#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

XXV. Jahrgang. I.

Nr. 7.

15. Februar 1873.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g . s g e b üh.r per Zeile 15 Ep. -- Inaerate sind franko an die Expedition einzusenden, Druk nnd Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

# S T #

Bericht der

ständeräthlichen Kommission über den Rekurs der Forstkommission von Davos, betreffend Anwendung einer Forstordnung.

(Vom 14. Dezember 1872.)

Tit.!

Die Forstkommission von Davos rekurrirte an die Bundesversammlung gegen einen Beschluss des Bundesrathes, welchem folgende Verhältnisse zu Grunde liegen.

Unterm 25. Mai 1862 hat die Ortsbehörde von Davos eine Forstordnung erlassen, welche am 18. Juni gì. J. vom Kleinen Rath des Kantons Graubünden genehmigt wurde. Diese Verordnung wurde aufgestellt in Vollziehung einer Bestimmung des kantonalen Forstgesezes, dass die Gemeinden gehalten seien, Forstreglemente zu erlassen und dem Kleinen Rathe zur Genehmigung vorzulegen.

Der Art. 9 dieses Forstgesezes schreibt vor : Zur Sicherung vor Lawinen und Rüfenen, sowie der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder, darf ohne Bewilligung des Kleinen Rathes und der Forstkommission und ohne vorhergehende Auszeichnung und Stempelung durch den Kreis- oder Landschaftsförster kein Holz verkauft und gesehlagen werden.

Bundesblatt. Jahrg. XX Y. Bd.I.

19

254

.

'

Im Weitern muss nach Art. 10 für alles Holz, welches zum Verkauf oder zur Abfuhr gebracht werden will, die Bewilligung eingeholt werden, und zwar für stehendes vor dem Schlag.

Die diesen Bestimmungen Zuwiderhandelnden unterliegen einer Busse, welche bis auf Fr. 10 per Stamm gehen kann.

Die Strafkompetenz ist im Art. 4 der Forstverwaltung mit Beiziehung des Landschaftsförsters eingeräumt.

Die nähere Veranlassung zu diesem Rekurse ist folgende : Holzhändler Christian Obrecht in Trimmis liess im Jahr 1868 in einem ihm gehörenden Walde 121 Stämme junge Lärchen an einer Stelle fallen, wo, wie man behauptet, die Entholzung grosse.

Gefahren mit sich bringt.

Am 28. Mai 1869 sah sich die Forstkommission von Davos, in deren Kreis der betreffende Wald gelegen, -- von der Ansicht ausgehend , dass dieser Holzhau in ungesezlicher Weise und ohne Erfüllung der vorgeschriebenen Erfordernisse vor sich gegangen sei, -- zur Anwendung der oben angeführten reglementarischen Bestimmungen veranlasst, indem sie Obrecht zu einer Busse von Fr. 7 per Stamm, mithin zum Betrage von Fr. 847 für 121 Stämme, verurtheilte.

Obrecht rekurrirte gegen diesen Spruch an den Kleinen Rath, wurde von demselben aber angewiesen.

Hierauf brachte er die Angelegenheit vor den Grossen Rath von Graubünden, welcher unterm 25. November 1869 das Urtheil vom 28. Mai, sowie den dasselbe bestätigenden kleinräthlichen Besehluss aufhob.

In Folge dessen rekurrirte die Forstkommission von Davos an den Bundesrath gegen den Entscheid des Grossen Rathes.

Durch Besehluss vom 10. März 1871 erklärte der Bundesrath diesen Rekurs für unbegründet, gegen welchen Entscheid die Forstkommission von Davos nun an die Bundesversammlung rekurrirte.

Der Nationalrath, dem für diesen Gegenstand die Erstbehandlung zufiel, beschloss in einer frühern Session, vorerst den Bundesrath einzuladen, vom Grossen Râthe von Graubünden Aufklärungen über die seinem Entscheide zu Grande liegenden Motive einzuholen.

Diese Einladung hat stattgefunden und die Antwort des Grossen Rathes ist der Bundesversammlung im Laufe der lezten Julisession zugekommen.

