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Schweizerisches Bundesblatt.

38. Jahrgang. III.

Nr. 49.

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27. November

1886.

Bericht der

ständeräthlichen Kommission zum Gesetzesentwurfe betreffend Schuldbetreibung und Konkurs.

(Vorn 13. November 1886.)

Tit.

Mit Botschaft vom 6. April 1886 begleitete der Bundesrath den von ihm unterm 23. Februar gl. J. festgestellten Entwurf zu einem Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs an die Bundesversammlung ein und verband damit den Vorschlag, für die Behandlung desselben in den beiden gesetzgebenden Räthen die Zusatzartikel zu den Geschäftsreglementen, betreffend die Berathung der Civilrechtsgesetze, vom 21.111. Juni 1877, zur Anwendung zu bringen.

Da dem Ständerathe für die Berathung dieses umfangreichen Traktandums die Priorität zugeschieden worden war, säumte die von Ihnen bezeichnete Kommission nicht, mit thunlichster Beförderung sich ihrer Aufgabe zu unterziehen.

Es geschah dies, indem sie in einer vorläufigen Sitzung von vier Tagen die Grundlagen des Entwurfes zum Gegenstande ihrer Berathung und Beschlußfassung machte, in einer nach angemessenem Zwischenraume angeordneten zweiten Sitzung für die Detailberathung des Entwurfes 13 weitere Verhandlungstage widmete, und schließlich, nachdem eine zu diesem Zwecke ernannte Subkommission die beschlossenen Abänderungsvorschläge inzwischen redaktionell festgestellt hatte, in einer viertägigen Schlußsitzung ihre Vorarbeit beendigte.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

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Außer den, dem Entwurfe des Bundesrathes vorangegangenen höchst werthvollen Vorarbeiten und der bezüglichen Literatur lagen uns einerseits die Gutachten der von den Regierungsbehörden von Freiburg, Genf, Neuenburg und Waadt bestellten Fachkommissionen, anderseits, neben individuellen Eingaben, die Protokolle der Versammlungen von Aarauer, Berner und Züricher Juristen vor, welche in verdankenswerther Weise den Gesetzesentwurf, wenigstens theilweise, in den Kreis ihrer Besprechungen gezogen hatten.

Das gedruckte Protokoll gibt Ihnen über den Verlauf und Inhalt unserer Verhandlungen detaillirte Auskunft.

Indem wir uns auf das Protokoll und die Ihnen gedruckt mitgetheilten Vorlagen beziehen und im Uebrigen die Vertretung der Minderheitsanträge selbstverständlich den betreffenden Anlragstellern überlassen, beschränken wir uns hier zur Begründung und Rechtfertigung unserer Anschauungen und Anträge auf nachfolgende a l l g e m e i n e E r ö r t e r u n g e n , denen wir einige b e s o n d e r e B e m e r k u n g e n anreihen werden.

A. Allgemeine Erörterungen.

Das Betreibungs-System.

Wir setzen die Vorgeschichte des bundesräthlichen Entwurfes als Ihnen bekannt voraus und enthalten uns daher hier einer einläßlichen Beleuchtung der Vorzüge und Schattenseiten der verschiedenen Systeme der Betreibung ,,auf Pfand"1 und ,,auf Konkurs"1, die sich in den bisherigen Gesetzgebungen der Kantone durch eine Unzahl von Mittelformen und Modifikationen zersetzt vorfinden.

Wir anerkennen auch unserseits die Richtigkeit des von Prof. Andreas Heusler mit gewohnter Klarheit und Ueberzeugungskraft ausgeführten Satzes, daß k e i n e s der v e r s c h i e d e n e n Systeme A n s p r u c h auf absolute V o r z ü g e vor dem a n d e r n g e l t e n d m a c h e n k a n n , sondern daß die Bedürfnisse der Gläubigerschaft wie der Schuldnerschaft je nach den örtlichen Verkehrs- und Wirthschaftsverhältnissen bei dem einen oder dem andern ihre bessere Befriedigung finden können. Berücksichtigt man vollends, daß es sich bei Schaffung eines einheitlichen Gesetzes in der Hauptsache darum handeln wird, demselben Aussicht auf Annahme zu verschaffen, so kann man schließlich sich des Eindruckes nicht erwehren, daß der Bundesrath in glücklicher Weise das Material zur Ueberbrückung der anscheinend

879 unüberwindlichen Gegensätze gefunden hat, indem er das Bed ü r f n i ß als maßgebenden Faktor aufstellte und von diesem ausgebend die nur successive und individuell vorschreitende Pfändung für den gewöhnlichen Kleinverkehr, die rasche und die Interessen der Gläubigerschaft kollektiv wahrende Konkursbetreibung für den auf den großen Grundlagen des gewerblichen.Kredites beruhenden Geschäftskreis anwendbar machen will. Dabei kam dern Entwurfe, was den Heusler'schen Entwürfen allerdings abging, zu Statten, daß durch das im Gesetze über das Obligationenrecht geschaffene Institut des H a n d e l s r e g i s t e r s die Hauptschwierigkeit (wenigstens zum großen Theile) aus dem Wege geräumt worden ist, welche einer solchen grundlegenden Unterscheidung im Wege stand, die Schwierigkeit nämlich, für jede zur Betreibung angemeldete Ansprache zum vornhinein das ausschlaggebende Merkmal dafür zu finden, welchem der beiden Verkehrsgebiete dieselbe angehöre, um sie dann ohne rechtliche Urntriebe in das eine oder das andere der doppelspurigen Geleise mit Zuverläßigkeit einführen zu können.

Indem die Inskription in das Handelsregister als das äußerlieh erkennbare, unzweifelhafte Kriterium für die Anwendbarkeit der einen oder der andern Gattung von Schuldbetreibung aufgestellt wird, haben wir einen zuverläßigen Boden für die ungestörte parallele Funktion des doppelten Systems der Pfändungs- und Konkursbetreibung gefunden, eines Systems, das im Wesentlichen der innern Natur der Verkehrsbedürfnisse entsprechen und gleichzeitig einer Versöhnung der mit so vielem Eifer seit mehr als einem Jahrzehnt festgehaltenen Gegensätze als Ausgangspunkt dienen dürfte.

Diesen großen Vorzügen gegenüber schienen uns die dem Systeme des Entwurfes mit mehr oder weniger Berechtigung gemachten Vorwürfe in den Hintergrund treten zu müssen.

Es wird eingewendet, daß das Handelsregister in seiner jetzigen Gestalt den Voraussetzungen, von welchen der Entwurf des Bundesrathes ausgehe, nicht hinlänglich entspreche, indem bezüglich der Eintragungen in den einzelnen Kantonen zur Zeit nicht die wünschbure Gleichförmigkeit bestehe, viele Eintragungen gefordert werden, welche der Idee des Obligationenrechtes nicht entsprechen, und vice-versa, und daß durch unbegrenzte freiwillige Eintragungen eine Reihe von Personen, auf welche die Intentionen
des Entwurfes nicht zutreffen, unter das wuchtigere Rad der Konkursbetreibung fallen. Allein wer sich freiwillig dieser Art von Betreibung unterwirft, wird sich über sie auch nicht mit Grund zu beklagen hüben, und was die Mangelhaftigkeit unserer Handelsregister betrifft, so ruft dieselbe eher der Abhülfe auf dem Wege einer bundesräthlichen Verordnung oder nöthigenfalls gesetzlicher

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Vorschriften, als daß sie dem vorliegenden Gesetzesentwurfe zum Vorwurfe gereichen könnte.

Von verschiedenen Seiten wurde auch die U n g l e i c h h e i t , betont, mit welcher die Inskribirten und Nichtinskribirten betreibungsrechtlich behandelt werden sollen, indem man darin eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Rechte des Bürgers erblickte. Allein, wie schon die Botschaft des Bundesrathes mit Recht hervorhebt, ist zwischen einer Gleichheit auf dem Gebiete politischer, persönlicher Rechte und einer solchen auf dem Gebiete des Civilrechts wohl zu unterscheiden. Die erstere wurzelt in den Ansprüchen der Individuen auf Theilnahme am öffentlichen Leben, welche allerdings keiner willkürlichen Taxation durch andere Gleichgeborene und Gleichbestimmte unterliegen sollen. Die Ordnung civilrechtlicher Ansprüche hinwieder richtet sich nach den B e d ü r f n i s s e n des vielgestaltigen Verkehralebens, welche eben ihrer innern Natur nach so verschiedenartig sind als dieses letztere selbst.

