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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Havre (Hrn. E. "Wanner von Nidau) über das Jahr 1872.

(Vom 31. Mai 1873.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Die Lage, welche der Krieg in Frankreich geschaffen hat, ist eine so schlechte, daß es sehr schwierig ist, über das vergangene Jahr ein Urtheil zu fällen, und unthunlich, dasselbe zum Maßstab für die Aussichten der Zukunft zu nehmen. Die politische oder commercielle Organisation des Landes hat wenig Fortschritte gemacht. Dagegen hat dasselbe, trotz der gegenseitigen Befehdung der Partheien, gezeigt, welche ungeheure Hülfsmittel ihm zu Gebote stehen.

Die Anleihe von 3 Milliarden war das große Ereigniß des Jahres.

Die öffentliche Meinung hat begriffen, daß die Befreiung des Territoriums die wichtigste Aufgabe der Gegenwart sei und die dahinzielenden, von der Regierung vorgelegten, fiscalischen Gesetze wurden trotz ihres gegen manche Ansichten verstoßenden Inhaltes genehmigt. Das Unterrichtswesen entwickelt sich in Havre in erfreulicher Weise Dank der Unterstützung einer aufrichtig republi-

210 kanischen und liberalen Gemeindsbehörde. Wir haben zahlreiche öffentliche und unentgeltliche Unterrichtscurse, und in den Sälen des Stadthauses während des Winters alle Sonntage öffentliche Vorlesungen, welche von einer Menge von Zuhörern aus allea Klassen der Gesellschaft besucht werden. Die Zahl unserer Schulen vermehrt sich und unsere Gemeindsbehörde marschirt kräftig an der Spitze der auf die Umgestaltung des Unterrichtswesens gerichteten Bewegung.

Unser Handel hat nicht unter dem Münzmangel gelitten, welchen Umstand wir dem zahlreichen, durch die Banque de France emittirten kleinen Papiergelde, welches ohne die geringste Schwierigkeit reichlich circulirte, zu verdanken hatten. Trotz der über den Handelsverträgen mit verschiedenen Mächten schwebenden Ungewißheit schreitet Havre in der Umwandlung seiner Handelsmarine aus Segelschiffen in Dampfschiffe voran, um den friedlichen Kampf mit den rivalisirenden Marinen wieder aufnehmen zu können.

Die große Gesellschaft der Werkstätten und Werften des Mittelmeeres (forges et chantiers de la Méditerranée), welche hier große Werften errichtete, hat bedeutende Aufträge zum Bau großer Dampfer erhalten.

Wir besitzen bereits wichtige, sowohl französische als ausländische regelmäßige Dampfbootverbindungen.

Hierfolgend gebe ich Ihnen das Verzeichniß derjenigen Dampferlinien, welche Havre direct mit ijirem Bestimmungsort verbinden.

Nach New-York.

Die ,,Compagnie générale transatlantique", Abreise alle 14 Tage (Donnerstag oder Freitag) Brest anlaufend.

Preise der Plätze für New-York I. Fr. 625 à 700 H. ,, 370 HI. ,, 240 Die ,,Hamburg-amerikanische Paeketfahrtactiengesellschafttt, Abreise alle Samstage.

Die englische ,,National linea, Abreise unregelmäßig. Preise ver.änderlich.

..

Nach .New-Orléans und Havana.

Bremer-Dampf boote, alle 14 Tage vom September bis April.

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Nach Brasilien und La Piata (Fernambuco, Bahia, RioJaneiro, Montevideo, Buenos-Ayres, Rosario).

,,Compagnie française des Chargeurs réunies, den 1. nach Brasilien, den 16. nach La Piata.

(Diese Abfahrten sind in Folge des gelben Fiebers in Brasilien etwas unregelmäßig geworden.)

Preise der Plätze: 1.

n.

HI.

Nach Fernambuco .

.

. 500 425 ,, Bahia 550 475 «SA ,, Rio-Janeiro oder Santos . 600 500 ,, Montevideo und Buenos-Ayres 650 550 Nach Valparaiso, Arica, I s l a y , Callao (Linie) durch die Magellanstraße.

Mit den Dampfbooten der Hamburger-Gesellschaft Kosmos.

Montevideo anlaufend, einmal monatlich.

Nach den Antillen, der Côte ferme und pacifis eli e n Küste.

Mit den Dampfbooten der Hamburg-amerikanischen Packetfahrtactiengesellschaft.