255

Nachdem sie davon Kenntniss genommen, beantragte die Kommission des Nationalraths, den Rekurs als unbegründet zu erklären und den bundesräthlichen Beschluss aufrechtzuhalten, was dann auch angenommen wurde.

Dies ist der geschichtliche Hergang, wie er dem Ihnen unterstellten Rekurse zu Grunde liegt.

Dazu berufen, diesen Rekurs zu prüfen und Ihnen zu begutachten, beantragt Ihre Kommission einstimmig, denselben abzuweisen und den Entscheiden des Biïndesrathes und des Nationalrathes beizutreten, und zwar aus folgenden Gründen : Vor Allein muss die Kommission erklären, dass sie die Wichtigkeit guter Forstgeseze und einer strengen Anwendung der den Waldschuz bezwekenden Verordnungen vollkommen anerkennt.

Würde es sich also nur um diesen Punkt handeln, wäre lediglich zu entscheiden, ob die Verordnung von Davos gut, nüzlich sei, so würde sie nicht anstehen, dies zu bejahen. Die forstlichen Geseze und Verordnungen mehrerer Kantone enthalten Bestimmungen der nämlichen Natur wie diejenige von Davos, welche den vorliegenden Rekurs veraulasste.

Aber die uns unterstellte Frage ist diese : ob der den Spruch der Davoser Forstkommission aufhebende Entscheid des Grossen Rathes von Graubünden selbst aufzuheben oder aber zu respektiren sei.

Die Frage in dieser Weise gestellt, war ihre Beantwortung in dem leztgedachten Sinne für Ihre Kommission nicht schwierig.

Zunächst hat die Kommission daran zu erinnern, dass die Bundesversammlung kein Kassationshof ist, und dass es nicht ihre Sache ist, zu ermitteln, ob im Spezialfalle die Forstordnung von Davos gut oder schlecht angewendet worden sei. Es liegt dies nicht in der Rolle der Räthe. Vielmehr haben dieselben bei Prüfung solcher Rekurse lediglich darauf zu sehen, ob eine Verlezung der Bundesverfassung oder einer Kantonsverfassung vorliege.

Nehmen wir aber einen Augenblik an, wir könnten uns zu einem Kassationshofe konstituiren, und sehen wir, ob wir bei dermaliger Sachlage mit bestem Wissen erklären könnten, der Spruch der Davoser Forstkommission sei begründet oder unbegründet.

Hiezu wäre erforderlich, dass man über die diesem Spruche zu Grunde liegenden faktischen Verhältnisse ganz im Reinen sei. Dies ist nun aber nicht der Fall. Es ist z. B. nicht klar festgestellt, ob das gefällte Holz zur Ausfuhr oder zum persönlichen Gebrauche von

256 Obrecht bestimmt sei, welches leztere die Bussung verhindern könnte.

Ebenso fehlt der bestimmte Nachweis, ob alle von der Forstordnung für den Holzhau vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt worden sind oder nicht.

Einerseits sagt man, im Jahre 18G4 sei eine Haubewilligung ertheilt worden, worauf man jedoch anderseits entgegnet, diese Bewilligung sei nur bis Ende 1866 gültig geblieben, während der Hau erst im Jahre 1868, also nachdem die Bewilligung ungültig geworden,, stattgefunden habe.

Der Grosse Rath erklärt in seinem Beschlüsse die Behauptungen für unrichtig, es sei für den betreffenden Hau keine Bewilligung eingeholt und das Holz nicht von der Forstbehörde gezeichnet worden.

Also Nichtübereinstimmung zwischen den Parteien über wesentliche Punkte. Es wäre geradezu eine richterliche Untersuchung erforderlich, bevor man im Falle wäre, als ein leztinstanzlich absprechendes Gericht ein Urtheil zu fällen.

Dies liegt nun aber nicht in der Stellung der Bundesversammlung, Ihre Aufgabe geht lediglich dahin, zu erforschen, ob die ihr vorliegenden Thatumstände eine Yerfassungsverlezung involviren oder nicht.

