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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Ergänzung des Art. 8 im Bundesgesez über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

(Vom 23. Juli 1873.)

Tit.!

Bei Anlaß der Kassation der Tessiner Nationalrathswahlen hat der Nationalrath den Bundesrath eingeladen,, ,,zu prüfen, ob nicht in das Bundesgesez über die eidg.

,,Wahlen und Abstimmungen vom 19. Juli 1872 Vor,,schriften aufzunehmen, seien, welche den Wahlern die ,,Möglichkeit der Stimmabgabe in thunlichster Nahe ,,ihres Wohnsizes sichern und über das Ergebniß dieser ,,Prüfung im Laufe der gegenwartigen Session Bericht ,,und Antrag einzubringen.a Die Veranlaßung zu diesem Beschlüsse war die bei Untersuchung der Nationalrathswahlen im Kanton Tessin gemachte Wahrnehmung, daß in genanntem Kanton die Stimmberechtigten bei eidg.

Wahlen und Abstimmungen von ihren Wohnsizen bis zu den Orten der Stimmabgabe mehrere Stunden zurükzulegen haben, und die gewonnene Ueberzeugung, daß die Unregelmäßigkeiten, welche die Kassation der Wahlen zur Folge hatten, wesentlich mit dieser Ordnung für Wahlen und Abstimmungen zusammenhangen.

188 Die .Untersuchung des Verfahrens in deji verschiedenen Kantonen, soweit dieselbe bei der kurzzugemessenen Frist möglich war, hat ergeben, daß weitaus in der größten Z^ahl von Kantonen die Stimmabgabe bei eidg. Wahlen und Abstimmungen in den Gemeinden stattfindet, wobei Viele überdies die Erleichterung gewähren, daß bei größern Gemeinden Stimmbüreaux für Abtheilungen.

derselben eingerichtet werden.

Im Kanton Tessin dagegen erfolgte die Abstimmung in den Hauptorten der 38 Circoli, in welche der Kanton getheilt ist.

Der Staatsrath des Kantons Tessin, über das Postulat des h. Nationalraths zur Vernehmlassung eingeladen, hat mit Telegramm vom 17. dies sich folgendermaßen ausgesprochen: Retenu que les dispositions que Ton va prendre ne soient point une mesure exceptionnelle pour le Tessin, le Conseil d'Etat s'il y sera autorisé par des prescriptions fédérales pourra aussi pour les prochaines élections remédier aux inconvénients signalés à cause des distances. Dans ce cas les élections pourront avoir, lieu avant la prochaine, réunion éventuelle de l'automne du Conseil national.

En tout cas, le Conseil d'Etat doit se prononcer absolument contraire au vote par commune pour divers motifs de la plus haute importance.

Inzwischen ist aus dem Kanton Tessin eine von Tag zu Tag sich mehrende Zahl von Petitionen von Gemeinden eingelangt, welche alle Ermöglichung der Abstimmung in den Gemeinden verlangen. Solche Petitionen liegen bis jezt aus folgenden Gemeinden vor: Vezio, Fescoggia, Aranno, Neggio, Novaggio, Curio, Pambio, Biogiio, Astano, Comano, Breganzona, Bodio, Intragua, Melide, Orsalina, JPotlegio und Savosa, ebenso eine Petition in gleichem Sinne von den Sektionen der eidgenössischen Gesellschaft in Locamo und Lugano und ferner eine Eingabe von Bürgern in Locamo.

Mündliche Informationen bei den ständeräthlichen Deputirten von Tessin lauteten dahin, daß das System der gemeindeweisen Abstimmungen schon früher von einem großen Theile des Kantons verlangt worden und bei der Berathung im Großen Rathe nur mit wenig Stimmen in der Minderheit geblieben sei, daß der Große Rath dagegen jezt ganz ohne Zweifel sich für die Abstimmung in den Gemeinden entgegen der jezigen . in den Circoli entscheiden würde.

Die Frage, ob Abstimmung in größern Kreisen oder in den einzelnen Gemeinden oder deren Abtheilungen, hängt aehr enge mit der Frage der offenen und geheimen Abstimmung zusammen.

