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Bericht der

nationalräthlichen Kommission, betreffend die Rechnung über die Internirung der französischen Ostarmee.

(Vom 11. Dezember 1872).

Tit. !

Die Internirung der Ostarmee war unbestreitbar ein bedeutungsvolles Ereigniss. Sie wird in unsern Annalen verzeichnet bleiben als ein schönes Blatt unserer Geschichte.

Was diesem Ereignisse einen für die Schweiz ganz besonders ehrenvollen Charakter verlieh, das ist einerseits die im Verhältnisse zur Bevölkerung des asylgebenden Landes enorme Zahl der internirten Truppen, und anderseits die Leichtigkeit, mit welcher diese ganze Armee, Mannschaft und Pferde, untergebracht, verproviantirt, und aus ihrem Elende wieder aufgerichtet wurde; es ist im.

Weitern die plözliche, unerwartete Ankunft dieser kompakten Massen, wie sie auf das Gebiet der Eidgenossenschaft über einige wenige Punkte unserer Grenzen, in der bei einer in voller Flucht begriffenen Armee unvermeidlichen Unordnung vordrangen.

Diesen Tausenden durch Kälte, Strapazen und Entbehrungen erschöpften Männern Pflege und namentlich die erste Pflege angedeihen zu lassen ; Ordnung zu schaffen bei entmuthigten Soldaten, die unzufrieden waren mit ihren Offizieren, welche sie meistens im.

Stiche Jiesen, uneingedenk einer ihrer ersten Pflichten; sie dem Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd.I.

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Leben und der Hoffnung zurükzugeben, -- das war wahrlich eine harte und schwere Aufgabe.

"o" Die Geschichte wird darthun, wie diese Aufgabe gelöst worden ist; sie wird sagen, welcher Antheil dabei Jedem zukömmt: den eidgenössischen Behörden, der schweizerischen Armee und ihrem General, dem Kommissariat, den kantonalen Behörden, den Gemeindeverwaltungen und der Bevölkerung im Allgemeinen.

Die Schweiz hat dieses Urtheil nicht zu scheuen. Die Akten enthalten über diese ganze Angelegenheit werth volle Aufschlüsse.

Dieselben könnten aber noch vollständiger sein -- und sie werden es auch hoffentlich noch werden -- wenn die kantonalen Regierungen sich herbeilassen, den an das eidgenössische Kommissariat gerichteten Berichten ausführlichere Einzelnheiten beizufügen über die interessanten Vorkommnisse, zu denen der Aufenthalt der Internirten in ihren betreffedeu Kantonen Veranlassung gegeben hat.

Wir haben uns mit den politischen und militärischen Verhältnissen, welche dem Erscheinen der Ostarmee in der Schweiz vorausgingen, nicht 7.u beschäftigen. Ebenso wenig haben wir die Unterhandlungen zu prüfen, welche zu dem Zweke stattfanden, dem Bunde die zur Bestreitung aller diesfälligen Ausgaben erforderlichen Geldmittel zu verschaffen. Wenn wir diese Ausgaben erwähnen, so geschieht es nur mit wenigen Worten und zwar lediglich in Betreff der Summe, welche als Verlust auf dem Anleihen in Rechnung gebracht worden ist.

Die eidgenössischen Räthe sind bereits mit diesen Fragen angegangen worden, zunächst durch die Botschaft des Bundesraths vom 21. Juni 1871 über Wahrung der Neutralität während des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland, und sodann durch den Bericht betreffend die Rechnungen über die Truppenaufstcllungen von 1870/71.

Wir werden also unsere Aufmerksamkeit wesentlich der Internirungsrechnung zuwenden, welche den Gegenstand der bundesräthlichen Botschaft vom 27. November 1872 ausmacht.

Unsere Aufgabe ist leicht, selbst angenehm. Wir hatten, um uns derselben zu entledigen, nicht nöthig, die 150 Fascikel, welche in den Gewölben des Bundesrathhauses niedergelegt sind, zu durchgehen, und wir hoffen, Sie werden uns dessen entheben. Indessen schien es uns doch dienlich, einige dieser Aktenbände zu konsultiren.