Diese Frage ist von der Kommission geprüft worden. Und in dieser Beziehung haben wir zunächst zu bemerken, dass die rekurrirende Partei selbst keine dahinzielende Beschwerde erhebt. Im Gegentheil ist es der Grosse Rath von Graubünden, der seinen Entscheid anf den Art. 29 der Bundesverfassung stüzt, um darzuthun, dass die Forstordnung von Davos -- weil die Gewerbs- und Handelsfreiheit beeinträchtigend -- verfassungswidrig sei.

Dieser Gesichtspunkt kann in gewissem Masse stichhaltig sein ; die Kommission theilt jedoch die Anschauungsweise des graubündnerischen Grossen Rathes nicht, indem sie dafür hält, es würde dieselbe dem Art. 29 eine allzu ausgedehnte Auslegung geben.

In jedem Falle ist es jedoch nicht möglich, zu sagen, die Schlussnahme des Grossen Rathes sei der Bundesverfassung zuwiderlaufend.

Was die Terfassung des Kantons Graubünden betrifft, so behauptet die rekurrirende Partei, der Grosse Rath sei ^inkompetent gewesen, sich- mit dieser Angelegenheit zu befassen und darüber abzusprechen, da es sich um eine ausserhalb seiner Befugnisse liegende Strafsache gehandelt habe.

257 Hierauf entgegnet der Grosse Rath : Diese Argumentation könnte richtig sein, wenn er auf das Materielle der Sache eingetreten wäre ; alleiti er habe sich auf einen andern Boden, den konstitutionellen Boden gestellt und sich auf die Erklärung beschränkt, dass, da die .Forstordnung von Davos dem Art. 29 der Bundesverfassung und dem Art. 27 der Kantonsverfassung zuwiderlaufe, der Spruch gegen Obrecht ungesezlich sei und daher aufgehoben werden müsse.

Bekanntlich gewährleistet der erstere dieser Artikel : für Lebensrnittel, Vieh und Kaufmaunswaaren, Landes- und Gewerbserzcugnisse jeder Art -- freien Kauf und Verkauf, freie Ein-, Aus- und Durchfuhr von einem Kanton in den andern. Nun findet der Grosse Rath von Graubünden, die von der Davoser Forstorduung aufgestellte, relativ bedeutende Busse für Fälle von Holzhieben unter gewissen Verhältnissen, der Verkauf und Transport des Holzes ausser den Kanton ohne vorherige Bewilligung, sei eine Verlesung dieser Bestimmung von Art. 29.

Der Art. 27 der kantonalen Verfassung besagt : ,,Jeder Gemeinde steht das Recht der selbständigen Gemeindeverwaltung, mit Einschluss der niedern Polizei, zu. Sie ist befugt, die dahin einschlagenden Ordnungen festzusezcn, welche jedoch den Bundes- und Kantonsgesezen und dem Eigentumsrecht Dritter nicht zuwider sein dürfen.a Der Grosse Rath hält dafür, dass die Forstordnung von Davos durch die Strenge ihrer 8l Straf bestimm ungen den Rechten der Wald;h die eigenthiirner zu nahe trete.

Was das Recht des Grossen Käthes betrifft, einzuschreiten und in Sachen abzusprechen, so schöpft er dasselbe aus dein Art. 5 der Kantonsverfassung, welcher vorschreibt : TjDer Grosse Rath bildet in Verwaltungs- und Landespolizeiangelegenheiten die oberste Behörde und die beratschlagende über die dem Volke zur Genehmigung vorzulegenden Verfassungsbestimmuugen, Gcseze und Staats vertrage. Er führt die Oberaufsicht über Handhabung der Verfassung, sowie über Vollziehung der Geseze und Verordnungen und der von den eidgenössischen Bundesbehörden gefassten Beschlüsse."

Dieses Recht scheint unbestreitbar.

Hier wird zwar eine Einwendung erhoben. Man sagt, die Forstordnung von Davos sei vom Kleinen Rathe genehmigt worden. Diese Genehmigung wurde ertheilt gemäss einer ausdrüklichen Bestimmung des kantonalen Forstgesezes. Indem nun aber dem Kleinen Rathe das Recht eingeräumt wurde, die Gemeindeordnungen zu genehmigen, hat

258

sich der Grosse Rath selbst des Rechtes begeben, sich mit. der Frage der Gültigkeit dieser Ordnungen zu befassen.

