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Vernehmlassung der

Petitionskommission von Basel-Landschaft, in Sachen des Rekurses von Dr. E. Frey, betreffend Besteuerung.

(Vorn 1. Februar 1873.)

Geehrter Herr Präsident!

G ee h r t e H er r e n !

Der Steuerrekurs des Herrn Dr. Emil Frey in Ariesheim tritt nun zum siebenten Male vor Ihre Behörde.

Der Landrath hat sich bisher beharrlich geweigert, denselben materiell zu behandeln, sich stüzend auf § 34 der Verfassung, nach welchem die Gewaltentrennung zu Recht besteht, und auf § 64, nach welchem der Regierungsrath Steuerkonflikte entscheidet.

Einige Mitglieder Ihrer Behörde haben zwar früher schon, mit dem Rekurrenten, aus dem § 46 der Verfassung, nach welchem der Landrath die oberste Behörde des Landes ist und die Oberaufsicht über alle Behörden übt, für den Landrath die Kompetenz des allerlezten Entscheides auch in Steuerkonflikten, mithin einen administrativen Instanzenzug ableiten wollen. Allein die Mehrheit hat sich zu der bei uns bisher unbestrittenen Interpretation bekannt, nach welcher der Landrath beim Vorkommen eines auch verfassungs- oder gesezwidrigen Entscheides dem Regierungsrathe nicht geradezu die Abänderung des getroffenen Entscheides, sondern eine Revision der angewandten Grundsäze auftragen kann.

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Aber durch die bundesräthliche Praxis, nach welcher Rekurse an die Bundesbehörde über Verfassungsverlezungen alle kantonalen Instanzen durchlaufen haben müssen, bevor die Bundesbehörde sie an Hand nimmt, erleidet unsere verfassungsmässige Gewaltentrennung die Modifikation, daß Beschwerden über Verfassungsverlezungen vom Bundesrath untersucht werden müssen, auch wenn sonst die Behörde in der Materie zu entscheiden nicht kompetent wäre.

Nun hat, nachdem der Ständerath im Anschlüsse an den bundesräthlichen Entscheid den Rekurs als unbegründet abgewiesen hat, der Nationalrath in dem S i n n e Vervollständigung der Akten verlangt, daß der Landrath im Hinblik auf § 46 der Verfassung eine ' Schlussnahme fasse, ob die Regierung durch ihren Beschluß vom 16. Nov. 1867 die Kantonalverfassung verlezt habe oder nicht.

Es hat also Ihre Behörde in Sachen eine eingehende Schlussfassung zu treffen.

Mit der- Vorlage eines Gutachtens hierüber von Ihnen betraut, beehren wir uns, dasselbe in Folgendem vorzulegen.

Die Gemeinde Ariesheim hat bekanntlich am 6. Mai 1866 beschlossen, daß das neuangekaufte und stattlich hergestellte Schulhaus zum grössern Theile aus der Bürgerkasse bezahlt, zum kleinern Theile aus dem Betrag einer Steuer gedekt werden . soll, welche die Einwohnergemeinde sich auferlegt. Diese Steuer wird erhoben in Fr. 2, 50 p r. Kopf der Gabholzberechtigten und der Niedergelassenen ; Fr. 3.-- von Fr. 10,000.-- Vermögen, wobei jedoch der Grundbesiz der auswärtigen Besizer frei ist ; Fr. 2 . -- von Fr. 1000.-- E i n k o m m e n sämmtlicher Einwohner ; sie soll dienen zur Dekung der Reparaturkosten und zur Verzinsung des Schuldrestes für das Schulhaus, bis die ganze Schulhausschuld in einigen Jahresraten bezahlt ist.

Gegen diesen Steuerbeschluß rekurrirt nun Hr. Dr. Frey ; er nimmt dabei Anlaß, auch einen andern Beschluß aus frühem Jahren anzufechten, nach welchem von jeder Familie Fr. 2.-- zur Behol-z u n g der Schule erhoben worden, und behauptet, der Ertrag der Steuer werde zugleich auch zur Beheizung des katholischen Plärrers, verwendet.

