452

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend eine Nachsubvention für die Korrektion und Verbauung der Gryonne im Kanton Waadt.

(Vom 28. Februar 1888.)

Tit.

Mit Schreiben vom 15. November 1887 und Nachtrag zu demselben vom 17. Januar 1888 richtet die Regierung des Kantons Waadt an den Bundesrath zu Händen der Bundesversammlung ein Nachsubventionsgesuch, betreffend die bei Bex in die Rhone mündende Gryonne. Auf vorläufige Mittheilung desselben haben die eidgenössischen Räthe bereits in der letzten Dezembersession ihre Kommissionen für dieses Geschäft bestellt.

Die Motivirung des Gesuches ist den genannten Schreiben und den beigefügten technischen Vorlagen zu entnehmen ; auch war das eidgenössische Oberbauinspektorat infolge seiner vielfältigen Bethätigung in dieser Angelegenheit in der Lage, eingehende Mittheilungen über dieselbe zu machen.

Um eine Nachsubvention handelt es sich dabei, weil schon früher Bundesbeiträge, sowohl für die Korrektion der untern als für die Verbauung der obern Gryonne, bewilligt worden sind. Für erstere, welche die 5,05 km. lange Strecke von der Rhone bis zur Mündung der sogenannten kleinen Gryonne betrifft, ist dies durch Bundesbeschluß vom 14. April 1883 geschehen im Betrage von einem Drittel der wirklichen Kosten, bis zu dem nach diesem Verhältnisse aus der Devissumme von Fr. 300,000 sich ergebenden Maximum von Fr. 100,000. Und wie schon in der hierauf bezüg-

453

lichen Botschaft vom 1. Dezember 1882 mitgetheilt wurde, war filidie Verbauung der obern Gryonne bereits irn Jahre 1878 vom Bundesrathe eine Subvention ebenfalls im Drittelsverhältnisse unti bei einer Vovanschlagssumme von Fr. 150,000, irn Maximum von Fr. 50,000, bewilligt worden, wobei es sich um die 6,3 km. lange Strecke von der kleinen Gryonne bis zu einem En-Pierraz genannten Punkte handelt, welcher 2 km. oberhalb der Brücke der von Gryon nach Arveye führenden Straße liegt.

Die Korrektion der untern Gryonne ist gegenwärtig zum größern Theile ausgeführt und soweit dies, hauptsächlich auf der obersten Sektion, nicht der Fall, ist der entsprechende Theil der bewilligten Subvention noch disponibel. Dagegen wünscht die Regierung von Waadt Arbeiten ausführen zu lassen, welche gegenüber dem ursprünglichen Projekte Verstärkungen und Kompletirungen bilden und diese sind es, auf welche sich bezüglich der untern Gryonne das Nachsubventionsgesuch bezieht. Die Veranlassung dazu gab, neben stellenweise hervorgetretenem größerem Kraftbedürfnisse, ganz besonders eine über Erwartung sich geltend machende Tendenz zur Vertiefung des Bachbettes und das damit eingetretene Bedürfnis einer bedeutenden Vermehrung und Verstärkung der vorgesehenen Sohlversicherungen. Ein erst nach Einreichung des vorliegenden Subvenfionsgesuches eingetretenes Hochwasser gab noch zu weiterer Vermehrung dieser Arbeiten und entsprechender Erhöhung des Kostenvoranschlages Veranlassung, wonach letzterer sich nun auf Fr. 180,000 beläuft.

Die Ausführung dieser Korrektion ist überhaupt durch häufiges Eintreten von Hochwassern in ganz ungewöhnlichem Maße erschwert worden, und dies noch um so mehr, als hier infolge eines Zusammenwirkens von Einflüssen des Hochgebirges und der Vorberge fast keine Jahreszeit Sicherheit davor gewährt. Die von letztem successive zu den Diablerets fortschreitende Schneeschmelze unterhält vom Frühjahre bis in den Sommer eine für die Arbeiten immer hinderliche Anschwellung dieses Wassers, die zudem durch eintretenden Regen zum Hochwasser gesteigert werden kann; wie aber diese Gefahr bis zum Winter fortbesteht, mußte man im Jahre 1885 zu Ende November und nun 1887 im Dezember erfahren, in welchen beiden Fällen starke Hochwasser durch Schneefälle und darauf folgende bis zu bedeutender Höhe hinauf reichende Regen
veranlaßt wurden.

