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Botschaft des

Bundesrathes an die BundesverSammlung, betreffend die Erweiterung der landwirtschaftlichen Abtheilung am eidg. Polytechnikum.

(Vom 5. Juni 1886.)

Tit.

Am 30. Juni 1882 wurde bei Gelegenheit der Prüfung des Geschäftsberichtes pro 1881 von den gesetzgebenden Räthen folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrath ist eingeladen, in Erwägung zu ziehen und ,,darüber Bericht zu. erstatten, ob die landwirtschaftliche Schule ,,am Polytechnikum der vaterländischen Landwirthschaft nicht ,,nutzbarer gemacht werden könnte.a Durch Bundesbeschluß vom 13. Dezember 1884 haben Sie sodann nebst andern die Förderung der Landwirthschaft bezweckenden Postulaten nachstehendes Begehren gestellt: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, der Bundesversammlung ,,Bericht und Antrag über die am Polytechnikum erforderlichen ,,Einrichtungen zur Ausbildung von Kulturtechnikern vorzulegen."

Der innere Zusammenhang dieser Forderungen, welche gleicherweise eine Modifikation, bezw. Erweiterung des Organismus der Anstalt, ihres Lehrplanes, ihrer Hülfsmittel und eventuell ihres Lehrkörpers bedingen, enthebt uns der Nothwendigkeit, hier noch speziell zu begründen, warum wir Berieht und Antrag über die Ausführung der beiden Postulate zusammenfassen.

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In erster Linie hatten wir dem schweizerischen Schukathe Gelegenheit gegeben, über den vorliegenden Gegenstand Berathung zu pflegen. Die in mehreren Gutachten niedergelegten Ergebnisse dieser einläßlichen Untersuchung, zu welcher auch die Fachmänner aus den betreffenden Abtheilungen des Polytechnikums herbeigezogen worden waren, wurde hierauf den Vorständen der verschiedenen landwirtschaftlichen Vereine und Gesellschaften der Schweiz, sowie anderweitigen Sachverständigen, z. B. dem Direktor der Milchversuchsstation in Lausanne, zur Ausichtsäußerung unterbreitet. Die daherigen Berichte haben wir sodann neuerdings dem Schulrathe mit der Einladung bekannt gegeben, unter Würdigung derselben die Angelegenheit einer nochmaligen Prüfung zu unterstellen, was auch geschehen ist.

Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich wesentlich auf die Resultate dieser verschiedenen Gutachten.

Die in Rede stehenden Postulate sind ohne Zweifel den theilweise in eine gewisse Nothlage getretenen Erwerbsverhältuissen der landwirthschaftlichen Bevölkerung entsprungen. Um diese zu heben, wird zu allen als tauglich erscheinenden Hülfsmitteln gegriffen, und der Gedanke ist naheliegend, daß auch die Landwirthschaftliche Abtheilung am eidg. Polytechnikum hietz einen Beitrag liefern sollte. Dabei mag namentlich die verhältnißmäßig geringe Zahl von Schülern an dieser Ahtheilung als ein Beweis dafür augesehen worden sein, daß dieselbe der schweizerischen Landwirtschaft nicht denjenigen ,,Nutzen" gewähre, den man sich von diesem Institute versprechen dürfe.

Es liegt nicht in unserer Absicht, hier die Prägen nach den Ursachen des landwirtschaftlichen Rückganges näher zu erörtern ; dagegen können wir nicht umhin, unsere Ueberzeugung auszusprechen, daß die geringe Frequenz der Abtheilung, über deren Gründe im Enquete-Bericht des Herrn Prof. Krämer vom Jahre 1882 (S. 13(5 und 137) bemerkenwerthe Andeutungan enthalten sind, weder durch die Organisation und die Einrichtungen der Schule, noch durch die Beschaffenheit der au ihr wirkenden Lehrkräfte bedingt ist. Zählen wir doch unter den letztern theoretisch und praktisch durchgebildete Männer von höchster Tüchtigkeeit,t, die jedem ähnlichen Institute zur Zierde gereichen würden, und ist ja dio Organisation der Abtheilung nach dem Urlheile unbefangener Fachleute als eine durchaus glückliche und auf der Hohe der Zeit stehende anerkannt.

