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Bericht der

ständeräthlichen Kommission betreffend die Botschaft des , Bundesrathes vom 12. März 1888 über bessere Organisation der politischen Polizei.

(Vom 23. März 1888.)

Tit.

Mit Botschaft vom 12. März 1. J. hegleitet der Bundesrath Ihnen den Antrag ein, ihm ,,zum Zwecke einer bessern Einrichtung der politischen Polizei" einen Nachtragskredit zu dem Budget des Justiz- und Polizeidepartements lit. C. 3 ,,Fremdenpolizei" im Betrage von Fr. 20,000 zu bewilligen.

Indem der Bundesrath die Unzulänglichkeit der bisherigen Ein- · richtung betont, knüpft er damit an eine schon im Jahre 1885, anläßlich der damals geführten Anarchisten-Untersuchung, ihm Seitens seines Kommissariates gewordene Anregung an, zufolge welcher vorab die Errichtung einer C e n t r a l s t e l le als wünschenswerth und nützlich sich herausstelle. -- Von dieser aus hätte nicht nur die einheitliche Leitung der polizeilichen Thätigkeit auszugehen und sich auf die ihm geeignet erseheinenden kantonalen Organe zu übertragen: diese selbst sollten durch dieses gemeinsame Bindeglied gleichzeitig unter sich in Contakt gesetzt und von allen bezüglichen Vorgängen unterrichtet erhalten werden.

Seither gemachte Erfahrungen scheinen die Notwendigkeit einer solchen verbesserten Einrichtung unserer ,,politischen Polizei" nahe gelegt zu haben.

698 Der zu erwähnter Zeit i n's Werk gesetzte Abschub anarchistischer Elemente gewährte den zuständigen Behörden nur für kurze Zeit die gewünschte Rast.

Mit Schlußnahme vom 27. Januar 1. J. sah sich der Bundesrath neuerdings in der Lage, die Ausweisung mehrerer Fremden wegen Mißbrauchs des ihnen gewährten Asyles zu verhängen.

Eine kurze Zeit vorher geführte Untersuchung hatte überdies gegen zwei Individuen die Thalsache ergeben, daß sie als Agenten der deutschen Polizei sich auf unserm Gebiete provokatorischer Agitation schuldig gemacht haben: der Eine davon wurde durch bundesräthliche Schlußnahme des Landes verwiesen, während der Andere, weil Schweizerbürger, der Abwandlung der zürcherischen Gerichte überwiesen und nach Maßgabe des zürcherischen Strafgesetzes seine schimpfliche Handlung zu verantworten haben wird.

Im Laufe des Jahres 1887 ging aus der in Hottingen bestehenden Genossenschafts-Buchdruckerei ein schmutziges Flugblatt, der "Rothe Teufel" betitelt, hervor, welches schimpfliche Beleidigungen gegen die deutsche Regierung enthielt. Es blieb jedoch bei dieser Einen Nummer.

Dagegen erschien in der gleichen Offizin wöchentlich einmal der sogenannte ,,Sozial-Demokrat", ein in der Schweiz selbst nahezu unbekanntes, dagegen, wie verlautet, in einer starken Auflage nach Deutschland vertriebenes Blatt,' welches sieh in ähnlicher Weise durch wiederholte Schmähungen gegen die Regierung und höchste Amtsstellen Deutschlands -- auszeichnete. Ihre Kommission gibt einmüthig der Anschauung Ausdruck, daß dieses Gebahren dem h. Bundesrathe die Aufgabe nahe legt, von der ihm zustehenden verfassungsmäßigen Kompetenz Gebrauch zu machen und die hiebet betheiligten Fremden auszuweisen.

Die sogenannte "Hottinger"-Schule scheint sich mit unrecht damit zu trösten, daß ihre Ablösung von der Partei der Anarchisten und dem von dieser auf ihre Fahne geschriebenen Wege der Gewalt und des Verbrechens sie zu der von fremdem Boden aus von ihr betriebenen Agitation und damit verknüpften fortgesetzten Schmähungen einer uns befreundeten Regierung berechtige.

Eine über diese Vorgänge vom eidgenössischen Justiz- und Polizei - Departement angebahnte zeitraubende Untersuchung ist.

wie die Botschaft anführt, ans verschiedenen Gründen noch nicht zum Abschlüsse gelangt, und es hat. sich der Bundesrath für einstweilen auf eine ernstliche Verwarnung der Inhalier der betreffenden Offizin beschrankt; ob und mit welchem Erfolge, ist Ihrer Kommission nicht bekannt.

