630

# S T #

Bericht der

Mehrheit der nationalräthlichen Kommission, betreffend eidgenössische Gewährleistung zweier genferischer Verfassungsgesetze.

(Vom 24. Juli 1873.)

Tit. !

Gemäß Art. 6 der Bundesverfassung hat der Staatsrath des Kantons Genf dem Bundesrath zuhanden der Bundesversammlung unterm 30. April 1873 zwei Gesetze, welche eine theilweise Abänderung der bestehenden Verfassung dieses Kantons enthalten, zur Genehmigung eingesandt, nämlich: Das Verfassungsgesetz zur Modifikation von Kapitel II des Titels X der Verfassung, betreffend den katholischen Cultus, und das Verfassungsgesetz über die Betheiligung der Schweizerbürger aus andern Kantonen bei den Gemeindewahlen.

Einsprachen gegen diese von der Mehrheit des Genfervolkes am 23. März 1873 angenommenen Gesetze sind beim Bundesrath nicht erhoben worden.

Der Bundesrath empfiehlt diese Gesetze zur Genehmigung, da sie einerseits Nichte den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, und anderseits von der Mehrheit des Genfervolkes angenommen und revidirbar sind.

Erst der B u n d e s v e r s a m m l u n g wurde mit Umgehung des Bundesrathes ein R e k u r s von einer Anzahl katholischer Genfer-

631 bürger -- auf dem Wege gesammelter Unterschriften -- eingegeben, mit dem Ansuchen, dem ersten dieser beiden Verfassungsgesetze die Genehmigung zu verweigern, weil dasselbe incompatibel sei mit einer Reihe von Gesetzen und Verträgen, die Bundesversammlung aber sowohl Verträge und individuelle Rechte, als insbesondere die kantonale und Bundesverfassung zu schützen habe.

Was vorerst in formeller Beziehung die Umgehung des Bundesrathes betrifft, so ist dieselbe auf Pag. 9 des Mémoire à l'appui des recours, etc. folgendermaßen begründet: ,,Si nous n'avons pas adressé d'abord ce recours au Conseil Fédéral, c'est que ce Conseil s'étant déjà constitué juge et partie dans la question religieuse soulevée dans le canton de Genève par l'expulsion arbi· traire de Mgr. Mermillod, nous ne pouvions pas espérer qu'il l'examinât impartialement etc.u Es charakterisirt sich also diese Umgehung als Mangel an Vertrauen in die Gerechtigkeit und Einsicht unserer obersten Behörde, worüber wir kein Wort zu verlieren brauchen. Höchstens konnte es sich fragen, ob wir diesen Fehler gutmachen und den Rekurs vorerst dem Bundesrathe zur Vernehmlassung zustellen sollten; allein die Commission glaubte, der h. Bundesrath würde ihr dafür wenig Dank wissen, und die Genehmigung der GenferVerfassung dadurch ohne Noth verschleppt. Im Uebrigen hat der h. Bundesrath seine Ansicht in dieser Angelegenheit schon zu wiederholten Malen klar und deutlich an den Tag gelegt, vor Allem in seiner Botschaft vom 2. D e c o m b e r 1868 über das G e n f e r Verfassungsgesetz b e t r e f f e n d E r r i c h t u n g eines allgem e i n e n Spitales.

Mit Bezug auf den materiellen Inhalt der Beschwerde mag es am Platze sein, in einem kurzen historischen Ueberblick die Entstehungsgeschichte der angefochtenen Verfassungsgesetze zu beleuchten.

Im T u r i n s r V e r t r a g e vom 16. M ä r z 1816 und zwar in Ausführung des nachträglichen W i e n e r p r o t o k o l l s vom 29. März 1815 wurden dem bis dahin wesentlich reformirten Kanton Genf neue katholische Kantonstheile durch Lostrennung derselben vom Königreiche Sardinien zugefügt, hauptsächlich im Interesse politischer Arrondirung der Grenzverhältnisse. Diese Lostrennung einzelner Gemeinden von Sardinien und deren Verschmelzung mit Genf wurde selbstverständlich an gewisse Bedingungen geknüpft,
welche sämmtlich und ausschließlich den Zweck hatten, die ehemaligen sardinischen Unterthanen vor allfälligen Vergewaltigungen des damals nicht gerade durch Toleranz bekannten calvinistischen Genfs