Soda.nn lagen der Kommission auch vor: die laufende Rechnung über die Internirung, die Sammlung der verschiedenen Instruktions-

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cirkulare des Militärdepartements und der Bericht des eidgenössischen Kommissariats. Beiläufig gesagt, fanden wir diesen Bericht befriedigend in Bezug auf die von den Bundesbehörden und dem Kommissariat getroffenen Massnahmen; dagegen lässt er, wie bereits bemerkt, Einiges zu wünschen übrig in Bezug auf die von den Kantonsregierungen gelieferten Aufschlüsse.

Im Weitem glaubte die Kommission, einige Erklärungen einholen zu sollen beim Sekretär des Finanzdepartements, sowie, beim Oberkriegskommissär.

Sofort nach Abschlags der Uebereinkunft zwischen dem General Herzog und dem General Clinchant begann die Ostarmee ihren Einzug in die Schweiz über verschiedene Punkte : zunächst über O Verrières, wo sie erwartet war und wo sie durch ein Détachement der eidgenösschen Armée empfangen wurde : sodann auf der Strasse, welche von Pontarlier nach St. Croix führt, wo die Ortsbehörden von sich aus die erforderlichen Massnahmen für die Aufnahme und Alimentirung der französischen Soldaten getroffen hatten ; endlich durch das Thal des Joux-Sees, wo sie unvermuthet vordrang durch die -- damals mit einer ungefähr ein Meter hohen Schneeschichte bedekten -- Wege des Risoux-Waldes.

In Voraussicht dieser Eventualitäten hatte das Militärdepartement bereits am 26. Januar eine Vertheilung der Mannschaft in verschiedene Kasernen vorgenommen. Diese Reparti)ion wurde abgeändert und ergänzt durch diejenige, welche am 1. Februar ausgearbeitet wurde und derzufolge die damals erwarteten 84,900 Internirten in 21 [/z Kantonen vertheilt werden sollten, im Verhältniss zur jeweiligen Bevölkerung und mit Berüksichtigung der von jedem Kanton bereits gebrachten Opfer. Am gleichen Tage, richtete das Militärdepartement an den Oberkommandanten und die Militärbehörden der Kantone ein Instruktionscirkular, betreffend die Internirun der Offiziere, die Unterhaltung, Logirun und Besoldung derselben, die Ueberwachung, Besoldung und Verpflegung der Soldaten.

Dieser Instruktion zufolge sollten die internirte Truppen unter das Militärkommando und die Verwaltung der Kantone; gestellt werden.

Es wäre überflüssig, die zahlreichen Weisungen anzudeuten, welche in der Folge vom Militärdepartement und dem Kommissariat successive erlassen wurden. Diese verschiedenen Massnahmen sind übrigens in dem Speziai bericht des Oberkriegskommissärs augegeben.

208 Es war ganz natürlichunddgewissermassenvunerlässlich,, angesichts eines soausserordentlichenn Ereignisses,dass dennkantonalenn Verwaltungen überbunden wurde, für die Befriedigung der Bedürfhisse der Internirten au sorgen, mit dem Vorbehalte, ihnen die diesfälligen Hülfsmittel durch Vorschüsse aus der Bundeskasse, zu erleichtern und ihnen nachher ihre Auslagen nach Bereinigung der Rechnungen zu vergüten. Dies veranlasste die Ausscheidung der uns vorgelegten Rechnung m zwei Theile, nämlich: die von der eidgenössischen Verwaltung, direkt gemachten Ausgaben, und die Rechnungen der kantonalen Verwaltungen.

