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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche zum Zwecke der Erleichterung der Eheschließung der beiderseitigen Staatsangehörigen.

(Vom 14. Juni 1886.)

Tit.

Schon im Jahre 1876 waren mit der deutschen Reichsregierung Unterhandlungen gepflogen worden, welche die Erleichterung der Eheschließung von Schweizern in Deutschland und von Deutschen in der Schweiz zum Gegenstande hatten. Es gelang indessen nicht, in Deutschland den Grundsatz zur Anerkennung zu bringen, daß jede in der Schweiz nach schweizerischem Gesetze gültig abgeschlossene Ehe auch in Deutschland anerkannt werde.

Im Jahre 1877 wurden auf Anregung der Regierung von Glarus jene Unterhandlungen in dem Sinne wieder aufgenommen, daß man Deutschland für die Trauung seiner Angehörigen in der Schweiz das gleiche Verfahren proponirte, welches zwischen Frankreich und der Schweiz vereinbart worden ist. Demzufolge wünschte rnan : 1) ,,daß für Trauungen von Deutschen in der Schweiz seitens der deutschen Gesandtschaft in jedem einzelnen Falle eine analoge Bescheinigung auszustellen sei, wie dieselbe bereits seitens der französischen Gesandtschaft für die Ehen von Franzosen ertheilt wird ;

756 2) ,,daß bezüglich der Ehen von Schweizern in Deutschland die Reichsregierung zu ersuchen sei, den dortigen Standesbeamten eine Erklärung des Inhalts zukommen zu lassen, daß gemäß Art. 25, lemma 3, des schweizerischen Bundesgesetzes über Zivilstand und Ehe vom 24. Dezember 1874 eine Ehe, wenn sie nach der in Deutschland geltenden Gesetzgebung abgeschlossen sei, in der Schweiz als Ehe anerkannt werde."

Von deutscher Seite wurde hiegegen eingewendet, daß die dermalige Lage der Gesetzgebung im Reiche einer solchen Abmachung entgegenstehe, indem beispielsweise in verschiedenen deutschen Staaten noch sog. Trauerlaubnißscheine gesetzlich verlangt werden müssen, deren Wegfall durch die vorgeschlagenen Erklärungen nicht erreicht werden könne. Dagegen erklärte sich die Reichsregierung, wie schon früherhin, zu einem Abkommen bereit, durch welches, nach Analogie der von der deutschen Regierung mit Belgien und mit Italien abgeschlossenen Konventionen, folgendes statuirt würde : 1. ,,Deutsche, welche mit Schweizerinnen in der Schweiz, und Schweizer, welche mit Deutschen in Deutschland eine Ehe abschließen wollen, sollen, wenn sie ihre Staatsangehörigkeit nachgewiesen haben, nicht mehr verpflichtet sein, durch Vorlegung von Attesten ihrer bezüglichen Heimatsbehörden darzuthun, daß sie ihre Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung auf ihre zukünftige Ehefrau und ihre in der Ehe gebornen Kinder übertragen und daß sie demgemäß nach eingegangener Ehe sammt ihrer vorgedachten Familie von ihrem Heimatsstaate auf Erfordern wieder werden übernommen werden.

2. ,,Die beiderseitigen Angehörigen sind jedoch verpflichtet, falls dies in ihrer Heimat oder an dem Orte der Eheschließung vorgesehrieben ist, eine Beseheinigung ihrer zuständigen Landesbehörde darüber vorzulegen, daß der Abschließimg der Ehe nach dem bürgerlichen Rechte ihrer Heimat kein bekanntes Hinderniß entgegenstehe."

Der Bundesrath, welcher die gänzliche Abschaffung der Trauerlaubnißscheine im Auge hatte, glaubte damals auf diesen Vorschlag nicht eintreten zu sollen, während die Reichsregierung in einem einläßlichen Memorial vom 15. November 1879 n n der Hand des von ihr hierüber gesammelten Materials, namentlich der bezüglichen Vernehmlassungen der deutschen Bundesregierungen, nachgewiesen hatte, daß sie mit Rücksicht auf die Landesgesetzgebung der betreffenden Einzelstaaten außer Stande sei, den herwärtigen Wünschen weiter entgegenkommen zu können.