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Wenn nun von der Nutzbarmachung für die, Bedürfnisse des praktischen Lebens, speziell der ,,vaterländischen Landwirtschaft" die Rede ist, so müssen von vornherein alle diejenigen Wünsche

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und Anforderungen ausgeschlossen werden, welche die Schule weder erfüllen s o l l , noch erfüllen k a n n , und es ist die Aufgabe genau in's Auge zu fassen, welche sie nach den Vorschriften ihres Gründungsgesetzes zu erfüllen hat.

Das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1869 betreffend Erweiterung der Forstschule des eidg. Polytechnikums zu einer land- und forstwirtschaftlichen Schule (A. S. X, 10) bestimmt in ,,Art. i. Es wird mit der Forstschule des eidg. Polytech,,nikums in Zürich eine höhere landwirtschaftliche Schule ver,,bunden.

,,Dieselbe steht unter dem Gesetz vom 7. Hornung 1854 be,,treffend Errichtung einer eidg. polytechnischen Schule und bildet ,,mit der Forstschule die fünfte Abtheilung, die land- und forst,,wirthschaftliche Schule."

Damit war und ist der landwirthschaftlichen Lehranstalt ihre Stellung und Aufgabe vorgezeichnet.

Dieselbe soll hienach eine h ö h e r e landwirtschaftliche Schule sein, welche die Konkurrenz mit den bestehenden kantonalen Ackerbauschulen dadurch vermeidet, daß sie eine bessere Vorbildung verlaugt, den Unterrichtsstoff weiter und tiefer erfaßt und eine gründlichere und gediegenere Ausbildung in allen Zweigen der Landwirthschaftswissenschaft ermöglicht. Dieser Standpunkt ist von Anfang an eingenommen worden, und wir treten noch heute dafür ein, der eidg. landwirthschaftlichen Schule ihre Stellung als h ö h e r e l a n d vv i r th s c h a f f , l i e h e L e h r a n s t a l t voll und ganz zu wahren.

Denn nach dem zitirten Bundesgesetze soll sie ferner eine A b t h e i l u n g , bezw. S e k t i o n des eidg. P o l y t e c h n i k u m s bilden, d. h. sie soll sich den übrigen Abtheilungen ebenbürtig und gleichberechtigt in den Organismus der polytechnischen Schule einfügen und demgemäß wie jene in erster Linie eine theoretische, von einem praktischen Betrieh unabhängige Anstalt sein, welche zunächst der L e h r e und der w i s s e n s c h a f t l i c h e n F o r s c h u n g zu dienen berufen ist.

Die Praxis des landwirtschaftlichen Gewerbes kann durch nichts mehr, besser und sicherer gefördert werden, als durch die Leuchte der Wissenschaft. Gibt es doch in dem ganzen Gebiete des Landbaues unter den fortschrittlichen Errungenschaften der Neuzeit thatsächiich keine einzige, welche nicht auf das Ergebniß wissenschaftlicher Forschung zurückzuführen wäre.

Die ganze O r g a n i s a t i o n der landwirthschaftlichen Schule steht in vollem Einklang mit den durch das Bundesgesetz vorgeschriebenen Bestimmungen.

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Der L ehr pi an ist so geordnet, daß die Fachwissenschaften auf die Grundwissenschaften sich aufbauen. Soweit die Zei und der Gegenstand es erlauben, -wie im Feldmessen und Nivelliren, in der Topographie, in der Chemie und der Botanik, sind Uebungen mit dem Unterrichte verbunden, welch letzterer zugleich durch dio umfangreichen S a m m l u n g e n des Polytechnikums wesentlich unterstützt wird. Die spezifisch landwirtschaftlichen Uebungen erstrecket» sich vorzugsweise auf Untersuchung der Bodenarten und der Sämereien, insbesondere der Gras- und Kleesamen auf Beurtheilu des Pflanzenbestandes, der Natur- und Kunstwiesen, auf Entwerfen von Drainage- und Entwässerungsplänen, auf Beurtheilung des Thierkörpers unter besonderer Berücksichtigung des Rindes, auf Untersuchung der Milch, auf Ertragsanschläge, landwirtschaftliche Berechnungen u. s. w. Außerdem findet der Unterricht sowohl der Fach- als der Grundwissenschaften in den E x k u r s i o n e n nach den verschiedenen Gegenden der Schweiz eine wichtige Ergänzung.