Sie bedienen St. Thomas, Laguayra, Puerto Caballo, Curaçao, Maracaibo (via Curaçao), Colon, Pavanilla, Trinidad und die Häfen des stillen Océans, China und Japan, via Panama. Directe Abfahrt den 28. jeden Monats.

Nach Algier, Messina, dem P i r ä u s , S m y r n a , Cons t a n t i n o p e l , Odessa.

Durch eine französische Linie, den 30. jeden Monats.

Nach Lissabon, Porto, Cadix, Sevilla, Gibraltar und Malaga.

Durch eine französische Linie den 1., 11. und 21. jeden Monats.

Nach S a n S e b a s t i a n , B i l b a o , S a n t a n d e r , C o r u n n a , Vigo, L i s s a b o n , Oporto, C a d i x , G i b r a l t a r , Malaga und Sevilla, C a r t h a g e n a , A l l e a n t e , Valencia, Barcelona, Genua, Livorno, Neapel, C i v i t a - v e c c h i a , M e s s i n a , Palermo.

Durch unregelmäßige Dampfboote.

N a c h L o n d o n , mit einem englischen Dampfboot, alle Sonntage.

212

N a c h L i v e r p o o l , mit einer englischen Linie, zweimal wöchentlich (Dienstag und Freitag).

Nach S o u t h a m p t o n , mit einer englischen Linie, Montag, Mittwoch und Freitag.

N a c h S o u t h a m p t o n und B r i s t o l , mit einer englischen Linie, alle 10 Tage.

N a c h D u b l i n und G l a s g o w , mit einer englischen Linie, alle 8 Tage.

Nach St. P e t e r s b u r g , K o p e n h a g e n und R e v e l anlaufend , mit einer französischen Linie, zwei- oder dreimal monatlich.

Nach R o t t e r d a m , mit einer holländischen Linie," alle drei oder vier Tage.

N a c h A n t w e r p e n , mit einer französischen Linie ^ alle 5 Tage.

N a c h H ü l l , mit einer englischen Linie, alle 10 Tage.

N|ach B o r d e a u x und H a m b u r g , mit einer französischen und einer Hamburger Linie, zweimal wöchentlich.

N a c h D ü n k i r c h e n , mit zwei französischen Linien, Abfahrt häufig.

Nach Marseille und Genua, mit einer französischen Linie, alle 20 Tage.

Nach Bay on ne, mit einem französischen Dampfboot, einmal monatlich.

N a c h Stettin, C o t h e n b u r g und Stockholm, mit einem schwedischen Dampfboot, zweimal monatlich.

Nach C h e r b o u r g , mit einer französischen Linie, zweimal wöchentlich.

lieber England können wir überdieß mit Dampfbooten nach allen Orten der Erde Waaren versenden, indem wir uns hier directe Frachtbriefe nach allen Bestimmungsorten durch die Agenten der verschiedenen deutschen oder englischen Kompagnien geben lassen.

Die Frachtpreise haben sich in Folge dessen bedeutend erniedrigt. So können wir oft mit den Dampf'booten der Compagnie transatlantique nach New-York zu 25 Fr. per Kubikmeter frachten.

213 Wenn es möglich wäre, von den Eisenbahngesellschaften in besscrm Verständniß ihrer eigenen Interessen einer Herabsezung ihres Tarifs zu erlangen, so würde ohne Zweifel Havre der alleinige und Gesammt-Stapelplatz für alle nach Amerika bestimmten schweizerischen Waaren werden.

Jedoch müßte immerhin auch die Zollbehörde weniger streng mit den Waaren verfahren, welche das französische Gebiet bloß im Transit sozusagen leihweise betreten. Es ist indeß zu hoffen, daß die Bemühungen, welche unsere Handelswelt dieser Frage widmet, von einem den Interessen dienenden Erfolge gekrönt werden.

Die Auswanderung hat dieses Jahr eine große Ausdehnung gewonnen und unsere Quais und Straßen sind einige Zeit lang von Italienern wahrhaft überschwemmt worden.

Es haben sich im Jahr 1872 in Havre eingeschifft : 5,183 schweizerische Auswanderer, 760 ,, von Hamburg kommend, 5,943 in Summa aus Havre expedirt.

^ Unser Auswanderungscommissariat leistet ihnen Ogroße Dienste O und überwacht sogar die Ueberlädung derjenigen, welche die Liverpooler Linien benützen.