Das Richtige in dieser Beziehung zu treffen ist die Aufgabe der Gesetzgebung, welche deswegen, weil sie den Ansprüchen des wirklichen Lebens Rechnung trägt, sich kaum dem Vorwurf der Begünstigung oder Hintansetzung Einzelner auf Unkosten individueller, angeborener Rechte aussetzen wird;gegentheils, wenn sie eine solcheRüeksichtnahme auf die konkreten Verhältnisse außer Acht lassen sollte, in die Bahn ungerechter Nivellirung ungleichartiger Verhältnisse einlenken würde.

Indem wir daher den Geschäftsmann, dessen ganze Geschäftsgebahrung in der unverbrüchlichen Einhaltung seiner auf eine Reihe von Existenzen zurückwirkenden Verbindlichkeiten begründet sein soll, einer momentan wirksameren Schuldbetreibung unterwerfen, und diese nicht gleichmäßig auf den Bauer und Landwirth anwendbar machen, dessen Kassa mit der Reife der Ernte, mit dem Absätze seiner Viehhabe an den üblichen Jahr- oder Halbjahrmärkten nur periodisch sich füllt, versündigen wir uns insoweit nicht gegen den Grundsatz der bürgerlichen Gleichberechtigung, als wir das Gesetz auf dem gesunden Boden der r e a l e n Verhältnisse aufbauen.

Einmal mit der Hauptscheidung nach den verschiedenen Verkehrsgebieten einverstanden, konnten wir uns denn auch nicht entschließen, Ihnen innerhalb derselben wieder verschiedene Abstufungen der Schuldbetreibuag etwa
in der Richtung vorzuschlagen, daß nach dem U r s p r ü n g e der einzelnen Forderuugsansprüche (Handelsoder Privatschuld) oder nach der W a h l des Ansprechers die eine oder andere Art der Betreibung in Anwendung zu kommen hätte, so daß beispielsweise im ersteren Falle der Inskribirte für sogenannte Privatverbindlichkeiteu auf Pfändung und für eigentliche Handelsschulden auf Konkurs zu betreiben wäre.

' 881 Der Inskribirte, der seinen Schneider oder Fleischer nicht mehr zu befriedigen vermag, ist eben zahlungsunfähig und soll sich nicht beklagen, wenn die g l e i c h m ä ß i g e Befriedigung seiner Gläubiger als Folge seiner Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wird.

Eine doppelte Art der Betreibung einer und derselben Person müßte übrigens nach unserer Anschauung zu nachtheiligen Komplikationen führen, welche dem von uns konsequent im Auge gehaltenen Ziele möglichster Vereinfachung des ganzen Betreibungswesens Eintrag zu thun geeignet wären.

Indem wir Ihnen daher das E i n t r e t e n auf G r u n d l a g e d e s b u n d e s r ä t h l i c h e n E n t w u r f e s empfehlen, erlauben wir uns zugleich darauf hinzuweisen, daß die bundesräthliche Vorlage keineswegs etwa darauf abzielt, die mehrerwähnten Systeme in doktrinärer Weise mit der ihnen nothwendig anhaftenden Einseitigkeit durchzuführen, vielmehr namentlich darauf Bedacht nimmt, die dem Pfändungs-Systeme vorgeworfenen Härten in mehrfacher Richtung durch einzelne Bestimmungen zu mildern und abzuschwächen.

So wird durch die (zum ersten Male in dem Gegenprojekte der Minderheit vom Jahre 1875 aufgetauchte) Idee der A d h ä s i o n treibender Gläubiger, für welche wir (Art. 97, Abs. 4) den Termin von 10 auf 20 Tage zu erweitern vorschlagen, der starren Bevorrechtung nach der Zeitfolge der Betreibung ia gewissem Grade die Spitze abgebrochen. Der, wie man tadelnd bemerkt, vom reinea Pfändungssystern erzeugte Eifer der Gläubiger zur Hetzjagd auf das beste Pfand des Schuldners wird durch die ausdrückliche Bestimmung zu Art. 213 nicht unerheblich abgekühlt, wonach bei eintretendem Konkurse die noch nicht versilberten Gegenstände Gemeingut der Masse werden. Nach Art. 182, Ziff. 2, nämlich soll es in der Hand des Schuldners liegen, zu jeder Zeit den Konkurs durch die Güterabtretung herbeiführen zu können, um sich der ihm lästig werdenden Einzelverfolgung zu entziehen oder unbillige Gläubiger von ungerechtfertigter Härte abzubringen. Durch die in Art. 119, Absatz l und 2, und Art. 125 eröffneten Wartefristen wird es dem Gläubiger hinwieder möglich gemacht, begründeten Termin-Gesuchen des Schuldners ohne Gefährdung eigener Interessen gerecht zu werden.

Die Fristen.

Wenn wir an dieser Stelle uns von der normalen Dauer einer Betreibung auf Konkurs gegenüber derjenigen auf Pfändung Rechenschaft geben, so stellt sich das Ergebniß folgendermaßen:

882 I. Betreibung auf Konkurs.

20 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehles kann der Konkurs angedroht werden (Art. 75 und 162), verbunden mit fakultativer Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses (Art. 165), sofern gegen den Zahlungsbefehl nicht Rechtsvorschlag eingelegt wurde.

20 ,, nach der Konkursanordnung kann der Gläubiger die Eröffnung des Konkurses durch das Gericht verlangen (Art. 170), sofern inner dieser Frist gegen die Konkursstatthaftigkeit als solche nicht Rechtsvorschlag eingelegt wurde.

Zählen wir dazu noch: 3 ,, Spielraum für die Zustellung des Zahlungsbefehles (Art. 76); sodann weitere 3 ,, Spielraum für die Zustellung der Konkurs-Androhung (Art. 164), und endlich 3 ,, Minimalfrist für die gerichtliche Verhandlung über das Konkursbegehren (Art. 171), so erhalten wir (Schnelle Konkursbetreibung für Wechsel und Checks [Art. 173] vorbehalten) 49 Tage = 7 v o l l e W o c h e n als M i n i m a l f r i s t der D u r c h f ü h r u n g einer B e t r e i b u n g a u f K o n k u r s .

Hat der inskribirte Schuldner ein F a u s t p f a n d bestellt (Retentionsrecht Inbegriffen) oder handelt es sich um eine h y p o t h e karisch versicherte Forderung, so wird der Gläubiger vorerst auf die Schuldbetreibung für pfandversicherte Forderungen (Art. 121 und 125, bezw. 130 und 141) verwiesen (Wechsel und Checks immerhin vorbehalten) und es kann erst nach Abwicklung dieser Betreibung von der Betreibung auf Konkurs, unter Einhaltung oben bezeichneter Termine, Gebrauch gemacht werden.

II. Betreibung einer laufenden Forderung mittelst Pfändung.

A. Pfändung beweglicher Sachen.

Es sind bei diesem Verfahren folgende Fristen vorgesehen : 20 Tage von Zustellung des Zahlungsbefehls bis zum Pfändungsbegehren (Art. 95).

30 ,, von der Pfändung bis zum Versilberungsbegehren (Kommissionsvorschlag Art. 119, Absatz 1).

50 Tage.

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50 Tage.

Wenn aber binnen 20 Tageu a dato einer Pfändung andere Gläubiger ebenfalls Pfändung begehren, so beginnt obige Wartefrist erst vom Tage der letzten adhäsiven Pfändung an zu laufen (Kommissionsvorschlag Art. 119, Absatz 2), weil sonst der Schuldner durch eine Naehtrags-Pfändung überrascht und sein Einlösungsterrnin verkürzt werden könnte.

Es sind daher eventuell weitere 20 7, Wartefrist bis zum Versilberungsbegehern anzusetzen.

Der Betreibungsbeamte hat nach gestelltem Versilberungsbegehren die Fakultät, 60 ,, für die Vorbereitung der Steigerung (Publikationen u. s. w.)

zu verwenden (Art. 130 des Kommissionsvorschlags).

Rechnen wir hiezu die dem Amte für Zustellung des Zahlungsbefehles und Vornahme der Pfändung eröffneten Fristen von je 3 Tagen mit 6 ,, so erhalten wir1 für eine auf b e w e g l i c h e H a b e durchgeführte Schuldbetreibung einen Normaltermin von 136 Tagen = r u n d : 4Va Monate.