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Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die im Verlaufe des bald siebenjährigen Handels jeweilen auftauchenden und wieder verschwindenden Argumentationen aus den Akten zu sammeln und zusammenzustellen. Die Beweisführung des Rekurrenten wird, nachdem bisher alle kantonalen und eidgenössischen Behörden sie abgelehnt haben, schliesslich vom Referenten der nationalräthlichen Kommission mit sorgfältiger Ausscheidung alles Uebelangebrachten aufgenommen und geschikt unterstüzt, und darauf der Antrag gebaut, vor dem lezten Forum den bisher allwärts abgewiesenen Rekurs als begründet zu erklären.

Wir halten uns lediglich an die Ausführungen des verehrten Herrn Referenten der nationalräthl. Kommission.

Der Herr. Berichterstatter lässt von vorneherein die Frage der Fr. 2.50 Kopfsteuer fallen; wir beschäftigen uns darum auch nicht mehr damit.

Es handelt sich also noch um die auf das Vermögen und den E r w e r b v e r l e g t e S c h u l s t e u e r und um die von der Haushaltung erhobenen Fr. 2.-- für Beheizung. Und in Beziehung auf den erstem Gegenstand ist es die .beschlossene Exclusion der G r u n d s t ü k e auswärts Wohnender, welche das Motiv zur Begründeterklärung des Rekurses abgeben soll.

I. Das Schul- oder s o g e n a n n t e Pfarrholz.

Die Gemeinde Ariesheim hat folgende Holzlieferungen zu machen : 1. Dem katholischen Pfarrer laut Gesez vom 26. Juli 1853 jährlich 3 Klafter Holz und 400 Wellen; 2. den beiden Lehrern laut Gesez 4 Klafter Holz und 400 Wellen ; 3. zur Beheizung der Arbeitsschule und des Sizungszimmers für den Gemeinderath l Klafter Holz und 4. dem Dorfwächter 100 Wellen.

Dieses Holz kauft die Gemeinde Arlesheim auswärts und "bezahlt es folgendermassen : a) Das Pfarrholz zahlt die Bürgergemeinde; b) zur Dekung der Kosten für die unter 2, 3 und 4 bezeichneten Leistungen zahlt jede Haushaltung Fr. 2.-- und jede halbe Fr. 1. -- Was dann noch fehlt, legt die Bürgerkasse zu.

Das Klafter Holz kam leztes Jahr mit dem Fuhrlohn zu stehen -auf Fr. 53.--, das Hundert Wellen auf Fr. 25.--. Es kostete

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also das Holz für die Lehrer, die Schule, die Arbeitsschule, das Gemeinderathszimmer und den Dorfwächter zusammen Fr. 390.-- Diese wurden gedekt durch 177 ganze und 11 halbe Beiträge im Gesammtergebniß von Fr. 365.-- und durch einen Zuschuß von Fr. 25. -- aus der Bürgerkasse.

Dieser Sach verhalt scheint .uns einfacher Natur zu sein und ebenso einfach die Wahrnehmung, daß Rekurrent an die Beholzung des katholischen Pfarrers nichts bezahlt.

Der verehrliche Referent der nationalräthlichen Kommission sagt nun wörtlich : ,,Wenn die Vernehmlassung des Regierungsrathes sagt, Herr ,,Dr. Frey habe eigentlich an die Beholzung des katholischen ,,Pfarrers keinen Centime bezahlt, indem die Steuer nicht einmal ,,zur Beholzung der Lehrer hingereicht und die Gemeindekasse ,,dann den Rest gedekt habe, so gehört eine solche Erwiderung ,,mehr in die Sphäre von Erheiterungen und Geselligkeit als in ,,das Gebiet einer juristischen Diskussion.a Wir begreifen nicht, wie h i e r die Frage, ob Hr. Dr. Frey zur Steuer für das Pfarrholz angehalten werde oder nicht, erst durch eine juristische Diskussion gelöst werden könne, bei uns wird sie gelöst vom einfachen Menschenverstand und v e r n e i n t .

II.Die S t e u e r b e f r e i u n g der G r u n d s t ü k e , w e l c h e a u s w ä r t s W oh n e n d e n a n g e h ö r e n .

