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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eine der Schweiz. Zentralbahngesellschaft zu ertheilende Konzession für eine Eisenbahn von Solothurn nach Schönbühl.

(Vom 20. September 1873.)

Tit. !

In Fortsezung der Wasserfallenbahn (Liestal-Reigoldswyl-Mümliswyl-Oensingen), welche der Schweiz. Zentralbahn theils bereits konzedirt ist, theils nach unserer Botschaft vom 24. Juli d. J. noch konzedirt werden soll, und welche im Anschluß an die (durch Bundesbeschluß vom 25. Juli d. J. an die gleiche Gesellschaft als Hauptantheilhaberin übertragene) Gäubahn die kürzeste Linie von Basel nach Solothurn vermittelt, soll die Linie Solothurn-Schönbühl, um deren Konzession sich die Zentralbahngesellschaft gegenwärtig bewirbt, die kürzeste Verbindung zwischen Solothurn und Bern, resp. zwischen Basel und Bern herstellen.

Südlich von Solothurn an die bestehende Zentralbahnlinie Herzogenbuchsee-Solothurn-Biel anschließend, zieht sich die Bahn laut dem vorläufig angenommenen Trace zunächst pararell mit der Landstraße nach Biberist, und von da, beständig auf dem linken Ufer der Emme, über Kräyligen, den Limpach nnd damit die solothurnisch-

812 bernische Grenze überschreitend, nach Bätterkinden, sodann über Buren zum Hof, Grafenried und Jegenstorf nach Schönbühl, wo sie in der Nähe der Station in die Zentralbahnlinie Olten-Bern einmündet.

Die ganze Linie ist 25 Kilometer lang, von Mitte Bahnhof Solothurn bis Mitte Bahnhof Schönbühl gemessen; etwas weniger als 8 Kilometer liegen auf Solothurnergebiet. Es sind vorläufig; 5 Zwischenstationen in Aussicht genommen, nämlich bei Biberist,, in der Gegend des ,,Neuhäuslein eine für den Bucheggberg, bei Bätterkinden, Büren zum Hof und Jegenstorf.

Die Bahn soll einstweilen nur einspurig ausgeführt, beim Landerwerb jedoch auf einen zweispurigen Unterbau Rüksicht genommen werden.

Die Summe der Steigungen und Gefalle beträgt 153,26 Meter,, die Maximalsteigung 10 °/oo ; als Minimalradius sind 360 Meter angenommen.

Die Kosten! der Bahn mit einspurigem Unterbau und zweispurigem Landerwerb werden für die Baulänge von 24 Kilometern, auf 4 '/2 Millionen Franken oder Fr. 187,000 per Kilometer veranschlagt.

Mit Bezug auf die Dauer soll nach dem eigenen Wunsche der Petentin diese Konzession in Uebereinstimmung gebracht werden mit den ihr früher ertheilten Konzessionen. Weil leztere die Dauer von dem Tage der Betriebseröffnung an beginnen lassen,, die einzelnen Streken aber unter verschiedenen Daten dem Betriebe übergeben wurden (so Aarburg-Herzogenbuchsee am 16. März,, Herzogenbuchsee-Biel am 1. Juni, Herzogenbuchsee-Wylerfeld am 1-6. Juni 1857, Läufelfingen-Olten am 1. Mai, Wylerfeld-Bern am 15. November 18.58), so empfiehlt sich die Annahme eines festen Datums, und zwar des 1. Mai 1858, welchen Tag alle Beschlüsse über Bundesgenehmigung der verschiedenen, der Zentralbahn ertheilten Konzessionen zum Ausgangspunkt für die Berechnung der Rükkaufstermine machen.

Im Uebrigen bietet die vorliegende Konzession an und für sich .keine abnormen Verhältnisse dar.