· '; Man durfte erwarten, dass in den Kantonen sich manche Schwankungen und eine grosse Verschiedenheit im Verfahren zeigen würden. Es war diess unausweichlich. Wirklich mussten die ersten Rechnungen einer Revision unterworfen und den Betreffenden zur Herstellung in. gleichmässigerer Form zurükgeschikt werden; Diess veranlasste das Kommissariat, neue Instruktionen vorzuschreiben, und unter Anderm den Preis, der Logirung der französischen Soldaten zu bestimmen, welcher festgesezt wurde auf 10 Centimes per Mann und per Tag und auf 20 Centimes für die Logirungen in Privathäusern.

Es ist klar, dass keine Rede von einem Reglement sein konnte, bezwekend, das unter solchen Verhältnissen einzuhaltende Verfahren genau zu bestimmen, alle Fälle vorzusehen und allen .Bedürfnissen abzuhelfen. Man befand sich allzu sehr im Gebiete des Unvorhergesehenen. Uebrigens durfte man sich, wie die Erfahrung hinlänglich bewiesen hat, auf den guten Willen und die Einsicht der Kantonsbehörden, denen die Bevölkerung so gut zur Seite stand, verlassen.

Wenn aber einerseits die Summe der Ausgaben namhaft vermindert wurde, dank der uneigennützigen Mitwirkung einergrosseno Anzahl Personen beiderlei Geschlechts, besonders im Sanitätsdienste, so mussten die Kantone anderseits mehrere zuinteressirte,, von einigen Privaten gestellte Forderungenzurükweisen.. Trozdem war das Kommissariat noch i m Falle, mehrere kantonale Rechnungen.

gar ganz zu streichen. Diese Reduktionen, die sich auf ungefähr 300,000 Franken beliefen, veranlassten einige Reklamationen, von denen jedoch nur wenige bis vor das Militärdepartement gelangten.

Abschliesslich, sind die Rechnungen der kantonalen Verwaltungen, wenn nicht zur vollen Befriedigung aller Interessirten was wir nicht erfahren konnten, so doch wenigstens ohne Provocirung irgend einer weitern Klage, bereinigt worden.

209 Die Kommission, hegt die Ueberzeugung, dass das Endergebniss ein der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit entsprechendes ist.

Aus der, der Botschaft beigefügten Uebersicht ersehen wir, dass die Rechnungen der Kantone sich auf die Summe von Fr.

9,264,297. 48 Cts. belaufen.

Die auf die zwei Rubriken ,,Besoldung und. ,,Verpflegung getragenen Summen umfassen unterschiedlos die Internirte und die Ueberwachungstruppen Es wäre jedoch besser gewesen, in der Uebersicht eine diesfällige Unterscheidung zu machen. Indess ist diesem Wunsche einigermassen Genüge geleistet durch eine allgemeine Angabe in der Botschaft, wornach die Gesammtsumme der Rechnung über die Internirungskoste in folgende Posten zerfallt: a. Internirt Mannschaft , . . Fr. 9,765,603. 19 b. Bewachungstruppen . . . ,, .1,615,159. 16 c. Pferde . . . . . . . . ,, 773,634. 5 5 Total

Fr. 12,154,396. 90

Wir finden in der Botschaft noch weitere interessante Einzelnheiten, deren Berührung hier überflüssig wäre. Wir beschränken uns auf die Erwähnung der nachfolgenden : Die höchste Ziffer der Internirten betrug 90,314 Mann, mit Inbegriff der Offiziere; diejenige der Bewachungstruppen 16,861 Mann.

Die Zahl der Pferde belief sich auf 11,787.

Die Verpflegungstage der Internirten bilden ein Totale von 4,090,525, was Fr. 2. 38 7/10 per Tag ausmacht.

Die Internirungskosten kommen im Ganzen auf Fr. 2. 97 per Mann und per Tag zu stehen.