Bei offener Abstimmung mag es sehr gerechtfertigt erscheinen, daß

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die Wähler von einer größern Anzahl von Gemeinden zusammengenommen werden, da dadurch unzweifelhaft die Freiheit des einzelnen Wählers geschirmt wird. Geht aber die Abstimmung auf dem Wege geschlossener Stirnmzedel vor sich, so fällt der Hauptgrund für Zusammenberufung der Stimmberechtigten zu größeren Versammlungen dahin, und es erlischt auch das Interesse, welches bei offener Abstimmung den Besuch größerer Wahlversammlungen selbst mit größeren Distanzen erträglich machte.

Nachdem nun das Bundesgesez für alle eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen geheime Stimmabgabe vorgeschrieben hat und die aus dem Kanton Tessin eingelangten Petitionen um Wiedereinführung der offenen Abstimmung von beiden Räthen .in ablehnendem Sinne erledigt worden sind, sollte sich in Tessin und überall, wo dies nicht bereits gesehen ist, an die geheime Stimmabgabe die Einrichtung anschließen, welche den Stimmberechtigten eine, möglichst wenig Opfer an Zeit und Geld erfordernde Ausübung ihres Stimmrechts gestattet.

Wir hätten nun zwar gerne gewünscht, unserm Bericht und Antrag für Aufnahme eines Zusazes zu dem Bundesgesez betreffend eidgenössische Wahlen und Abstimmungen eine genauere Ermittlung des zu normirenden Verfahrens in den Kantonen, und namentlich auch weitere Verhandlungen mit dem Staatsrath von Tessin vorausgehen lassen zu können. Da es aber von Wichtigkeit ist, schon für die vor der nächsten Session der Bundesversammlung zu treffenden Wahlen die Uebelstände zu beseitigen, welche nun schon wiederholt zu spätem Wahlbeanstandungen und Wahlkassatiouen geführt haben und Ihrerseits deßhalb noch im Laufe dieser Sizung eine Vorlage gewünscht worden ist, so beehren wir uns, Ihnen mit diesem kurzen Berichte den nachstehenden Antrag zu unterbreiten.

Uebrigens beuuzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versicheru.

B e r n , den 23. Juli 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der V i z e p r ä s i d e n t : Schenk.

" Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Ergänzung des Art. 8 im Bundesgesez über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

Dje B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 23. Juli

1873, beschließt: Art. 1. Der Art. 8 des Bundesgesezes betreffend die eidg.

Wahlen und Abstimmungen erhält nachfolgenden Zusaz : .,,Die Anordnungen bezüglich des Ortes der Wahlen ,,und Abstimmungen sind so zu- treffen, daß der Stimm,,berechtigte seine Stimme in der politischen Gemeinde, zu ,,welcher er gehört, abgeben kann."

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Konzession· von Touristenbahnen im Berner Oberland.

(Vom 23. Juli 1873.)

Tit. !

Die schweizerische Baugesellschaft der Jurabahnen projektirt, im Berner Oberland ein Nez von Eisenbahnen herzustellen, in erster Linie eine Thalbahn von Bönigen über Gsteig und Zweilütschinen einerseits nach Lauterbrunnen, andererseits nach dem Grindelwaldgletscher, und eine Bergbahn von Lauterbrunnen über die Wengernalp nach Grindelwald, in zweiter Linie eine Thalbahn von Interlaken nach Gsteig und folgende Bergbahnen : von Lauterbrunnen nach Murren, von Grindelwald über Großscheidegg und Rosenlaui nach Meiringen und von Großscheidegg auf das Faulhorn und die Scheinige Platte.

Wie die um die Konzession sich bewerbende Gesellschaft ausführt, bezweken diese Bahnen hauptsächlich eine Erleichterung des Touristenverkehrs, welche zu einem dringenden Bedürfniß geworden sei. Eicht nur vermögen die vorhandenen Pferde und Wagen die Masse von Reisenden nicht mehr zu befördern, sondern die großen Kosten und die vielen Plakereien, welche mit dieser Transporteinrichtung verbunden seien, beeinträchtigen die Zugänglichkeit und den wohlthätigen Einfluß unserer Gebirgsnatur. Es sei zu erwarten, daß auf allen von der Bahn berührten. aussichtsreichen und doch

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Ergänzung des Art.

8 im Bundesgesez über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen. (Vom 23. Juli 1873.)

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Jahr

1873

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3

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35

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02.08.1873

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187-191

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10 007 773

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