Wohl aber entsteht eine Komplikation durch die Protestation, "welche der Regierungsrath des Kantons Bern gegen die Ertheilung der Konzession hebt, und durch die Erklärung, welche er eventuell und unter Vorbehalt der Genehmigung durch die obern Behörden (den Großen Rath und das Volk) abgibt : in Anwendung des Art. 4, Absaz 2 des Eisenbahngesezes für den Bau und Betrieb des auf

813 Bernergebiet liegenden Theiles der fraglichen Eisenbahn selber sorgen zu wollen.

Dieses Vorgehen der Bernerregierung stüzt sich auf folgende Verhältnisse und Gründe: Die Emmenthalbahngesellschaft hatte am 2. Juni und 14. September 1871 von den Kantonen Bern und Solothurn Konzessionen erhalten für eine Bahn von Derendingen eventuell Solothurn über Gerlafingen, Wyler, Utzenstorf, Aefligen, Alchenflüh nach Burgdorf.

Als nun die Zentralbahngesellschaft am 3. Juni v. J. bei den Bernerbehörden um Konzedirung der Linie Solothurn-Schönbühl einkam, suchte die Emmenthalbahngesellschaft, die ihr von daher drohendeGefahr erkennend, ihrerseits am 22. gl. Mts. um die Konzession für eine Linie von Utzenstorf-Bätterldnden über Aefligen, Fraubrunnen und Jegenstorf nach Schönbühl und zugleich von Burgdorf nach Langnau nach. Der Große Rath des Kantons Bern ertheilte am 19. Dezember 1872 der letztern Gesellschaft die verlangte Konzession, während er das Begehren der erstem nicht in Berüksichtigung zog. (Eisenbahnaktensammlung VIII, 244. Bundesgenehmigung vom 14. März 1873, ebendaselbst S. 254).

Die Regierung von Bern glaubt nun, die Emmenthalbahngesellschaft habe das ausschließliche Recht erlangt, zwischen Solothurn und Schönbühl eine Eisenbahn zu erstellen, denn zwei Konzessionen fuï wesentlich das gleiche Trace können nicht verliehen werden.

N e b e n der Emmenthalbahn entspreche das Projekt der Zentralbahn keinem reellen Bedürfniß; das Expropriationsrecht könnte ihr für eine solche Privatspekulation nicht eingeräumt werden. Die Folge eines doppelten Baues wäre, daß keine der beiden Linien lebensfähig würde. Wahrscheinlicher aber sei im Fall der Doppelkonzession, daß die Emmenthalbahn die Linie Utzenstorf-Schünbühl gar nicht erstellen würde ; und damit würde auch die Eisenbahn Burgdorf-Langnau und Burgdorf-Solothurn im höchsten Grade gefährdet.

Die Emmenthalbahn verdiene den Vorzug auch deßhalb, weil ihr Trace das günstigere sei. Nach Art. 4, Absaz l des Eisenbalmgesezes sei die Bundesversammlung unzweifelhaft befugt, die Ertheilung einer Konzession zu verweigern.

Vergleichsverhandlungen, zu welchen wir auf den Wunsch der Regierung von Bern die Hand boten, führten früher zu keinem Resultate.

Erst in den lezten Tagen ist uns auf mündlichem Wege Seitens kompetenter Vertreter der Direktion der Zentralbahn
und der Emmenthalbahngesellschaft die Zusicherung gegeben worden, daß zwischen diesen beiden Gesellschaften eine Verständigung stattgefunden habe, welcher zufolge die Emmenthalbahngesellschaft gegen die Ertheilung der Konzession an die Zentralbahn keine Ein-

814 wendung mehr erhebe. Die Regierung des Kantons Bern indessen hat sich nicht veranlaßt gefunden, ihre Protestation und ihre eveno i tuelle Erklärung betreffend Selbstbau zurükzuziehen ; deßhalb muß auf diese Begehren Rüksicht genommen werden.

Die Einsprache des Kantons Bern kann unsers Eracbtens nicht zur Abweisung des Konzessionsgesuches der schweizerischen Zentralbahn fuhren.