Diejenigen Schüler, welche eine gründliche wissenschaftliche Durchbildung erhalten und ein Diplom erwerben wollen, sind gebunden, alle in dem Lehrplan als obligatorisch bezeichneten Fächer zu absolviren. Die obligatorischen Unterrichtsgegenstände beanspruchen bei einem 2 1/2 Jährigen Kursus durchschnittlich 27--28 Stunden per Woche. Es bleibt somit den Studirenden, wenn auch nicht viel, so doch etwas Zeit übrig, auch fakultative Unterrichtsund Freifächer zu besuchen. Den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen wird dadurch Rechnung getragen, daß der Vorstand für die betreffenden Schüler, anschließend an diJahreserfolgege im Programm, individuelle Stundenpläne festsetzt. Landwirthen von reiferem Alter, die sich in einzelnen Richtungen theoretisch noch weiter ausbilden wollen, wird der Besuch der Vorlesungen jederzeit bereitwillig gestattet.

Eine Beschränkung der Unterrichtsfächer oder eine Verminderung der den einzelnen Fächern gewidmeten Stundenzahl kann nicht wohl eintreten, weil nach beiden Richtungen schon das geringste Maß gefordert wird. Andererseits kann, so lange der Kursus auf 2 1/2 Jahre beschränkt bleibt, auch an (âne e r h e b l i c h e Vermehrung in der einen oder andern Beziehung nicht wohl gedacht werden.

Ueberhaupt wird die gegenwärtige Organisation der eidg. landwirthschaftlichen
Lehranstalt, die den Vergleich mit den analogen Instituten unserer Nachbarstaaten nicht zu scheuen braucht, im Großen und Ganzen beibehalten werden müssen, wenn anders die bisher maßgebende Idee von der wissenschaftlichen Bestimmung dieser Abtheilung nicht aufgegeben und die letztere auf das Niveau

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der kantonalen Ackerbauschulen herabgedrückt werden soll. Allein wenn wir auch dafür sorgen wollen, daß nur auf Grund der allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Fachwissenschaften aufgebaut und die Grundsätze für den praktischen Betrieb gewonnen werden, so sind wir doch weit davon entfernt, einseitig einem theoretischen Doktrinarismus zu huldigen. Die Lehre kann auf keinem Gebiete der Anschauung entbehren ; die Forschung erfordert den Versuch und bereichert sich allezeit aus demselben.

Nachdem wir hiemit den allgemeinen Standpunkt dargelegt haben, welcher nach unserer Ansicht den vorliegenden Bestrebungen gegenüber festgehalten werden muß, gelangen wir zur Prüfung der aufgetauchten Vorschläge über die Mittel und Wege, die Wirksamkeit der landwirtschaftlichen Abtheilung am Polytechnikum für die landwirtschaftliche Praxis fruchtbarer zu gestalten.

Hier sind wir zunächst im Falle, eine Anregung zu bekämpfen, welche dahin zielt, den U n t e r r i c h t auf die W i n t e r s z e i t zu b e s c h r ä n k e n , während die Schüler den Sommer über sich der Praxis zu widmen hätten. Eine solche Einrichtung, wie sie an der landwirtschaftlichen Schule zu Paris besteht, ist bei unsern Verhältnissen nicht durchführbar, weil dieselbe ganz unverhältnißmäßige und ungerechtfertigte Kosten verursachen würde, indem für die sämmtlichen Grundwissenschaften, die gegenwärtig an den übrigen Abtheilungen des Polytechnikums gehört werden, besondere Lehrer angestellt und besoldet werden müßten. Die landwirtschaftliche Schule würde gänzlich aus dem Organismus des Polytechnikums heraustreten ; sie würde zur isolirten Akademie, und damit gingen alle die großen Vortheile verloren, welche die Verbindung mit dem Polytechnikum bietet und welche auch in andern Ländern, namentlich in Deutschland, maßgebend gewesen sind, als die isolirten landwirtschaftlichen Akademien aufgehoben und an die Universitäten nnd Polytechniken verlegt wurden.