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Nachdem die betreffenden Unterhandlungen in Folge dessen während mehrerer Jahre unterbrochen gewesen waren, wurde seitens des deutschen Auswärtigen Amtes im Sommer 1885 in vertraulicher Weise deren Wiederaufnahme angeregt und für diesen Fall folgende Fassung der von der Reichsregierung abzugebenden Erklärung vorgeschlagen : ,,Die von einem Deutschen in der Schweiz in der den dortigen Gesetzen entsprechenden Form abgeschlossene Ehe ist in derselben Weise gültig und hat dieselben rechtlichen Wirkungen, wie wenn sie innerhalb des deutschen Reiches in der vorgeschriebenen Form abgeschlossen worden wäre."1 Mit Rücksicht auf den geringen praktischen Werth dieser Proposition, welche sich ausdrücklich nur auf die F o r m der Eheschließung bezieht, gelangten wir in Uebereinstimmung mit Herrn Bundesrichter Dr. Hafner, der die Frage in einem bei den Akten liegenden Gutachten einer eingehenden Beleuchtung unterzogen hat, sowie mit Herrn Minister Dr. Roth, welcher die früheren Verhandlungen besorgt hatte, zu dem Gegenvorschlage, auf den im Jahre 1879 deutscherseits proponirten Wortlaut zurückzukommen und denselben als Basis der neuen Verhandlungen zu acceptiren. Die Reichsregierung ging auf dieses Ansinnen ein, und es wurde schließlich von den beiderseitigen Bevollmächtigten am 4. laufenden Monats in Berlin diejenige Vereinbarung unterzeichnet, die wir Ihnen hieinit zur Genehmigung vorlegen.

Wenn wir uns einerseits überzeugen konnten, daß unter den obwaltenden Verhältnissen ein Mehreres nicht zu erreichen sei, so wird andererseits bei näherer Betrachtung zugegeben werden müssen, daß dieses Abkommen gegenüber dem bisherigen Zustande nicht ganz unwesentliche Vortheile bietet. Was die Verehelichung von Deutschen in der Schweiz anbelangt, so eignet sich die Uebereinkunft allerdings nicht zum Gebrauche für die Zivilstandsbeamten; dagegen wird sie den Kantonsregierungen, welchen gleichzeitig die Ergebnisse des erwähnten deutschen Memorials in einem erläuternden Kreisschreiben mitgetheilt werden sollen, bei der Ausübung ihres Dispensationsrechtes eine feste Handhabe bieten und dadurch den Deutschen in der Schweiz die Eheschließung indirekt erleichtern.

Nach dem zitirten Memorial sehreiben nämlich nur sehr wenige deutsehe Staaten die Auswirkung eines Verehelichungszeugnisses vor, und der Mangel desselben hat nur in
Bayern die Ungültigkeit der abgeschlossenen Ehe und auch 'dort nur für so lange zur Folge, als das Verehelichungszeugniß nicht nachträglich ausgewirkt wird.

Auch eine Verbesserung der Lage der in Deutschland sich verheiratheten schweizerischen Staatsangehörigen wird mit der vor-

758 liegenden Uebereiukunft thatsächlich erreicht. Wir erlangen nämlich für dieselben den Vortheil, daß der deutscherseits bis jetzt geforderte Attest betreffend die Uebertragung der Staatsangehörigkeit auf die Ehefrau und die Kinder überhaupt g a n z und die in Art. 2 der Konvention vorgesehene Bescheinigung darüber, daß der Abschließung der Ehe nach dem bürgerlichen Rechte der Heimat kein bekanntes Hinderniß entgegenstehe, in der Regel ebenfalls wegfällt. Um diesen Zweck in möglichst allgemeiner Weise zu erreichen, haben wir überdies zu Händen der betreffenden deutschen Amtsstellen in das Schlußprotokoll die Erklärung aufnehmen lasset), daß die von einem schweizerischen Angehörigen im Auslande in Gemäßheit des dortigen formellen und materiellen Rechts abgeschlossene Ehe in der Schweiz sowohl in öffentlichrechtlicher als in privatrechtlicher Beziehung schlechterdings als gültig anerkannt werde. (Dieselbe Erklärung über die Tragweite von Art. 25, AI. 3, des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1874 hatten wir im Einverständniß des Bundesgerichtes der deutschen Gesandtschaft gegenüber schon bei einem früheren Anlasse abgegeben.) Die Reichsregierung hat sich anheischig gemacht, diese Eröffnung auf geeignetem Wege den deutschen Standesbeamten, sowie denjenigen Behörden, welche die Trauerlaubnißscheine auszustellen haben, notifiziren zu lassen.

Indem wir Ihnen schließlich die Annahme des nachstehenden Bundesbeschlusses empfehlen, benutzen wir diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 14. Juni 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die am 4. Juni 1886 mit dem Deutschen Reiche abgeschlossene Uebereinkunft zum Zwecke der Erleichterung der Eheschließung der beiderseitigen Staatsangehörigen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) der am 4. Juni 1886 in Berlin zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche abgeschlossenen Uebereinkunft; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 14. Juni 1886, beschließt : 1. Die genannte Uebereinkunft wird in Form und Inhalt genehmigt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche zum Zwecke der Erleichterung der Eheschließung der beiderseitigen Staatsangehörigen. (Vom 14. Juni 1886.)

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19.06.1886

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