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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 15. Dezember 1888.)

Die Eröffnung des Betriebes der neu gebauten direkten Bahnlinie Renan (le Creux) - Chaux-de-fonds wird unter gewissen Vorbehalten auf den 17. Dezember gestattet. Die bestehende Geleiseverbindung Renan-Convers darf bis auf Weiteres nicht aufgehoben, werden.

(Vom 17. Dezember 1888.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen eines Rekursea des Stadtrathes von Chur gegen einen Entscheid des Kleinen Rathes des Kantons Graubünden vom 28. Februar, resp. 19. November 1887 betreffend Aufhebung von städtischen Fleischschaugebühren für auswärts geschlachtetes Vieh und Kontrole über die Einfuhr auswärtigen Fleisches, in E r w ä g u n g : 1) Art. 2 des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872 beauftragt den Bundesrath mit der richtigen und gleichmäßigen Vollziehung des Gesetzes.

2) Art. 10 des nämlichen Gesetzes enthält die Vorschrift, daß in den Metzgereien eine sanitarische Kontrole des Schlachtviehs einzuführen ist.

3) Art. 80 der Vollziehungsverordnung zu dem vorbenannten Gesetze, vom 14. Oktober 1887, bestimmt, daß die in Art. 10 desselben vorgeschriebene Kontrole der Metzgereien so eingerichtet sein soll, daß sie unter Anderm den Verkauf von gesundheitsschädlichem Fleisch verhindert.

4) Dieser Zweck kann dadurch nicht als erreicht betrachtet werden, daß das aus einer andern Gemeinde nach Chur eingeführte Fleisch von einem Fleischbeschauzeugnisse des Herkunftsortes begleitet wird. Nach bereits erfolgter Inspektion kann Fleisch durch Fäulniß oder andere Verderbniß ungenießbar, resp. gesundheits-

1315 schädlich geworden sein; es wird somit der Absieht des Gesetzes nicht Genüge geleistet, wenn eine Untersuchung erst bei augenscheinlichen Verdachtsgründen veranlaßt werden kann; es kann nicht als Regel angenommen werden, daß der Käufer, welcher in weitaus den meisten Fällen in dieser Beziehung Laie ist, die Verdächtigkeit im Momente des Ankaufs jeweilen zu konstatiren berufen ist, oder aber, daß derselbe unter allen Umständen die zum Kauf angebotene Waare zurückweist. Anderseits ist die Konstatirung des Verdachtes durch die Ortspolizei der Stadt Chur so lange eine Unmöglichkeit, als sich der auswärtige Verkäufer daselbst nicht sanitätspolizeilichen Vorschriften, also einer Kontrole zu unterwerfen hat.

5) Zu einer ausreichenden, im Sinne des Gesetzes schutzenden Fleischkontrole der Stadt Chur gehört demnach unzweifelhaft, daß das von auswärts eingeführte Fleisch der Untersuchung eines von der Stadtbehörde hiefür bestimmten Sachverständigen unterstellt werde.

6) Die Berechtigung zum Bezüge einer mäßigen, dem Werthe, resp. dem Quantum des eingeführten Objektes angemessenen Untersuchungsgebühr als Entschädigung für die durch die Organisation einer zuverläßigen Fleischschau entstehenden Kosten kann billigerweise dem Stadtrathe Chur so lange nicht abgesprochen werden, als durch die Höhe dieser Gebühr der in Art. 3l der Bundesverfassung aufgestellte Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht illusorisch gemacht wird, beschlossen: 1. Der Rekurs des Stadtrathes von Chur ist begründet und damit die von der Stadtbehörde Chur nach Maßgabe der dortigen Verhältnisse ausgeübte Kontrole des von auswärts eingeführten Fleisches und der Bezug angemessener Gebühren hiefür als zuläßig erklärt.

2. Der Stadtrath von Chur wird eingeladen, diese Gebühren derart zu normiren, daß durch deren Höhe der in Art. 31 der Bundesverfassung aufgestellte Grundsatz der Gewerbefreiljeit nicht illusorisch gemacht wird.

Der Schweiz. Bundesrath hat in Sachen des Rekurses von Johann Bucher und dessen Ehefrau Maria, geb. Christen, von Escholzmatt, wohnhaft im Reußthal zu Littau (Luzern), gegen einen Beschluß des Regierungsrathes des Kantons Luzern vom 21. September 1888 betr. Entzug der Niederlassung,

1316 in E r w ä g u n g , daß nach feststehender bundesrechtlicher Praxis der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte infolge strafgerichtlichen Urtheils auch dann gegen einen Schweizerbürger als ein verfassungsmäßiger Grund des Entzuges der Niederlassung angerufen werden kann, wenn dem Bürger erst seit dem Erlaß des Urtheils die Niederlassung bewilligt worden war (vergi. Bundesblatt 1883, II, 851); daß nach der Erklärung der luzernischen Behörden *) im konkreten Falle die Ausweisung der Ehefrau des Rekurrenten in Gemeinschaft mit dem Manne sich rechtfertigt, beschlossen: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