In weiterer Prüfung der Rechnungen der Kantone bemerken wir: 1) dass die Summe in der Rubrik ,,Eigenthumsentschädigungen" uns hoch vorgekommen wäre, wenn wir nicht gewusst hätten, dass in ihr auch der Schaden enthalten ist, welcher aus der Explosion des Zeughauses von Morges und aus dem Brande der Kirche von Kirchdorf entsprang; 2) dass der ziemlich grosse Unterschied, der zwischen den Kantonen in Bezug auf ihre verschiedenen Ausgaben besteht, sich dadurch erklärt, dass gewisse Kantone beträchtliche Kosten zu tragen hatten, herrührend vom Durchpasse der Truppen, von den häufigen Mutationen der leztern, von verschiedenen Bauten und Barakenerstellungen.

210 Zur Summe von Fr. 9,264,297. 48 (Total der kantonalen Rechnungen) kommen weitere Beträge, die in die Generalrechnung unter verschiedenen Benennungen aufgenommen sind, als : ; allgemeine Verwaltungskosten, Spezialrechnungen, Transportkosten, Zinsen.

Die Kommission hat keine Bemerkung über diese verschiedenen Rechnungen zu machen, deren Bezahlung direkte durch die eidgenössische Verwaltung bewerkstelligt worden ist.

Die Zinsenrechnung umfassft die 4½ prozentigen Zinsen der von der Schweiz bis zur definitiven Zahlung von Seite Frankreichs geleisteten Vorschüsse, und die 3°/o Verlust auf dem Anleihen. Die laufende Rechnung der Internirung gibt uns hierüber die erforderliche Erklärung und Rechtfertigung. *) Die erste Zahlung -- von einer Million -- leistete Frankreich am 15. Juli. Der Saldo, von ihm revidirt, wurde im Juli und August bezahlt und die lezte Zahlung am 12. August 1872 bewerkstelligt.

Die Abgeordneten der französischen Regierung haben die ganze Comptabilität geprüft, deren eigentlicher Ausgangspunkt in der Uebereinkunft liegt, welche zwischen dem General Herzog und dem General Clinchant abgeschlossen worden ist, und besonders im Art. 2 dieser Uebereinkunft, welcher wie folgt lautet: ,,Art. 2. Diese Waffen, Ausrüstungen und Munitionen sind nach geschlossenem Frieden und nach definitiver Bereinigung der durch den Aufenthalt der französischen Truppen der Schweiz verursachten Auslagen an Frankreich zurükzugeben."

ö O Die französischen Abgeordneten haben diese Rechnungen kontradiktorisch mit dem Kommissariat diskutirt; dieselben erhoben einige Einwendungen in Bezug auf den durch die Explosion des Zeughauses von Morses und durch den Brand der Kirche von KirchO O dorf verursachten Schaden, sowie über die Kosten einer Artilleriebatterie, deren Pferde zum Transporte des französischen Kriegsmaterials verwendet wurden. In Folge der ihnen ertheilten Auf*) Der Verlust auf dem Anleihen wurde von einem Kapital von 12 Millionen berechnet. Streng genommen, hätte man die 15 Millionen des Anleihens einrechnen können. Die Kommission glaubt aber, dass es besser war, inner den vom Bundesrath festgesezten Grenzen zu bleiben.

211 klärungen haben sich die Abgeordneten für befriedigt erklärt und die Rechnungen einzeln wie insgesammt genehmigt.

Auch hat Frankreich den Betrag der Internirungskosten, der sich auf die Summe von Fr. 12,154,396. 90 beläuft, vollständig vergütet und damit, wie die bundesräthliche Botschaft bemerkt, die Richtigkeit der Rechnung anerkannt.

Demzufolge hat die Kommission die Ehre, zu beantragen, es sei die Rechnung der Internirungskosten, sowie die laufende Rechnung der geleisteten Vorschüsse und der von Frankreich bewerkstelligten Rükzahlungen zu genehmigen.

B e r n , den 11. Dezember

1872.

Namens der Kommission, der Berichterstatter: François Joly.

Note. Obiger Antrag wurde zum Beschlüsse erhoben: Nationalrath 11.

Ständerath 19. Dezember 1872.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission, betreffend die Rechnung über die Internirung der französischen Ostarmee. (Vom 11. Dezember 1872).

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08.02.1873

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