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Die Bewegung zu neuen Unternehmungen aller Art hat sich auch im Jahre 1872 fortgesetzt, und vergeht kein Tag, an welchem nicht neue Prospekte unter Versprechung fabelhafter Erfolge erscheinen, sowie es auch nicht an Leuten fehlt, welche sich von diesem Köder anziehen lassen. Daraus werden sich für eine mehr oder weniger nahegelegene Zeit sehr ernste Finanzkrisen entwickeln.

Unsere diesjährigen Getreideernten waren schlecht und machten die Einfuhr von mehreren Millionen Quarters Getreide nöthig, was natürlich ein unbedingter Verlust für das Land ist. Einige andere Gegenden sind wenig begünstigt gewesen, aber eine ungeheuer ergiebige Ernte in Californien kam Europa zu Hülfe und sind die Preise, welche nie sehr hoch waren, bereits stark gesunken.

Die Aussichten auf die nächste Ernte in Californien sollen sehr günstig lauten und einen Mehrertrag über die im Jahre 1872 produzirten 700,000 Tonnen versprechen.

# S T #

Bericht des

Schweiz. Konsuls in New York (Hrn. L. P. de Luze von Neuenburg) über das Jahr 1872.

(Vom 28. März 1873.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

T i t. !

Bei der Zollbehörde von New-York werden die Waaren derjenigen Nationalität zugeschrieben, aus deren Seehäfen die damit befrachteten Schiffe ausgelaufen sind, so daß z. B. die mit einem

912 aus französischem Seehafen ausgelaufenen Fahrzeuge importirten Waaren als französische Waaren eingeschrieben werden etc.

Es ist mir daher durchaus unmöglich, Ihnen einen Bericht über die in New-York eingeführten schweizerischen Waaren zu geben.

Handel.

Soviel ich in Erfahrung gebracht habe, lieferte das Jahr 1872 im Allgemeinen für die Einfuhr schweizerischer Waaren in New-York schlechte Ergebnisse, ihrer großen Menge und der unvortheilhaften Preise wegen, zu denen man sie verkaufen mußte. Glücklicherweise haben nur wenige Käufer unserer Waaren fallirt.

Es wird behauptet, daß die Ausfuhr der Waaren von den Vereinigten Staaten nach Europa dem Handel Verlust verursacht habe. Im Jahr 1872 war der Kurs des Goldes gewöhnlich auf 12 bis 13 °/o ; es folgt hieraus, da die Einfuhr von Europa die Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten wie bisher übersteigt, daß ein großer Theil dieser Differenz in Gold bezahlt werden muß und man fürchtet daher, daß der Preis des Goldes sich fortwährend steigern wird. Gegenwärtig bereits, im März 1873, steht das Gold schon um Iß1^ bis 171/2°/o höher im Preise, als Werthpapier.

(Currency.)

Anbei folgt eine Tabelle über die Erzeugung von Edelmetallen während des Jahres 1872.

Californien .

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$ 19,049,098. 24 Nevada ,, 25,548,871. 09 Oregon ,, 1,905,034. 92 Washington ,, 226,051. 06 Idaho ,, 2,514,089. 78 Montana ,, 4,442,134. 90 Utah .

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,, 3,521,020. 09 Asirona ,, 143,777. -- Colorado ,, 3,001,750. 35 Mexico (Westküste) .

,, 535,071. 80 Britisch Columbia .

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,, 1,350,064. 16

$ 62,236,913. 89 Bezüglich der Produktion der Vereinigten Staaten ist ein merkwürdiger Umstand anzuführen, welcher Vielen unbekannt sein dürfte, nämlich daß der Produktionswerth von Heu denjenigen der Baumwolle, welcher gewöhnlich für den höchsten gilt, anerkanntermaßen übertrifft. Eines der interessantesten Erzeugnisse der Vereinigten Staaten liefert die Schweinezucht. Anbei gebe Ihnen daher

913 eine Statistik der in fünf Städten geschlachteten Schweine, deren Fleisch gesalzen und in Fässern verpackt wird, nämlich: Chicago, St. Louis, Cincinnati, Louisville und Milwaukee.

Statistik des Schweinehandels im Westen der Vereinigten Staaten.