Schon während der Geltung des alten Eisenbahngesezes hat der Bund ausdrüklich den von den Kantonen gewährten Ausschlußrechten die Genehmigung verweigert; einer ohne ein solches Ausschlußrecht ertheilten Konzession (der Emmenthalbahn) die Wirkung eines Privilegiums zu geben, geht offenbar an sich und Angesichts des Art. 6 des neuen Eisenbahngesezes nicht an.

In verschiedenen Botschaften, betreffend bei Ihnen pendente Konzessionsgesuche (so in denjenigen vom 10. Juli, betreffend Niederglatt-Otelfingen, vom 24. Juli, betreffend die Brünigbahn, vom gleichen Tage, betreffend Winterthur-Zofingen), haben wir die Ansicht begründet, daß der mehrfachen Konzedirung ein und derselben Linie nichts entgegenstehe, und daß die Verhütung des hierin liegenden Uebelstandes nicht den Bundesbehörden zugemuthet werden könne, sondern von der Macht der realen Verhältnisse und Interessen zu erwarten sei. Wenn auch der von uns in der ersten der angeführten Botschaften beiläufig aufgestellte positive Saz : Konzessionen können überhaupt nur verweigert werden, wofern sie den militärischen Interessen der Eidgenossenschaft widersprechen, allerdings mit Rüksicht auf Art. 4, Absaz l des Gesezes, gewisser Einschränkungen fähig und bedürftig ist, so muß doch wohl der negative Saz festgehalten werden, daß aus Konkurrenzrüksichten eine Konzession nicht versagt werden soll, mag auch ein Kanton um die bedrohte Unternehmung sich annehmen. Eine gegentheilige Doktrin und Praxis würde das Bundes-Rathhaus zur Arena widerlicher Interessenkämpfe machen.

In ganz gleichem Sinne sprach sich der Bundesrath aus in seiner Botschaft vom 2. Februar v. J., als die Bundesgenehmigung sowohl für die am 14. September 1871 ertheilte Konzession einer Eisenbahn Derendingen-Gerlafmgen-solothurnische Grenze bei Wyler (nach Burgdorf) als für die am 31. Dezember 1858 verliehene Konzession einer Eisenbahn von Derendingen bis Gerlafingen und von Derendingen nördlich an die Aare
nachgesucht, und von der Regierung des Kantons Solothurn gegen die Genehmigung der leztern Einsprache erhoben wurde. Indem wir den Konflikt durch Genehmigung beider Konzessionen zu lösen beantragten, sagten wir (Bimdesblatt 1872. I. 243):

815 ·,,Wir sind somit der Ansicht, daß aus Gründen des Rechts beiden Konzessionen gleichmäßig die Bundesgenehmigung zu ertheilen sei. Wir sind aber gleichzeitig überzeugt, daß dadurch auch die praktisch richtige Lösung der Streitfrage angebahnt wird. Es kann vernünftigerweise nicht wohl die Rede davon sein, daß für diese relativ verkehrsarme Gegend gleichzeitig zwei Parallelbahnen gebaut werden. Eine Verständigung der beiderseitigen Interessenten ist also sehr angezeigt und fast unumgänglich nothwendis;. Dieser Verständigung stund aber bisher nur der Umstand im Wege, daß Jeder der beiden Interessenten die Hoffnung hatte, daß er von der Bundesversammlung als der allein Berechtigte anerkannt werde und ·deßhalb der andere Theil genöthigt sein werde, mit ihm zu kapituliren, Sezt dagegen die Bundesversammlung beide Interessen als gleichberechtigt neben einander, so wird sich die Verständigung ·wohl von selbst machen, da im Grunde die Interessen an einer solchen beiderseits in gleich hohem Maße vorhanden sind."

Durch Beschluß vom 27. Februar v. J. traten Sie, Tit., unserm Antrag und wohl auch unseren Ansichten bei.