Der Gläubiger kann aber mit dem Versilberungsbegehren seinen Rechten unbeschadet 9 M o n a t e warten (Art. 119, Absatz l, des Kommissionsvorschlages) und bei Vornahme einer zweiten Steigerung kommt noch die Zeit zwischen den beiden Steigerungstagen hinzu (Art. 135).

B. Pfändung unbeweglicher Sachen.

Hat der Gläubiger bei Abgang beweglicher Sachen L i e g e n s c h a f t e n des Schuldners gepfändet, so stellen sich die Termine bis und mit der Liquidation der gepfändeten Immobilien wie folgt : 20 Tage von Zustellung des Zahlungsbefehles bis zum Begehren der Pfändung (Art. 95).

120 ,, Warte- oder Einlösungsfrist von der Pfändung bis zum Versilberungsbegehren (Art. 119, Satz 1).

20 ,, Zuschlagsfrist im Falle einer inner 20 Tagen erfolgenden Adhäsivpfändung (s. oben : II, A).

60 ,, diskretionäre Frist für den Betreibungsbeamten a dato des Versilberungsbegehrens bis zum Steigerungstage (Art. 141 des Kommissionsvorschlags).

220 Tage.

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220 Tage.

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,,

Hiezu : für die dem Amte zu Erlassung bezw. Zustellung des Zahlungsbefehles und Vornahme der Pfändung eröffneten Fristen.

Wir erhalten somit:

226 T a g e = rund 7 lk M o n a t e für Durchführung einer mittelst Pfändung von I m m o b i l i e n bewerkstelligten Betreibung.

Der Gläubiger kann aber nach der Pfändung mit dem Versteigerungsbegehren z w e i v o l l e J a h r e zuwarten und wenn eine zweite Steigerung abgehalten wird, verlängert sich die Liquidationsdauer um die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Steigerung, welche höchstens zwei Monate betragen kann (Art. 152 des Kommissionsvorschlags).

III. Betreibung einer pfandversicherten Forderung.

Nachdem der eventuell einzuhaltende K u n d u ng s-Termin (0. 336 und 337 und Art. 122 des vorliegenden Entwurfes) nach Maßgabe des kantonalen Rechtes abgelaufen ist, erläßt der Betreibungsbeamte den Zahlungsbefehl.

Ist die Forderung durch ein F a u s t p f a n d (Retentionsrecht Inbegriffen) gedeckt, so hat der Gläubiger 20 Tage (Art. 125, Abs. l, des Korn missions Vorschlages) abzuwarten, bis er das Versilberungsbegehren stellen kann.

Dem A m t e bleibt alsdann die arbiträre Frist von 60 Tagen offen bis zur Abhaltung der Versteigerung (Art. 130).

Also B e t r e i b u n g s d a u e r 80 Tage oder, wenn die Zustellungsund Benachriehtigungsfristen (Art. 76 und 125, Abs. 2) in Anschlag gebracht werden, r u n d 3 Monate. (Bei Vornahme einer zweiten Steigerung verlängert sich die Dauer um die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Steigerung [Art. 135]).

Besteht das Pfand in einer L i e g e n s c h a f t , so sind a dato des Zahlungsbefehles bis zum Versilberungsbegehren (Art. 125) 120 Tage abzuwarten.

Dem Amte bleibt wieder 'eine arbiträre Frist vom Eingange des Versilberungsbegehrens bis zur Abhaltung der Steigerung offen von 60 Tagen (Art. 1411.

Also B e t r e i b u n g s d a u e r 180 Tage = 6 M o n a t e oder mit Anrechnung von Zwischenfristen r u n d 6 Va M o n a t e (unter der Voraussetzung, daß es nicht zu einer zweiten Steigerung kommt, welche gemäß Art. 152 des Komissionalvorschlags die Betreibungsdauer um zwei Monate verlängern kann).

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Rechte des Gläubigers an den gepfändeten Sachen.

Zufolge 0. 886 werden die ,,gerichtlichen Pfandrechte" von den pfaudrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechtes nicht berührt und es bleiben für dieselben bis zum Erlasse eines eidgenössischen Betreibungs- und Konkursrechtes die kantonalen Vorschriften maßgebend. Mit Erlaß des eidgenössischen Gesetzes treten die zufolge kantonaler Gesetze bestehenden gerichtlichen Pfandrechte außer Kraft und es fragt sich, ob und was der gegenwärtige Gesetzesvorschlag an die Stelle derselben setze. Der Entwurf kennt kein gerichtliches Pfandrecht, welches nunmehr in die Stelle der außer Wirksamkeit tretenden kantonalgesetzlichen Pfandrechte einrücken würde.

Nach Art. 113, Satz 2, wird der Schuldner oder der dritte Besitzer des gepfändeten Gegenstandes nur für ,,dessen Werth" haftbar. Dasselbe gilt gemäß Art. 198, Schlußsatz, vom Arrest. Aehnlich spricht sich bezüglich der in Folge einer Betreibung auf Konkurs provisorisch inventarisirten Gegenstände (Art. 165) der Art. 167, Satz 2, aus.

Der Gläubiger erwirbt durch die Pfändung somit nur gewisse p r o z e s s u a l i s e h e Rechte, die ihn ermächtigen, innerhalb gesetzlicher Fristen und nach gesetzlichen Formen durch Versilberung der Sache Bezahlung zu suchen.

Immerhin ordnet das Gesetz eine Reihe von Vorkehren an, welche die Bestimmung haben, diese Rechte wirksam zu machen.

So die Art 101, Absatz 2; 112, Absatz l, bis 117; 126; 198.

Auf Dawiderhandlungen des Schuldners u. s. w. setzt der Entwurf k e i n e S t r a f e n ; die bundesräthliche Botschaft (S. 77) führt hiefür ausreichende Gründe an: der Entwurf will mit Vorbedacht nicht in das den Kantonen zustehende Strafgesetzgebungsrecht eingreifen.

Die Strafgesetzgebung der Kantone wird sieh demnach damit zu beschäftigen haben, die dem Gläubiger durch die Schuldbetreibung nach dem eidgenössischen Gesetze erworbenen Rechte unter ihren Schutz zu nehmen (Ari. 280, Z. 2, des Entwurfes), was wir hier hervorzuheben nicht unterlassen wollen.

Wegfall des Konkurses als Folge unfruchtbarer Pfändung.

Nach dei- Mehrzahl der auf dem Pfändun«ssystem beruhenden kantonalen Gesetze schließt sich an die unf'rucntbare Pfändung auf

886 Begehren des Gläubigers als Schlußakt der Betreibung die Eröffnung des Konkurses an. Da dieser letztere beim Mangel liquidirbarer Aktiven keinen praktischen Erfolg mehr haben kann, muß die Tendenz eines solchen Verfahrens wohl darin gefunden werden, auf den Schuldner einen letzten Druck durch die Perspektive der an den Konkurs-Eintritt geknüpften Bhrenfolgen auszuüben, oder aber durch die Intervention der Kunkursbehörden allfälligen Verheimlichungen von Aktiven oder gefährdenden Machenschaften auf die Spur zu kommen.

Derselbe Zweck kann aber ohne diesen Umweg erreicht werden, indem nach dem Entwurfe den Kantonen anheimgegeben wird (Art. 281), die Straffolgen des Konkurses (vorbehaltlich der Bundesgesetzgebung über die politischen Rechte) auch an die unfruchtbare Pfändung (Leerer Pfandschein) zu knüpfen ; sodann steht dem pfändenden Gläubiger gemäß Artikel 182, Ziff. l, wenn eine Verheimlichung von gepfändeten Sachen glaubwürdig gemacht werden kann, immerhin der Weg des Konkursbegehrens offen; endlich wird dem Gläubiger durch das ihm in Titel IV des Ersten Buches eröffnete Recht einer weitgehenden Anfechtungsklage das Mittel in die Hand gelegt, sein Forderungsrecht gegen gefährdende Machenschaften wirksam zu schützen.

Die Kantone deutscher Sprache bringen der romanischen Schweiz die Nichtaufnahme dieser Gattung von Konkurseröffnung als Kompromiß entgegen. Wir glauben nicht, daß eine erhebliche Schmälerung der Gläubiy-erinteressen damit verbunden sein werde.