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Durch alle diese Vorgänge mußten die bisanhin freundlicli gestalteten Beziehungen der Bundesregierung zu derjenigen des benachbarten deutschen Reiches getrübt werden.

Während nunmehr der Bundesrath mit Fassung und Ausführung der vorerwähnten Schlußnahmen beschäftigt war, ereignete sich im Schooße des deutschen Reichstages ein Vorgang, welcher die schweizerische Polizeibehörde in einem allerdings mehr als eigentümlichen Lichte erscheinen lassen mußte, indem zwei der sozialistischen Partei angehörende Mitglieder des Reichstages im Falle waren, eine ihnen durch den zürcherischen Polizeihauptmann Fischer zugestellte, einläßliche Bescheinigung über den Inhalt einer von ihm geführten und in seiner Hand liegenden Untersuchung -- vorzuweisen.

Wirklich hatte dieser, über den Kopf der ihm vorgesetzten Behörde hinweg und ohne jede Begrüßung derselben, auf privates Ansuchen der zwei deßhalb nach Zürich gereisten Reichtagsabgeordneten diesen einen Ausweis über das Resultat einer noch der Erledigung durch die zuständige Bundesbehörde harrenden, ihm anvertrauten Untersuchung in die Hand gespielt. -- Dieser e i n e "Vorgang, an sich betrachtet, würde wohl genügen, um die Nothwendigkeit nachzuweisen, den Bundesrath durch veränderte Einrichtungen mit der erforderlichen Unabhängigkeit zu Erfüllung der ihm zufallenden Pflichten auszurüsten.

Die scharfe Verurtheilung, welche der Bundesrath der angeführten pflichtwidrigen Handlung zu Theil werden ließ, konnte denn auch im Schooße Ihrer Kommission, welche von den bezüglichen Akten Kenntniß genommen hat, nur deren vollständige Billigung finden.

Wie sehr übrigens die Verwirrung der Begriffe darüber, was im öffentlichen Leben als Recht und Unrecht zu gelten habe, mancherorts bereits gestiegen ist, dafür mag als Beweis das Ergebniß einer in Zürich abgehaltenen öffentlichen Versammlung augeführt werden, welche es für angezeigt hielt, unter lobender Anerkennung der von Seite eines fehlbareu Beamten begangenen Pflichtverletzung, das Verhalten des Bundesrathes einer abfälligen Beurtheilung zu unterstellen.

Die öffentliche Meinung des Landes hat sich jedoch bald in so entschiedener Weise gegen ein solches Vorgehen aufgelehnt, daß eine Wiederholung derartiger Anwandlungen unterlassen wurde.

Ueberhaupt darf der Bundesrath jederzeit auf die Unter-1 Stützung des Volkes und seiner Vertreter zählen, wenn er mit Bundesblatt. 40. Jahr. Bd. I.

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fester Hand jedes provokatorische Treiben unterdrückt, für welches unser Land von Fremden, die in demselben Zuflucht und Aufenthalt finden, als Schauplatz ihrer Thätigkeit ausersehen wird.

Die Schweiz hat zu allen Zeiten ihre gastlichen Thore dem Unglücklichen und Verfolgten geöffnet und ihm ein freundliches Asyl geboten, verlangt aber, daß ihre neutrale Stellung geachtet und das Gastrecht nicht dazu mißbraucht werde, sie in ein feindseliges Verhältniß zu andern Staaten zu versetzen, mit denen sie in Wohlvernehmen zu verharren ein wesentliches Interesse hat.

Unter dem gleichen Gesichtspunkte ist dann aber auch ihr Verlangen ein berechtigtes, daß ihr Gebiet nicht durch provokatorische Thätigkeit fremder Agenten infizirt werde, und billigen wir vollständig die vom Bundesrathe in dieser Richtung getroffenen Maßnahmen. 6 Die neuesten Vorgänge haben leider den Stoff zu begründeten Beschwerden in dieser Richtung zu Tage gefördert. Die hierüber von dem Ressort-Minister im deutschen Reichstage abgegebene Erklärung, daß Ueberschreitungen der bezeichneten Art keineswegs im Wissen und in der Absicht der deutschen Regierung gelegen sind, berechtigen uns jedoch zu der bestimmten Voraussetzung, daß bezügliche Uebelstände sich nicht wiederholen werden, und der Bundesrath nicht in die Lage komme, Vorkommnisse solcher Art, wie sie durch die neuesten Untersuchungen zu Tage getreten sind, zum Gegenstande berechtigter Reklamationen zu machen.