Im Spezialfall wollen wir nur noch gegenüber der Behauptung der bernischen Regierung (in ihrer gedrukten Eingabe vom 3. d.), daß für die fragliche Konzession nur die Interessen der ZentralbahnGesellschaft und einige untergeordnete Lokalinteressen sprechen, auf die zahlreichen Petitionen aufmerksam machen, welche zur Unterstüzung des Begehrens der genannten Gesellschaft aus den betheiligten Gegenden eingelaufen sind. Allerdings liegen auch solche g e g e n dasselbe vor.

Der Kanton Bern muß also auf das den Kantonen in solchen Fällen durch Absaz 2 des Art. 4 des Eisenbahngesezes vorbehaltene Recht angewiesen werden, den Bau und Betrieb des auf seinem Gebiet befindlichen Stükes der projektirten Bahn selbst zu übernehmen.

Die Zentralbahn bestreitet freilich dieses Recht, gestüzt auf Art. 39 der Uebereinkunft mit dem Kanton Bern, d. d. 24. November 1852, wodurch ihr ,,im Fall der Konzessionsertheilung für Verlängerungen oder für Zweigbahnen jeweilen zu gleichen Bedingungen der Vorrang vor andern Bewerbern" zugesichert wurde, und wodurch ferner der Kanton Bern sich verpflichtete, gewisse Bahnen weder zu konzediren noch selbst zu bauen.

Auf die Eventualität des Uebergangs der vorliegenden
Konzession auf den Kanton Bern ist indessen zur Zeit nur mit einem ganz allgemeinen Vorbehalt Rüksicht zu nehmen. Denn bevor ein Kanton die durch Art. 4 des Gesezes vorgesehene Erklärung abgeben kann, muß die Konzession festgestellt und ertheilt sein. Zur Rechtsgültigkeit jener Erklärung ist dann weiter die Ermächtigung

816 des Großen Rathes und des Volkes des Kantons Bern erforderlich, welche gegenwärtig noch nicht vorliegt. Möglicherweise kommt auch noch ein Vergleich zwischen der Zentral- und Enirnenthalbahngesellschaft zu Stande, wodurch von vornherein eine Anwendung des mehrerwähnten Art. 4 ausgeschlossen würde.

Wir denken uns das weitere Verfahren so, daß wir nach Ertheilung der Konzession an die Zentralbahn der Regierung des Kantons Bern eine angemessene Frist ansezen werden, um die mit, der nöthigen Autorisation versehene hier in Rede stehende Erklärung abzugeben und ein fömliches Gesuch um Uebertragung der Konzession zu stellen. Dann wird auch der Zentralbahn Gelegenheit zu geben sein, diesem Gesuch gegenüber ihren Standpunkt geltend zu machen.

Daß, wenn dem Kanton Bern die Ausführung des Unternehmens zufällt, der Konzession durch einen formellen Akt konstatirt werden muß, versteht sich umsomehr, als sie nicht nach ihrem ganzen Inhalt und Wortlaut für den Kanton Bern passen würde. In formeller Beziehung muß der Eingang und ferner Art. 27 abgeändert, sowie Art. 28 weggelassen, muß überall an die Seile des Wortes ,,Gesellschaft" gesezt werden ,,der Kanton Bern" oder ,,die Verwaltung"; in materieller Beziehung kann dem Kanton Bern nicht zugemuthet werden,, seinen Siz in Basel zu nehmen.

In dem analogen Fall, als die Nordostbahn die Linie Winterthur-Weiach in Folge Prioritätsrechtes an sich zog, wurde gleichfalls ein Uebertragungsbeschluß für nothwendig erachtet (Eisenbahnaktensammlug VII. 827 und 316).

