrem Wunsche um Vertretung im Verwaltungsrate der Bahn für den Fall, daß der Kanton Innerrhoden seiner Zeit durch Subvention oder Straßenabtretung in Mitleidenschaft gezogen werden sollte, kann anläßlich der Genehmigung der zu revidierenden0 Gesellschaftsstatuten Rechnung getragen werden.

Über die in Ziffer 11 enthaltene Änderung gegenüber der bestehenden Konzession fanden noch schriftliche Auseinandersetzungen zwischen der Konzessionärin und dem Eisenbahndepartement statt, welche schließlich dazu führten, daß die Appenzeller Straßenbahn sich bereit erklärte, den im Vergleich zu den frühern Konzessionsbestimmungen gesteigerten Anforderungen zu entsprechen.

Weil somit allerseits vollständiges Einverständnis mit dem Beschlußentwurfe herrschte und es sich nicht um eine neue Konzession, sondern lediglich um Ausdehnung einer bereits bestehenden auf eine neue Strecke handelte, wurde von der Abhaltung konferenzieller Verhandlungen abgesehen.

Der nachfolgende Beschlußentwurf gibt uns zu folgenden Bemerkungen Anlaß: In Ziffer 6 wurde für den Art. 15, Absatz 2, die Fassung des entsprechenden Artikels des neuen Konzessionschemas gewählt.

Was den einheitlichen Rückkaufstermin für die ganze Linie St. Gallen-Gais-Appenzell anbelangt, so ist zu bemerken, daß nach der Konzession vom 25. Juni 1885 der Rückkauf für die Strecke St. Gallen-Gais auf den 1. Mai 1903 hätte angekündigt werden können, wobei dieser Entschluß der Bahnverwaltung 3 Jahre vor dem Eintritte des Rückkaufes hätte mitgeteilt werden müssen.

619

Für die neue Strecke Appenzell-Gais könnte gemäß dem jetzt üblichen Konzessionsschema der Rückkauf frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen, also voraussichtlich auf den I.Januar 1935.

Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse erseheint es angemessen, den einheitlichen Rückkaufstermin auf den 1. Januar 1920 anzusetzen.

Indem wir noch beifügen, daß die durch Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 851) den Herren Dr.

Du Riche Preller, Brown Boveri & Cie., C. Sonderegger und W. Stellmacher-Sonderegger erteilte Konzession für eine elektrische Straßenbahn von Gais nach Appenzell und von da über Weißbad nach Wasserauen am 15. März 1901 erloschen ist (E. A. S. XVII, 315, Ziffer A, 2), empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Annahme und benützen auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. Oktober 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

620 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Fortsetzung der Straßenbahn St. Gallen-Gais nach Appenzell.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. eines Gesuches des Verwaltungsrates der Appenzeller Straßenbahn vom 22. März 1902; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1902, beschließt: L Die durch Bundesbeschluß vom 25. Juni 1885 (E. A. S.

VIII, 167) den Herren Dr. Otto Roth und Johann Tobler in Teufen und E. Zollikofer-Wirth in St. Gallen zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft erteilte Konzession für den Bau und Betrieb einer Straßeneisenbahn von St. Gallen nach Gais wird auf eine Fortsetzung dieser Bahn von G a i s nach A p p e n z e l l ausgedehnt und gleichzeitig folgendermaßen abgeändert, be~ ziehungsweise ergänzt : 1. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen für die Strecke Gais - Appenzell nebst den revidierten Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten fiir die Erstellung der neuen Linie zu machen.

621 2. Binnen 18 Monaten, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die neue Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

3. Art. 8 erhält folgenden Zusatz : ,,Der Bundesrat kann die Einführung des elektrischen Betriebes gestatten.a 4. Art. 13 erhält folgende Fassung: ,,Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind."'

5. Art. 15, Absatz 2, erhält folgende Fassung: ,,Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen."

6. Im fünften Absatz des Art. 15 werden die Worte ,,am gleichen oder folgenden Tage"1 gestrichen.

7. Das Schlußalinea des Art. 15 soll lauten : ,,Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu- Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillete zu reduzierter Taxe auszugeben.111 8. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, bevor die Linie G-ais-Appenzell dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

9. Im Art. 24 ist ,,acht Prozent"1 durch ,,sechs Prozenta zu ersetzen.

10. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

622

11. Die' Art. 25 und 26 werden gestrichen.

12. Für den Fall, daß für den Bau und Betrieb des Teilstücks Gais - Appenzell die öffentliche Straße in Anspruch genommen werden sollte, hat sich die Konzessionärin mit den zuständigen kantonalen, beziehungsweise lokalen Behörden zu verständigen, und es erhalten die betreffenden Vereinbarungen nur insofern Gültigkeit, als sie nicht mit der Bundesgesetzgebung oder mit den Bestimmungen der Konzession im Widerspruch stehen.

13. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der beteiligten Kantone St. Gallen, Appenzell I.-Rh. und Appenzell A.-Rh.

bildet die ganze Bahnlinie von St. Gallen über Gais nach Appenzell ein einziges Rückkaufsobjekt.

14. Der Rückkauf kann frühestens auf den 1. Januar 1920 und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

15. Am Schlüsse der litt, c des Art. 28 werden die Worte ,,immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger, als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch"1 und ,,betragen darf" gestrichen.

16. In den Art. 28 und 29 wird je nach ,,St. Gallen" eingeschaltet ,,Appenzell I.-Rh.tt.

17. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

18. Sollten die unter Ziffern l und 2 hiervor festgesetzten Fristen nicht innegehalten werden, so fällt der gegenwärtige Bundesbeschluß dahin, und es tritt der Bundesbeschluß betreffend Konzession einer Straßenbahn von St. Gallen nach Gais vom 25. Juni 1885 wieder unverändert in Kraft.

II. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses, welcher sofort in Kraft tritt, beauftragt.

-Ö-O-Si

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Fortsetzung der Straßenbahn St. Gallen-Gais nach Appenzell. (Vom 9. Oktober 1902.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1902

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

42

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.10.1902

Date Data Seite

615-622

Page Pagina Ref. No

10 020 268

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.