632 zu schützen (wie ähnliche schützende Bestimmungen übrigens auch ·z. B. in den Abtretungsurkunden des ehemaligen Bisthums Basel vorkommen). Der katholische Cultus, resp. dessen finanzielle Brmöglichung, und die Rechtsgleichheit der Bürger sollten also hiedurch den Neu-Genfern katholischer Religion, vertraglich gesichert .werden. Es ist klar, daß in Folge dessen die Bewohner des von Savoyen losgetrennten Gebietes theilweise unter andern Gesetzen standen, als die Bewohner des übrigen Kantonstheils, ja daß sogar die Bürger derselben Confession (nämlich der katholischen) in Matrimonialsachen verschieden behandelt wurden. Daß dieser Dualismus eine beständige Quelle von Uebelständen und Reibungen aller Art sein mußte, liegt auf der Hand. (Im Jahr 1823 fand sogar eine Intervention des Vorortes zu Gunsten Sardiniens, behufs Vollziehung dieser Turiner-Verträge statt.')

In der neuen G e n f e r - V e r f a s s u n g vom J a h r 1847 stellte man sich noch rückhaltlos auf den Boden dieser Verträge, welche in Art. 134 ausdrücklich vorbehalten wurden; suchte aber einen neuen Modus vivendi zu finden, indem in Art. 130 Unterhandlungen mit der kirchlichen Oberbehörde in Aussicht genommen wurden, insbesondere für die Wahlen der Pfarrer etc., welche inzwischen vom Bischof zu treffen und vom Staatsrath '/,u genehmigen seien.

Erst durch das Verfassungsgesetz vom 26. A u g u s t ;1868, betreffend E r r i c h t u n g eines allgemeinen Spitals wurde die bisherige Basis verlassen und ein neuer Zustand geschaffen.

-Es kann dieser Verfassungsbeschluß als eine Art Compromiß bezeichnet werden: Die Einen, Eigenthiimer von sehr bedeutenden Fonds, zur Unterstützung bloß der Ihrigen bestimmt, verzichten auf ihr ausschließliches Eigentumsrecht und übergeben die Fonds der großen nationalen Gemeinschaft. Die Andern besitzen Ver'träge, die ihnen Garantien und Protection eines fremden Souverains sichern, und verzichten darauf, indem sie bei völliger politischer nnd religiöser Freiheit und Gleichberechtigung ihren Schutz und ihre Garantie im eigenen Lande nunmehr voll und ganz finden.

Beide Confessionen sollten vollständig gleichberechtigt sein, der katholische Cultus aber durch diese Vereinbarung nicht alterirt werden.

Damit war factisch der Turiner- Vertrag, dessen Intentionen nur in anderer Weise erfüllt wurden, dahingefallen, wie denn auch seither die andern Stipulationen (betreffend Schullehrer, Tempel etc.) nicht mehr berücksichtigt worden sind.

633 Gegen dieses durch Volksabstimmung sanctionirte Verfassungs-.

gesetz wurde weder von den Paciscenten und Interessenten des.

Turiner-Vertragesj noch von anderer Seite Einsprache erhoben und demselben durch die Bundesbehörden die Genehmigung ertheilt.

Die inzwischen immer schroffer werdenden Confliete mit Rom, welche die in der Verfassung v. J. 1847 noch vorgesehene Verständigung mit der kirchlichen Oberbehörde zur factischen Unmöglichkeit machten, nöthigten nun den Staatsrath von Genf, seinerseits eine Lösung zu suchen, und das jetzt Ihrer Genehmigung unterbreitete und ebenfalls in aller Form Rechtens vom V o l k a n g e n o m m e n e YerfassungSgCSClz vom 23. März 1873 ist das Resultat jener angestrebten Lösung.