Durch diese Ungunst der Verhältnisse wurde zwar das stetige Fortschreiten der Korrektionsarbeiten nicht verhindert, und es unterliegt auch keinem Zweifel, daß dieselben nach Ausführung der nun projektirten Verstärkungen die nöthige Widerstandsfähigkeit

454

besitzen werden. Dagegen bewiesen diese Vorkommnisse, in welch' hohem Maße die vorherige Auhandnahme der Verbauung des obern Bachlaufes nützlich war ; kann es doch kaum zweifelhaft erscheinen, daß im gegenteiligen Falle das Hinzukommen so gewaltiger Geschiebsentleerungen von dorther, wie sie noch in den Siebenzigerjahren wiederholt stattfanden, der untern Korrektion verhängnißvoll geworden wäre.

Daß beim letzten Hochwasser keine schweren Geschiebe aus dem obern Gebiete kamen, beweist den guten Erfolg der Verbauungsarbeiten, welche zudem keine Beschädigungen erlitten haben. Wenn es hienach auffallen kann, daß gleichwohl auch hier um eine Nachsubvention ersucht wird, so findet sich die Erklärung dafür einfach in dem Wunsche, eine solch' vollkommene Gewähr für die Erhaltung dieses Erfolges zu schaffen, wie die hohe Bedeutung der von der Gryonne in der Ebene bedrohten Interessen es erfordert, Interessen, deren Umfang die Erinnerung daran veranschaulicht, daß bei früher vorgekommenen Katastrophen das ganze Gebiet zwischen den Stationen Bex und Ollon-St. Triphon und einschließlich derselben, von Schutt- und Schlarnrnergüßen heimgesucht wurde.

Damit ist allerdings die Frage noch nicht beantwortet, warum die Erfordernisse oder Bedingungen für die Erreichung dieses Zweckes nicht von Anfang genügend vorgesehen wurden. In dieser Beziehung ist zu berücksichtigen, daß die maßgebenden Erfahrungen zumeist erst in dem vom Beginne der Gryonne-Verbauung datirenden Dezenium gemacht werden konnten, da, obgleich früher schon einzelne Verbauungswerke oder sogenannte Thalsperren ausgeführt und in einigen Fällen auch im Laufe längerer Zeit mehrere solche an einander gereiht wurden, so daß sich schließlich eine mehr oder weniger vollendete Verbauung von gewissem größerem Umfange ergab, diese Arbeiten doch, schon wegen der Art des Baubetriebes, nicht geeignet waren, solche Erfahrungen zu liefern. Dies konnten erst jene der neuesten Zeit, derjenigen nach Erlassung des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes, angehörenden größero, nach Plan und Zeit einheitlich ausgeführten Werke dieser Art.

Die damit im Allgemeinen gemachte Erfahrung führte aber mehr und mehr zu der Erkenntniß, daß die Verbauung der Wildbäche nicht nur mit stellehweisen Bauten bewerkstelligt werden könne, sondern eben so sehr wie die Gewässerkorrektionen
der Niederung ein zusammenhängendes System von solchen erfordere, welches zudem nicht bloß aus sogenannten Thalsperren oder, meist richtiger benannt, Sohlversicherungen, sondern auch aus Parallelwerken zu bestehen habe. Ein spezieller Punkt dieser Erfahrungen

455 ist dann noch der, daß die Gefalle zwischen den Sperren sich kleiner ausbilden, als früher angenommen wurde, was zur Folge hat, daß ein größerer Theil des Gesammtgefälles in den Sperren konzentrirt vvird, daher die Höhe oder die Zahl derselben vermehrt werden muß.