Auch wurden meine Dienste von einer großen Zahl von Auswanderern in Anspruch genommen, welchen ich auf ihre Bitte hin Reiseverträge in die Schweiz sandte. Sie erhalten auf diese Weise in den Bahnhöfen von Sitten, Genf, Biel, Neuchatel Fahrbillets zu reducirten Emigrantenpreisen. In Basel dagegen können sie keine solchen mehr erhalten. Sie sind genöthigt, mit gewöhnlichen Billets nach Beifort zu fahren, wo sie Emigrantenbillets nach Havre erhalten.

Noch ' fortwährend werde ich von Unglücklichen bestürmt, welche ohne einen Rappen in der Tasche hier anlangen, in der Hoffnung, sich ohne Geld einschiffen zu können und ihre Ueberfahrt mit Arbeit abzuverdienen. Mehrentheils bin ich genöthigt, sie nach Paris zurück zu schicken, mit Empfehlung an imsern Minister in Paris, deren Rückkehr ins Vaterland zu besorgen. Ich hatte deren 30 im letzten Jahr. In Bezug auf die Auswanderung möchte ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf einen Umstand lenken, welcher unsere Schweizer oft in große Verlegenheit bringt, weil sie es unterlassen, ihren Reisevertrag aufmerksam durchzulesen. Viele glauben nämlich, nach Entrichtung ihrer Vertragsverbindlichkeit in der

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·Schweiz auf der Reise nichts mehr bezahlen zu haben, und sind dann höchlich erstaunt, daß man ihnen hier noch 12 bis 15 Fr.

an Bettzeug abfordert. Daher sollten diejenigen, welche ihr Bettzeug nicht mit sich führen, sorgfältig darauf achten, daß dasselbe im entrichteten Betrage inbegriffen und dessen Bezahlung im Reisevertrage ausdrücklich erwähnt sei. Ich war oft im Falle, solchen Reisenden durch meine Dazwischenkunft zu diesem Bettzeug verhelfen zu müssen, da es ihnen unmöglich war, auch nur einen Rappen dafür auszulegen.

Die maritime Bewegung unseres Seehafens weist für überseeische Schiffahrt folgende Zahlen auf: 814 eingelaufene Fahrzeuge.

722 ausgelaufene ,, Beiliegend erhalten Sie eine Tabelle über Einfuhr und Ausfuhr unserer hauptsächlichsten Artikel während der letzten 3 Jahre.

Die Schweizer-Gesellschaft von Havre, welche'im Jahr 1871 zum Zweck engerer freundschaftlicher Vereinigung und Unterstützung zwischen den hier ansäßigen Landsleuten gegründet wurde, erfreut sich zunehmenden Gedeihens. Sie zählt 137 Mitglieder, welche sich in einem geräumigen Lokal, mit großem Saal, Billardzimmer, Café und Bibliothek, versammeln.

Der erste Samstag jeden Monats vereinigt uns alle zu einem kleinen Feste, an welchem wir uns mit Vocal- und Instrumentalmusik und der Aufführung von Lustspielen auf einer kleinen zu diesem Zwecke hergerichteten Bühne erheitern. Wir verdanken dieselbe der Hingebung unseres Gesangvereins und anderer Personen, welche sich zur Unterhaltung der Gäste berufen fühlen.

V-or Kurzem hat man auch eine große Localität zum Schießen eingerichtet und eine bedeutende Anzahl unserer Schweizer haben sich beeilt, in den Schützenverein, sowie in den Turnverein einzutreten.

Einfuhr und Absatz unserei* hauptsächlichsten Waaren.

1872.

Einfuhr.

Mahagoni (Kugeln) Färberholz (Tonnen) Cacao (Säcke) Catechu ,, Caffee ,, Cedernholz (Kugeln) Cochenille (Kollis) Baumwolle (Ballen) Pferdehaar (Kollis) Leder (Stücke) ,, (Pack) Kupfer Curmuna (Kollis) .

Petroleum (Faß) .

Wallfischthran (Faß) Leberthran fl Palmöl ,, Kokosöl ,, Fischbein (Pack) Gram bies Indigo Guano (Kollis) Jute (Ballen)

Absatz.

1871.

Einfuhr.

Absatz.

1870.

Einfuhr.

Absatz.

.

.

.

.'

.

.