Indem wir noch hinzufügen, daß wir den Konzessionsentwurf der von Ihnen berathenen Normalkonzession angepaßt haben, beantragen wir Ihnen Annahme des nachfolgenden Beschlußentwurfes, und versichern sie beinebens unserer vollkommensten HochachtungBern, den 20. September

1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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{Entwurf)

Buudesbeschlnss betreffend

eine der Schweiz. Zentralbahn zu ertheilende Konzession für eine Eisenbahn von Solothurn nach Schönbühl.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer vom 3. Januar 1873 datirten Eingabe des Direktoriums der Schweiz. Zentralbahngesellschaft, worin sie um die Konzession für eine Eisenbahn Solothurn-Schönbühl nachsucht; 2) der vom 25. Juni und 23. August 1873 datirten Eingaben des Regierungsrathes des Kantons Bern, worin er gegen die Er·theilung der verlangten Konzession Einsprache erhebt," 3) einer Botschaft des Bundesrathes vom 20. Sept. 1873, beschließt: Der schweizerischen Zentralbahngesellschaft wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Solothurn nach Schönbühl auf dem linken Ufer der Enime, unter den in nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen und unter Vorbehalt des Rechtes des Kantons Bern, kraft Art. 4 des Eiscnbahngesezes vom 23. Dezember 1872, den Bau und Betrieb des auf seinem Gebiet liegenden Stükes dieser Bahn selbst zu übernehmen, ertheilt.

O

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgeseze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb · der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von neunundneunzig o Jahren, vom' 1. Mai 1858 an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Siz der Gesellschaft ist in Basel.

818 Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsiz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von sechs Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Vor dem 31. Mai 1874 ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Bis zum 1. August 1878 ist die ganze konzessionirtö Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Trace eine Aenderung desselben zu verlangen, wenn eine solche, durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird unter zweispuriger Expropriation vorerst mit einspurigem Unterbau erstellt. Für Tunnels und übrige Kunstbauten wird der Unterbau sofort zweispurig angelegt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welchedurch die Bauarbeiteii zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthuin desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden worden sind, und an dessen.

Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung derBahn hinsichtlieh der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu gegründeten Klagen Anlaß geben, und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens dreimal nach beiden Richtungen von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Personenzüge, einschließlich der sog. gemischten Züge, haben mit einer mittlern Geschwindigkeit von mindestens 24 Kilometern in einer Zeitstunde zu fahren. Eine geringere Fahrgeschwindigkeit.

819 darf nur in Folge besonderer Bewilligung des Bundesrathes zur Anwendung gelangen.

Art. 13. Das mindestens drei Monate vor der Betriebseröffnung dem Bundesrathe vorzulegende Transportreglement soll nicht vor ausgesprochener Genehmigung in Vollzug gesezt werden. Jede Aenderung desselben unterliegt ebenfalls der Zustimmung des Bundesrathes: Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren. Die sogenannten gemischten Züge mögen ohne Wagen erster Klasse kursiren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben und zwar auf Sizpläzen befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waarenzügen Personen o O , zu befördern. In diesem Falle findet die Vorschrift von Art. 12, Absaz 2, keine Anwendung.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansäze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 10 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Die Taxen für die mit Waarenzügen beförderten Personen sollen um mindestens 20 °/o niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sizplaz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurükgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepak der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 2*/2 Rappen per 50 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rükfahrt am gleichen oder folgenden Tage sind die Personentaxen mindestens 20°/o niedriger anzusezen, als für einfache und einmalige Fahrten.

·820 Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Bcnuzung der gleichen Bahnstreke für Hin- und Rükfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu :spedircn. Ein vom Bundesrathe zu erlassendes Reglement wird "hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansäze bezogen werden : Per Stük und per Kilometer: .Für Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 16 Rp., ,, Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 8 Rp., ,, Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 3 Rappen.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über l, die niedrigste nicht über 5 /io Rappen per 50 Kilogramm und per Kilometer betragen .soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilomer oder 5 Tonnen) von Waaren hat gegenüber den Stüksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirthschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w. in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem G-elde und Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für · 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/n und diejenige für Waaren um' 100 o/u des gewöhnlichen Ansazes erhöht werden.

Traglasten mit la.ndwirthschaftlichen Erzeugnissen, welche in "Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder .in Empfang genommen werden, sind, so weit sie das Gewicht von

821 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, zu bestimmen, daß Waarensendungen bis auf 25 Kilogramm Gewicht stets in Eilfracht befördert werden sollen, ebenso für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen Taxen nach eigenem Ermessen festzusezen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stükes kann auf 40 Rappen festgesezt werden.