Der Inhalt der bisherigen Art. 130 und 133 wird im Wesentlichen durch folgende Bestimmungen ersetzt: ,,Wahl und Abberufung der Pfarrer und Vikare durch die stimmberechtigten katholischen Bürger. Staatliche Anerkennung (resp. Zurückziehung derselben) des Diöeesanbischofs, dessen Sitz nie in Genf sein darf. Eintheilung der Pfarreien, Wahlmodus für die Geistlichen, Eidesleistung und übrige Organisation wird dem Gesetze vorbehalten.a Nachdem das Genfervolk seinerseits diese Verfassungsgesetze angenommen, wäre es auch ohne Rekurs Aufgabe der Bundesversammlung, zu prüfen, ob dieselben deu Bedingungen von Art. 6 der Bundesverfassung entsprechen. D,i nun aber förmliche Einsprache gegen die nachgesuchte Genehmigung erhoben wurde, so ist insbesondere noch zu untersuchen, ob die von den Recurrenten angerufenen Bestimmungen der Bundes-, resp. Genfer-Kantonal-Verfassung oder die, ähnliche Garantien enthaltenden, Staatsverträge v e r l e t z t seien oder nicht?

Beginnen wir mit dem in erster Linie von den Recurrenten citkten W i e n e r P r o t o k o l l und Turiner-Vertrag. In seiner Botschaft vom Jahr 1868 hat sich der Bundesrath rund und voH dahin ausgesprochen, daß Verträge von der obersten schweizerischen Behörde niemals einseitig aufgehoben werden. Aber solche internationale staatsrechtliche Verträge müssen in ihrer geschichtlichen Bedeutung und mit Bezug auf die ihnen innewohnende Tendenz aufgefaßt und beurtheilt werden. Vorerst kann die selbstständige staatliche Entwicklung durch solche Verträge nicht gehemmt werden; es genügt, diesfalls unsere gegenwärtige Bundesverfasssung und die
Gestaltung Europas mit dem Inhalt der Pariser- und Wienerverträge von 1815 zu vergleichen. Sodann können solche internationale Verträge nicht nur durch gegenseitige Vereinbarung^

634

sondern auch durch stillschweigenden gegenseitigen Consens und nicht weniger durch Wegfall des den Inhalt bildenden Gegenstandes obsolet werden.

Was nun den in Frage liegenden Vertrag betrifft, so ist durch das Verfassungsgesetz vom Jahr 1868 die G l e i c h b e r e c h t i g u n g der katholischen Genfer mit den reformirten hergestellt : die katholische Religion, ihr Quitus, die finanziellen Cultusmittel, die Rechtsgleichheit wurden durch die k a n t o n a l e Verfassung in erster, durch die B u n d e s v e r f a s s u n g in zweiter Linie garantirt, und zwar auf eine Weise, welche wohl Vertrauen einflößen durfte; jedenfalls sind die katholischen Genfer gegenwärtig besser gestellt, als sie es seiner Zeit durch den Turiner-Vertrag waren.

Wenn daher je ein Vertrag, so ist'dieser Turiner-Vertrag gegenstandslos geworden. Darum haben auch im Jahr 1868 die Paciscenten und Interessenten nicht r e m o n s t r i r t ; und erst jetzt, wo in Folge der kirchlichen Streitigkeiten die Auffassjmgen über das, was im katholischen Cultus essentiell, und was davon unabhängig und mehr formeller Natur sei, auseinandergehen, nimmt man an der gefundenen Lösung Anstand und greift auf das vor fünf Jahren U n b e a n s t a n d e t e zurück!

Wir haben also auch hier den jetzt überall auftretenden Conflikt der katholischen Kirche vor uns, und die Untersuchung, ob Verfassungen und Verträge verletzt seien, spitzt sich in die Frage : ob durch die getroffene Regulirung der katholischen Verhältnisse in Genf die katholische Religion selbst, beziehungsweise ihr Cultus, verletzt sei?

Das für die Beantwortung maßgabende Kriterium liegt in der Ausscheidung der rein dogmatischen und der organisatorischen oder constitutionellen Elemente; die erstem sind der Kirche, die letztern dem S t a a t e als Competenz zuzuscheiden.

Die Mehrheit der Commission hält nun dafür, daß das genferische Verfassungsgesetz keinen Eingriff in das Wesen des katholischen Cultus enthält; denn was vorerst die Wahl der Geistlichen d u r c h das Volk betrifft, so finden wir dieselbe an vielen Orten der Schweiz. Im Kanton Appenzell I. Rh. besteht seit alter Zeit nicht nur Wählbarkeit, sondern auch Wiederwählbarkeit der Geistlichen durch das Volk. Und wenn behauptet werden wollte, es sei das ein spezielles Privilegium des h. Vaters, so ist doch anzunehmen,
daß ein solches Privilegium nicht ein Eingriff in das Wesen des katholischen Cultus sein könne. Der Kantonsrath von Wallis wählt sogar den Bischof, und da wird wohl die Wahl der P f a r r e r durch das Volk nicht gefährlicher erscheinen! Die

635 A b b e r u f u n g aber ist nur die natürliche Consequenz der Wahl; wo staatsrechtlich und kirchenrehtlich das Eine möglich ist, kann das Andere nicht unzuläßig sein. Uebrigens, wie oben angedeutet, ist auch die Revocabilität uraltes schweizerisches Recht.