Ein weiterer Vorsehlag geht auf den Betrieb einer G u t s w i r t h schaft in Verbindung mit der Schule. Dieser vom landwirtschaftlichen Klub der Bundesversammlung angeregten Frage gegenüber nimmt der Schulrath einstimmig eine entschieden ablehnende Haltung ein. Abgesehen von den außerordentlichen Schwierigkeiten und den in Aussicht zu nehmenden, außer allem Verhältnisse stehenden Kosten,
die eine solche Einrichtung in Zürich und in der Nähe des Polytechnikums verlangen würde, spricht diese Behörde sich grundsätzlich gegen eine derartige Verbindung mit dem höhern wissenschaftlichen Unterrichte in der Landwirtschaft aus. Die vermeinten Vortheile für die Praxis würden viel zu theuer bezahlt durch unverhältnißmäßiges Sinken der wissenschaftlichen Bedeutung

650 der Anstalt und der Intensivität des theoretischen Unterrichts. Die Naturwissenschaften in ihrer wissenschaftlichen Pflege, die so entfernt von den praktischen Vortheilen und Anwendungen keineswegs ist, wie mancher sich vorstellt, -- jedenfalls nicht mehr, als der wissenschaftliche Unterricht in den Fachschulen der Ingenieure und Mechaniker für die Praxis dieser Branchen, -- haben der Landwirthschaft in diesem Jahrhundert so eminenten Gewinn gebracht und so werthvolle Aufschlüsse gerade auch für die Praxis geliefert, daß die Landwirtbe allen Grund haben, cieselben ebenso sehr zu ehren und zu pflegen, wie die übrigen Techniker dies ihren Grundwissenschaften Mathematik und Physik gegenüber thun. Die enge O o Verbindung landwirthschaftlicher Schulen mit unmittelbarem Gutsbetrieb ist übrigens mehr K 1s ein halbes Jahrhundert lang namentlich in Deutschland praktizirt und geprüft worden, und das Resultat der mit dieser Methode gemachten Erfahrungen besteht darin, daß diese Verbindung fast überall gelöst worden ist und der höhere Unterricht für die Landwirtschaft der Wissenschaft überantwortet wurde. .Sollen d i e Erfahrungen Deutschlands f ü r u n s verloren Wir verweisen im Uebrigen hinsichtlich dieses Gegenstandes auf ein bei den Akten liegendes Gutachten des Herrn Prof. Krämer, vom 27. Januar 1884. Der Verfasser, welchem auf diesem speziellen Gebiete eine mehrjährige praktische Erfahrung zur Seite steht, bespricht darin einläßlich die Vorzüge und Nachtheile der zwei in Betracht kommenden Arten von gutsbetrieb, nämlich der landwirthschaftilchen Musteranstalt und der Versuchswirthschaf und er kommt nach beiden Richtungen, soweit es sich um die Verbindung mit der polytechnischen Schule handelt, zu einem negativen Resultate.

Da zudem auch die Mehrzahl der übrigen konsultirten Fachmänner und der landwirthschaftlichen Vereine hierin zu dem nämlichen Ergehnisse gelangen, so glauben wir den Ausbau der landwirthschaftlichen Abtheilung durch Einführung eines eigentlichen Gutsbetriebes Ihnen n i c h t empfehlen zu können.

Was die gleichzeitig angeregte Errichlung von Musterwirtlischaften i n v e r s c h i e d e n e n G e g e n d e n d e r S c h w e i ß als Vorbilder rationeller und rentabler Betriebsweisen und als praktische Uebungsplätze für theoretisch ausgebildete junge Landwirthe, beziehungsweise die
S n b v e n t i o n i r u u g derartiger Anstalten d u r c h d e n B u n d betrifft, so steht diese Frage mit der Organisation des Polytechnikums in keinem innern Zusammenhang, und wir verzichten deßhalb an dieser Stelle auf eine nähere, Erörterung derselben.