Chicago, den 8. Febr. Das ,,Cornet Bulletin"- der HH. Noward, White und Crowell des heutigen Tages veröffentlicht einen Bericht über die Schweiueschlächtereien in 15 verschiedenen Staaten bis heute, nämlich vom 15. Jan. bis .zum 8. Febr. Diese Tabelle enthält den Bericht von 50 Schlachtstellen in Ohio, 52 in Indiana, 59 in Illinois, 22 in Jowa, 15 in Missouri und 14 in Wisconsin und führt alle wichtigern Schlachtpläze in diesen Staaten auf. Die Zahl der an diesen 266 Pläzen während dieser Zeit geschlachteten und verpackten Schweine beträgt 4,675,732. Der Totalbetrag aller an denselben Pläzen im ganzen Jahr geschlachteten Schweine weist 5,223,044 auf, gegen 4,753,9.74 im Vorjahre, was eine Zunahme von 7,23 °/o ausmacht. Die mittlere Zunahme im Gewicht beträgt 5 Pfund. Das mittlere Erträgniß von Speck scheint von dem leztjährigen nur wenig zu differiren, obschon das Gesammterträgniß höher ausfallen wird. Die folgende Tabelle gibt die Anzahl der bis heute an den Hauptpläzen geschlachteten Schweine, im Vergleiche zum vorjährigen Total-Ergebniß.

Chicago .

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1,135,000 1,229,208 Cincinnati .

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590,000 656,841 St. Louis .

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525,000 419,000 Louisville .

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310,000 339,512 Milwaukee .

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240,435 315,000 Die Anzahl der leztesi Jahr an Pläzen, von welchen dieses Jahr noch kein Bericht eingslaufen ist, geschlachteten Schweine betrug 124,189. Nehmen wir für dieselben das nämliche Zunahmeverhältniß wie für die übrigen Pläze an, so erhalten wir noch die Zahl 8960, was zu der obigen addirt 133,159 ausmacht. Wir erhalten daher einen muthmaßlichen Totalbetrag für dieses Jahr von 5,356,202 geschlachteten Schweinen gegen 4,878,166 im lezten Jahre.

v Eine Industrie, welche in den Vereinigten Staaten sich bedeutend vermindert hat, ist der Bau von Segelschiffen, weßhalb auf vielen Werften nicht mehr gearbeitet wird. Die Ursachen liegen einestheils in der Vertheuerung des Baumaterials durch die Zölle, anderentheils ist in Betrach; zu ziehen, daß heutzutage der größte Theil des Seehandels durch Dampfschiffe besorgt wird, von denen

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eines durchschnittlich die Arbeit von 3 oder 4 Segelschiffen übernimmt, ausgenommen für weite Seereisen z. B. nach Ostindien oder China, für welche die Damfbootfrachten bis jezt noch bedeutend thcurer sind als die Segelschifffrachten.

Im Beginn des Bürgerkrieges der Vereinigten Staaten haben viele amerikanische Rheder, aus Besorgniß ihre Fahrzeuge möchten duch südliche Piraten genommen werden, eine Bienge derselben sei es durch reellen oder durch simulirten Kauf an englische Häuser übertragen. Diese Schiffe fahren noch heute unter englischer Flagge, weil der Congreß der Vereinigten Staaten sich geweigert hat, ihnen die amerikanische Flagge zurückzugeben.

New-York.

auf

Wir hatten einen höchst unangenehmen Winter von 1872 1873.

Im Beginn des Winters hatten wir eine Pferdekrankheit, eine Art von Epizootie, welche eine große Zahl derselben arbeitsunfähigmachte, so daß besonders die Befrachtung und Entflechtung der Schiffe behindert wurde. Auch den Geschäftsleuten wurde manche Verlegenheit dadurch bereitet, daß ihnen oft die Gelegenheit fehlte, sich aus der obern Stadt nach ihren Bureaux und Geschäftslokalen: zu begeben.

Hierauf hatten wir seit dem 26. Dezember 1872 einen sehr strengen Winter mit viel Schnee und Eis in den Straßen, was den Verkehr häußg sehr beschwerlich machte.

Ueberdies gab es im Verlaufe des Winters viele Feuersbrünste in New-York; mehrere Gasthöfe und Theater, ebenso auch einige Fabrikhäuser sind verbrannt, glücklicherweise ohne beträchtlichen Verlust an Menschenleben.

Industrieausstellung in Wien.

Man beschäftigt sich in den Vereinigten Staaten viel mit dieser Ausstellung. Bereifs sind 2 Kriegsschiffe mit verschiedenen Waaren und andern für die Ausstellung bestimmten Gegenständen nach Triest abgereist, und wenn ich recht unterrichtet bin, so hat die Regierung der Vereinigten Staaten eine Summe von $ 200,000 ihren.