Die Wahl und Abberufung der Geistlichen alterirt also die Glaubensund Cultusfreiheit nicht; sie ist rein constitutioneller, dem Selbstbestimmungsrccht des Volkes und Staates anheimfallender Natur.

Aehnlich verhält es sich mit dem von den Geistlichen verlangten Eid der Treue für Staat und Verfassung. Auch dieser Eid ist alten Rechtes. Im Mittelalter haben die Bischöfe, ohne mit Rom in Conflikt zu kommen, dem Staat den Eid der Treue geleistet. Zur Stunde geschieht dies noch vom Bischof von Basel.

Aber noch mehr: der Eid der Treue gegen den Staat, welcher von den Geistlichen verlangt wird, ist gerade die rechte Schranke für allfällige Conflikte zwischen dem Staat und der Kirche. Treue der Kirche in reinen Cultus- und Glaubenssachen; Treue dem Staat in organisatorischen und constitutionelleu Dingen! M. a. W. ,,Dem Kaiser was des Kaisers, Gott was Gottes ist.a Will dieser Eid verweigert werden, so stellt sich die Kirche von vornherein feindlich zum Staate, auf einem Gebiete, das ihr nicht zukömmt, und es ist gerade dann diese Schranke um so nöthiger!

Daß endlich die Eintheilung der Pfarreien, der Wahlmodus u. dgl. rein organisatorische, dem Staate zukommende Dinge sind, wird wohl nicht bestritten werden, so wenig als --· so viel bekannt ist -- die finanzielle Unterstützung der Genfer katholischen Kirche durch den Staatsrath als ungenügend oder mit Verträgen und Verfassung im Widerspruch stehend angegriffen wird.

Aus dem Angeführten ergiebt sich, daß die recurrirten Verfassungsgesetze den katholischen Kultus nicht alteriren und daher auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Genfer - Katholiken nicht gefährden. Ebensowenig werden die finanzielllen und politischen Rechte der katholischen Genfer-Bürger geschmälert; im Gegentheil sind dieselben durch die Genfer Verfassungsgesetze von 1847, 1868 und 1873 besser gestellt worden, als sie es vorher waren.

Wenn hienach weder von Verletzung des Art. 44 der Bundesverfassung noch der oft citirten Verträge (falls dieselben noch als zu Recht bestehend betrachtet werden sollten) die Rede sein kann,
so bleibt nur noch ein Einwand der Beschwerdeführer zu erörtern übrig,, nämlich die Behauptung, daß, weil die in Art. 130 der GenferVerfassung v. J. 1847 vorgesehene Verständigung mit der kirchlichen Oberbehörde, betreffend die Wahl der Geistlichen, nicht stattgefunden habe, das an die Stelle des Art. 130 tretende neue Verfassungsgesetz eine Verletzung jener Verfassung enthalte.

636 Mit Bezug hierauf ist Folgendes zu erwidern : Es läßt sich der Fall denken, daß in einem Verfassungsgesetze Bestimmungen aufgenommen werden, welche für die Ausführung einzelner Grundsätze oder für die Vornahme der Revision maßgebende und bindende Vorschriften enthalten. Allein das ist iii Art. 130 nicht der Fall. Es verweist derselbe (immerhin unter Vorbehalt der Ratifikation des Großen Rathes) den Modus der Pfarrwahl und die Genehmigung solcher Wahlen allerdings auf eine gütliche Verständigung mit der kirchlichen Oberbehörde; stellt aber für die Zwischenzeit, resp. für den Fall, daß eine solche Verständigung nicht zu Stande kommen sollte, kraft des Selbstbestimmungsrechtes des Kantons Genf, einen bestimmten Modus procedendi auf^ Während ebensogut ein anderer hätte aufgestellt oder die Lösung der Gesetzgebung überwiesen werden können. Es bildet im Fernern dieser Artikel einen abgegränzten Theil des Inhaltes der Verfassung, welcher nach Art. 6 c so gut wie die ganze'Verfassung r e v i d i r b a r sein muß.