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Von anderer Seite, nämlich von der Lehrerkonferenz der landwirthschaftlichen Abtheilung selbst, wurde u. A. die E r r i c h t u n g e i n e r b e s o n d e r n P r o f e s s u r f ü r Alp- u n d M i l c h w i r t h s c h a f t in Antrag gebracht und mit der hervorragenden Stellung bogrundet, welche diese speziellen Betriebszweige in der schweizerischen Landwirthschaft einnehmen. Der Schulrath bekämpfte diesen Antrag, indem er bezüglich der Alpwirthschaft hervorhob, daß die Grundsätze für die Kultur des Wiesbodens im Thaïe unter selbstverständlichen Modifikationen im Großen und Ganzen auch für die Kultur des Weidbodens der Alpen maßgebend seien, und daß die wenigen speziellen Erfordernisse der eigentümlichen Pflege der Alp weiden von einer vorhandenen, diesfalls besonders erfahrenen Lehrkraft in wenigen Vortragen hinlänglich erschöpfend behandelt werden können. Uebrigens werde auf diesem Gebiete durch die bekannten Wandervorträge mehr bewirkt, als durch Kathedervorlesungen. Hinsichtlich der Milchwirthschaft betonte die genannte Behörde, daß dasjenige, was von den chemischen Prozessen und dem technischen Molkereibetriebe auf das Katheder gehöre, durch die bisherigen ordentlichen Lehrer ebenfalls in genügender Weise behandelt werden könne. Eine Vertiefung in die Käsereipraxis und in die Butterfabrikation liege nicht in der Aufgabe der technischen Hochschule und würde unbedingt, eine ziemlic umfängliche Milchwirthschaft erfordern; hiefür seien überhaupt die Milchversuchsstationen weit besser geeignet.

Wir können uns diesem Standpunkte des Schulrathes um so eher anschließen, als auch Herr Direktor Schatzmann in Lausaune gegenüber der in Rede stehenden Anregung in seinem Gutachten vorn 2. Oktober 1883 die nämliche ablehnende Haltung einnimmt.

Anders verhält es sich mit zwei fernem Vorschlägen der Lehrerkonferenz, welche gegentheils î'ast allgemeine Billigung gefunden haben. Es betrifft dies die Einrichtung eines kleinern V e r suchsfeldes für O b s t b a u m K ucht und für Rebbau und besonderer Kurse zur A u s b i l d u n g v o n K u l t u r t e e h n i k e r n und von L a n d w i r t h s c h a f t s i e h r e r n.

Wie der Schulrath mit Recht geltend macht, reichen die bisher ausschließlich benutzten Abbildungen oder Objekte aus den Sammlungen und die Exkursionen in die Reben und. Baumgärten der
Umgebung für die Bedürfnisse der Lehre und Anschauung ebenso wenig aus, als die paar Rebstocke und Zwergbäume im Garten des landwirtschaftlichen Schulgebäudes. Der Botanik steht beispielsweise außer dem botanischen Garten eine kleine systematische Anlage, sowie ein kleines Kalt- und Warmhaus neben der Schule, zur Verfügung, der Forstschule außer den Pflanzschulen

652 und Waldungen des Staates und der Stadt einige Saatbeete und Sortimentspflanzungen. Ebenso bedarf r. er Wein- und Obstbau geeigneter Anlagen für die Demonstrationen der Saat, der Anzucht des Schnittes, der verschiedenen Veredlungsmethoden. Für die von Frankreich ausgegangene und möglicherweise in Zukunft zu hoher wissenschaftlicher Bedeutung gelangende Idee der Rebenveredlung sollte ein intensiv zu pflegendes kleines Areal vorhanden sein, theils zu Forschungsversuchen, theils zu Demonstrationen. Mau sollte durch erstere Aufschluß zu gewinnen trachten über das Verhalten der operirten Pflanzen in unserm Klima, über die WechselVerhältnisse der Unterlage zu den verschiedenen Arten von Edelreisern etc. , und es würde dem Polytechnikum nicht zur Unehre gereichen, wenn es in dieser vielbesprochenen landwirtschaftlichen Tagesfrage einen auf ernste, selhstständige Forschung gegründeten Beitrag zum Besten unserer zahlreiche!]. Weinbauern zu liefern vermöchte.