Organisation der Behörden.

Betreibungs- und Konkurskreise.

Der Entwurf des Bundesrathes sieht für die Betreibung und die Besorgung des Konkurswesens eine und dieselbe Beamtung (den Betreibungsbeamten) vor.

Die bundesräthliche Botschaft (S. 54) setzt von dem ,,Inhaber einer zu solchen Funktionen berufenen Amtsstelle nothwendig den Besitz einer ansehnlichen Summe vou Kenntnissen im Gebiete des Civil- und Verwaltungsrechtes voraus, wenn er zur Wahrnehmung und Erfüllung seiner Amtspflichten befähigt sein soll".

Nach dem Systeme des Entwurfes sind deßhalb ,,zur Erzielung einer guten Beamtenqualität große einheitliche Kreise von mindestens 10--12,000 Seelen Bevölkerung in's Auge gefaßt*. t Protokoll

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·der stand eräthl i chen Kommission; Votum des Herrn Bundesrath Ruchonnet: Separat-Ausgabe S. 23; Bundesblatt 1886, III, 627.)

Dieser Idee entspricht auch die Fassung des Art. l des bundesräthlichen Entwurfes, lautend : ,,Das Gebiet eines jeden Kantons bildet e i n e n oder m e h r e r e Betreibungskreise."

Der Entwurf überläßt die Peststellung der Betreibungskreise allerdings den Kantonen; allein nach der Fassung des ersten Lemma von Artikel l ist es klar, daß unter den -- der Einzahl gegenübergestellten -- ,,mehreren" Kreisen nicht die in einer Grosszahl der Kantone bestehenden Betreibungskreise (Gemeinden, friedensrichterliche Kreise u. s. w.) verstanden werden wollen und deren Beibehaltung daher unzuläßig wäre.

Die vom bundesräthlichen Entwurfe (Art. l und 4) vorgesehene V e r e i n h e i t l i c h u n g der Betreibungs- und Konkurskreise stände in der Mehrzahl der erwähnten Kantone ohnehin der Beibehaltung der Gemeinde- und ähnlicher Kreise für die Besorgung der Schuldbetreibung entgegen, da die Besorgung des K o n k u r s-Wesens daselbst g r ö ß e r e n Kreisen (Bezirksbehörden) zugewiesen ist, von welchen man kaum auf kleinere -- die bisherigen Schuldbetreibungskreise -- zurückgehen würde, um die vom Entwurfe verlangte Vereinigung zu erzielen.

Wir h a l t e n den b u n d e s r ä t h l i c h e n Vorschlag für einen d u r c h das Bedürfniß nicht g e r e c h t f e r t i g t e n , die A n n a h m e des E n t w u r f e s gefährdenden E i n g r i f f in die k a n t o n a l e O r g a n i s a t i o n , für einen Fehler, von welchem sämmtliche frühere Entwürfe wohlbedacht sich frei erhalten hatten.

Die Besorgung der eigentlichen Schuldbetreibung erfordert unseres Erachtens die vom Entwurfe vorausgesetzten Eigenschaften des Beamten in weit geringerem Grade als die Verwaltung des Konkursamtes, welchem voraussichtlieh außer den ihm gemäß Art. 228--241 des Entwurfes zugewiesenen obligatorischen Funktionen , mit oder ohne Zuzug des Gläubigerausschusses (Art. 242), die gesammte Liquidation und Vertheilung des Massavermögens in der Regel anvertraut wird und soll anvertraut werden können.

Auf dem Gebiete des K o n k u r s e s erst treten die Konflikte sich widerstreitender Interessen auf und bedarf es unter Umständen zu deren Beherrschung und Leitung einer sichern und geübten Hand.

g Für die Besorgung
der S c h u l d b e t r e i b u n g dagegen bedarf es nach .unserer Erfahrung der vom Bundesrathe in Sicht genommenen ,,ansehnlichen Summe von Kenntnissen im Gebiete des Civilund Verwaltungsrechtes" sicherlieh nicht.

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Z u v e r l ä ß i g k e i t und P ü n k t l i c h k e i t nebst einem bescheidenen Maße von p r a k t i s c h e m gesundem Schweizer verstand müssen für eine gute Besorgung des Schuldbetreibungswesens völlig ausreichen.

Dafür werden sich in den kleineren Kreisen, welche wir für die Schuldbetreibung im Auge haben, ausreichende Kräfte stets finden. Sie haben sich wenigstens bisher in den Kantonen, in welchen diese kleineren Schuldbetreibungskreise funktionirten, stets gefunden, und die Eintheilung der Kreise ist wahrlich nicht der Grund, wenn in anderer Beziehung und in andern Kantonen über eine mangelhafte Einrichtung des Betreibungswesens geklagt wird.

Dessen mögen sich die Kantone, welche zur Zeit das Institut des Betreibungsamtes nicht kennen, auf die Erfahrung derjenigen gestützt, die dasselbe von Alters her besitzen, .völlig getrösten.

Beispielsweise wird die Schuldbetreibung im Kanton T h u r g a u > bei einer Bevölkerung von rund h u n d e r t t a u s e n d Seelen, in 3 2 Kreisen durch die Friedensrichter in vorzüglicher Weise besorgt, und von A p p e n z e l l A. R h., welches bei einer Bevölkerung von rund 52,000 Seelen die Schuldbetreibuug g e m e i n d e w e i s e in 2 0 Gemeinden verwalten läßt, berichtet uns die Botschaft des Bundesrathes in der derselben beigelegten statistischen Tabelle, daß in den Jahren 1880--1884 bei einem Betrage von Fr. 6,139,749 in Betreibung gefallener nichtpfandversicherter Forderungen im Durchschnitte z w e i u n d n e u n z i g P r o z e n t f r u c h t b a r e s E r ge b n i ß geliefert wurde. Aehnlich verhält es sich im Kanton G l a r u s , wo neben einer für den Konkurs vorgesehenen kantonalen Fallimentskommission (deren Mitglieder sich nach den einzelnen Landesbezirken in die Punktionen theilen) die eigentliche Schuldbetreibung in den auf eine Bevölkerung von rund 35,000 Seelen, entfallenden 26 Gemeinden zu allgemeiner Zufriedenheit besorgt wird. Im Kanton St. Gral l eu, mit einer Bevölkerung von rund 210,000 Seelen, vollzieht sich der Schuldentrieb in den 92 politischen Gemeinden, welche sämmllich ihren Schuldentriebbeamten selbst wählen, und dennoch sagt von diesem Kantone Herr A.

Heusler in dem klassischen Berichte zu seinem Entwürfe eines eidgenössischen Betreibungsgesetzes, daß dieser Kanton eines der besten Betreibungsgesetze besitze, und ein
nicht diesem Kantone angehöriger Geschäftsmann, welcher dem Eidg. Justizdepartement eine Reihe von Vorschlägen zum Entwurfe des Bundesrathes eingereicht hat, führt an, daß in St. Gallen die beste Schuldbetreibunsc von allen Kantonen bestehe, mit denen ihn seine vieljährige Geschäftsthätigkeit in Berührung gebracht habe. Beispiele anderer Kantone mit gemeindeweiser Schuldbetreibung stehen zur Hand.

889 Durch die von uns zu den Artikeln 21, 22, 129, 130, 131, 140, 141, Absatz l, 155, 157, 160 und zu Titel V des Zweiten Buches (Arrest) beantragten Aenderungen soll überdies der K o m p e t e n z e n k r e i s der Betreibungsbeamten, der Sache selbst völlig unbeschadet, wesentlich eingeschränkt werden.

Der steuerzahlende Bürger verlangt eine b i l l i g e und b e q u e m e Einrichtung der Suhuldbetreibung; er verlangt nicht nach der Installirung hochstehender und wohldotirter Beamten. Damit kann den Anforderungen, die man an ein sicheres, gufgeordnetes Betreibungssystem macht, dennoch entsprochen werden. Die Hauptsache wird bei jeder bezüglichen Einrichtung eine wachsame, rücksichtslose Oberaufsicht und strenge Verantwortlichmachung für jede Pflichtvernachlässigung bilden. Die Betreibung in kleinern Kreisen ist nun aber b i l l i g , schon der geringen Distanzen wegen mit mäßigen Sportein verknüpft. Sie ist dem Bürger, welcher mit dem Betreibungsbeamten in häufigen persönlichen Kontakt zu kommen geuöthigt ist, eine wesentliche Erleichterung und wegen der ihm gebotenen Bequemlichkeit und Zeitersparniß beliebt.