Art. 19. i Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüehten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesezt werden.

Art. 20. Bei Festsezung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 25 Kilogramm für volle 25 Kilogramm, bei Waaren in gewöhnlicher Fracht Sendungen zwischen 25 und 50 Kilogramm für volle 50 Kilogramm. Das Mehrgewicht (bei Reisendengepäk und Eilgut über 25, bei Waaren in gewöhnlicher Fracht über 50 Kilogramm) wird nach Einheiten von je 5 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 5 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von 500 Fr. volle 500 Fr.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besizt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Artikeln 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladpläze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, resp. des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thicre und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

.»o1 Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. in.

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Art. 22. Für die Einzelnheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen durch diese Konzession geforderten Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird,dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen acht Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusezen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrath und der Gesellschaft erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals zu deken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansäze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Insofern die Gesellschaft eine grundsäzliche Aenderung der Tarife vorzunehmen beabsichtigen sollte, hat sie ihr daheriges Projekt sammt dem neuen Tarif der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organen freien Zutritt in den Bahnhöfen und die unentgeltliche Benuzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 27. Für die Geltendmachung des Rükkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der betheiligten Kantone, gelten nachfolgende Bestimmungen : a. Der Rükkauf kann frühestens auf 1. Mai 1903, von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rükkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritt desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rükkauf wird der Rükkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstüzungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rükkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustand dem Bund, resp. den Kantonen Bern und Solothurn, abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getban werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds

823 lìazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rükkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rükkauf beträgt, sofern lezterer bis 1. Mai 1918 rechtskräftig wird, den fünfundzwanzigfachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkt, in welchem der Rükkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen, sofern der Rükkauf zwischen dem 1. Mai 1918 und 1. Mai 1933 erfolgt, den 221/2fachen Werth, wenn der Rükkauf zwischen dem 1. Mai 1918 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages, immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds, betragen darf. Bei Ermittlung der Anlagekosten und des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderer etwa damit verbundener Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' leztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefond einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rükkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rukkaufes entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschäzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rükkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 28. Haben die Kantone Bern und Solothurn den Rükkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichts desto weniger befugt, sein daheriges Recht, wie es in Art. 27 definirt worden, jederzeit auszuüben und die Kantone Bern und Solothurn haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Lezterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern kompetent gewesen wäre.

Art. 29. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

·»O«»

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die bernische Jurabahn auf dem Gebiete des Kantons Basel-Stadt.

(Vom 22. September 1873.)

Tit.!

Durch Bundesbeschluß vom 25/26. Juli abhin haben Sie die Frist für den Beginn der Erd arbeiten für die im Gebiete der Kantone Bern (auf der Linie Dachsfelden-Baslergrenze), Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt konzessionirten Linien der bernischen Jurabahn bis zum 30. Herbstmonat 1873 erstrekt.

Mit Eingabe vom 12. dies stellt nun die Direktion der genannten Eisenbahngesellschaft das Gesuch, daß die Frist für die auf stadtbasier Gebiet liegende Streke neuerdings und zwar bis Ende dieses Jahres verlängert werde.

Die Centralbahngesellschaft beabsichtige, in Basel einen Rangirund Güterbahnhof auf dem Felde ,,Wolf zu erstellen; und durch diese Gesellschaft und die Regierung des Kantons Basel-Stadt werde ihr (der bernischen Jurabahn) zugemuthet, ihr Trace nach dem projektirten Rangirbahnhof einzurichten, also erst dann festzustellen, wenn die den leztern betreffende Frage erledigt sei. Ueberdies wolle die Regierung von Basel die Auflage der Katasterpläne be-

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eine der schweiz.

Zentralbahngesellschaft zu ertheilende Konzession für eine Eisenbahn von Solothurn nach Schönbühl. (Vom 20. September 1873.)

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Bundesblatt

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1873

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3

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43

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.09.1873

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811-824

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10 007 873

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