Es handelt sich dabei weder um eine Musterwirthschaft, noch um eine Obst- oder Weinbauschule, wie sie im Waadtland projektirt wird. Dieses kleine Versuchsfeld, 1/2 bis höchstens 3/4 Jucharten je für Obst- und Weinbau, triti; in keiner Art in Konkurrenz mit jenen beabsichtigten Einrichtungen im Waadtland oder anderwärts. Es soll ein Hülfsmittel sein und werden für den theoretischen Unterricht. Die verschiedenen Vorgänge in den Wachsthumsverhältnissen und der Behandlung den Schülern vergleichend vorweisen, erklären und zeigen zu können, ist hiebei der Hauptzweck. Erziehung. Heranzucht der verschiedenen Formen, Veredlung und Sortenkenntniß beim Obst den Studirenden vor Augen zu legen, sie dieselben kennen zu Iwnen, das Pfropfen der Reben zum Zwecke größerer Widerstandsfähigkeit vorzuführen, dies ist hier in unmittelbarster Verbindung mit den Lehr vortragen der demonstrative Zweck dieses kleinen Versuchsfeldes. Dasselbe s:oll ein Anschauungsmittel für den hohem landwirtschaftlichen Unterricht sein und tritt also jenen andern mehr rein praktischen Bestrebungen nicht in den Weg.

Die entstehenden Kosten sind übrigens hier verhältnismäßig gering. Die auf unsere Veranlassung angestellten vorläufigen Erhebungen haben ergeben, daß der Kanton Zürich in unmittelbarer Nähe des Schulgebäudes zwei in jeder Beziehung geeignete Landparzellen von je zirka 18 Aren
besitzt, und es ist bestimmte Aussicht vorhanden , mit der Regierung Pachtverträge auf längere Dauer (etwa 15 Jahre) zu annehmbaren Bedingungen abschließen zu können. Die Betriebsausgaben werden sieh mit Einschluß des Pachtzinses auf etwa 1500--2000 Franken jährlich belaufen.

653 Die vom Schulrath ebenfalls lebhaft unterstützte Einrichtung eines besondern Kursus für K u l t u r t e c h i i i k soll den Bodenverbesserungen aller Art, sowie der Regulirung und Zusammen legung der Grundstücke dadurch Vorschub leisten, daß sie das hiezu erforderliche sachverständige Personal liefert. Wir verhehlen uns allerdings nicht, daß die Heranbildung der Kulturingenieure viel weniger Schwierigkeiten darbietet, als späterhin ihre Verwerthung im landwirtschaftlichen Leben und die Sicherung eines ordentlichen beruflichen Erwerbes, da diese Förderer der Landeskultur in der Schweiz noch ziemlich unbekannt sind und sich erst Bahn brechen müssen. Es ist aber zu hoffen, daß ihnen dies gelingen wird; denn seit Herr Krämer in seinem Enquetebericht vom Jahr 1882 auf die hohe Bedeutung des Meliorationswesens hingewiesen hat, scheint in unsern landwirtschaftlichen Kreisen das Interesse für diesen Gegenstand gewachsen zu sein.

Was nun die O r g a n i s a t i o n dieser Spezialkurse und den hiezu erforderlichen Kredit anbelangt, so ist zunächst, hervorzuheben, daß die hauptsächlichsten Bedürfnisse bereits durch die Abteilungen II (Ingenieurschule), V (Land- und Forstwirtschaft) und VI B (Fachlehrerabtheilung, naturwissenschaftliehe Richtung! gedeckt werden, so daß es sieh nur um Ergänzungen in den Ingenieurund landwirtschaftlichen Fächern, nicht aber um die Errichtung einer neuen, selbständigen Abtheiiung handeln kann. Nach der Ansicht der Schulbehörde wird die S p e z i a l organisation, welche sieh den entstehenden praktischen Bedürfnissen anpassen muß und deßhalb nicht zum Voraus genau festgestellt werden kann, für beide Richtungen sich wohl am besten finden in einer Nachahmung der bereits bestehenden, seit Jahrzehnten praktisch bewährten Einrichtung der Abtheilungen VI A und B, d. h. in der Aufstellung individueller, elektiver Stundenpläne, welche zwischen dem Schüler und den interessirten Abtheilungsvorständen vorgängig besprochen werden.