Die topographischen Verhältnisse sind begreiflich zu Stadt und Land, in ebenen, durch die Eisenbahn verbundenen Gegenden und in Gebirgsthälern mit Entfernungen von 4 bis 6 Stunden vom Wohnorte des Beamten, sehr verschieden.

Die P o s t mag für manche Funktionen der Betreibung diese Entfernungen kürzen ; allein andere, wie die Pfändung und die Steigerung, erfordern die persönliche Anwesenheit nicht bloß des Beamten, sondern (bei Ganten) des Publikums.

Die Organisirung angemessen zerstreuter Hülfsbüreaux, welche mit dem Hauptbüreau des Betreibungsbeamten sich in die Arbeit theilen würden, verdoppelt jedenfalls die Sportein. Lasse man also jeden Kanton je nach seinen individuellen Verbältnissen die Schuldbetreibung so organisiren, dali die Bevölkerung sich dabei wohl befindet. Dem auswärts wohnenden Gläubiger wird infolge der vorgesehenen amtlichen Publikation der Betreibungsstellen und Amtspersonen (Art. 15luiaiuies des Kommissionalvorschlages) die Verfolgung seiner Rechte nicht zu sehr erschwert. Durch angemessene Vollzugsverordnung kann auch dafür gesorgt werden, daß ein allfällig unrichtig adressâtes Betreibungsbegehren von dem betreffenden Beamten ohne Umschweife an den richtigen
Bestimmungsort unter Kenntnißgabe an den Gläubiger geleitet werde.

Diejenigen Kantone hinwieder, welche für größere BetreibungsCentren sich erwärmen, mögen dieselben einrichten ; Niemand hindert sie daran. Sie werden aber voraussichtlich die Erfahrung machen, daß, je größer die Entfernungen sind, desto häufiger für

890 den Bürger die Nöthigung eintreten wird, seine Angelegenheiten durch einen jener Agenten besorgen zu lassen, welche man mittelst der Schaffung des Betreibungsamtes, wenn nicht zu verdrängen, so doch in der Zahl zu reduziren hofft. Diese werden in ungeahnter Zahl und Blüthe sehr bald in den dem Domizil des Betreibungsamtes entfernter gelegenen Ortschaften zur Erscheinung kommen.

Aus allen diesen Gründen empfehlen wir Ihnen den von uns vorgeschlagenen Art. \ z u r A n n a h m e , w o n a c h e s d e n K a n tonen freigestellt bleiben soll, das Betrei bungswesen auch in kleineren Kreisen, getrennt von den f ü r die A u s t r a g u n g der K o n k u r s e gebildeten Kreisen, besorgen zu lassen.

Wir erklären die Einrichtung eines vom Betreibungsamte getrennten K o n k u r s a m t e s für fakultativ; wir schreiben die Sonderung den Kantonen nicht vor.

Manche Kantone besetzen das Konkursamt durch einen Einzelbeamten, andere durch eine kollegialische Behörde, die eine besondere Konkurs- oder Fallimentskommission, ein Gerichtsausschuß u. s. w. sein kann.

Wir sehen auch hier keinen Grund dafür ein, ein mißbeliebiges Nivellirungssystem in Anwendung zu bringen, und überlassen es den Kantonen, sich nach ihren individuellen Bedürfnissen einzurichten ; denn nicht die Einförmigkeit der Einrichtungen, sondern die materielle Einheit des Rechtes ist es, was vorzugsweise angestrebt werden soll, wenn man dem Gesetze eine wohlwollende Aufnahme sichern will. Wir schlagen deßhalb vor, überall, wo der Bundesrathsentwurf von einem Betreibung- u n d Konkursamte spricht, lediglich (Art. 4) von einem ,,Konkursamt" und von ,,Konkurskreisen" zu reden, wobei es jedem Kantone freigestellt bleibt (Art. 4, Satz 3, unseres Vorschlages), der nämlichen Beamtung ,,die Funktionen des Betreibungs- und Konkursamtes au übertragen", oder aber dafür gesonderte Amtsstellen zu organisiren und im letztern Falle die bezüglichen Funktionen durch eine Gerichtsoder Verwaltungsstelle ausüben zu lassen und diese selbst wieder kollegialisch oder individuell zu besetzen.

Die W a h l der Beamten und Behörden der unmittelbaren Volkswahl zu entziehen, halten wir für ein der Annahme des Gesetzes gefährliches, überdies unnöthiges Experiment, zumal es, wie schon erwähnt, Kantone gibt, in welchen trotz Volkswahl die Schuldbetreibung in höchst zuverläßiger, befriedigender Weise vor sich geht.

891 Die wesentliche Garantie für einen guten Vollzug des Gesetzes wird die durch Kautionen gesicherte p e r s ö n l i c h e V e r a n t w o r t l i c h k e i t der Beamten für die Folgen jeder Pflichtverletzung und die strenge Pflichterfüllung der A u f s i c h t s o r g a n e bilden.

In letzterer Beziehung dürfen wir von der öffentlichen Kritik und einem durch das Ehrgefühl angespornten Wetteifer der Behörden Erkleckliches erwarten.

Außer der vom Bundesrathsentwurfe vorgesehenen k a n t o n a l e n Aufsichtsbehörde wollen wir, in Uebereinstimmung mit dem ursprünglichen Entwürfe des Eidg. Justiz-Departementes und frühern Entwürfen, den Kantonen die fakultative Einführung von K r e i s A u f si eh ts-Organen gestatten (Art. 15bis). Die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse läßt in größeren Kantonen solche Organe geradezu als unentbehrlich und auch wohlthätig erscheinen. Durch entsprechende Verkürzung der Rekurstermine wird hinwieder einer Verzögerung des Vollzuges vorgebeugt.

Dem B u n d e s r a t h e weisen wir die Stellung einer O b e r a u f s i c h t s b e h ö r d e (Art. 15quater) zu. Derselbe soll durch allgemeine, mit verbindlicher Kraft ausgestattete Weisungen an die kantonalen Aufsichtsbehörden Uebelstände im Vollzuge des Gesetzes, die ihm infolge individueller Beschwerden oder kantonalbehördlicher Berichterstattungen oder durch die Notorietät zur Kenntniß kommen, abstellen.

Einen förmlichen I n s t a n z e n z u g von den kantonalen Aufsichtsbehörden an den Bundesrath oder das Bundesgericht oder eine von diesem zu bestellende Rekurskommission möchten wir vermeiden. Zu dieser juristischen Ketzerei, deren übrigens die frühern Entwürfe sämmtlich bis zu demjenigen vom Oktober 1881 sich theilhaftig gemacht haben, bewegt uns die Rücksicht auf einen raschen Vollzug der Schuldbetreibung, in welchem der wesentlichste Vorzug eines Betreibungssystems zu finden ist. Kleinere Unebenheiten im Vollzuge werden leichter ertragen als ein endloses und kostspieliges Eidgenössisches Trölereisystem. Denn daß der Rekurs an die eidgenössische Instanz zur Regel würde, liegt in der Natur der Sache. Der Schuldner, welcher nicht zahlen kann oder will, wird, mit oder ohne Rathschlag gewissenloser Geschäftsleute, den Rekurs als letztes Verschleppungsmittel in jedem Falle benutzen, gleichviel ob mit Aussicht auf
Erfolg oder Nichterfolg. Der Erfolg liegt für ihn im Zeitgewinne. Von der in Art. 3, Satz 3, des Bundesrathsvorschlages vorgesehenen Versagung des Suspensiv-Effektes versprechen wir uns zufolge der Erfahrung nicht viel, da eine Behörde sich in den seltensten Fällen dazu entschließt, den Erfolg eines gesetzlichen Rechtsmittels auf dem Exekutionswege zu überholen.

892 Rechtsanstäüde p r i v a t r e c h t l i c h e r Natur, welche sich aus der Anwendung des Gesetzes ergeben, fallen selbstverständlich hiebei außer Betracht, da dieselben Gegenstand eines richterlichen Entscheides und nicht des administrativen Rekurses sind.