Agenten in Wien zur Verfügung gestellt.

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Einwanderung nach den Yereinigten Staaten.

Man gibt die Zahl der Schweiz. Einwanderer auf 4900 Personen an, ich glaube indessen aus den schon früher erwähnten Gründen, daß es richtiger wäre, sie auf 7 bis 8000 Personen zu schäzen.

Gesunde und mit einigen pekuniären Mitteln versehene Leute, besonders aus der Klasse der Land- und Handarbeiter, darf ich fortwährend mit gutem Gewissen zur Einwanderung nach den Vereinigten Staaten, diesem weiten Lande, das so vieler industrieller und landbauender Arbeitskraft bedarf, ermuthigen. Dagegen rathe ich jungen Handelsleuten oder Lehrern nicht hieherzukommen, ohne bereits in Europa sich ihrer Stellung versichert zu haben. Oft genug gerathen sie hier in's Elend, nachdem sie ihre kleinen Geldmittel aufgebraucht haben, da sie schwere Handarbeit nicht gewöhnt sind und die Zehrungskosten in den Vereinigten Staaten eine bedeutende Höhe erreicht haben.

Ich verweise auf eine Tabelle über den Stand der Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Die hier aufgeführte Zahl von 75,000 Schweizern scheint mir irrthümlich. Ohne Zweifel ist ihre Zahl bedeutend stärker.

Démoralisation.

Man muß gestehen, daß seit dem Ende des Bürgerkrieges die Verbrechen aller Art stets zugenommen haben, und zwar sowohl Diebstähle, Betrügereien, Unterschlagungen aller Art, als auch Morde und Brandstiftungen. Häufig genug bleiben die Verbrecher straflos, Dank der Geschicklichkeit, mit welcher sie von ihren Advocaten vertheidigt werden.

Die schlechte Gewohnheit, Pistolen und Dolche mit sich zu tragen, welche viele Leute angenommen haben, hat auch viel dazu beigetragen, die Verbrechen zu vermehren.

Samaua-Bay-Handel.

Schon seit langer Zeit wünschte die Regierung der Vereinigten Staaten in den Antillen einen Hafen zu besizen für Kriegsschiffe und als allgemeiner Schutzhafen für die amerikanische Marine.

Man hatte mit Dänemark um den Ankauf der Insel St. Thomas unterhandelt, allein ohne daß ein Abschluß erfolgte. Hierauf unter-

916 handelte Präsident Grant mit General Baez, Präsident der Republik · von St. Domingo, für die im früher spanischen Theile der Insel St. Domingo gelegene Bay von Samana. Es wurde ein Vertrag abgeschlossen, welchem indessen der Kongreß der Vereinigten Staaten seine Genehmigung versagte.

Hierauf gründeten dieses Jahr in New-York reiche Handelsleute eine Aktien-Gesellschaft mit einem Kapital von 20 Millionen Dollars, welche vom Präsident Baez eine Konzession erhielt zur miethreichen Benuzung der Samana-Bay während 99 Jahren um den jährlichen Preis von 150,000 Dollars zahlbar in Gold.

Man beabsichtigt Ansiedler dahin zu ziehen, welchen man Ländereien verkaufen oder verleihen" wird, um auf diese Weise eine amerikanische Colonie zu gründen. Dieser Golf hat ungefähr 30 Meilen Länge bei 10 Meilen Breite und einen prächtigen Hafen, welcher im Stande ist, die Flotten der ganzen Welt aufzunehmen.

Das den Golf umgebende Land soll von großer Schönheit, fruchtbar und gesund sein.

Bis jetzt besitzt die Gesellschaft nur ein einziges Dampfboot, welches New-York mit Samana verbindet, aber ohne Zweifel werden in kurzer Zeit noch mehrere fahren. Die Reise von New-York nach Samana nimmt ungefähr 8 Tage in Anspruch.

Man will daselbst eine Stadt bauen, welche wahrscheinlich Santa Barbara heißen wird, und man hat bereits angefangen, Baumaterial dahin zu senden, um einen Gasthof und Häuser zu bauen.

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Bericht des Schweiz. Konsuls in New York (Hrn. L. P. de Luze von Neuenburg) über das Jahr 1872. (Vom 28. März 1873.)

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