Ueberhaupt ergab sich also das Bedürfniß eines weit größern Arbeits- und daher auch Kostenaufwandes, als man früher anzunehmen pflegte, und dies zum Theil schon deßhalb, weil man noch nicht gewöhnt war, für Verbauungszwecke so große Summen in Aussicht zu nehmen, wie sie sich nun zur Erreichung derselben als unerläßlich erweisen.

Wenn dies im Allgemeinen gilt, so darf man sich nicht wundern, daß ähnliche Erfahrungen namentlich auch an der schon im Jahre 1878 in Angriff genommenen und eine der schwierigsten Aufgaben dieser Art bildenden Verbauung der Gryonne gemacht wurden. Letztere Klassifizirung rechtfertigt sich nämlich einestheils aus dem einem Gebiete von 44 km 2 entsprechenden Wasserreichthum dieses Wildbaches nebst dessen sonstigem Charakter und anderseits aus der eine geringe Widerstandsfähigkeit bedingenden Beschaffenheit des meist aus Gletscherschutt oder weichern Fels, wie namentlich Gyps, bestehenden Bodens. Die durch das Zusammentreffen dieser beiden Faktoren veranlaßten Erosionen mit dem daraus folgenden Einbrüche der beidseitigen Hänge führte zu jenem chaotischen Zustande, dessen Aeußerung im Thaïe die erwähnten gewaltigen Geschiebseruptionen bildeten.

Daß gegenüber solchen Zuständen die Vorausberechnung der Kosten höchst schwierig oder vielmehr nur nach Analogie anderer ähnlicher Fälle möglich ist, ergibt sich schon daraus, daß bedeutende Arbeiten nothwendig sind, nur um in solchem bewegten Boden Fuß zu fassen, um dann erst diejenigen Werke zu appliziren, welche zur Herbeiführung der bleibenden Beruhigung dienen sollen. De» Unterschied zwischen den ohne solche Erfahrungen stattgehabten und den nunmehrigen, an dieselben sich anlehnenden Projektirungen und Kostenberechnungen kann nicht besser zum Ausdrucke gebracht werden, als in den Voranschlagsummen für die Gryonne einerseits und den Niederurner-Dorfbach anderseits, welche auf Fr. 150,000 und Fr.- 300,000 bei ungefähr gleicher Länge der beidseitigen Bachstrecken sich beziffern.

Durch den nachträglichen Devis wird nun auch für die Gryonne die gleiche Gesammtkostensumme
von Fr. 300,000 erreicht und man wird bei genauerer Abwägung der Verhältnisse kaum finden können, daß sie hier weniger berechtigt sei, als im genannten andern Falle. Dabei handelt es sich einestheils um die Vervollständigung und Konsolidirung des Verbauungssystems auf den schon

456

ausgeführten Partien und anderntheils um die Ausdehnung desselben auf diejenigen, welche wegen weniger großer Dringlichkeit noch nicht in Angriff genommen worden sind.

Zu dem Supplementar-Devis von Fr. 150,000 für die Verbauungsarbeiten selbst kommen dann noch Fr. 20,000 für Eutwässerungsarbeiten bei Arveye. Diese dienen zum Theil der Verbesserung des Bodens in landwirtschaftlichem Sinne, zugleich aber, in Unterstützung der Bauten an der Gryonne, zu Beruhigung desselben im betreffenden Theile des reehtseitigen Hanges, was allein schon ihre Subventionirung rechtfertigen würde.

Ueber das an der Gryonne zur Anwendung gebrachte Verbauungssystem sich hier einläßlich zu verbreiten, darf wohl unterlassen werden, da es prinzipiell das Gleiche ist wie überall, wo es sich um Beseitigung von, durch Erosionen im Bachbette beziehungsweise am Fuße der Abhänge veranlaßten Bodenbewegungen handelt.

Dies kann mit Konstruktionen verschiedener Art erreicht werden, wie dieselben ja schon durch das zur Verfügung stehende Baumaterial bedingt sind. In sehr bewegtem Boden kann es sich zudem empfehlen, anfänglich selbst da, wo Steine zur Verfügung stehen, die flexibleren Holzbauten anzuwenden. Das war gerade an der Gryonne theilweise der Fall, wobei ein bei der Bevölkerung infolge eines frühern Mißerfolges gegen steinerne Sperren bestehendes Vorurtheil mitwirkte. Jetzt fallen diese beiden Motive weg, und es werden die Werke hauptsächlich in Stein ausgeführt.