47,350 -- 18,789 -- 20,001 -- 36,114 -- 40 760 -- 53,976 -- 60,300 -- 43,657 -- 83,617 -- 10.522 -- 16,682 -- 1,291 -- . 315,313 410,047 464,541 356,823 537,334 749,555 2,264 -- 4,779 -- 5,688 -- 780 -- 516 -- 780 -- . 523,282 495,072 505,151 406,077 164,247 . -- 985 -- 2,590 -- .

2,221 -- 576,792 -- 894,529 -- . 850,946 -- 928 -- 7,339 -- 2,308 -- -- -- -- -- -- -- 14,232 -- 5,509 -- 2,705 -- 116,247 -- 105,434-- . 136,504 -- 6,574 -- 16,238 -- 5,690 -- 2,068 -- 2,472 -- 3,901 -- 5,493 -- 9,888 -- 9,621 895 -- 267 -- . . 863 -- 2,011 -- 1,800 -- 1,981 -- 263 -- 172 -- 1,873 -- 2,504 4,489 2,358 2,107 4,704 3,720 20,450 -- .

16,000 -- 16.690 -- 12,538 -- . 12,306 --

to £

Einfuhr und Absatz unserer hauptsächlichsten Waaren.

21 6

1871.

1872.

Einfuhr.

Färberlack (Kisten) .

.

.

.

.

87 Wolle und Schafhäute (Pack) 84,496 150,344 Natronsalpeter (Säcke) .

1,809 Kalisalpeter ,, .

.

.

.

.

6,839" Farbmoos (Ballen) .

.

.

.

.

Pfeffer (Säcke) 1,503 Gesalzenes Schweinefleisch (Fässer und Kisten) 44,276 Potasche und Perlasche (Fässer) .

2,235 Amerikanische Eichenrinde (Packfaß) .

120 ,, ,, (Säcke) 10,636 22,467 Reis (Kollis) 1,779 Orlean (Kollis) 42,966 Schweineschmalz (Faß) .

.

.

.

15,012 Zucker, franz. Antillen (Faß) 2,291 ,, Cuba, Porto-Rico, Brasilien (Faß) ,, Havana (Kisten) .

.

.

. 43,575 6,760 ,, Brasilien (Säcke) ,, Indien ,, .

.

.

. 12,130 61,452 Unschlitt (Kollis) 11,272 Tapioca ,, .

.

.

.

.

.

7,421 Thee ,, .

.

1870.

Absatz.

--

Einfuhr.

22

Absatz.

--

-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

75,961 37,081

--

-- -- 1,554 -- 13,871 . -- 12,264 -- 1,699 -- 58 -- 6,600 -- 64,361 -- 1,220 -- -- -- 18,822 -- · 545 -- 2,145 -- 3,781 -- 12,399 , -- 34,519 -- 11,272 -- 7,292 --

Einfuhr.

Absatz

409 75,961 90,318

1,926

--

2,717 338 3,308

-- --

1,459

--

30,766 3,180 75,444 3,192 1,950 51,975

-- -- -- -- --

6,334

--

217

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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Triest (Hrn. Wilhelm Cloetta von Bergün, Graubünden) über das Jahr 1872.

(Vom 9. Juni 1873.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

E r s t e r T h eil.

I. Lage im Allgemeinen und Handelsgesetzgebung.

So wie im vergangenen, ist auch in diesem Jahre in der Bearbeitung des statistischen Materials eine solche Verzögerung eingetreten, daß selbst jetzt noch, also ziemlich spät, der gegenwärtige Bericht nur fragmentarisch der Statistik Rechnung tragen kann und nur, um nicht durch zu verspätete Vorlage fast werthlos zu werden, trotz diesem Mangel dennoch von dem Gefertigten unterbreitet wird.

Die allgemeine Lage besprechend, muß dieselbe als wie einem Friedensjahre entsprechende ruhige und normale bezeichnet werden, wobei es sich von selbst versteht, daß die Oesterreich-Ungarn eigenthümliche Zusammensetzung der Bevölkerung den Begriff des Normalen und Ruhigen nur beziehungsweise in seinem natürlichen Werthe gelten läßt. -- Es sind nämlich die, namentlich Galizien und Böhmen durchzitternden Nationalitäten- und Parteibestrebungen.

Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. IV.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Konsuls in Havre (Hrn. E. Wanner von Nidau) über das Jahr 1872.

(Vom 31. Mai 1873.)

In

Bundesblatt

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Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1873

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

49

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.11.1873

Date Data Seite

209-217

Page Pagina Ref. No

10 007 929

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