Diese Einwendung ist unbegründet und leicht widerlegbar.

Indem der Grosse Rath dem Kleinen Rathe das Recht zur Genehmigung der betreffenden Verordnungen einräumte, konnte er unmöglich sich selbst des Rechtes begeben, auch seinerseits ihre Verfassungsmässigkeit oder Verfassungswidrigkeit zu prüfen. Hätte er selbst dieses Recht preisgeben wollen, so hätte er es nicht gekonnt, indem es sich hier um konstitutionelle Attributionen handelt, welche ihm der Art. 5 der Kantonsverfassung überträgt, und auf die er nicht verzichten kann, ohne selbst > die Verfassung zu verlezen.

Allerdings wird er, so lange in Bezug auf den Gebrauch, den der Kleine Rath von diesem Genehmigungsrechte macht, kein Rekurs an ihn gelangt, kerne Veranlassung zum Einschreiten haben; allein deshalb verwirkt er keineswegs das Recht zu einer diesfälligen Prüfung und Entscheidung, und er ist hiezu selbst verpflichtet, wenn er durch einen regelmässigen Rekurs darum angegangen wird.

Das Gesagte zusammenfassend, -- so war einerseits der Grosse Rath kompetent, über die Verfassungsmässigkeit der Forstordnung und mithin über die Gültigkeit des Spruches gegen Obrecht abzusprechen; und auf der andern Seite lässt sich nicht nachweisen, dass in dieser ganzen Angelegenheit eine Verlezung der Bundesverfassung oder der Kantonsverfassung unterlaufen wäre.

Bei dieser Sachlage und troz der materiellen Gründe, die vom forstlichen Standpunkte aus angerufen werden könnten, welche Gründe die Kommission würdigt und in ihrer ganzen Gewichtigkeit anzuerkennen weiss, -- gelangt sie zu der Ansicht, dass der Entscheid des Grossen Rathes von Graubünden zu respektiren sei.

Damit jedoch kein Missverständniss übet- die wirklichen Absichten der Kommission walte, beantragt sie, die zu fassende Schlussnahme wie folgt zu redigiren: (Der betreffende Antrag wurde von, den Räthen angenommen, siehe Gesezsammlung, Bd. XI, S. 82).

B e r n , den 10. Dezember 1872.

Namens der ständeräthliehen Kommission, der Berichterstatter: Ch. Estoppey.

259

# S T #

Bericht der

ständeräthlichen Kommission betreffend die Ligne d'Italie.

(Vom 17. Dezember 1872.)

Tit. !

Die Kommission, welche Sie mit dem Untersuch und der Begutachtung vorliegender Rekursangel egenheit betraut haben, hat keine Mühe gescheut, sich in das reichhaltige Material der Akten hineinzuarbeiten, anerkennend die grosse Tragweite, welche Ihre Schlussnahme in verschiedener Richtung haben wird. Auf der einen Seite ist nicht zu übersehen, welche wichtigen Konsequenzen damit verbunden sind, wenn die ertheilte Conzession als dahingefallen erklärt wird, da in Folge dessen laut Concessionsakt die Bahn auf gerichtliche Versteigerung gebracht werden muss, und möglicherweise der Konkurs der bestehenden Gesellschaft eintritt. Auf der andern Seite sind die Folgen aber gleichfalls von ganz erheblicher Bedeutung, für den S t a a t , oh er den Bau und Betrieb einer Gesellschaft länger anvertrauen soll, die nicht mehr im Stande ' wäre, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, und für die A k t i o n ä r e selbst, ob ein Zustand länger geduldet werden solle, der mangels der benöthigten finanziellen Mittel für Vollendung der Bauten wie für den Betrieb nur noch eine grössere Entwerthung der Bahn und damit eine noch grössere Entwerthung der Obligationen und Aktien zur Folge haben müsste.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Rekurs der Forstkommission von Davos, betreffend Anwendung einer Forstordnung. (Vom 14. Dezember 1872.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1873

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

07

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.02.1873

Date Data Seite

253-259

Page Pagina Ref. No

10 007 575

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.