Für angehende Kulturtechniker müßten diese Stundenpläne wesentlich aus der Ingenieurschule und der Landwirthschaftssektion, für Landwirthschaftslehrer wesentlich aus Kursen der Abtheilungen V und VI B kombinirt werden, wobei die neu aufzunehmenden Fächer nach beiden Seiten hin die nothwendige Ergänzung bilden würden.

In Bezug auf diese neuen Fächer tritt
die Frage in den Vordergrund, ob für das landwirtschaftliche Meliorationswesen im weitesten Sinne e i n e neue Hauptprofessur gegründet oder ob diese Gegenstände unter die einzelnen Professoren der Ingenieur- und der landwirthschaftlichen Abtheilung vertheilt werden sollen. Da es sehr zweifelhaft ist, ob eine durchaus passende Persönlichkeit für eine solche Unterrichtskombination gegenwärtig zu finden sein würde,

654 so wird wohl, wenigstens vorläufig, der zweite Weg eingeschlagen werden müssen. Die vom Präsidenten des Schulrathes für diese interimistische Lösung berechneten Kosten belaufen sich auf Fr. 5000 bis 7000, während eine Spezialprofessur voraussichtlich Fr. 9--10,000 erfordern würde. Da aber die letztere Lösung wohl als die beste betrachtet werden muß, so scheint es nicht angezeigt, dieselbe von vornherein auszuschließen, und es wird daher für diesen Posten ein Maximalkredit von Fr. 10,000 in Aussicht zu nehmen sein. l)aa ländliche Bauwesen und alle Ergänzungen im Sinne der Lehrerbildung (hauptsächlich SpezialÜbungen) kennen nicht mit weniger als Fr. 2000 büdgetirt werden. Endlich war ein Assistent für den Vorstand der landwirthschaftlichen Abtheilung schon längst ein Bedürfnis, welches durch diese Ergänzungen noch gesteigert wird.

Will man denselben etwa auch zu einzelnen Uebungen herbeiziehen und ihm eineu Theil sekundärer Lehrthatigkeit übertragen, so wird hiefür auf eine Ausgabe von mindestens Fr. 3000 gerechnet werden müssen. Für die Ausdehnung des Unterrichts zum Zwecke der Bildung von Kulturtechnikern und Landwirthschaftslehrern bedarf es somit eines jährlichen Zuschusses zum Schulbüdget von zusammen 15,000 Franken.

Indem wir Ihnen die Annahme ces nachstehenden Bundesbeschlusses empfehlen, glauben wir noch daran erinnern zu sollen, daß die mit dem Postulat vom 30. Juni 1882 zusammenhängende Frage der Ertheilung von 8 t i p e n d i e n für angehende Landwirthschaftslehrer und Kulturtechniker durch Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 bereits geregelt worden ist.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 5. Juni 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßi ligi er.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die Erweiterung der landwirtschaftlichen Abtheilung am eidgenössischen Polytechnikum.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes von» 5. Juni 1886, beschließt: Art. 1. Am eidgenössischen Polytechnikum werden Spezialkurse für die Bildung von Kulturtechnikern und von Landwirthschaftslehrern eingerichtet.

Art. 2. Zu diesem Zwecke, sowie zum Betrieb eines Versuchsfeldes für Obstbaumzucht und für Rebbau in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Abtheilung, wird das jeweilige ordentliche Jahresbüdget der polytechnischen Schule um den Betrag von Fr. 17,000 jährlich erhöht.

Art. 3. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes betreifend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und ßundesbeschlüsse vom 17. Juni 1874 (Amt!. Samml. n. F. I, 116) die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Erweiterung der landwirtschaftlichen Abtheilung am eidg. Polytechnikum. (Vom 5. Juni 1886.)

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1886

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12.06.1886

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645-655

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