Da.nun die damals in Aussicht genommene Verständigung in Folge des inzwischen innerhalb der katholischen Kirche, und zwischen kirchlichen und staatlichen Behörden, entstandenen Confliktes unmöglich geworden ist, hat das Genfer Volk nur von einem ihm verfassungsgemäß zustehenden Rechte Gebrauch gemacht, indem es u n t e r V o r n a h m e einer Partial-Révision der Verfassung,, den alten Art. 130 durch einen neuen A r t i k e l ersetzte, es darauf ankommen lassend, ob das Volk mit dieser Verfassungsrevision einverstanden sei oder nicht. Und in der That ist dies der Fall gewesen. Mit 9081 von 9232 gültigen Stimmen wurde fragliches Verfassungsgesetz angenommen, und wenn, wie behauptet wird, ein Theil der Bevölkerung sich wirklich der Abstimmung enthalten haben sollte, so ist das ihre Sache und kann hier nicht in Betracht fallen, sondern höchstens bedauert werden.

Uebrigens kann die Enthaltung nicht so groß gewesen seiü, wenn man bedenkt, daß bei der Abstimmung über das Verfassungsgesetz von 1868, wo doch beide Parteien einverstanden waren, «ich vori 6770 anwesenden Bürgern 5110 für Annahme ausspracheii; während dies Mal mehr als 9000 Stimmen abgegeben wurden.

Es fällt also auch dieser Einwurf dahin, und es kann, gestützt auf Art. 6 der Bundesverfassung und bei unpartheiischer staatsrechtlicher
Prüfung aller in Frage kommenden Verhältnisse dem vom Genfer Volk angenommenen Verfassungsgesetze die Genehmigung nicht verweigert werden, welche Ansicht auch bereits im Ständerath mit großer Mehrheit zur Geltung gekommen ist.

637

Wir geben allerdings zu, daß diejenigen unserer katholischen Miteidgenossen, welche das Wesen der katholischen Kirche hinsichtlich ihrer dogmatischen Constitution, und damit auch ihr Verhältniß zu Rom anders als wir, d. h. die staatlichen Competenzen nicht anerkennend, auffassen, in diesen organisatorischen Regulirungen der gegenwärtigen Conflikte einen E i n g r i f f in die Competenz ihrer Kirche ' und eine Beeinträchtigung ihres Glaubens erblicken; allein die Mehrheit des Schweizervolkes stellt sich in dieser Streitfrage nicht auf diesen Boden, sondern auf denjenigen, auf welchem auch dieser Entscheid basirt ist, und welcher sich dadurch charakterisirt, daß Alles was rein dogmatischer Natur ist, d. h., was die Glaubens- und Gewissensfreiheit betrifft, ausgeschieden und völlig der Kirche überlassen, und dagegen alles Organisatorische und Constitutionelle unbedingt der Hoheit dès Staates untergeordnet wird, im Bewußtsein, daß nur eine solche Lösung des Conflictes die Unabhängigkeit und die fortschrittliche Entwicklung des Vaterlandes sichert.

Gestützt hierauf, beantragt die Mehrheit der Commission in Uebereinstimmung mit dem Ständerathe Abweisung der Beschwerde , welche gegen das die katholischen Kirchen-Verhältnisse in Genf regulirende Verfassungsaiesetz erhoben wurde.

o o o Mit Bezug auf das zweite, die Betheiligung der Schweizerbürger aus andern Kantonen bei den Gemeindewahlen in Genf betreffende Verfassungsgesetz, welches nicht beanstandet wird, sieht sich die Commission zu keinen Bemerkungen veranlaßt und beantragt einfach Zustimmung zum Antrage des Bundesrathes.

Bern, den 24. Juli 1873.

Namens der Mehrheit der nationalräthlichen Commission, Der Berichtertatter : Dr. Borner.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission, betreffend eidgenössische Gewährleistung zweier genferischer Verfassungsgesetze. (Vom 24. Juli 1873.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1873

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.09.1873

Date Data Seite

630-637

Page Pagina Ref. No

10 007 843

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.