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Bericht des

Bundesrates an Beschwerde angehörigen, Bundesrates

die Bundesversammlung, betreffend die des Max Ruff-Ehrat, deutschen Staatsfrüher in Genf, gegen den Entscheid des vom 21. Januar 1902.

(Vom 23. Mai 1902.)

Tit.

Der Bundesrat beehrt sich, Ihnen, Tit., in Sachen der Beschwerde des Max Ruff-Ehrat folgenden Bericht und Antrag zugehen zu lassen : I. Am 21. Januar 1902 fällte der Bundesrat in einer Beschwerdesache des Max Ruff-Ehrat gegen das den Ausweisungsbeschluß des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Genf vom 2. März 1901 bestätigende Urteil des Staatsrates von Genf vom 22. Oktober 1901 folgenden Entscheid:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Verfügung des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Genf vom 2. März 1901 wurde den Eheleuten Max RuffEhrat die Aufenthaltsbewilligung für Genf entzogen, weil ihre Aufführung zu Klagen Anlaß gab.

381 Mit Beschluß vom 22. Oktober 1901 ging der Genfer Staatsrat ·über einen diesbezüglichen Rekurs des Herrn Max Ruff zur Tagesordnung über, da die Erwägungen des Bundesratsbeschlusses vom 18. Oktober 1901, durch welchen der Rekurs der Frau Ruff-Ehrat abgewiesen wurde, zeigen, daß die Thatsachen, welche die Ausweisung der letzteren begründeten, nicht nur der Frau Ruff allein, sondern beiden Ehegatten zu Lasten fallen, so daß auch beide von der Ausweisungsverfügung vom 2. März 1901 getroffen wurden.

n.

Gegen diesen Beschluß des Staatsrates rekurrierte Max Ruff mit Eingabe vom 7. November 1901 an den Bundesrat; er behauptet, sein Verhalten sei stets ein gutes gewesen, er habe sich immer ehrlich von seiner Arbeit ernährt, und er sei nicht -- gemäß Art. 5 des Gesetzes über die Fremdenpolizei vom 9. Februar 1844 -- vorgeladen worden, um die nötigen Erklärungen zu geben und seine Verteidigungsmittel vorzubringen.

III.

Der Staatsrat des Kantons Genf beanfragt in seinen Anworten vom 19. November 1901 und 7. Januar 1902 die Abweisung des Rekurses. Er führt aus, daß die dem Rekurrenten vorgeworfenen Thatsachen die gleichen sind wie diejenigen, auf welche sich der Bundesrat stützte, als er unterm 18. Oktober 1901 den Rekurs der Frau Ruff abwies, nämlich ,,daß die Aufführung der Eheleute Ruff zu vielen Klagen Anlaß gab ; daß sie, als Schweinemetzger etabliert, bald schlechte Geschäfte machten und bedeutende Passiven hinterliessen ; daß es auch kaum anders kommen konnte, da Herr Ruff ein brutaler, dem Trunke ergebener Mann war und täglich Skandal verursachte01.

Angesichts dieser Thatsachen, glaubt sich der Staatsrat keiner Rechtsverweigerung schuldig gemacht zu haben, und er hält dafür, daß er sich mit vollem Recht auf Art. 27 des genferischen Gesetzes über die Fremdenpolizei stützte, um die Ausweisung des Herrn Ruff zu verfügen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Artikel 27 des genferischen Gesetzes über die Fremdenpolizei vom 9. Februar 1844 bestimmt, daß die Niederlassungs-

382 und Aufenthaltsbewilligungen zurückgezogen werden können,, wenn die Aufführung eines Fremden oder seiner Familie schlecht ist.

Nun hat der Bundesrat, gestützt auf die oben erwähnten, den Eheleuten Ruff-Ehrat zur Last fallenden Thatsachen, durch Beschluß vom 18. Oktober 1901 erklärt, daß der Staatsrat von Genf die Ausweisung der Frau Ruff-Ehrat verfügt hatte, ohne dadurch das Bundesrecht zu verletzen.

Mit vollem Recht hat sich daher der Staatsrat ganz einfach auf diesen Bundesratsbeschluß bezogen, als er die Ausweisung des Herrn Ruff so gut wie diejenige der Frau Ruff verfügte.

Durch diese Verfügung hat er den Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland vom 31. Mai 1890 nicht verletzt, und er hat auch seine Kompetenzen nicht überschritten.

II. Gegen diesen Entscheid rekurriert Max Ruff-Ehrat an die Bundesversammlung, mit dem Begehren um Aufhebung der seine Ausweisung aus dem Kanton Genf aussprechenden oder bestätigenden Entscheide.

Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Rekurrent folgendes aus: Am 3. März 1901 sei er aus dem Kanton Genf ausgewiesen worden, ohne daß er die Beweggründe hierfür genau habe in Erfahrung bringen können.

Er sei 27 Jahre lang in Genf als Metzger niedergelassen gewesen. Seine angegriffene Gesundheit habe in genötigt, für einige Zeit nach Deutschland zu gehen. Bei seiner Rückkehr habe er seine Frau, im Konkubinat mit einem Ändern lebend, angetroffen, was begreiflicherweise zu einigen Beschimpfungen Anlaß gab.

Er sei nie in Konkurs gekommen und seine Schulden seien beinahe vollständig bezahlt worden, aber seine Frau habe heimliche Schulden gemacht, für die er als Ehemann habe aufkommen müssen. Es sei unrichtig, daß er trinke ; er habe sieh auch seiner Frau gegenüber keiner Brutalitäten schuldig gemacht; er habe sie nur beschimpft, wenn sie ihn dazu gereizt habe oder er sie in Gesellschaft von fremden Liebhabern angetroffen habe.

Niemand außer seiner Frau habe gegen ihn Klage erhoben und diese habe sich dabei der Lüge, Verläumdung und Fälschung bedient.

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Seine Aufführung rechtfertige in keiner Weise die gegen ihn ergriffene Maßregel, da er nirgends irgend eine Verurteilung erlitten habe.

III. Die Genfer Regierung, welcher der Rekurs zur Verhehmlassung vorgelegt wurde, führte dagegen folgendes aus : Der Thatbestand, auf welchen sich die Ausweisung gründet^ belastet beide Ehegatteji.

Ihre Aufführung gab zu vielen Klagen Anlaß.

Als Schweinemetzger etabliert, machten sie bald schlechte Geschäfte, und Schulden häuften sich an.

Es konnte auch kaum anders kommen, denn der Mann war eine brutale, dem Trunke ergebene Person und verursachte täglich Skandal.

Die Frau ° ihrerseits that nichts zur Erhaltung des häuslichen Friedens ; von leichtem Charakter, gab sie Anlaß zu heftigen Scenen, so daß ihr Gatte sie verließ, um sich nach Hausen in Preußen zu begeben.

Nach der Abreise des Mannes führte Frau Ruff ein ungeregeltes Leben und brachte sich nur durch allerlei Mittolchen und mildthätige Unterstützungen durch.

Nach Genf zurückgekehrt, ließ der von seiner Frau zwar getrennt lebende Ruff keinen Tag verstreichen, ohne bei ihr Skandal zu machen.

Damals nun wurde ein Ausweisungsbeschluß gegen die beiden Eheleute Ruff erlassen, von denen wahrlich weder der eine noch der andere Teil unser Interesse erwecken kann.

IV. Wir haben unsern obigen Erwägungen nichts beizufügen.

Der Rekurrent hat keine neuen Thatsachen aufgeführt, welche die rechtliche Situation irgendwie beeinflussen oder verändern könnten.

Er scheint überhaupt von der rechtlichen Auffassung auszugehen, daß die Bundesbehörden sich mit der thatsächlichen Begründetheit oder Unbegründetheit seiner Ausweisung zu beschäftigen hätten, während der einzige bundesrechtliche Kompetenzgrund (Art. 189, letzter Absatz, des B. G. über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893) aus einer Verletzung des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages gezogen werden kann. Sobald, wie ^tatsächlich nachgewiesen, die Genfer Behörden in Anwendung ihres kantonalen Fremdenpolizeigesetzes gehandelt haben, ist, da der Staatsvertrag die Polizeigesetze der Vertragsstaaten vorbehält, von einer Verletzung des Staatsvertrages keine Rede.

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Wir bemerken noch, daß auch die Ehefrau Ruff-Ehrat gegen eine sie betreffende Ausweisungsverfügung der kantonalen Behörden an den Bundesrat rekurriert hatte. Dieselbe hat aber den abweisenden Entscheid des Bundesrates nicht weiter gezogen.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, bei Ihnen, Tit., zu b e a n t r a g e n : Der Rekurs sei als unbegründet abzuweisen.

B e r n , den 23. Mai 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Beschwerde des Max Ruff-Ehrat, deutschen Staatsangehörigen, früher in Genf, gegen den Entscheid des Bundesrates vom 21. Januar 1902. (Vom 23. Mai 1902.)

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28.05.1902

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