Gegen die daherige Beschlussfassung der Gemeinde Ariesheim richtet sich der Schwerpunkt der Ausführungen des Hrn. Berichterstatters. Hier findet derselbe ein Prinzip und zwar ,,das grasse Prinzip der Rechtsgleichheit" engagirt; er behauptet, daß die Folgen dieser Massregel dem Potenten nachtheilig und schädlich, ,,aber noch nachtheiliger und verderblicher und zwar in materieller und moralischer Hinsicht, für .die Gemeinde Ariesheim sind", ja daß ,,diese Gemeinde dadurch in dem Gang und der Entwiklung ihres ,,Gemeindelebens und Gemeindehaushaltes den grössten Gefahren ,,entgegen geht." Der tiefe Eindruk, den der verehrliche Referent erhalten hat, gipfelt in dem klassischen Diktum : ,,Willkür bleibt ewig verhasst den Göttern, sowie den Menschen. " Auch hier scheinen uns die Dinge, vom» Boden nüchterner Betrachtungsweise aus angesehen, weit einfacher zu liegen. Bekanntlich ist dasjenige Gemeindesteuergesez noch nicht erfunden, welches in allen Gegenden, bei aller Verschiedenheit der Lebens-

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und Erwerbsverhältnisse anwendbar wäre. Selbst die Staatssteucrgeseze, welche doch mehr von lokalen Eigentümlichkeiten absehen und abstrakten Säzen folgen können, zeigen eine grasse Verschiedenheit. Ja, sie sezen oft s e l b s t Ausnahmen fest. Wenn ein Niedersrelassner, ankauft,i O >· welcher keinen Beruf 'treibt,i sich nicht sondern bloß seine Renten verzehrt, in einem Kanton nicht steuerpflichtig ist; wenn das Vermögen von Wittvven uud Waisen bis auf einen gewissen Betrag nicht steuerpflichtig ist; wenn das Vermögen der Kirchen- und Schulverwaltungen nicht steuerpflichtig ist, u. s. w., u. s. w., so sind das lauter ,,Befreiungen von der Steuerpflicht"', bei denen wohl selten Jemanden einfällt, daß dadurch die Verfassung verlezt wird. Und es sind auch die Säze: es gibt kein Vorrecht; die Glaubensfreiheit ist unveiiezlich, und was sonst noch in diesem Handel angerufen worden ist., auf einem ganzi andern Boden entstanden als auf demjenigen der Gemeindesteuer.geseze.

Es- gibt eben, je' mehr in die einzelnen Lebensbeziehungen hinein das Gesez gebracht wird, überall lokale und temporäre Rüksichten, die ihr Recht haben. H i e r , liegt eine solche in der Kleinheit der einzelnen Steuerbeträge. Die Zahl der auswärtigen Grundbësizer beträgt 38 ; von denen hätten nach dem Gemeindebescliluß 16 weniger^ als je 20 Centimes, 16 andere weniger als je Fr. l zu bezahlen. Soll nun die Bundesversammlung, einer abstrakten Idee oder einem gar nicht hieher passenden Verfassungsparagraphen zu lieb, bestimmen, die Gemeinde Ariesheim soll diesen kleinen Steuerbeträgen zwischen Dornach und Basel nachreisen ?

Es kommt aber noch von einer andern Seite eine Reihe von Steuerverhältnissen, welche das klare territoriale Prinzip des Herrn Referenten durchkreuzen. Da, wo der Saz aufgestellt wird, daß Rechte und Pflichten sich gegenseitig bedingen, daß nur steuerpflichtig wer auch genussberechtigt ist, da tritt ein anderes Eintheilungsprinzip auf.

Und es ist seltsam t daß gerade das hier so oft zitirte Bruchstiik eidgenössischer Steuerordnung, daß der Rechtssaz : Es kann Niemand zum Beitrag an die Kosten eines Kultes angehalten werden, wer nicht selber sich zu diesem Kulte bekennt, solche Ausnahmen statuirt.

Es ist aber noch seltsamer, daß, unbeschadet der Inkorrektheit territorialer Steuerabgrenzung oder oft zitirter Verfassungsparagraphen, Hr. Dr. Frey von der Steuer selbst an die Schulkosten freigesprochen werden will, weil er keine Kinder mehr in die Schule schike.