Daß die Arbeiten an der obern und untern Gryonne in einem Maße öffentlichen Interessen dienen, welches der gesetzlichen Anforderung für die Bewilligung von Bundesbeiträgen entspricht, ist schon durch die früheren Subventionsbeschlüsse anerkannt worden.

Aber auch das so eben Gesagte zeigt, wie dadurch für ein großes Gebiet in der Niederung ganz unleidliche Zustände beseitigt werden und auch der im obern Gebiete selbst erzielte Nutzen sehr beträchtlich ist. Selbstverständlich muß hier, um die Beruhigung des Bodens noch vollständiger zu erreichen, der Verbauung des Baches die Aufforstung der großen bisherigen Rutschfläehen.folgen, wie dies schon im Bundesbeschlusse vom 14. April 1883 vorgesehen ist.

Wir finden daher, daß es sich nach der Natur der Verhältnisse im Allgemeinen rechtfertige, dem Gesuche der Regierung von Waadt zu entsprechen. Ein gesetzliches Hinderniß besteht nicht, weil Art. 10, drittes Alinea des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes die Berücksichtigung nothwendig gewordener Mehrarbeiten

457

gestattet. Es kann sich daher nur noch fragen, ob dem Gesuche auch bezüglich des Beitragsverhältnisses von 40 °/o zu entsprechen sei. Dem könnte entgegengehalten werden, daß die erste Subvention nur zu einem Dritttheile bemessen worden sei. Aber anderseits muß anerkannt werden, daß unterdessen in analogen Fällen höhere Prozentsätze angenommen worden sind, und daß diese für Verbauungswerke von der Art desjenigen der Gryonne ohne Ausnahme wenigstens 40 °/o betragen.

Somit erlauben wir uns den nachfolgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses den hohen eidg. Käthen zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. Februar 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hertenstein.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

458

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Zusicherung einer Nachsubvention für die Korrektion und die Verbauung der untern und obern Gryonne an den Kanton Waadt.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , : nach Einsicht 1) eines Schreibens der Regierung des Kantons Waadt vom 15. November 1887 und eines Nachtrages zu demselben vom 17. Januar 1888; 2) des Bundesbeschlusses vom 14. April 1883 betreffend Zusicherung einer Subvention für die Gryonne ; 3) einer Botschaft des Bundesrathes vom 28. Februar 1888 auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge, vom 22. Juni 1877, beschließt: Art. 1. Dem Kanton Waadt wird für der untern Gryonne und die Verbauung der eine Nachsubvention zugesichert.

Dieselbe beträgt 40 % der wirklichen dem der Voranschlagssumme von Fr. 350,000 Maximum von Fr. 140,000.

die Korrektion obern Gryonne Kosten, bis zu entsprechenden

Art. 2. Der Kanton Waadt übernimmt gegen Bewilligung dieser Nachsubvention die gänzliche Vollendung: der Korrektions- und Verbauungsarbeiten an der untern

459

und obera Gryonne. Diese Arbeiten sind in vier Jahren vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet auszuführen.

Art. 3. Die Ausbezahlung dieser Nachsubvention erfolgt im Verhältniß des Fortschreitens der Bauausführung, jedoch mit Beschränkung auf ein jährliches Maximum von Fr. 35,000.

Art. 4. Im Uebrigen gelten die Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 14. April 1883, dies namentlich auch bezüglich der Verpflichtungen zur Ausführung der nöthigen forstlichen Arbeiten (Art. 6) und zum künftigen Unterhalte dieses ganzen Korrektions- und Verbauungswerkes (Art. 8).

Art. 5. Dieser Beschluß tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

Art. 6. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung desselben beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend eine Nachsubvention für die Korrektion und Verbauung der Gryonne im Kanton Waadt. (Vom 28. Februar 1888.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1888

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.03.1888

Date Data Seite

452-459

Page Pagina Ref. No

10 013 862

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.