Unabhängig hievon erscheint auch Ihrer Kommission eine Vervollständigung des eidgenössischen Strafgesetzes insoweit als angezeigt, als dasselbe die gerichtliche Ahndung anarchistischer Aufreizungen zur Gewalt ebensowenig als die Möglichkeit vorgesehen hat, daß schweizerische Angehörige im Dienste eines fremden Staates durch das Mittel der Provokation zur Kompromittirung ihres eigenen Landes Hand bieten könnten.

In Bezug auf die Art der Verwendung des nachgesuchten Kredites enthält die bundesräthliehe Botschaft keine einläßlicheren Andeutungen. -- Der Betrag desselben scheint darauf hinzuweisen, daß es sich dabei wesentlich um die Kreirung einer Centralstelle und die Verwendung geeigneter Persönlichkeiten in Kantonen handelt, deren Verhältnisse hiezu besondere Veranlassung bieten können.

Ihrer Kommission ist mit dem einschlägigen Dossier auch eine vom ,,Grütliverein der Stadt Bern" eingereichte und von den ,,Vereinigten Arbeitervereinen der Stadt Bern und Umgebung"1, eowie dem ,,Aktionskomite des schweizerischen Arbeitertagesa mit-

701 unterfertigte Petition zugestellt worden. Dieselbe wünscht, daß die Ausübung der Fremdenpolizei auf dem Wege der Gesetzgebung der Ad ministrati v-Behörde entzogen und den Gerichten übertragen werden möchte, in der Weise, daß der Fremde selbst so lange unbehelligt in der Schweiz sich aufzuhalten berechtigt sein solle, als er sieh nicht gegen ein bestimmtes einheimisches Gesetz verfehle.

Weit entfernt davon, nach dem Wunsche der Petenten ein solches Vorgehen empfehlen zu können, halten wir Gegentheils dafür, daß die Handhabung der Fremdenpolizei als ein verfassungsmäßiges Attribut des Bundesrathes aufrecht zu halten sei und sich auch durch die bisher gemachten Erfahrungen als praktisch bewährt habe.

Wir schließen unsere Berichterstattung, indem wir Ihnen den einstimmigen Antrag unterbreiten : Sie wollen dem vom Nationalrathe unterm 20. laufenden Monats gefaßten Beschlüsse unverändert beitreten.

B e r n , den 23. März 1888.

Der Berichterstatter: C. Hoffmann.

Mitglieder der Kommission: HH.

Hoffmann.

Cornaz.

Herzog.

Wirz.

Zweifel.

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Herrn Bundesrath Droz betreffend die Organisation der politischen Polizei, gehalten in der Sitzung des Ständerathes vom 23. März 1888.

Herr Präsident, meine Herren !

Ich will nicht wiederholen,' was ich in dieser Angelegenheit O O vor einigen Tagen im Nationalrathe vorgebracht habe, aber ich habe die Pflicht, im Namen des Bundesrath es die lebhafte Genugthuung auszusprechen , die wir darüber empfunden, daß unsere Haltung von den Vertretern sowohl des Schweizervolkes als auch der Kantone einstimmig gebilligt wird. Man konnte Bedenken hegen, im gegenwärtigen Momente den eidgenössischen Räthen eine Frage oder sogar eine Gesammtheit von Fragen zu unterbreiten, über welche sich widersprechende Kundgebungen der öffentlichen Meinung stattgefunden haben.

Wir haben es jedoch als im Interesse unseres Landes gelegen erachtet, die Sachlage vollständig abzuklären und sie von allen Zweideutigkeiten, welche unsere Aufgabe, sei es im Innern oder nach Außen, erschweren könnten, loszulösen. Wir kennen übrigens den politischen Takt der schweizerischen Bundesversammlung zu gut, um nicht sicher zu sein, daß sie, nach Kenntnißnahme der thatsächlichen Verhältnisse, uns in den Vorkehren unterstützen werde, welche die Lage im Interesse einer wirksameren Gewährleistung der Ruhe im Innern und der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu unsern Nachbarstaaten erfordert.

Nach allen Richtungen haben wir Ihnen unsere Ansichten ohne Rückhalt ausgesprochen. Keine einzige Stimme hat im Nationalrath Widerspruch erhoben und kein Versuch, den man nachträg-

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24.03.1888

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697-702

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