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Und es ist am allerseltsamsten, daß selbst der verehrliche Herr Referent der nationalräthlichen Kommission zu gleicher Zeit verlangt : es soll Hr. Dr. Frey selbstverständlich von der Leistung an das Pfarrholz entbunden werden, weil er zwar in der Gemeinde wohnend doch des katholischen Pfarrers nicht bedürfe, und es sollen die auswärts Wohnenden wegen ihres Grundbesizes im Bann an das Schulhaus steuern, trozdem sie von der Benüzung desselben selbst gesezlich ausgeschlossen sind.

Die Einwendung kann nicht gemacht werden, es handle sich in Ariesheim um eine Grund- oder Katastersteuer; es ist eine Personalsteuer, die sich nach verschiedenen Kategorien als Kopf-, Vermögens- und Erwerbssteuer herausstellt.

Wenn der verehrliche Referent der nationalräthlichen Kommission von den ,,nicht unbedeutenden Folgen der zu Gunsten der Auswärtigen ausgesprochenen Steuerfreiheit für den Rekurrenten" redet und wiederholt ,,diese Steuerfreiheit dem Petenten nachtheilig und schädlich" schildert, so müssten wir, um in dieser Hinsicht einig gehen zu können, zuerst uns über den Begriff des ,,nicht unbedeutenden" einigen. Wir, hier zu Lande, sind von vorneherein geneigt, den Unterschied als recht unbedeutend zu bezeichnen.

Die Steuerliste von Ariesheim zeigt ein steuerbares Vermögen von .

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. F r . 2,720,540.-- ,, Einkommen von .

.

.

.

,, 263,600.-- das eximirte Grundvermögen beträgt . .

.

,, 133,667.-- Hr. Dr. Frey steuert mit einem Vermögen von Fr. 28,093.-- und einem Einkommen von Fr. 4400.-- nach jenem Gemeindebeschlusse vom-6. Mai 1866 (wir lassen die im Rekurs ungehörig eingeflochtene Gottesakersteuer weg) jährlich wenn aller Grundbesiz versteuert wird . Fr. 16.69 wenn jene beschlossene Ausnahme stattfindet ,, 17.20 Es wird also, wenn der Rekurs begründet erklärt wird, Hr. Dr. Frey die Summe von einundfünfzig Rappen neuer eidg. Währung sich erspart sehen. Und wenn der verehrliche Herr Referent noch besonders betont, daß ,,die Steuer des Petenten alljährlich um diesen Betrag erhöht wird", so können wir. zur Beruhigung mittheilen : während der siebenjährigen Verfolgung des Rekurses sind in Arlesheim die Steuerbezüge friedlich bereinigt und ist die Schulhausschuld ganz nach Gemeindebeschluß v o l l s t ä n d i g getilgt und abbezahlt worden. Wie - lange der Rekurs nun bei alledem seine kometenartige Bahn noch wandeln soll, ist uns gar nicht klar.

679 Das sind also die ,,nicht unbedeutenden" praktischen Folgen, die sich aus diesem Steuerkonflikt für den Herrn Rekurrenten ergeben können. Um dieser willen musste sich der Regierungsrath mit der Angelegenheit 7 mal,, die Petitionskommission 5 mal,i der o O Landrath 7 mal, überdieß der Bundesrath, der Ständerath und der Nationalrath wiederholt beschäftigen und sind 58 Aktenstüke mit 233 beschriebenen Folioseiten aufgehäuft worden ! Wahrlich, es läge nahe, andere ebenso klassische Dicta zu zitiren !

Bekanntlich muß, da wir kein allgemeines Steuergesez haben, jeder Steuerbeschluß der Gemeinden, ob in- der Gemeinde beanstandet oder nicht, dem Regierunsgrathe zur Genehmigung vorgelegt werden. Diese Behörde misst solche Beschlüsse an der Verfassung und an den vorhandenen Gesezesbestimmungen und gibt oder versagt die Genehmigung. Der Regierungsrath hat den oft zitirten Beschluß der Gemeinde Ariesheim den 6. Juni 1866 genehmigt.

Wir beantragen, es möge der Landrath erklären, er finde den regierungsräthlichen Entscheid in Uebcreinstimmung mit der Verö O O fassung und schliessen mit der Versicherung unserer vollkommensten.

Hochachtung !

L i e s t a l , 1. Februar

1873.

Namens der Petitionskommission, Der Präsident: M. Birmann.

Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. II.

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07.06.1873

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