Von der Verantwortlichkeit des K a n t o n s für allen durch dessen Betreibungs- und Konkursbeamten verursachten Schaden sehen wir, als einer unbemeßbaren Gefährdung seiner Finanzen, ab ; ebenso von einer diesfälligen Verantwortlichkeit des Wahlkörpers, welch' letzterer selbstverständlich, in Abgang korporativen Vermögens, durch Steuererhebung die Folgen der Pflichtverletzung des von ihm gewählten Beamten gut zu machen hätte und damit unter Umständen auch diejenigen seiner Wähler treffen müßte, welche ihre Stimme dem Gewählten versagt hatten, aber kein Mittel besaßen, um dessen Wahl zu verhindern.

Die Kantone haben dagegen durch ihre dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegende Gesetzgebung (Art. 6 und 282ter) für entsprechende Kautionsstellung ihrer Beamten zu sorgen.

Nachlaß vertrag.

Durch das dem belgischen Gesetze und einem solchen des Kantons Genf nachgebildete, auch im Kanton Neuenburg eingebürgerte Institut des Z w a n g s v e r g l e i c h e s außerhalb des Konkurses soll dem Schuldner (Jnskribirten wie Nicht-Ioskribirteu) die Rechtswohlthat eingeräumt werden, unterstützt von einer (exklusive Frauengut) zwei Dritttheile der offenen Forderungsbeträge vepräsentirenden Mehrheit seiner Gläubiger bei der zuständigen Behörde ein Moratorium von 2 bis 4 Monaten auszuwirken, während welcher Zeit unter Aufsicht eines amtlichen Sachwalters das Geschäft fortgesetzt, die Schuldbetreibung mit Ausnahme derjenigen für Wechsel und Checks stillegestellt und ein Nachlaßvertrag mit den Gläubigem angestrebt werden kann. Von zwei Dritttheilen der Kurrentgläubiger mit zwei Dritttheilen des Passivstandes (exklusive Frauengut) angenommen und vom Gerichte unter gewissen Kautelen (Art. 32) genehmigt, soll der Nachlaßvertrag für die renitente Minderheit Zwangsverbindlichkeit erhalten.

Einer Nichtbestätigung des Nachlaßvertrages durch die zuständige Behörde soll gegen den inskribirten Schuldner von Amtswegen die Konkurseröffnung auf dem Fuße folgen (Art. 33).

Die Mehrheit Ihrer Kommission geht mit der Anschauung des Bundesrathes darin einig, daß in vielen Fällen dieses Institut zum Vortheile der Gläubiger und des Schuldners sich als wohlthätig

893 wirkend erweisen durfte. Die Möglichkeit nutzloser Vernichtung von Existenzen, welche nur zu oft bloß der selbstsüchtigen Hartnäckigkeit einzelner, auf Nebenversprechen zum Schaden der übrigen Gläubiger spekulirender Opponenten zu verdanken ist, fände darin ihr Korrektiv.

Nichtsdestoweniger besorgt die Mehrheit der Kommission den Mißbrauch, welcher durch die Konnivenz von Gläubigern oder die Nachsicht der zuständigen Behörden ermöglicht werden dürfte, und betrachtet den durch eine Mehrheit der Minderheit von Gläubigern auferlegten Zwang als einen bedenklichen Eingriff in die Privatrechte der letztern ; denn dieselben treten doch erst durch einen formellen Konkurs in eine Interessengemeinschaft mit den übrigen Gläubigern ein und sollten erst dann in die Lage versetzt werden, sich majorisiren lassen zu müssen. Diese Bedenken und die Neuheit des Institutes an sich dürften dem Entwurfe nach Ansicht der Kommissionsmehrheit mehr Gegner als Freunde gewinnen. Um den Anhängern desselben jedoch entgegenzukommen, schlägt dieselbe Ihnen vor, das Individualrecht insoweit zu schützen, daß es dem widerstrebenden Gläubiger, der sein Forderungsrecht auf gut Glück aufrecht erhalten will, freistehen solle, dem Nachlaßzwange sich zu entziehen, mit der Einschränkung jedoch, daß er die vorbehaltene Forderung in einer spätem Zeit gleich einer im Konkurse zu Verlust gekommenen Forderung (Art. 270) nur in dem Falle wieder zur1 Geltung bringen kann, wenn der Schuldner .,,neues Vermögen" erworben hat.

Ueber den Eintritt dieser Suspensi v bedingung hätte bestrittenen Falls der Richter im ,,beschleunigten Verfahren"1 zu entscheiden.

B. Besondere Bemerkungen.

Auf die E i n z e l h e i t e n des E n t w u r f e s ü b e r g e h e n d , finden wir zu nachstehenden Bemerkungen Veranlaßung.

Die A n f e c h t u n g s k l a g e (welche wir, beinebens bemerkt, gerne etwas einfacher und durchsichtiger behandelt gesehen hätten) soll nicht nur dem mit einem Leeren Pfandscheine abgefertigten Gläubiger und der Konkursmasse oder ,,für sich selbst handelnd" dem im Besitze eines Verlustscheines (Art. 270) sieh befindenden Einzelgläubiger, sondern auch während des Konkurses, soferne die Konkursverwaltung als solche auf Geltendmachung des Anspruches verzichtet, gemäß Art. 256 den einzelnen Konkursgläubigern zustehen.

Daher unser Vorschlag zu Art. 41.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

64

894 Für den Fall, daß erst nach Beendigung des Konkursverfahrens einzelne Gläubiger zur Anhebung einer Anfechtungsklage Anlaß haben, erachteten wir es als nöthig, ein Nachkonkursverfahren vorzusehen (Art. 273bis), welches der Privatspekulation der Gläubiger vorzubeugen geeignet ist.

Die Aufnahme einer ausnah ms weisen Klagverjährung schien uns nicht begründet zu sein.

Den in Art. 46 erwähnten Rechtsgeschäften sind die nicht selten vorkommenden Veräußerungen beigefügt, mittelst deren der Schuldner sich eine Lebensrente oder eiu Nießbrauchsrecht verschafft hak Den Art. 46bis halten wir zur Vervollständigung für nothwendig. Es schien uns richtig, daß nach Anfechtung des betreffenden Rechtsgeschäftes und Rückerstattung des durch dasselbe Erworbenen der Rückerstattende wieder in seine frühere Rechtsstellung zurücktrete, somit auch dasjenige, was er allfällig au den Schuldner geleistet, zurückerhalte, beziehungsweise, daß seine ursprüngliche Forderung wieder aufleben solle.

In Art. 49 glaubten wir den K o m m a n d i t ä r aus der Kategorie der auf Konkurs zu betreibenden Personen, nach Antrag der Waadtländischen Expertenkommission, eliminiren zu sollen, obwohl derselbe im Handelsregister eingeschrieben wird. Das Verhältniß des Kommanditärs ist in denn Maße von seiner Person abgelöst, daß wir eine solche Ausnahme hinlänglich gerechtfertigt finden.

Zu Art. 50 beantragen wir, daß der In s k r i b i r te, w e l c h e r s i c h im R e g i s t e r l ö s c h e n l ä ß t , noch sechs Monate nach veröffentlichter Streichung der Konkursbetreibung unterliegen solle.

In dieser Frist wird es einem Gläubiger leicht möglich sein, seine Rechte bis zur Konkursandrohung geltend zu machen. Erfolgt letztere innerhalb dieser Frist, so soll die Betreibung auf Konkurs ihren Fortgang nehmen. Wir gaben dieser Bestimmung vor der in Ziff. l 1. c. des bundesräthlichen Entwurfes vorgeschlagenen den Vorzug, weil es unter Umständen für den Beamten schwierig zu entscheiden wäre, in welchem Zeitpunkte eine Forderung existent geworden ist.

Die E r b e n e i n e s I n s k r i b i r t e n sollen nach ihrer persönlichen Rechtsstellung, nicht nach derjenigen des Erblassers für Erbschaftsschulden belangt werden.

Endlich erachteten wir in Art. 51bis eine weitere Ergänzung für diejenigen Fälle als nothwendig, wo ein auf P f ä n d u n
g B e t r i e b e n e r sich in das Handelsregister e i n t r a g e n läßt; das Ineinandergreifen der beiden Betreibungsarten beim Eintritte eines Wechsels in diesem persönlichen Rechtsverhältnisse des Schuldners ist zu vermeiden.