Beim Anlaß des Hinscheides des Hrn. Bundespräsidenten W. F. H o r t e n s i e in haben folgende Souveräne, Staatsoberhäupter und Regierungen dem Schweiz. Bundesrathe ihre warme Theilnahme bekundet: A m e r i k a , V e r e i n i g t e S t a a t e n : Herr Präsident Cleveland, in seinem Namen und im Namen des Volkes der Vereinigten Staaten; A r g e n t i n i s c h e R e p u b l i k : die Regierung in ihrem Namen und im Namen des argentinischen Volkes; B a d e n : s. königliche Hoheit der Großherzog Friedrich Ludwig und die großherzogliche Regierung; B a y e r n : s. königliche Hoheit der Prinzregent Luitpold und die königliche Regierung; B e l g i e n : s. Majestät der König Leopold II. und die königliche Regierung; B o l i v i a : die Regierung der Republik Bolivia; B r a s i l i e n : die kaiserliche Regierung; C h i l i : die Regierung der chilenischen Republik; Congo: die Regierung des unabhängigen Congostaates ; D ä n e m a r k : 8. Majestät der König Christian IX. und die königliche Regierung; *) Erklärung, nach welcher das Verbleiben der Ehefrau in Littan die Fortweisung des Mannes illusorisch macht, da anzunehmen sei, daß derselbe immer wieder dorthin zurückkehren würde.

1317 D e u t s c h l a n d : s. Majestät der Kaiser Wilhelm II., s. Durchlaucht der Fürst von Bismarck und die kaiserliche Regierung; F r a n k r e i c h : Herr Sadi Carnot, Präsident der Französischen Republik, und die französische Regierung; G r i e c h e n l a n d : s. Majestät der König Georg I. und die königliche Regierung; G r o ß b r i t a n n i e n : ihre Majestät die Königin Viktoria und die großbritannische Regierung ; Heil. S t u h l : s. Heiligkeit der Papst Leo XIII.

J a p a n : s. kaiserliche Majestät der Mikado ; I t a l i e n : s. Majestät der König Humbert L, die königliche Regierung, in ihrem Namen und im Namen des italienischen Volkes; M e x i k o , V e r e i n i g t e S t a a t e n : die Regierung der Republik ; N i e d e r l a n d e : die königliche Regierung; O e s t e r r e i c h - U n g a r n : s. Majestät der Kaiser und König Franz Joseph I. und dio kaiserlich und königlich österreichisch-ungarische Regierung; P o r t u g a l : s. Majestät der König und die königliche Regierung; R u m ä n i e n : die königliche Regierung ; R u ß l a n d : s. Majestät der Kaiser Alexander III. und die kaiserliche Regierung; S a l v a d o r : die Regierung der Republik; S c h w e d e n und N o r w e g e n : s. Majestät der König Oskar II.

und die königliche Regierung; 8 p a n i e n : die königliche Regierung ; V e n e z u e l a : die Regierung der Republik.

Der Schweiz. Bundesrath hat ferner von allen Kantonsregierungen, von mehreren kantonalen Großen Räthen, die zu jener Zeit versammelt waren, von vielen Schweizer-Kolonien und Schweiz.

Gesellschaften im Auslande, von zahlreichen Korporationen und Vereinen in der Schweiz, sowie von einer großen Anzahl von Privaten Beileidsbezeugungen erhalten.

Für diese Beweise der Theilnahme wird der Bundesrath in angemessener Weise seinen verbindlichsten Dank auesprechen.

1318 Herr Oberst B l e u l e r in Zürich hat infolge seiner am 28. November abbin stattgefundenen Wahl zum Präsidenten des schweizerischen Schulrathes um Entlassung von der Stelle eines Oberinstruktors der Artillerie nachgesucht, welche Stelle Herr Bleuler seit dem Jahre 1870 bekleidet hat. Dem gestellten Entlassungsgesuche entsprach der Bundesrath unter bester Verdankung der vom Demissionär geleisteten vorzüglichen Dienste.

Herr Nationalrath und Prof. Salomon V ö g e l i n sei. hat dem schweizerischen National (Landes)-Museum vermacht: a. eine Gruppe von Porzellan-Biscuit, ein Mädchen darstellend, das Kinder in einem Neste speist ; b. ein Hündchen aus Porzellan, weiß und braun 5 c. das eingerahmte Medaillon von J. Hedlinger, von Winterthur, Direktor der Porzellanfabrik in Sèvres, unter dem diese Arbeiten erstellt wurden.

Der Bundesrath hat das Vermächtniß unter Verdankung angenommen. Er wird für entsprechende Unterbringung der Gegenstände bis zur Gründung des schweizerischen Nationalmuseums Sorge tragen.

Zu dem Leichenbegängnisse des während der gegenwärtigen Session verstorbenen Herrn Nationalrath Cressier, von Mur, in Murten, sind die Herren Bundesrath e Schenk und Deucher abgeordnet worden.

Der Bundesrath hat das Postbureau M o r n a n d (Waadt) auf den 1. Mai 1889 aufgehoben.

Vom Bundesrathe ist als Postko m mis in Basel gewählt worden : Hr. Charles Höchner, Postaapirant, von Petit Saconnex (Genf), in Solothurn.

Berichtigung.

Auf Seite 1121 hievor soll es heißen : Vom 13. Dezember 1888.

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