895 Die A n h e b u n g der B e t r e i b u n g (Art. 52) wünschten wir so formlos als möglich zu machen; sie soll mündlich wie schriftlich geschehen können; daß die Schuldsumme ,,mit Buchstaben geschrieben" sein müsse, hallen wir für unnöthigen Formalismus.

Dasselbe gilt von dem in Art. 52 vorgesehenen Doppel des Betreibungsbegehrens ; wir verlangen nicht, daß der Gläubiger ein solches Doppel schon mitbringen und vorlegen müsse.

Art. 53. Wir sehen in unsern Vorschlägen von B e t r e i b u n g s h a n d l u n g e n ganz a b , welche o h n e n e u e s B e g e h r e n d e s G l a u b i g e i - s von Amtswegen vorgenommen werden müßten. Zur Vermeidung von Chikanen soll dagegen der Beamte dem Gläubiger den Betrag des zu leistenden Vorschusses bezeichnen.

In Art. 62 schlagen wir die B e s t e l l u n g eines D u p l i k a t e s unmittelbar nach Erlaß des Betreibungsaktes, nicht erst nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist, vor. Der Gläubiger erhält dadurch die sofortige Gewißheit, daß der Akt vollzogen ist; erfolgt alsdann ein Rechtsvorschlag, so ist ihm auch davon Kenntniß zu gebeu (Art. 78).

Darin liegt unseres Erachtens eine wirksamereKontrole gegenüber dem Beamten. Von dem Pfändungsakte und -- notwendiger Weise -- auch von den inner 20 Tagen erfolgenden Adhäsivpfändungen soll der Gläubiger (Art. 108) zum gleichen Zwecke ebenfalls ein Duplikat erhalten In Art. 82 haben wir das R e c h t s ö f f n u n g s v e r f a h ren auch auf die im öffentlichen Rechte begründeten .Verpflichtungen (Steuern u. 8. w.) anwendbar erklärt, an Stelle des vom Entwurfe in Art. 193 vorgesehenen exzeptionellen Verfahrens. Wir halten dies für einfacher und zweckentsprechender.

Den Bestimmungen über Be t r e i b u n g s t'e r i e n und R e c h t s s t i l l s t a n d fügten wir in Art. 89bis noch die Möglichkeit bei, daß die kantonale Aufsichtsbehörde mit Zustimmung des Bundesrathes über ein bestimmtes Gebiet oder zu Gunsten bestimmter Personen bei Epidemien und Unglücksfällen, sowie in Kriegszeiten, den Rechtsstillstand verfügen könne.

Die Verbindung des Ausdruckes ,,Unglücksfälle" mit ,,Epidemien" und ,,Kriegszeiten" macht wohl klar, daß unter den ersteren nicht etwa persönliche, individuelle Bedrängnisse verstanden sein können, sondern Kalamitäten, die eine gewisse Allgemeinheit an sich tragen, wie Wassernoth und andere
elementare Ereignisse von größerer Bedeutung.

Eine der Rechtsübung des Kantons Graubünden enthobene Vorschrift enthält ein Zusatz zu Art. 99, wonach bei P f ä n d u n g von Futtervorräthen auch eine entsprechende Anzahl V i e h s t ü c k e auf Verlangen des Schuldners gepfändet werden sollen.

896 Unter den in Art. 100 behandelten sog. K o m p e t e n z s t ü c k e n wurden in Ziff. 9 nicht bloß die ,,periodischen" 1 Unterstützungen von Seiten der Hülfs-, Kranken- und Armenkassen, sondern allgemein alle von Seiten solcher Wohlthätigkeitsanstalten fließenden Beiträge aufgenommen, also namentlich auch die häufig vorkommenden, nur einmaligen Beiträge der Sterbefallvereine.

Unter d e r Rubrik B e t r e i b u n g pfandversicherter F o r d e r u n g e n entschieden wir uns für Streichung des Art. 129, von der Anschauung geleitet, daß wer einmal für seine Forderung sich ein Pfand hat geben lassen, dasselbe in der Meinung in Empfang genommen habe, in erster Linie sich an das Pfand und erst bei ungenügendem Erlöse an die Person des Schuldners zu halten.

A u s g e p f ä n d e t e F o r d e r u n g e n , für welche dem Gläubiger das Recht der oSlachpfändung (Art. 95) während Jahresfrist und, nach Ablauf derselben, die Anhebung einer neuen Betreibung (Art. 157, Absatz 5) vorbehalten bleibt, sollen nach Antrag der Kommissionsmehrheit n i c h t m e h r v e r z i u s b a r sein (Art. 157, Absatz 3). Es wird damit die Gleichstellung der auf Pfändung betriebenen Schuldner mit den auf Konkurs betriebenen angestrebt, indem gegen letztere (Art. 270, Abs. 2) die am Schlüsse, des Konkursverfahrens auszuhändigenden Verlustscheine ebenfalls keine Zinse mehr tragen. Der Wegfall der Zinse beruht selbstverständlich nicht auf einem Motive rechtlicher Natur, sondern auf dem sozialwirthschaftlichen Gedanken, es sei dem zahlungsunfähig gewordenen Schuldner die Möglichkeit der Wiedererringung einer ökonomischen Existenz zu gewähren.

Von einer K o l l o k a t i o n der auf Pfändung betreihenden Gläubiger nach Analogie des Konkursverfahrens, d. h. gemäß der konkursrechtliehen Rangordnung (Art. 226), glaubten wir im Interesse der Einfachheit des Pfändungsverfahrens und in Festhaltung des in dem letztern vorherrschenden Prinzips der zeitlichen Bevorrechtung Umgang nehmen zu sollen.

Mit dem Bundesrathe halten wir daran fest, daß auch die Liquidation gepfändeter L i e g e n s c h a f t e n , weil einen integrirendeu Theil des Betreibungsrechtes bildend, einheitlich auf dem Wege des reinen Versteigerungsverfahrens durch das eidgenössische Gesetz geordnet werde; die reichlich vorgesehene Einlösungsfrist gestattet es,
ohne Benachtheiligung des Schuldners von dem diesem durch kantonale Gesetze gewährten, ohnehin problematisch-wohlthätigen Rückkaufsrechte Umgang zu nehmen ; ebenso fallen die mannigfachen partikularrechtlichen Ueberschlags-, Zugs- und Nachschlagsbefugnisse der Gläubiger wohl ohne Schaden für diese dahin. Es wird das allerdings zur Folge haben, daß der Hypothekargläubiger, wenn er seine Interessen wahren will, der ihm durch die öffentliche

897 Bekanntmachung t Art. 152) zur Kenntniß gebrachten zweiten Versteigerung persönlich wird beiwohnen müssen, sofern ein im Range ihm v o r a n g e h e n d e r Hypothekargläubiger betrieben hat. In solchem Falle wird nach dem Entwurfe, wenn nur die dem treibenden Pfandgläubiger vorstehenden Pfandtitel durch die Steigerung gedeckt erscheinen, das Unterpfand dem Letztbieter zugeschlagen und der dem treibenden Hypothekargläubiger nachgehende Pfandtitel unterpfändlich verloren gehen.

In Hinsicht auf das K o n k u r s r e c h t und das K o n k u r s v e r f a h r e n glauben wir Folgendes hervorheben zu sollen: In Art. 203 ist eine präzise Vorschrift darüber aufgenommen, rnit welchem Momente der Konkurs als eröffnet zu gelten habe, da sich an diese rechtliche Thatsache eine Reihe der wichtigsten Folgen knüpft. Wir schlagen vor, das ,, K o n k u r s - E r k e n n t n i ß t t als ausschlaggebendes Moment anzunehmen.

Zu den Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Schuldners beantragen wir die Wiederaufnahme der Bestimmungen des Heusler'schen Entwurfes, zufolge welchen 1) nicht bloß das ,,erbrechtlich a , sondern auch alles andere dem Gemeinschuldner während des Konkurses anfallende Vermögen Massaeigenthum wird, wobei der Ausschluß des Arbeitsverdienstes sich hinreichend aus der Bezeichnung: ,,anfallendes"Vermögen ergibt (Art. 207); 2) der Ausdruck .,,Zahlungsverbindlichkeiten" durch ,,Zahlungen* ersetzt wird (Art. 208). Zur Deckung für künftige Zahlungsverbindlichkeiten hingegebene Wechsel und Handelspapiere sind nichts Weiteres als Faustpfänder, welche der Kvidar besitzt und die deshalb keiner besondern Erwähnung bedürfen, während es sich hier gegentheils um ein Mandatsverhältniß handelt, kraft dessen der Kridar die übergebenen Papiere zur Leistung einer an Stelle des Deponenten vorzunehmenden, diesem obliegenden Zahlung verwenden soll.

Zu Art. 211 bemerken wir, gegenüber der in der Botschaft (S. 70) enthaltenen Aeußerung, daß die bezügliche Bestimmung keineswegs eine Modifikation von Art. 0. 264 enthält, indem es sich in letzterem nur um ein R ü c k f o r d e r u n g s recht handelt, welches selbstverständlich im Konkurse, wie alle obligatorischen Ansprüche, in ein Forderungsverhältniß sich umwandelt, im Gegensatze zu dem, nicht unter Artikel 0. 264 fallenden V o r b e h a l t des E i g e n t h u m s , der durch einen spätem Konkurs nicht unwirksam gemacht wird.

898 Durch Einstellung des der elterlichen Verwaltung unterworfenen K i n d e r g u t e s i n d i e Z w e i t e G l ä u b i g e r - K l a s s e reduzirt unser Vorschlag d i e Z a h l d e r K l a s s e n a u f v i e r .

Zu dieser Bestimmung bewog uns die Anschauung, daß die elterliche Vormundschaft der gewöhnlichen Vormundschaft in Bezug auf die vermögensrechtlichen Wirkungen gleichzustellen sei.

Aus der E r s t e n K l a s s e eliminirten wir die Forderungen der Aerzte, weil dieselben nach erhaltenen offiziösen Mittheilungen in ihrer Mehrzahl die Bevorrechtung im Konkurse als privilegium odiosum selbst perhorresziren. Konsequenter Weise mußten die Apotheker sie begleiten. Die Privilegirung der Verpflegungskosten des Kridars und seiner ganzen Familie schien uns zu weit zu gehen.

In Betreff der Stellung des F r a u e n g u t e s beziehen auch wir uns auf die klare Darlegung dei- Gesichtspunkte, welche Professor A. Heusler in der Zeitschrift für Schweiz. Recht (Bd. XXIII; Neue Folge Bd. I) in durchschlagender Weise bezeichnet hat.

Das Konkursgesetz darf das kantonale Güterrecht der Ehegatten nicht verändern ; es ist dagegen vollkommen befugt, insoweit als die Ehefrau auf Grund des kantonalen Güterrechtes in der Konkursmasse als G l ä u b i g e r i n sich präsentirt, dieselbe nach Gutfinden und Billigkeit in der Rangordnung der Gläubiger zu berücksichtigen oder nicht. Das Konkursgesetz darf die Anerkennung der Vindikatiousansprüche und der pfandrechtlichen Ansprachen, welche der Ehefrau kraft kantonalen Güterrechtes zustehen, ohne Eingriff in dieses allerdings nicht versagen ; aber es kann unter Rücksichtnahme auf Vindikation und pfandrechtlich gesichertes Vermögen das Maß der Privilegirung der F o r d e r u ngsansprüche der Ehefrau herabsetzen.

Von diesem Gesichtspunkte aus stellt der Entwurf die (eigentlichen) Forderungen der Ehefrau z u r H ä l f t e in die D r i t t e K l a s s e , jedoch mit der Einschränkung, daß auf dieser Hälfte der Werth der zufolge Eigenthumsanspruchs ihr verabfolgten Gegenstände und die vermöge Pfandrechts ihr zugeschiedene Summe a n g e r e c h net werden, d. h. daß die bevorzugte Hälfte um den betreffenden Betrag v e r m i n d e r t werde, so daß unter Umständen allerdings die privilegirte Forderungshälfte vollständig aufgezehrt wird.

Für die zweite Hälfte ihrer
Forderung wird die Ehefrau (ohne weitere Anrechnung) ungeschmälert mit allen nichtprivilegirten Gläubigern in die letzte oder Vierte Klasse eingestellt.

Die Mehrheit der Kommission glaubte bei Bestimmung der Konkursforderung der Ehefrau durch die Worte ,,kraft gesetzlich anerkannten Güterrechtes" (statt ,,von Gesetzeswegen") eine Verdeutlichung zu erzielen, deren Würdigung sie Ihnen anheimgibt.

899 Die Behandlung des Frauengutes ist das Ergebniß eines mühsamen Kompromisse«, durch welchen die Wirkung der Verschiedenartigkeit der ehelichen Güterrechte möglichst gemildert werden sollte ; weiter konnte das Konkursgesetz nicht gehen.

D i e Bestimmungen über V e r w a l t u n g u n d Liquid a t i o n , welche auf der Basis ausgebildeter Autonomie der Gläubiger aufgebaut sind, erleiden durch unsern Vorschlag eine Aenderung nur insoweit, als die Wahl einer besondern Kookursverwaltung nicht an die Genehmigung der kantonalen Aufsichtsbehörde gebunden sein soll. Gegen Gefährdung gläubigerischer Interessen dürfte die Anwendbarmachung (Art. 252) der Art. 6, 11 und 15 hinreichenden Schutz gewähren.

In Art. 264, Absatz 3, regelten wir ähnlich wie in Art. 256, die Folgen einer Klage, welche von einzelnen Gläubigern gegen u die Zulassung b eines andern Gläubigers erhoben werden will.

In Art. 270, Absatz 4, sehen wir übereinstimmend mit unserm zum Titel Nachlaßvertrag gestellten Antrnge ein summarisches Verfahren für jene Fälle vor, in welchen der Schuldner das Vorhandensein ,,neu erworbenen"1 Vermögens bestreitet.

Die in den S c h l u ß - und U e b e r g a n g s b e s t i m m u n g e n von uns neu vorgeschlagenen Art. 277bl8 -- 277 ter bedürfen keiner besondern Rechtfertigung.

Da der in Art. 40 vorgesehene, nach Ausbruch des Konkurses abgeschlossene Nachlaßvertrag durch Versetzung des Art. 276 in den Abschnitt ,, S c h l u ß v e r f a h r e n " als eine besondere Art der Konkursaustragung qualiftzirt wird, ist es selbstverständlich, daß die in Art. 281 vorgesehenen S t r a f f o l g e n des K o n k u r s e s auch auf den nach Ausbruch des Konkurses zu Staude gekommenen Nachlaßvertrag anwendbar sind.

In Art. 282 endlich möchten wir den Kantonen das Recht gewahrt wissen, die g e w e r b s m ä ß i g e V e r t r e t u n g der Gläubiger in Betreibungssachen nicht bloß beschränkend zu organisiren, sondern sogar gänzlich zu untersagen. Es bezieht sich dies jedoch selbstverständlich nicht auf jene Vertretung im Konkurse, welche mit persönlicher Anwesenheit in Gläubigerversammlungen und dgl. verknüpft ist, da in diesen Fällen eine Stellvertretung unbedingt möglich sein soll.

Am Schlüsse unserer Berichterstattung augelangt wünschen wir dem Entwurfe seitens der maßgebenden Stellen eine günstige Aufnahme. Möge das Schiff, welches die Frucht geistiger Arbeit und mühsamen Schaffens hervorragender Männer als kostbare Fracht

900 trägt, die ihm entgegenstehenden Klippen glücklich umsegeln und wohlbehalten in den Hafen des in Sicht stehenden Zieles einlaufen.

Die B e f e s t i g u n g d e r Einheit u n t e r d e n v e r s c h i e d e n e n Bevölkerungskreisen und die Erleichterung und Bef ö r d e r u n g f r u c h t b a r e n V e r k e h r e s werden dann -- das erwarten wir mit freudiger Zuversicht -- der Lohn jahrelanger Anstrengungen sein.

B e r n , den 13. November 1886.

Namens der ständeräthlichen Kommission, Der Berichterstatter:

C. Hoffmann.

Mitglieder der K o m m i s s i o n : HH. Hoffmann, Präsident und Berichterstatter.

Cornaz.

Estoppey.

Gobat.

Hauser.

Herzog.

Hohl.

Peterelli.

Schaller.

Schmid.

Zweifel.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission zum Gesetzesentwurfe betreffend Schuldbetreibung und Konkurs. (Vom 13. November 1886.)

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1886

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3

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49

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.11.1886

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877-900

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